Wenn ich in Hamburg bin, führt mich mein Weg häufig in das Museum für Kunst und Gewerbe, kurz MKG.
Das MKG in Worte zu fassen ist nicht leicht, denn einerseits ist es ein Designmuseum mit faszinierenden Sammlungen an Möbeln und Kleidung von der Renaissance über Jugendstil bis zur Jetztzeit, andererseits stellt es z.B. auch bildhafte Kunst aus Asien, oder religiös geordnete Werke des Buddhismus und des Islam aus.
So bunt und vielfältig die Daueraustellung ist, so auf den Punkt sind oft die temporären Ausstellungen. Die sind in der Regel fein kuratiert und ziehen einen sofort in ihr Thema. Das ist die hohe Kunst eines Museums: Ausstellungsstücke so einzuordnen und ihnen so viel Kontext mitzugeben, dass man als Besucher das Gefühl hat, minütlich schlauer zu werden.
Eine solche Ausstellung ist „68. Pop und Protest“.
Hm, die 68er… das sind doch die Leute mit den Schlaghosen gewesen, die freie Liebe forderten und ansonsten ziemlich rumgenervt haben, oder?
Die Ausstellung führt sehr eindrücklich vor Augen, dass Schlaghosen und Hippiekultur nur die etwas bizarren Auswüchse einer gesellschaftlichen Veränderung waren, die quasi aus Verzweifelung entstand. Ein kultureller Backlash, wie man heute sagen würde, gegen die damaligen politischen Agenden.
Betritt man die Ausstellungshalle, steht in einem dunkeln Raum, in dem das melancholische „The Times, they are a-changing“ läuft. Auf großen Videowänden wird die Welt Mitte der 60er gezeigt. Die Nachrichten sind voll von Gräueltaten: Die „Kulturrevolution“ in China forderte mindestens 400.000 Tote. In Nigeria verhungern Kinder, der Vietnamkrieg nimmt kein Ende, John F. Kennedy wird erschossen, Rudi Dutschke ermordet. Allein dieser Einstieg versetzt einen sofort in eine andere Zeit.
Als Reaktion auf die offene und oft staatliche Gewalt erhalten Ideen Auftrieb, die eine freiere und gerechtere Gesellschaft erträumen, und das weltweit. Eine besondere Rolle spielen die Universitäten, an denen diese Ideen geboren werden und aus denen heraus sie sich verbreiten.
Friedlich geht es freilich nicht überall zu. In den USA versuchen die „Black Panther“ Gleichberechtigung mit Waffengewalt zu erreichen und scheitern daran. In Frankreich dagegen streiken die Arbeiter friedlich. Währen der Arbeitsniederlegung gehen sie an die Kunsthochschulen, diskutieren dort mit Akademikern, wie Ideen zu formulieren sind und lernen, wie sie Plakate herstellen und Demos organisieren können. Plakate sind die Kommunikationsform dieser Zeit, und die Straße wird zum Schauplatz.
Die Ausstellung zeigt eindrücklich, wie die Ideen der kulturellen Revolution in sämtliche Bereiche einsickerten. Anfangs drückte ungewöhnliche Kleidung eine politische Haltung aus, nach kurzer Zeit fand man sie aber schon in Kaufhauskatalogen.
In Theater, Film und Musik bildeten sich schnell stilbildende Werke heraus, viele davon sind uns bis heute geläufig. Nur der Kontext ist uns verloren gegangen, weshalb die Werke skurril und befremdlich wirken.
Im Design traute man sich, das Bauhaus-Mantra von „Form follows Function“ zu durchbrechen und mit „Form follows Ideas“ zu experimentieren.
Ein Kind seiner Zeit und eine Überleitung zur Dauerausstellung des MKG ist die Kantine des SPIEGEL, die hier den Abschluss bildet. Das gesamte Spiegelgebäude wurde farblich von dem Künstler Verner Panton durchgestylt, die orangene Hölle der Kantine ist das letzte Überbleibsel seiner Arbeit.
Die Ausstellung „68. Pop und Protest“ läuft noch bis zum 17.0 März 2019 im MKG Hamburg.
Danke für den Einblick!
LikeLike
.
LikeLike