Impressionen eines Wochenendes (19): Neues im PS.Speicher

Einbeck ist für vieles bekannt: Für die historische Altstadt, für das Bockbier, die Tierquälereien von Till Eulenspiegel, dafür, dass ich dort geboren wurde und seit einigen Jahren auch für den PS-Speicher.

Das ist ein ehemaliger Kornspeicher, den einer der Gründer von Poco-Domäne (das mit der Katzenberger, wissen schon) gekauft und für seine Sammlung umgebaut hat. Die Sammlung, das sind allerhand Exponate. Allen gemein ist: Sie haben Motoren und Räder.

Der Besuch im PS-Speicher beginnt mit der Fahrt in einer Zeitmaschine. Die sieht zwar aus wie ein Fahrstuhl, bringt einen aber ganz an die Anfänge der Motorisierung. Allererste Fahrräder mit Hilfsmotor und automobile Vorfahren sind hier zu sehen.

Es gibt schöne und hässliche und skurrile Fahrzeuge zu bestaunen. Skurril wie dieses Ding, das den Motor in der Radnabe hat:


Oder den dreirädrigen „Goliath“

Es gibt Fahrzeuge für Bonzen zu bestaunen…

…und solche für die nicht ganz so betuchten:

Kriege sind immer eine Zäsur, nicht nur für den Fahrzeugbau.

Nach dem Krieg gibt es Autos, die mit Holz angetrieben werden:

Nach den schwierigen Jahren wird es bunter und lebendiger, und die Ausstellung reflektiert das über schöne Dioramen:

Immer wieder gibt es Kontext, Kontext, Kontext. Die Fahrzeuge werden in den Kontext ihrer Zeit eingeordnet und das Lebensgefühl der Epoche verdeutlicht. So muss eine gute Ausstellung aussehen!

Natürlich gibt es auch an allen Ecken was zu lernen. Das die ersten Autofahrer sich in „Herrenfahrer“ und „Automobilbesitzer“ aufteilten. Der Unterschied: Herrenfahrer fuhren selbst, Automobilbesitzer ließen das einen Chauffeur erledigen.

Oder die Tatsache, das 21 in den 1920er Jahren 450 Motorradmanufakturen gab! Eine interaktive Karte zeigt die Zahl der Hersteller über einen Verlauf von 100 Jahren. Faszinierend!

Oder der Motorraddesigner Ernst Neumann-Neander, der allen Ernstes dem Moppedfahren heilsame Kräfte zu schrieb:

„Meine Herren Zeitgenossen, der Gipfel der Motorfahrkultur besteht in dem Luftbade! Sie können damit, wenn richtig angewendet, die tollsten Krankheiten heilen (…). Sie lassen sich hundert Mal mehr Sauerstoff durch den Kadaver blasen als irgendein Spaziergänger (…). Drei Tage in so einem Gebläse ersetzt eine Badereise von sechs Wochen. Es könnte auch sein, dass die Medizin die ungeheure Heilkraft schneller Fahrt im komprimierten Luftstrom bei viel Augenbildern erkannt, verordnet und methodisch kultiviert.“

Wer mich fragt: Ich glaube, Neuman-Neander hat da wen getrollt. Lustig ist das Zitat allemal.

Nach den 50ern und 60ern gibt es einige Kleinwagen, die es so nirgendwo mehr zu sehen gibt.

Dann schwenkt die Ausstellung langsam über die 70er in Richtung Jetztzeit.

Zwei meiner Lieblingsexponate, weil ich sie beide besessen habe: Eine Simson S51b und eine ZZR600. Letztere ein Unfallfahrzeug, was die Gefahren von herkömmlichen Leitplanken verdeutlicht.

Zu Motorradsicherheit im Wandel der Zeit gibt es einen neuen, aber kleinen Showroom. Er zeigt auch die Entwicklung von Motorradklamotten anhand einiger Stücke.

Dann geht es in Richtung Zukunft und alternativer Antriebe.

Das wird gleich in einer von zwei temporären Ausstellungen weitergeführt. „130 Jahre Elektroantrieb“ ist die betitelt. Und tatsächlich, das erste deutsche Elektromobil wurde 1888 gebaut! Die verschwanden nur, weil plötzlich die Verbrenner kamen. Faszinierender Gedanke: In einer anderen Zeitlinie hat sich der E-Antrieb durchgesetzt, und das Erdöl blieb im Boden.

Neben dem unvermeidlichen Tesla Model S und dem Twizzy sind interessante E-Mobile ausgestellt. Ganz neue, wie der Post eTransporter…

…und ganz alte, wie diese Dinger hier:

Stellt sich raus: Nach der Erdölkrise 1973 kamen ganz schnell Elektromobile auf den Markt…

Die verschwanden aber wieder, als die Ölkrise abflaute. Immerhin gibt es heute alltagstaugliche eMotorräder, die man sogar in einem Enduropark 30 km von Einbeck ausprobieren kann. Diese Studie hier leider nicht, aber echte Dirtbikes gibt es im http://www.electricridepark.de in Uslar.

In einer weiteren Sonderausstellung gibt „Herzklopfen auf Rädern“, ganz besonders schöne und besondere Exponate.

Die DS ist fraglos schön, aber die Wraith fällt eindeutig unter „Besonders“.

Rund 2-3 Stunden muss man einplanen, um die sechs Etagen voller Exponate zu bestaunen. Der PS-Speicher hat seit neuestem auch ein Nutzfahrzeugdepot am Stadtrand von Einbeck, aber das lohnt einen separaten Besuch. Was man aber gut nach einem Besuch im PS-Speicher machen kann: Einmal um die Ecke gehen. Da steht man dann mitten in der Innenstadt, die ganz schön schräg ist.

Hier kann man dann im „Brodhaus“ mit Blick auf das historische Rathaus den Besuch bei einem Senfschnitzel und einem Kellerbier ausklingen lassen.

Kategorien: Ganz Kurz | 6 Kommentare

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6 Gedanken zu „Impressionen eines Wochenendes (19): Neues im PS.Speicher

  1. zwerch

    Herr Ernst Neumann-Neander hatte doch recht…
    wer Motorrad fährt braucht keinewrlei Therapien 😉

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  2. Wieder ein toller Hochglanzbericht zu einem sehr interessanten Reiseziel! Ich gebe zu, Einbeck und den Ps. Speicher musste ich erst einmal googlen – jetzt sind sie aber schon mal für einen Wochenendtrip bei mir gespeichert.

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  3. modnerd1138

    Einmal mehr interessant, wie verschieden unsere Blickwinkel und Wahrnehmungen sind …

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  4. Zwerch: Stimmt 😉

    HerBert: Danke! Ich hoffe, ich lese dann bei Dir, wie es war!

    Modnerd: wie, war nicht interessant? Was hast du denn wahrgenommen?

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  5. modnerd1138

    Ich meine nur, dass du eine ganze Menge Dinge gesehen und festgehalten hast, an die ich mich nicht erinnern kann. Oder länger an Dingen verweilt bist.
    Wir hatten den Effekt ja auch schon bei den gemeinsamen Reisen die wir hier dokumentiert haben 🙂

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  6. Ah, OK 🙂

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