Thermische Erregungsprüfung

Ich musste mich gerade einer „peripheren, thermischen, vestibulären Erregungsprüfung“ unterziehen. Das kam so.

Am Samstag lungerte ich so auf dem Balkon rum und dachte mir: Mensch, hier könnteste mal wieder fegen. Also ich den Besen in die Hand und so feg, feg…

Plötzlich wurde mir leicht schwindelig, und der leichte Piepton, den ich in den Tag schon gelegentlich im Ohr hatte, wurde lauter. Und dann war plötzlich das linke Ohr taub. Einfach so.

Das blieb auch so, für den Rest des Samstags. Auf dem linken Ohr hörte ich nahezu gar nichts, außer diesem unangenehmen Piepton. Das sind so die klassischen Anzeichen für einen Hörsturz. Früher hätte man gesagt: „Uh, Hörsturz! Notfall! Blaulicht, Tatütata, Krankenhaus, Cortisoninfusion!“

Macht man aber heute nicht mehr, heute sagt man erst mal: Abwarten, Tee trinken, in den meisten Fällen geht das nach 24-48 Stunden von alleine weg.

Tatsächlich war es am nächsten Tag ein wenig besser. Der Piepton war leiser, aber das Gehör war immer noch so, als hätte ich ordentlich Wasser im Ohr. Am Tag drauf auch, also bin ich dann mal zur HNO-Ärztin gegangen. Die hat erst in die Ohren geguckt, um zu gucken, ob die auch sauber sind und nichts den Hörgang verstopft. Dann gab´s einen Hörtest, bei dem man halt einen Knopf drücken muss, wenn man einen Ton hört. Die Frequenzen der Testtöne ändern sich, und genau auf der Frequenz des Tinnitus hört man lange Zeit nichts.

Dann kam das, was ich noch nicht kannte: Die thermische, vestibuläre Erregungsprüfung. Die geht so: Man bekommt 44 Grad warmes Wasser ins Ohr gespült, dann fällt man einfach um. Deshalb ist es gut, dass man dabei auf einer Liege liegt, wegen der Verletzungsgefahr und so.

Das warme Wasser regt nämlich das Gleichgewichtsorgan im Ohr an. In den Bogengängen beginnt Flüssigkeit zu rauschen, und nahezu sofort wird einem schwindelig. Das Zimmer beginnt sich so rasant zu drehen, als hätte man gerade einen doppelten Absinth auf Ex getrunken.

Das sieht man aber nicht, denn man trägt eine Art Skibrille, und in der ist es absolut dunkel. In der Brille sind Videokameras, die die Augenbewegung messen. Je nachdem, ob das warme Wasser im linken oder im rechten Ohr war, dreht sich das Zimmer nach links oder rechts. Das sagt zumindest der Gleichgewichtssinn den Augen, und die versuchen das zu erfassen und zucken in einem wilden Stagmus entgegen der Drehrichtung. Zucken die Augen nicht, ist der Gleichgewichtssinn angeschlagen.

Faszinierend, oder? Ich zumindest hatte von diesem Test noch nie was gehört. Und man, ist der unangenehm. Wie Achterbahnfahren im Dunkeln.

Am Ende die Diagnose: Mit meinem Gleichgewichtssinn ist alles OK, mit dem Rest auch. Es war wohl tatsächlich ein Hörsturz. Aber wo kam der her? Stress habe ich aktuell nicht, was also hat das ausgelöst? Die Ärztin zuckt mit den Schultern. „Kann schon mal am Wetter liegen. Oder Sie haben zu wenig getrunken. Oder beides“.

Oder Balkon saubermachen ist einfach ungesund. Man weiß ja nie. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte ich besser auch auf Fensterputzen verzochten und Staubwischen meiden.

Kategorien: Ganz Kurz | 8 Kommentare

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8 Gedanken zu „Thermische Erregungsprüfung

  1. zwerch

    2 Hörstürze und dauerhafter Tinnitus… kann gut nachempfinden was in dir vorging!

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  2. rudi rüpel

    Neulich bei der Verkehrskontrolle: Frau Wachtmeister, wegen meinem Hörsturz, hat mir mein Arzt empfohlen den Schalldämpfer vom Auspuff zu entfernen.
    Silencer, LIEBEn Gruß und halt durch!
    rudi rüpel

    Gefällt 1 Person

  3. natira

    Was es nicht alles gibt (Test).

    Gute Besserung! Und ich folge mal Deiner Empfehlung zur Vermeidung eines Hörsturzes *schließtReinigungsgerätwegundsinktmitCapriEisaufdieCouch*

    Viele Grüße!

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  4. Vorsorge ist so wichtig! 😷

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  5. Danke dafür, spätestens wenn mich sowas mal erwischt bin ich gut vorgewarnt 😉
    Gute Besserung!
    *gutdassichkeinenBalkonmehrhab* 😀

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  6. DL650R

    Interessant. Ich hatte so ein ähnliches Erlebnis dieses Jahr zu Ostern. Plötzlich hörte ich rechts ganz schlecht und es rauschte. Mist. Hörsturz?

    Ich habe dann erst mal gegooglet und die Empfehlungen waren so gegensätzlich (sofort an den Tropf vs. da kann man gar nichts machen), dass ich beim kassenärztlichen Notdenst anrief. Der schickte mich dann zur Notaufnahme in unser Krankenhaus. Nun denn, viel Zeit beim Warten alte Zeitschriften zu lesen (und am Ostersamstag war eh Schneeregenwetter und der Besuch am Feuer gestrichen).

    Der Arzt untersuchte mich und meinte, ne, du hast keinen Hörsturz sondern eine Mittelohrentzündung. Auf beiden Seiten. Aha. Wusste nicht, dass das auch auch ohne brutale Schmerzen geht (oder bin ich nur so ein harter Hund, dass mir das nichts ausmacht?).

    Kurzum, ich war damit wohl der Erste, der sich beim Kauf der Antibiotika in der Apotheke tierisch gefreut hat („Hurra! Bei Mittelohrentzündung bleibt kein Tinnitus!“) und habe mir nun die Erkenntnis gespeichert, dass eine Eigenanalyse der Symptome drastisch daneben liegen kann. So ein echter Arzt ist doch Gold wert.

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  7. Mittelohrentzündnung ohne Schmerzen aber mit hohem Fieber, daran ist ein Kind im Freundeskreis fast gestorben.

    Hast Recht, Diagnose bei Arzt ist durch nix zu ersetzen. Fragt man das Internet, kommt entweder immer raus, dass man Krebs-Aids im Endstadium hat, oder das man Rindenweiden-Globuli in Potenz D-12 nehmen soll.

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  8. DL650R

    Oh, Fieber hatte ich auch nicht. Schon komisch. Aber was mir ebenfalls Sorgen macht, dass die prophylaktische Einnahme von Alkohol auch zunehmend nichts mehr zu bringen scheint. So ein Ärger: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/bakterien-entwickeln-toleranz-gegen-alkohol-a-1221807.html

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