Reisetagebuch 2018 (13): Unterirdisches Disneyland

Reisetagebuch 2018 (13): Unterirdisches Disneyland

Mit dem Motorrad auf Sommertour. Heute wird es unterirdisch, in der zweitgrößten Schauhöhle der Welt und unter einer Höhlenburg.

Dienstag, 03.07.2018, irgendwo im Wald, Slowenien
Ich wache auf und bin für einen Moment ohne Orientierung. Ein holzgetäfelter Raum mit einem Tisch in der Mitte ? Das ist doch kein Hotelzimmer, wo bin ich denn hier?! Dann fällt es mir wieder ein: Ich bin in einer kleinen Hütte, mitten im Wald, in Slowenien.

Schnell springe ich aus dem Bett und packe meine Sachen. Vor dem Cottage steht die V-Strom.

Etwas oberhalb führt der Weg aus dem Wald heraus. Schilder machen darauf aufmerksam, dass der Campingplatz über eine eigene Höhle verfügt, die man nach Absprache besichtigen kann. Ich muss Schmunzeln. Höhlen hat HIER wohl jeder in seinem Hinterhof.

Auf einem asphaltierten Platz stehen mehrere Häuschen. Eines beherbergt einen winzigen Supermarkt, eines die Anmeldung des Campingplatzes und ein größeres ein Restaurant, in dem nun Frühstück für die Gäste bereit steht. Dort stürze ich einen Kaffee hinunter.

Der Campingplatz schläft noch, als ich zurück zum Motorrad marschiere. Neben der Maschine steht schon ein Wagen voller Putzmittel, und im Cottage klötert es. Die Reinigung des Häuschen hat schon begonnen.

Warum ich hier, mitten im Wald überachtet habe? Nun, in der Nähe einer Touristenattraktion übernachten und morgens gleich als Erster da sein, das hat ja gestern an den Plitvicer Seen schon gut geklappt. Also mache ich das heute doch gleich noch einmal. Ich schwinge mich in den Sattel der Barocca und steuere sie aus dem Wald heraus und den Berg hinab.

Dann fahre ich einmal links rum, und ZACK stehe ich vor DER Sehenswürdigkeit Sloweniens: Der Postojna-Höhle.

Das unterirdische Höhlensystem, das auch als Adelsberger Grotte bekannt ist, ist die zweitgrößte Besuchshöhle der Welt, nach einer in den USA.

Allein schon der Vorplatz ist riesig. Ich lasse die V-Strom auf einem gigantischen Parkplatz zurück und laufe durch einen kleinen Park auf das Eingangsgebäude vor der Grotte zu.

Rechts steht ein Betonkomplex, der Ladengeschäfte und ein Hotel beherbergt. “Übernachten an der Adelsberger Grotte – ein unvergesslicher Besuch” verspricht das. Tatsächlich hätte ich hier beinahe übernachtet, aber dann habe ich diese niedliche Cottage entdeckt. Auch wenn auf dem Dach der Hütte nachts Eichhörnchen Steptanz geübt haben war das schöner (und günstiger) als dieser Bunker.

Ich habe den Vorplatz beinahe für mich allein. Es ist kurz vor 09:00 Uhr und noch nicht viel los. Sehr gut!

Die frühe Uhrzeit hat aber auch Nachteile. An einem Sammelpunkt treffen sich Gruppen verschiedener Nationalitäten für Führungen. Am Schild mit der britischen Fahne stehen zwei Dutzend Leute. Am Schild mit der Deutschen Fahne steht genau eine Person. Ich.

“Würde es ihnen was ausmachen…”, fragt die Führerin. “Nein”, sage ich und schließe mich der englischsprachigen Führung an. Die muss sich nicht die Mühe machen nur wegen mir eine Privatführung zu veranstalten.

Wenig später wird die Gruppe in den Berg geführt. In einem blitzend weißen, von LED-Strahlern erhellten Raum steht eine brandneue Schienenbahn. Nachdem alle Platz genommen haben, fährt sie los. Die Bahnen, die ich so für Höhlentouren kenne, zuckeln und rumpeln und quietschen langsam vor sich hin. Diese hier nicht: Diese Bahn zuckelt nicht ins Innere des Bergs, sie rast.

In so schneller Fahrt geht es durch enge Stollen und weiträumige Höhlen, dass man meinen könnte in einem Fahrgeschäft eines Vergnügungsparks zu sein. Die Hallen, durch die die Bahn rast, sind riesig – viele davon von der Decke bis zum Boden voll mit Tropfsteinen, von denen manche Höhle froh wäre auch nur einen einzigen als Attraktion zu haben. Hier fliegen Sie an einem vorbei.

Die Postojna-Höhlen sind mit einer Gesamtgröße von 24 Kilometern die größten Showhöhlen Europas. Hier wurde die Wissenschaft der Höhlenkunde, die Speleologie, erfunden. Als man im 19. Jahrhundert merkte, dass man für den Eintritt in die Höhle Geld nehmen konnte, wurde sie in Rekordzeit für Besucher umgebaut. Sogar ein Postamt wurde hier unten eingerichtet, und ein Saal für Tanzveranstaltungen. Durch den rast die Bahn auch, von der Decke hängt immer noch ein Kronleuchter.

Als die Bahn stoppt, steigen alle aus. Der Führer, ein dicker, gemütlicher junger Mann, sagt, dass man hier so viele Fotos machen darf wie man möchte. Könne man doch eh nicht verhindern, einer würde doch immer fotografieren, da könne man es halt auch einfach erlauben. Sehr moderne Einstellung!

Dann wird er aber ernst und sagt, dass bitte niemand die Tropfsteine berühren soll. Für mich ist das selbstverständlich, denn an den Stellen, an denen man den Tropfstein berührt, hinterlässt man Hautfett – und das verhindert das Wachstum des Steins für mehrere Hundert Jahre.

Der Führer hat noch nicht ausgeredet, als ich aus der letzten Reihe ein entzücktes Kieksen höre und wie eine Frau sagt: “Guys, you gotta touch this dripstone, it feels amaaaaaaazing!” Ich verdrehe die Augen. Spot the Americans, denke ich.

Die Höhle ist dann aber auch wirklich amazing. Riesige Säle, gigantische Tropfsteine – das hier wirkt wie eine Tropfsteinhöhle auf Steroiden. Als hätte jemand ein Bild einer normalen Tropfsteinhöhle gesehen und dann diese hier 10 Mal übertrieben gemacht. Das hier ist die Disneylandversion einer Tropfsteinhöhle.

Hier gibt es sogar Topfstein-“Spaghetti”.

Der Führer erzählt nicht viel, nur, dass sich hier im Krieg Menschen versteckt und weiter Brücken gebaut haben, um noch tiefer in den Berg zu kommen. Nein, das hier ist keine Lehrstunde. Das hier ist ein Spaziergang unter Tage. Der Führer und seine beiden Kollegen achten nur darauf, dass niemand verloren geht und keiner in eine der unterirdischen Schluchten fällt. Ein Minimalprogramm, aber hier ist das wenigstens Konzept – anders als bei der Führung in der Grotta Castellana, die unfreiwillig vorne und hinten auseinandergefallen ist und richtig schlecht war.

Das Maskottchen der Höhle ist übrigens ein “Drachenbaby”, das hier überall zu finden ist, auf Hinweisschildern und Andenken genauso wie als Comicfigur.

Bei diesem Maskottchen handelt es sich nicht um einen erfundenen Drachen, sondern um eine geschickte Vermarktung eines Grottenolms! Ja, wirklich, das allgegenwärtige “Drachenbaby” ist in der Realität ein Proteus Anguinus. Das augenlose Tier wird bis zu 30 cm lang und sieht aus wie ein weißer Aal mit nicht ganz fertig ausgebrüteten Ärmchen und Beinchen. Weil er ein wenig wie ein Embryo aussieht, ist die direkte Übersetzung seines kroatischen Namens auch “Menschenfischlein”. Buah, gruselige Vorstellung.

CC BY SA 3.0 Arne Hodalič

Wahrlich keine Schönheit, aber im Dunkeln sieht ihn ja niemand. Das Besondere an dem Grottenolm, der nur hier, im dinarischen Karst, lebt, ist nicht nur, dass er sein Leben in völliger Dunkelheit verbringt, er kann auch bis zu 100 Jahre alt werden. Warum, weiß niemand so genau. Vermutlich führt ein Leben in Dunkelheit und Ruhe zu verlangsamter Alterung. Der Höhlenführer erzählt, dass der Grottenolm einen extrem verlangsamten Metabolismus haben kann. Wenn ich ihn richtig verstehe, sagt er, dass das Herz des Tieres im Energiesparzustand nur alle paar Stunden mal schlägt, und nur alle 10 Jahre muss er etwas fressen. Man stelle sich das vor, 100 Jahre alt zu werden und nur 10 Mal im Leben was essen müssen! Ich bin immer noch nicht sicher, ob das cool oder ein Albtraum ist.

Dabei ist der Grottenolm recht empfindlich, was seine Umgebungstemperatur angeht. Schon wenige Grad Schwankung in der Wassertemperatur zieht Unfruchtbarkeit nach sich. Der Olm mag seine Höhle gerne immer gleich.

Da kommt es natürlich gar nicht gut, dass eine Firma für elektrische Kondensatoren mitten im Einzugsgebiet der Unterirdischen Flüsse das Grundwasser mit Plastikweichmachern und Arsen verseucht. Die EU versucht den Lebensraum zu schützen, bislang aber nur mit mäßigem Erfolg. Früher haben die Betreiber der Höhle die Tiere auch an Reisende verkauft, weshalb u.a. Charles Babbage so einen hatte. Das ist aber zum Glück jetzt verboten. Beim Höhlenbesuch kann man die Grottenolme ab in einem Vivarium betrachten.

Nach rund eineinhalb Stunden geht es durch ein schmiedeeisernes Tor wieder an die Oberfläche und ich atme tief durch.

Unter Tage war es mit 9 Grad kühl, aber diese Luftfeuchtigkeit macht mich in den Motorradklamotten fertig. Als ich mich umsehe, merke ich, dass es jetzt ordentlich voll ist. Trauben von Besuchern marschieren auf den Höhleneingang zu, und im Sekundentakt fahren Wohnmobile und Busse auf den Parkplatz. Guter Moment um wieder abzuhauen.

Ich sattele die V-Strom und fahre nach Nordwesten. Allerdings nur 10 Kilometer, dann stelle ich das Motorrad schon wieder ab.

Der kleine Ort Predjama besteht nur aus einem Dutzend Häuser, die sich an die fast senkrechte Flanke eines Berges ducken. Über dem Ort liegt ein großer Wald, unterhalb des Ortes sind steile, grün bewachsene Hänge, die in eine Schlucht abkippen. Diese Schlucht läuft auf ein Bergmassiv zu, in dessen schroffen Felswänden der Eingang einer großen Höhle zu sehen ist, und in dieser Höhle steht… eine Burg!

Ja, wirklich. Eine ganze Burg, die in der Felswand und in der Höhle steht. Irrer Anblick.

Ich stehe noch mit offenem Mund vor dem Motiv, als mir Leute auffallen, die in der Sonne sitzen und aussehen, als ob sie auf etwas warten. Dann sehe ich das Schild “Sammelpunkt Höhlenführung hier”. Hä? Die Führung findet doch nur einmal am Tag statt und hätte vor einer halben Stunde starten müssen. Hat die Verspätung?! Ich hatte es ja nicht zu hoffen gewagt, weil ich eigentlich auch schon zu spät dran bin, aber… “Kann ich noch mit?”, frage ich eine junge Frau in einem Kassenhäuschen. Sie nickt, tippt dann auf einer Rechenmaschine herum, subtrahiert hier was, addiert da eine Umsatzsteuer und möchte am Ende den krummen Betrag von 9,81 Euro haben. Ich stelle keine Fragen.

Mit einem Ticket in der Tasche geselle ich mich zu den wartenden Leuten. Kaum fünf Minuten später kommt ein junger Mann in der Kleidung eines Speläologen, mit Funktionsklamotten und derben Bergstiefeln, auf uns zu. Er stellt sich als Alwin vor und als überaus schlecht gelaunt heraus. Barsch raunzt er die Gruppe an, dass sie ihm folgen soll. Wir steigen einige Treppen hinab, die in den Berghang eingelassen sind, bis zu einem kleinen, rundum verglasten Besuchercenter.

Hier stempelt Alwin unsere mein Ticket geradezu gewalttätig ab. Wirklich, er haut mit einem Stempel so doll auf die Eintrittskarten, als wollte er eine Ratte erschlagen. Dann wirft er sichtlich genervt allen einen Helm in der Größe “One Size fits Nobody” zu, drängt uns aus dem Besuchergebäude heraus und marschiert auf einem Weg parallel zum Hang auf die Felswand zu. Alwin schlägt einen forschen Schritt an, und die Gruppe, von denen einige noch mit den Helmen kämpfen, stolpert hinterher.

Über dem Laufweg dreut die Felsenburg, während ich weiter unten in der Schlucht Stege sehen kann, die zu Holztüren führen. Zu so einer führt uns Alwin und sperrt mit einem großen, schmiedeeisernen Schlüssel auf.

Durch die schwere Eichentür geht es hinein in eine Höhle. Die wurde früher von den Burgbewohnern als Pferdestall genutzt, zumindest zum Teil. Burg mit Tiefgarage, soso.

Die Höhle führt vom Flußbett am Grund der Schlucht einmal die ganze Felswand hinauf und bis zur Burg, sagt Alwin. Sie ist nicht touristisch erschlossen, weshalb es kein elektrisches Licht gibt und die Wege nicht ausgebaut oder umfangreich gesichert sind. An seinem Tonfall kann man hören, dass Alwin der Auffassung ist, dass wir selbst schuld sind – zuallererst daran, dass wir hier sind, und wenn uns was passiert, erst recht. Und das er arbeiten muss, daran sind wir auch schuld.

Der Boden ist wirklich uneben, überall liegen Felsen und Geröll herum. Auch Basen von Stalagmiten sind noch zu erkennen, die man wohl zertrümmert hat um Platz für die Pferde zu schaffen. Im ehemaligen Stallbereich sehe ich Ruß, wo früher mal Fackeln in Ringen steckten. Außerdem gibt es jede Menge Graffiti, kleine Zeichnungen und Namenszüge, darunter Jahreszahlen. “Gero, 1679”, steht an einer Stelle. Ja, Junge, Du hast Dich hier echt verewigt.

Hinter den Stallungen wird die Höhle schnell sehr eng. In teils gerade mal 50 Zentimeter breiten Gängen führt der Weg steil nach unten oder in auch mal fast senkrecht nach oben.

Der Aufstieg ist nichts für schwache Nerven. Es ist absolut dunkel, nur die Helmlampen sorgen für Orientierung. Metalleitern sind über Abgründe gelegt und führen Kamine hinauf. Die Stufen und Geländer sind glitschig, wegen der hohen Luftfeuchtigkeit in der Höhle. Im Licht der Helmlampe kann ich einzelne Wassertropfen in der Luft schweben sehen. Dieser grobkörnige Nebel bildet Muster und Strömungen, die im Helmlicht leuchten, während ich hindurchgehe. Das sieht wunderschön aus und fühlt sich fast an, als wäre ich unter Wasser.

Es lenkt auch davon ab, dass die Rumkletterei hier unten nicht ungefährlich ist. Anders als die Adelsberger Grotte ist das hier kein Disneyland. Es lenkt mich auch davon ab, dass ich schon wieder Schwitze wie ein Üchel, denn natürlich trage ich hier die luftdichte und schwere Airbagjacke. Die Kletterei ist anstrengend, und die hohe Luftfeuchtigkeit macht das gleich nochmal heftiger.

Nach einer Stunde spüre ich frische Luft. An den Wänden hängen Fledermäuse – ein weiteres, sicheres Zeichen, dass der Ausgang in der Nähe ist.

Alwin hat mittlerweile etwas bessere Laune, vielleicht, weil niemand aus der Gruppe genervt hat, durch dummes Rumgelaber oder gebrochene Knochen. Die Führung endet damit, dass Alwin eine große Holztür öffnet. Ich blinzele ins Tageslicht und versuche mich zu orientieren. Ich stehe auf einem schmalen Pfad, der links von einer Felswand, recht von einem Abgrund begrenzt wird. Von hier aus sehe ich auf die Dächer der Burg hinab.

Wir sind echt im Berg an der Festung vorbei geklettert und über ihr rausgekommen! Die letzte Tagesaufgabe ist es nun also den Berghang herabzusteigen, ohne sich jetzt noch was zu brechen oder runterzufallen. Ist für mich eine Kleinigkeit – mein Lieblingsspielplatz als Kind war ein alter Kalksteinbruch in der Nähe meines Elternhauses. Ich kann steile Pfade ohne jeglichen Halt genauso laufen wie ich ungesichert in senkrechten Felswänden klettern kann, und gegen die bröckelnden Steinbruchwände ist das hier ein Stück Kuchen.

An der Burg angekommen miete ich mir einen Audioguide und ziehe auf eigene Faust durch die Festung. Der Audioguide ist leider einer von der schlechteren Sorte. Keine Ahnung was manche Hersteller reitet, dass die jeden Track mit Atmo oder Kirchengesang einleiten müssen. Ich jedenfalls bin genervt, dass vor jeder Erklärung erstmal eine halbe Minute Schmiedehämmern, Pferdegewieher oder was sich der Autor sonst so als “authentische” Burggeräusche vorgestellt hat, anhören muss. Das ist verschwendete Lebenszeit.

Außerdem ist der Guide extrem umfangreich und kleinteilig. Immerhin eine coole Geschichte hat er aber doch auf Lager. Die vom Raubritter Erasmus von Luegg. Der tötete zu Beginn des 15. Jahrhunderts im Streit einen Verwandten Friedrich des III und zog damit den Zorn des Kaisers auf sich. Er flüchtete vor der Todesstrafe in die Höhlenburg, die daraufhin belagert wurde.

Die Belagerung zog sich mehr als ein Jahr hin, und im Laufe der Zeit wurden die Belagerer irgendwann selbst recht demotiviert. Aber irgendwann musst die Strategie doch aufgehen und Erasmus rauskommen, weil es ja nur einen Weg in die Burg gab, und den Burgbewohnern sicher die Nahrungsmittel ausgehen müssten. Da liess sich ein sichtlich wohlgenährter Erasmus auf den Burgmauern sehen, grüßte freundlich, verhöhnte die Belagerer und bedarf sie von oben mit frischem Obst und gebratenem Ochsenfleisch.

Die Belagerer glaubten ihren Augen kaum. Wo hatte Erasmus nach Monaten der Belagerung frisches Obst, Gemüse und Fleisch her? Dafür konnte es nur eine logische Erklärung geben: Erasmus war ein mächtiger Zauberer! Angsterfüllt wurde die Belagerung abgebrochen und Rückzug angeordnet. Erasmus lachte sich ins Fäustchen, denn natürlich waren die Lebensmittel durch das weitverzweigte Höhlensystem rangeschafft worden, das an mehreren Stellen Ausgänge in die umliegenden Wälder hatte.

Am Ende erwischte es Erasmus aber doch. Ein Diener verriet ihn 1484 an seine Feinde und gab ein Signal, als der Ritter auf dem Abort saß. Dort wurde er dann von Steinkugelgeschossen erschlagen. Beim Scheißen vom Blitz getroffen, sozusagen. Die Lokusbombardierung ist aber unbestätigt, es kann auch sein, dass es sich um eine Legende für Touristen handelt.

Die Burg wurde im Laufe der Jahrhunderte vielfach umgebaut und erweitert. Ihre heutige Form bekam sie 1570.

Ich muss schon wieder Pausen machen, weil mir der Schweiß in die Augen rinnt und durch die Klamotten rinnt. So habe ich wenigstens genug Zeit, die eigenartige Konstruktion zu bewundern. Burg und Höhle gehen an vielen Stellen ineinander über, und über der letzten Burgzinne klafft eine Spalte, die Eingang zu einer Felsenkapelle ist.

Als ich wieder am Motorrad ankomme, bin ich körperlich durch. Es ist schon wieder über 30 Grad heiß, dazu die Anstrengung und die schwere Jacke – ich freue mich regelrecht drauf, jetzt nur auf dem Motorrad und im Fahrtwind zu sitzen. Handschuhe, Helm, Jacke… Oh, was ist das denn? Das Airbagsystem in der Jacke startet? Einfach so? Na warte, denke ich. Das Schönwetter machen wird dir nichts nützen, ich werde den Werkstattermin übermorgen nicht absagen. Gut, dass ein Logbuch im Inneren der Jacke alle Fehlfunktionen speichert. Da kann später nicht der Vorführeffekt zuschlagen.

Anna bootet sich in den Helm und meldet freie Fahrt, empfiehlt aber eine schnellere Route. Ne, lass mal. Ich habe die Strecke heute mit Absicht super kompliziert über kleinste Bergstraßen festgelegt. Ich habe heute viel Zeit und auch Lust, langsam durch Slowenien zu gurken und was vom Land zu sehen.

Meine Route über führt teilweise sogar über unbefestigte Straßen. Die Barocca tuckert dann über Wirtschaftswege und quer durch die dichten und urigen Wälder, und ich habe einen Heidenspaß daran, dass Motorrad über diese Pisten zu steuern.

Weniger spaßig sind zwei Dinge: 1. Holztransporter. Von denen gibt es leider VIELE, und sie bestehen immer aus einem Laster mit Anhänger. Lang und breit, da kommt man auf den engen Bergstraßen nicht einfach dran vorbei.

Zum Glück sind die Fahrer alle freundlich. Auf überschaubareren Streckenabschnitten bremsen sie und machen den Weg frei. Das gehört sich hier wohl so, und das ist toll.

Nervding Nr. 2 sind die Baustellen. In Slowenien wird Straßenbau nicht Stück für Stück, sondern Straßenweise betrieben. Da fehlen dann z.B. über die gesamte Länge einer Straße die oberen Deckschichten, so dass es 10 Kilometer nur über Schotter oder Sand geht. Ätzend.

Aber auch das geht irgendwann vorbei.

Am Nachmittag komme ich im Triglav Nationalpark an, ein Gebirgszug mitten in Slowenien. Dort gibt es einen großen See, den Bohinjsko Jezero, der nur über eine Zufahrtsstraße zu erreichen ist, weil er von Bergketten umsäumt ist.

Bild: Google Earth 2018

Und meine Güte, ist auf der Straße was los. Das hier ist wohl ein beliebtes Urlaubsgebiet. Überall parken Autos, sommerlich gekleidete Menschen schlendern an der Uferpromenade entlang und überall stehen Schilder, die auf Badegelegenheiten hinweisen.

Ich will nicht baden, ich will lieber hoch hinaus. Ich lasse die Barocca zurück und fahre mit einer Seilbahn den Berg hinauf bis zum Vogel Center.

Von hier hat man einen fantastischen, wenn auch heute etwas dunstigen Blick über den See und die Berge.

Das Vogel Center ist eine Skianlage. Jetzt, im Sommer, liegen hier aber nur Kühe faul in der Sonne rum.

Oh je, der hat sich verlaufen und findet da nie wieder raus:

Ich fahre wieder runter und steuere die Zufahrtsstraße wieder zurück bis in den Ort Bohinjska Bistrica. Dort betanke ich die Maschine und suche dann meine Übernachtung für heute auf, die Villa Bistrica. Schon wieder eine Villa. Damit habe ich es auf dieser Reise irgendwie.

Leider ist das Restaurant im Erdgeschoss des kleinen Familienhotels geschlossen, aber die Wirtin hat einen Tip für mich, den ich gerne befolge. Im “Mateusz” gibt es Draftbiere mit skurrilen Namen und eine interessante Speisekarte, die unter anderem “Trockenfleisch” führt. Das muss ich probieren! Leider entpuppt es sich nur als Kasseler, was sehr langweilig ist. Lustig sind dagegen Sauerkraut und Kartoffelbrei, die zu festen Kugeln komprimiert serviert werden. Alles ist sehr lecker, aber auch sehr fett.

Totmüde falle ich ins Bett. Langer Tag. Sorgen macht mir das Wetter morgen: Regen kommt über das Land und wird meine weitere Fahrt begleiten.

Tour des Tages: Von der Postojna-Höhle in den Triglav-Nationalpark.
Bild: Google Earth 2018

11 Gedanken zu „Reisetagebuch 2018 (13): Unterirdisches Disneyland

  1. Sau geiler Bericht 🙂 … hat Spaß gemacht ihn zu lesen und zu lachen gab`s auch was.
    Die Burg ist ja der Hammer und nur 822 km von hier 🙂
    Also ich wäre gerne so ein Drachenbaby, denn dann würde mir nicht irgendwann
    ne Lokusbombardierung drohen, so oft wie ich momentan drauf sitze 😉
    DANKE !!

  2. Danke für die schönen Bilder von Postojna und Predjama, da müssen wir auch noch mal wieder hin! Die Führung mit Alwin haben wir beim letzten Mal verpasst, dafür brauchte man noch eine spezielle Voranmeldung. Die Höhle am Campingplatz ist übrigens auch durchaus sehenswert…

  3. Klasse Bericht, insbesondere was die Höhlen und Burgen betrifft. So was fand/finde ich auch immer ungemein spannend und du bringst das rüber als wäre man dabei. Die Fahrt in der Bahn wirkt da ja noch professioneller, als das was die Bayern in Bad Reichenhall aufgezogen haben.

    Nur, mit dir würde ich nicht unterwegs sein wollen, wenn ich lese “Ich kann steile Pfade ohne jeglichen Halt genauso laufen wie ich ungesichert in senkrechten Felswänden klettern kann”. Da bist du ja so drauf wie der Gleich, bei dessen Bericht ich mir schon fast im sicheren Sessel vor dem Rechner aus Angst in die Hose machen wollte: https://www.mojomag.de/2018/11/auf-gratwanderung/

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