Das war das Jahr, das war (2018)

Das war das Jahr, das war (2018)

2018 war anstrengend.

Lage der Nation: Politisch ist das erste Halbjahr Stillstand, bis sich endlich eine Regierung gebildet hat. Am Ende kommt ausgerechnet eine große Koalition dabei heraus, dieses demokratiefeindliche Konstrukt, in dem sich die beiden Volksparteien CDU und SPD aufreiben. Die Mitte bricht weg, der die Ränder werden breiter. Insbesondere der Rechtspopulismus verschiebt die Grenzen des Sagbaren, mittlerweile hetzen AfD-, ehemalige CDU- und aktive CSU-Politiker offen gegen Minderheiten.

Im Netz sprießen Seiten für “Alternative Nachrichten”, über die sich die Menschen selbst radikalisieren, meist ohne es zu merken. Insbesondere Medienunerfahrene und vor allem alte Menschen rutschen in die rechten Echokammern hinein, die ihnen über “Nachrichten” und “Fakten” einreden, das Horden von messerschwingenden Migranten durch Deutschland ziehen, ständig Leute umbringen und an ALLEM Schuld sind, insbesondere der hohen Mieten in München – aber diese Informationen werden vom Staat und den “Mainstreammedien” ja totgeschwiegen. Problem dabei: Solche Verschwörungstheorien lassen sich nie widerlegen. Gibt es keine Beweise, hat die halt jemand vertuscht. Im Zweifelsfall Merkel, die sich in diesem Jahr vom CDU-Vorsitz zurückzieht.

Daraufhin taucht Friedrich Merz wieder auf, eine Figur, bei der ich froh war, als sie Anfang der 2000er von der Bildfläche verschwand. Merz arbeitet für Black Rock, den weltgrößten Vermögensverwalter, der dafür bekannt ist, eigene Schattenfinanzmärkte hochzuziehen und Politik ganzer Länder zu beeinflussen. Und nun versucht Black Rock, einen der ihren als potentiellen Kanzler eines der mächtigsten Länder der Welt zu installieren. Geht im ersten Anlauf schief, obwohl man für die Kampagne Profis engagiert und sogar die BILD in Stellung gebracht hat.

Lage der Welt: Während Deutschland nach rechts ruckt und sich ansonsten mit sich selbst beschäftigt (Dieselskandal), dreht der Rest der Welt frei. Die Russen testen Hyperschallwaffen, die Japaner fangen wieder Wale, Trump nimmt die USA aus wie eine Weihnachtsgans, Italien wird von einem rechtsradikalen Pöbler regiert und England versucht sich am Brexit, was auf den Rest der Welt so aussieht, als würden sie sich selbst unter großem Jubel versenken. Daneben finden immer mehr Länder, dass man es mit dem Klimaschutz mal nicht so übertreiben solle, Wirtschaft sei doch viel wichtiger. Alles seltsam, alles erschreckend, gefühlt macht die Welt gerade eine Rolle 50 Jahre rückwärts. Schlimm, wie einige radikale Personen das Rad der Zeit zurückdrehen können.

Und sonst noch? Hier die immer weiter mutierende Form des Bloggerdorf-Fragebogens.

Wort des Jahres: Omaschaf.

Einschneidendstes Erlebnis:
Der Moment beim Arzt, als ich begriff, dass mich mein Blutdruck umbringen wird wenn ich nichts unternehme.

Zugenommen oder abgenommen? Zugenommen.

Bestes Ereignis: Gleich mehrere, hängen immer damit zusammen Leute getroffen zu haben. Meist waren Motorräder involviert.

Mehr ausgegeben oder weniger? Gleich.

Mehr bewegt oder weniger? Weniger. Seufz. Zu viel Arbeit um noch Lust an Sport zu haben. Ich weiß, verkehrte Einstellung.

Die hirnrissigste Unternehmung?Diese unfassbar teure Tech Air-Jacke zu kaufen, bzw. die Umstände: Mehrfach 150 km zum Händler und zurück zu fahren, Jacken in mehreren Größen zu kaufen und wochenlang anzuprobieren, darüber bald irre werden.

Ort des Jahres? Genua. Im Februar. Mit Marta. Großartig.

Die teuerste Anschaffung? Die Tech Air-Jacke mit Chassis.

Das leckerste Essen? Dieses komische Fleischirgendwasgericht in Pomarico. Ich werde nie erfahren was das war, aber war gut.

2018 zum ersten Mal getan? Mit dem Motorrad zusammen übers Meer gefahren und eine thermische Erregungsprüfung mitgemacht.

2018 endlich getan? Mich zu einer Frenulotomie (Penisverkleinerung) durchgerungen. Das macht nun vieles einfacher. Trotzdem noch nicht den Drang verspürt, einen Porsche zu kaufen.

Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen? Die Nachricht, dass ein guter Freund an Krebs im Endstadium erkrankt ist. Ein schmerzhaftes Erysipel. Noch 5 Kilo mehr auf den Hüften.

Gereist? Oh ja.

2018 war in einem Wort…? Kräftezehrend.

Film des Jahres: “Mission Impossible: Fallout”, knapp vor “Red Sparrow” und “Bladrunner 2049”

Theaterstück des Jahres: “Gelbe Wüste, Rosa Raum” im Theater im OP.

Musical des Jahres: “Mary Poppins” im Stage Theatre in Hamburg

Hörbuch des Jahres: “Die Känguru-Apokryphen” von Marc-Uwe kling

Spiel des Jahres: War ein ausgezeichnetes Jahr für erstklassige Games. “Spider-Man”, “Red Dead Redemption 2”, “Assassins Creed: Odyssey” um nur ein paar zu nennen. Mein persönliches Game of the Year war aber das toll geschriebene, sehr gut designte und zum Verlieben schöne “God of War” (allerdings habe ich zum Zeitpunkt dieses Posts “RDR2″” noch nicht gespielt).

Serie des Jahres: Ich habe Rick and Morty endlich gesehen und fand das super, da kam auch “Westworld Season 2” und “A Series of Unfortunate Events Season 2” nicht dran, und ganz viel mehr habe ich auch nicht gesehen. Ich bin kein Seriengucker, soviel Zeit opfere ich dem nicht.

Buch des Jahres: “Born a Crime”, die Geschichte von Trevor Noah.

Ding des Jahres: Die superleichte elektrische Reisezahnbürste von NewGen Medicals

Spielzeug des Jahres: Eine Fenix LD15R-Taschenlampe.

Enttäuschungen des Jahres: “Shadow of the Tomb Raider” hält hier unangefochten den ersten Platz. Das Ende einer Trilogie nach zwei starken Vorgängern so zu vergurken, das muss man erstmal hinkriegen. Außerdem schlimm: “Dark”, eine verbissenen-ungelenke Netflix-Serie, deren Alleinstellungsmerkmal Regen in Niedersachsen ist, und “What happenend to Monday”, eine unsympathischer Film, der sich an Gewalt gegen Frauen ergötzt.

Die schönste Zeit verbracht damit…? Mit dem Reisemotorrad eine Motorradreise zu machen.

Vorherrschendes Gefühl 2018? Müdigkeit.

Erkenntnis(se) des Jahres: Die 68er waren nur eine Gegenreaktion auf eine kälter und gewalttätig werdenere Welt.

In diesem Sinne: Ich wünschen einen guten Start in ein tolles 2019!

Nekrolog:
War dieses Jahr nicht so schlimm wie im vorvergangenen, was den Kahlschlag der Helden angeht. Im Gegenteil, waren auch einige dabei, wo ich sagen würde: Ach, die gab es noch?

Stefanie Tücking (56)
George H.W. Bush (94)
Bernardo Bertolucci (77)
Stan Lee (95)
Montserrat Caballé (85)
Graciano Rocchigiani (54)
Burt Reynolds (82)
Dieter Thomas Heck (80)
Kofi Annan (80)
Aretha Franklin (76)
Nancy Sinatra (101)
Philip Roth (85)
Tom Wolfe (88)
Wolfgnang Völz (87)
Stephen Hawking (76)
Siegfried Rauch (86)
Rolf Zacher (76)
Paul Boucuse (91)
Dolores O´Riordan (46)
Otto Kern (67)
Johnny Hallyday (74)
Christine Nöstlinger (81)
F.W. Bernstein (80)

Das war das Jahr, das war (2017)
Das war das Jahr, das war (2016)
Das war das Jahr, das war (2015)
Das war das Jahr, das war (2014)
Das war das Jahr, das war (2013)

14 Gedanken zu „Das war das Jahr, das war (2018)

  1. Möchte als bislang klammheimliche Mitleserin auch endlich mal einen Gruß da lassen und wünsche Dir bei der Gelegenheit ein megaglückliches Neues Jahr! Freue mich bereits jetzt auf neue Wiesel-Geschichten und viele neue hilfreiche Tour-Tipps 😉

  2. Na gut, geh ich wieder in den Keller…vielleicht lässt du mich nicht so lange drin…oder legst ein bissel Schoki hin…
    Wünsche dir ein tolles Jahr 2019, vor allem auch, dass du auch heil wieder rauskommst … na gut, das klingt ein bissel übertrieben 😉
    Und ohne Angst machen zu wollen (sondern aufmerksam): 2 Verluste hatte ich 2018 unter Arbeitskollegen, einer 47, einer 55, beide haben dem (zu hohen) Blutdruck keine Beachtung geschenkt. Sollte man aber, ist ja eine Art Warnschuss vom Körper. Aber wenn ich dich richtig verstanden habe, war das bei dir angekommen… ?!
    PS: schade, dass ich kein Mail- Abo bei dir habe, den Rohartikel hätte ich gern gesehen 😛
    Viele Grüße
    Miki

  3. Respekt. Vor allem dafür, hier öffentlich über Deine Penisverkleinerung zu sprechen. Diesen Mut haben sicherlich nicht viele. Ich weiß, wovon ich spreche, da ich mich mit dem Thema beschäftige. Man wird schon komisch dabei angeschaut wenn man sich traut mit jemandem darüber zu reden

  4. Irgendwie hatte ich erwartet, dass bei dir im Jahresrückblick Relotius nicht vorkommt. Aber ehe ich in den Verdacht komme, irgendwie manipulativ zu argumentieren, will ich nur auf den Eintrag von Motorradjournalist Clemens Gleichs Blogeintrag verweisen. Kann ich so 1:1 unterschreiben.

    https://www.mojomag.de/2018/12/the-great-pretender/

    Was mich noch interessiert, warum bist du zu der Auffassung gekommen, die 68er wären eine Reaktion auf eine kälter und gewaltiger gewordene Welt gewesen? Für mich war da schlicht eine Generation dem Kindesalter entwachsen und hat realisiert, dass echte Alt-Nazis (echte, nicht im Nicole-Diekmann-Sinn) noch immer überall an den Schaltstellen der Macht saßen und wollte schlicht nicht weiter nach deren Regeln spielen und sich ihren moralischen Vorstellungen unterordnen (“Du musst gediehnt haben!”). Das sagt ja “der Muff von 1.000 Jahren unter den Talaren” aus. Es war eine notwendige Zäsur mit der Vergangenheit, die das Schweigen ablöste und den Gehorsam verweigerte, um selber zu denken und aufzubegehren.

    Aber jetzt mal eine ganz andere Frage, mir hat ein Freund aus einer Wohnungsauflösung kommende, vermeindlich wertlose, Hardware nach Weihnachten abgekippt, die mich in ungeahntes Reparatur- und Recherchefieber trieb (der Schufft, der!). Dass es ein neues Board für den alten C64 von Jens Schönfelds “Individual Computer” gab, wusste ich schon vorher, nicht aber, dass der im Forum64 mit Pseudonym “Wiesel” schreibt und über die Entwicklung auskunft gibt. Da gibt es doch nicht irgendeinen Bezug zu deinem allseits wieder auftretenden Maskottchen, oder?!

  5. Das Forum64-Wiesel ist kein Programmierer sondern ein begnadeter Hardwarebastler, der – im Gegensatz zu all den anderen – nicht nur sabbelt, sondern seine Konstruktionen ausentwickelt und zur Marktreife bringt. Inzwischen hat er auch die Lizenz das Commodore-Label offiziell zu benutzen. Bin mal gespannt, was da noch erscheint (z.B. das C64-Reloaded-Board-MK3 als FPGA).

    https://icomp.de/shop-icomp/de/news.html

    Was die 68er betrifft, den MKG-Artikel von dir hatte ich gelesen. Ich weiß noch, dass ich da auch öfter mal reinschauen sollte – liegt ja fast direkt auf meinem Fußweg von der Arbeit zum Hbf – weil ich da vor zwei Jaren auch in einer interessanten Computerspielausstellung war.

    Zu den 68er Protesten habe ich dagegen eine komplett konträre Meinung. Die waren (in Westedeutschland!) überhaupt nur möglich, weil die direkte Lebensumgebung angenehmer, problemloser und friedlicher geworden war. Jetzt erst kam die Möglichkeit überhaupt Zeit zur Reflektion und Muße zu finden.

    DAVOR war die Realität kalt und brutal – angefangen mit dem Hungerwinter 1946 – dass es überhaupt nur um das nakte Überleben ging. Keine Zeit für Reflektion was war oder was sein könnte, keine Zeit für Schuldzuweisungen, nur Arbeiten und Anpacken für alle die, die überlebt hatten. Bis in die 1950er hinein lief dieses Wegräumen der Trümmer und provisorisches Wiederaufbauen des Zerstörten. Da blieb für nichts anderes Zeit, die sechs Tage Arbeitswoche war die Regel. Dann – und das war das Wirtschaftswundergefühl – merkten die Menschen, dass diese Anstrengungen erfolgt zeigten, weil alle am Strang zogen (mehr oder weniger).

    Mit Begin der 1960er ging es dann nicht mehr nur um notdürftiges Wiederaufbauen und Wiederingangbringen. Das Lensnotwendige lief wieder, jetzt konnte man sich Gedanken darüber machen, wie man neue Wege – z.B. in der Architektur – gehen wollte. Die Freizeit nahm zu. Familien konnten es sich leisten die Kinder nicht nach der Volksschule direkt zur Arbeit zu schicken sondern ihnen auch ein Studium zu finanzieren. Mehr als nur reine Zweckbauten war bei neuen Stadtbaumaßnahmen möglich. Es reichte für Design-, Mode- und Stilexperimente. Die Lebensgrundlage war aber für jeden Bürger sichergestellt und das zu haben war Normalität geworden.

    Erst aus dieser gesicherten Freiheit der Familie heraus hatten die dann erwachsen Werdenden überhaupt die Muße sich über Ungerechtigkeiten auf anderen Kontinenten zu informieren, dagegen zu protestieren und aufzubegehren. Die Brutalität anderswo war vorher auch schon da, nur wer hatte den in den 1950er die Muße sich z.B. über weltweite Atombomentests zu echauffieren? Da wurde sechs Tage die Woche in 12-Stunden-Schichten gearbeitet und am Sonntag der Garten bestellt (Sommer) und Kleidung selber (um-)genäht und mit Improvisation repariert (Winter) und die Hoffnung kreiste darum ob wohl Familienmitglieder aus der Kriegsgefangenschaft zurück kommen würden und wann die drangvolle Enge durch Zwangseinquartierung durch Neubau beendet werden würde (wenn man nicht ohnehin nur in einer Nissenhütte hauste).

    Hier bei Hamburg im Kiekeberg Museum ist das recht gut erfahrbar, wenn man die erhaltene Nissenhütte besichtigt. Mit dem bis 2022 geplanten Projekt “Königsberger Straße” wird dann genau dieser Wiederaufbau und das Gefühl von Sicherheit in den fertiggestellten neuen Vorstädten sichtbar werden. Vor diesem Hintergrund erst konnte eine Protestbewgung entstehen, WEIL man aus einer persönlichen Sicherheit heraus demonstrieren konnte. Nicht vorher, als Bombentrichter und Ruinenhäuser das tägliche Bild darstellten.

    https://www.abendblatt.de/hamburg/harburg/article216106925/Die-Nachkriegszeit-wird-wieder-lebendig.html

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