Herr Silencer im September 2018
…
Wetter: Monatsanfang bedeckt, selten Regen und mit Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad noch warm, aber die Bäume werden schon bunt. In der dritten Woche noch mal ein kurzes Aufbäumen des Sommers, mit Sonnenschein satt und Temperaturen an die 30 Grad. In der vierten Woche dann aber der Absturz: 3 bis 12 Grad, bedeckt und Regen, stürmisch, überall Blätter. Es ist über Nacht Herbst geworden!
Lesen:
Terry Pratchett: The monstrous Regiment [Kindle]
Pollys Bruder ist verschwunden. Der etwas simple junge Mann ist dem Militär von Borogravia beigetreten, dann hat man nichts mehr von ihm gehört. Als alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, greift Polly zum letzten Mittel – einer Socke. Mit der in der Hose und einem Kurzhaarschnitt geht sie als Junge durch und mustert ebenfalls im Militär an. Schnell stellt sie fest, dass ihr Regiment als letztes Kanonenfutter in einem bereits endlos dauernden Krieg verheizt werden soll. Auf der einen Seite Borogravia, wegen dümmster religiöser Gründe, auf der anderen Seite Zlobenien, das sich zwar progressiv und weltoffen gibt, dem es aber nur um Landgewinn geht.
Tolles Buch über religiöse Intoleranz, Geschlechterrollen und Krieg. Als ich es bei Erscheinung vor 15 Jahren las, fand ich es einigermaßen doof. Zum einen ist der Kunstgriff, dass ALLE Mitglieder in Pollys Regiment am Ende Frauen sind, eine ziemliche Verrenkung, zum anderen geht der eigentliche Storystrang in Sockenepisoden ein wenig unter. Jetzt bin ich älter und kann mit den verhandelten Themen mehr anfangen.
Hören:
Nix.
Sehen:
Barry Seal [Heimkino]
USA in den 70ern: Barry Seal ist Linienpilot einer großen Fluggesellschaft. Er ist wenig zu Hause, das knappe Gehalt reicht kaum um die Hypothek für das Haus zu bezahlen, seine Frau ist frustriert. Das ändert sich, als ein CIA-Mitarbeiter Barry rekrutiert. Fortan bessert der seine Kasse mit dem Fertigen von Luftaufnahmen von Rebellencamps in Mittelamerika auf. Weil das gut klappt, setzt der Geheimdienst Barry bald für Waffenlieferungen an einen gewissen Major Noriega in Nicaragua ein. Und damit er nicht leer zurückfliegt, beginnt Barry irgendwann Koks für drei junge Geschäftsleute mitzunehmen, die später als das Medellin-Kartell in die Geschichte eingehen werden. Barry ist so erfolgreich, dass das CIA im einen eigenen Transportservice finanziert. Das Ergebnis: Bald weiß Barry nicht mehr, wohin er mit dem ganzen reinkommenden Geld eigentlich soll, er kauft praktisch einen ganzen Ort und geniesst das pralle Leben. Aber das Paradies währt nicht ewig – die Drogenfahndung ist Barry auf den Fersen, und die CIA agiert in Sachen Iran-Kontra zunehmend unfähig.
Was für ein spaßiger Film! Schon die Logos der Produktionsfirmen sind im 70er-Look gehalten, und die immer wieder eingestreuten Originalaufnahmen haben ein Flair von Doku bzw. Forrest Gump. Das kommt natürlich nicht von ungefähr, denn „Barry Seal“ schmückt sich mit dem Satz „Nach einer wahren Begebenheit“. Bei dem muss man immer ganz genau hingucken, und wenn man das tut, dann wird man merken: Mit dem echten Barry Seal hat der Film nur den Namen gemein, nahezu alles andere ist hinzuimaginiert auf Basis von Vermutungen. Mit diesem Wissen ist der Film immer noch unterhaltsam, ein Großteil des Reizes aber verflogen. Natürlich muss man auch Tom Cruise ertragen können, der wie immer Tom Cruise spielt und sich durch den Film grinst. Dennoch ist er spannend anzuschauen, und viele Momente sind gleichzeitig plausibel UND lustig, auch wenn einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Beispiel: Barry fliegt Rebellen aus Nicaragua zur Ausbildung in die USA. Kaum sind die in Amerika, desertieren sie in Massen. Das ist glaubwürdig, hat mich laut lachen lassen, und erst im nächsten Moment ist mir aufgefallen, dass das diskriminierend ist.
Problemkind [Theater im OP]
In einem Motelzimmer sitzen Denise und RJ und warten auf einen Anruf. Der Anruf soll Gewissheit bringen, ob die beiden ihr Baby wiederbekommen, das ihnen das Jugendamt nach einem Absturz in Kriminalität und Prostitution weggenommen hat. Die Chancen stehen nicht gut, die Sachbearbeiterin hat mehr als deutlich gemacht, dass sie das Paar für White Trash hält. Denise verzweifelt daran, immerhin hat sie sich nur prostituiert, um das Kind ernähren zu können. Als sie gar nicht mehr ein noch aus weiß, besorgt sie eine Waffe.
Schwerer Stoff. Sehr gut gespielt, aber nur schwer zu ertragen.
Spielen:
Spider Man [PS4]
Peter Parker, New York, Blabla.
Man muss es dem Spiel zugute halten, dass hier keine Origin-Geschichte erzählt wird. Hier wird, ähnlich wie bei den „Arkham“-Games um Batman, ein neues Universum aufgemacht, in dem bekannte Themen neu variiert werden. Der Spinnenbiss ist schon ein paar Jahre her, Peter Parker hat bereits eine gemeinsame Geschichte mit Schurken und gescheiterte Beziehungen mit MJ hinter sich. Das ist angenehm und fühlt sich unverbraucht an, genau wie ein Teil der Spielmechaniken: Das Herumschwingen zwischen Wolkenkratzern in New York ist toll und frisch und ich habe mich immer wieder gefragt, wie die Macher von Insomniac diese Mechanik so gut hinbekommen haben. Auch nach dem Dutzendsten Mal macht das noch Spaß, zumal die Lichtstimmungen im fotorealistischen Neew York toll gesetzt sind.
Nur so Mittel ist das Kampf- und Stealthsystem, was deutlich bei Arkham abgeschaut wurde, aber in Details nicht so gut ist. Insbesondere den Kampf muss man lernen: Spiderman ist schnell, aber er kann nicht viel einstecken. Die ersten Kämpfe sind hektisches Knöpschedrücke und unerwartete Tode, bis man den Rythmus und die Spielweise gelernt hat. Es gibt Bosskämpfe, die aber ziemlich unspektakulär sind. Bis auf den letzten, der völlig aus dem Takt geratener, Over-The-Top-Hektik „Oh man was mache ich hier eigentlich“-Müll ist.
Alle Mechaniken sind gut integriert in eine Story, die zwischen „ach komm, nerv nicht rum“ und „hu, spannend“ changiert. Spannend wird es immer, wenn die Hauptstory weiter eskaliert. Nervig wird es immer, wenn man als Peter Parker oder ohne Superkräfte unterwegs ist. Ich kann mir vorstellen, warum das gemacht wurde: Es ging um Pacing. Funktioniert aber nur so mittel, denn immer wenn die Story richtig rund läuft, steckt Insomniac wieder einen Stock zwischen die Speichen. Das der große Twist am Ende schon in den ersten Spielminuten durchtelegrafiert wird, trägt auch nicht zum Spannungsaufbau bei.
Gänzlich altbacken ist dagegen die Open World, die vollgerümpelt ist mit repetitiven Aufgaben. Man muss allen Ernstes Türme erklimmen, Fetchquests, Stealth und Brawl-Einlagen spielen. Die kommen zwar nicht alle auf einmal, sondern stufenweise, aber am Ende sieht die Karte schlimmer aus als die von Assassins Creed: Unity. Echt, es wirkt, als habe Insomniac das Open-World-Hnadbuch von Ubisoft aus dem Jahr 2010 kopiert. Erstaunlicherweise fühlte ich mich gar nicht so sehr im Hamsterrad, denn die Aufgaben sind zwar repetitiv und schwer, aber durch das gelungene Gameplay und die gute Integration auch sehr spaßig. Lediglich die Challenge-Aufgaben unter Zeitdruck sind Pain-in-the-Asse, und die muss man erledigen um an neue Ausrüstung dran zu kommen – und zwar nicht nur einmal, sondern man muss sie zig mal wiederholen – das ist dumm und ärgerlich. In der Summe reicht das aber für ein spaßiges Spiel, in dessen Welt man gerne nach Feierabend ein paar Stündchen eintaucht. Kein Meilenstein, aber ein sehr gutes – und schweres – Spiel.
Machen:
.
LikeLike
Den verstehe ich nicht:
„Barry fliegt Rebellen aus Nicaragua zur Ausbildung in die USA. Kaum sind die in Amerika, desertieren sie in Massen. Das ist glaubwürdig, hat mich laut lachen lassen, und erst im nächsten Moment ist mir aufgefallen, dass das diskriminierend ist.“
Es sei denn, wir sind wirklich in einer Zeit angekommen, in der man auch ‚Cool Runnings‘ nicht mehr als Film machen dürfte, weil es der dogmatische Zeitgeist für diskriminierend hielte, sich über Sportler eines Landes zu amüsieren, die sich ulkig im Schnee anstellen, weil es den in ihrem eigenen Land nicht gibt. Oder wo ‚Der Prinz aus Zamunda‘ als Machwerk wieder mögliche Vorurteile gegen besonders geschützte Personengruppen auf’s Korn nimmt und deshalb auf dem Index landen würde.
Bitte sag mir, dass du das nicht so meinst. Dann wäre es nicht mehr weit und bei der TV-Austrahlung von ‚Pulp Fiction‘ wären zwar alle Erschiessungsszenen komplett enthalten, aber die Sequenz am Schluss, wo Samuel L. Jackson seine Gelbörse mit dem Aufnäher „Bad Motherfucker“ geleert haben möchte, würde aus PC-Gründen geschnitten.
LikeLike
Äpfel/Birnen.
Die Rebellen werden unisono als ein Haufen konsumgeiler Vollpfosten gezeichnet, die die Befreiung ihres Landes als heeres, moralisches Ziel vorschieben, um sofort beim Betreten amerikanischen Bodens stiften zu gehen und ihr Heil im „bösen“ Kapitalismus zu suchen. Wenn eine ganze Gruppe von Menschen so zum Klischee wird, ist das lustig, man muss ich aber darüber im Klaren sein, dass das nicht der Wahrheit entspricht und eine ganze Bevölkerung diskriminiert. Was aber nicht heißt, das man darüber nicht lachen darf oder das verboten ist. Man darf es bloß nicht glauben.
Das hat aber nichts mit all dem Birnenmus zu tun, was Du unzusammenhängend köchelst. Im Übrigen hat Political Correctness rein gar nichts mit „besonders geschützten Personengruppen“ zu tun. Mir gefällt auch der alte deutsche Begriff für PC viel besser: Anstand.
LikeLike
Hm jein. PC und Anstand halte ich nicht für Dasselbe. Anstand bezieht sich auf den Umgang zweier Parteien miteinander. PC stößt mir aber immer dann unangenehm auf, wenn zwei Parteien miteinander gut auskommen, nun aber eine dritte „moralische Instanz“ dazu kommt um diesen beiden Parteien zu erzählen, dass das so nun aber bitteschön so gar nicht geht, wie es bislang immer gut funktioniert hat.
Oder vereinfacht, PC ist für mich, wenn ein junger, engagierter westlich-weißer Mensch einem Russen vorhält über seine Landsleute Witze bezüglich des Saufens zu machen, weil das ja nur Stereotype bedient, wobei sich darüber bereits Juri Gagarin beschwert hat, als er nach seinem Erstflug als Held des Sozialismus rumgereicht wurde.
Genau das hat mich auch tierisch gestört als sich die deutschen Medien (!) den Mund darüber zerrissen hatten, als damals Prinz Harry (!!) mit Nazi-Binde auf einen Kostümfest erschien. Die fühlten sich alle so moralisch überlegen, doch ich empfand das als Unverschämtheit. Erst schießt Deutschland V2 auf UK und dann erdreisten wir uns den Engländern moralische Vorschriften machen zu wollen, wie die mit unserer Schande und Schuld umzugehen haben? Das ist, wie erst jemandem eine Reinhauen und dann auch noch Vorschriften machen wollen, welche Pflaster erlaubt sind.
Ich frage mich daher eher, wie die zivile nicaraguanische Bevölkerung ihre Rebellen heute sieht. Vielleicht sehen die diese Personen ja auch genau so, wie sie dargestellt wurden? Persönlich kann ich allerdings ohnehin die Verehrung von Rebellen und das Tragen von T-Shirts mit Konterfei des Che Guevara nicht nachvollziehen. Wäre da die Brutalität nicht gewesen, bliebe eigentlich nur ein lachhafter Haufen, wie ihn Hergé schon in Tim und die Picaros wunderbar karikiert hat.
Dabei fällt mir ein, ein T-Shirt mit General Alcazar im Stil der Che-Shirts, ist etwas, das ich bisher noch nicht gesehen habe. Wäre aber mal ein Statement. 🙂
LikeLike