Ausfahren in der Gruppe – wie man es nicht macht (und wie es richtig geht)

Neulich, auf der Großglockner Hochalpenstraße: Eine Gruppe Motorradfahrer kommt mir entgegen, offensichtlich gemeinsam auf Tour. Vorneweg zwei mit hoher Geschwindigkeit, aber in perfekter Linie in den Kurven. Die beiden versuchen sich gegenseitig zu überholen und haben offensichtlich ihren Spaß dabei.

Dahinter das Mittelfeld. Drei Bikes, ebenfalls zügig unterwegs, aber nicht ganz so schnell wie die Rennfahrer und deutlich weniger auf Ideallinie. Am Ende der Gruppe dann noch drei Kräder, erkennbar mit den ungeübtesten Fahrern. Die drei können weder Anschluss an die Gruppe halten, noch können sie die Kurven fahren. Im Gegenteil, die Kombination aus panischem „Die fahren mir weg!“ und fahrerischer Ungeübtheit führt dazu, dass der letzte der drei sogar die Kurven schneidet und dabei auf die Gegenfahrbahn kommen, also auf meine Spur.

Passiert ist nix, aber in dem Moment habe ich mich wieder an den Kopf gepackt und laut geseufzt. Die beschriebene Gruppe war nicht die einzige an dem Tag, die so aufgestellt war. Vorneweg die Schnellsten, weil „Wir wollen Spaß!“, „Wir langweilen uns sonst!!“ und „Reisende soll man nicht aufhalten, wir treffen uns dann an der nächsten Kreuzung, tschööööö!“. Folgerichtig fahren in solchen Gruppen vorneweg die schnellsten und besten Fahrer, die gemütlichen und ungeübten am Ende.

Um es mal ganz deutlich zu sagen: Das geht so nicht.

Ein solches Konzept mag für die Schnellen OK sein, für Mittelfeld ist es Stress und für die Schlusslichter ist es frustrierend, wobei die dann oft noch, siehe oben, den Verkehr gefährden.

Wer gerne schneller unterwegs sein möchte fährt allein und nicht in der Gruppe. In einer Gruppe gibt der Langsamste die Geschwindigkeit vor. Und wenn gewisse Personen das nicht akzeptieren, DANN SOLLTE MAN BESSER NICHT MIT DENEN IN EINER GRUPPE FAHREN. So einfach ist das.

Wer mich kennt weiß, dass ich am Liebsten allein unterwegs bin. Selten fahre ich mal in einer Gruppe, und wenn ich das tue, hält die sich an ein paar sehr simple Regeln. Eine gute Gruppe ist so aufgebaut:

  1. Vorneweg der Tourguide. Er kennt die Strecke und gibt die Geschwindigkeit vor. Der Tourguide hat vorher alle Regeln klar kommuniziert und Tankstops und Pausen mit den Gruppenteilnehmern abgesprochen. Der Tourguide wechselt nicht während der Fahrt. Der Tourguide wird niemals überholt.
  2. Hinter dem Tourguide fahren als erstes Anfänger und weniger geübte Fahrer. Der Guide behält die im Auge und richtet seine Geschwindigkeit an ihnen aus.
  3. Dahinter folgen die anderen Fahrer in aufsteigender Fähigkeit, am Ende fährt der geübteste und sicherste Fahrer.
  4. Der letzte Fahrer kennt auch die Route und hat für Notfälle die Telefonnummer des Guides. Er achtet darauf, dass niemand verloren geht.

Darüber hinaus gibt es noch ein paar wichtige Regeln, die man vorher mit allen besprechen sollte:

  1. Die Reihenfolge bleibt während der Fahrt fix, es wird sich nicht gegenseitig überholt.
  2. Auf gerade Strecken wird versetzt gefahren, immer einer links, einer rechts. Vor und in Kurven wird diese Formation aufgelöst, danach gleich wieder eingenommen.
  3. Die Gruppenmitglieder behalten sich im Rückspiegel im Auge. Verliert ein Gruppenmitglied den Anschluss, wird der Vorausfahrende langsamer und signalisiert im Zweifelsfall durch Blinken oder Handzeichen, dass was nicht stimmt. Der Tourguide sucht eine geeignete Stelle, wo der vordere Gruppenteil gefahrlos in einer Reihe halten und warten kann. Findet man sich nicht wieder, übernimmt der letzte Fahrer den hinteren Gruppenteil und fährt zu einem vorher ausgemachten Treffpunkt oder bringt die Tour allein zu Ende.
  4. Abstand halten. Immer. Innerorts weniger, damit man gemeinsam über Ampeln rutschen kann, außerorts mehr.
  5. Überholen: Der Tourguide überholt Fahrzeuge vor ihm nur dann, wenn gefahrlos mindestens noch zwei weitere Gruppenteilnehmer mit überholen können. Danach überholt jeder für sich allein, so, wie es ihm sicher ist. Kommen von hinten schnellere Fahrzeuge, lässt man denen genügend Platz zum Überholen.
  6. Es sollte gemeinsam getankt werden – alle paar Kilometer individuelle Tankstopps einlegen müssen, das geht gar nicht.

Zehn simple Punkte, die klare Regeln aufstellen. Klar, das kann man jetzt noch beliebig verkomplizieren („fliegender Marshall-Prinzip“ oder ähnliches) oder ausschmücken (Tourguide und Letzter tragen Warnwesten, man verschaltet sich mit Bluetooth, etc.), aber im Kern sind das da oben die einfachen Spielregeln für eine sichere und für alle stressfreie Gruppenfahrt.

Sollten am Ende dann Teilnehmer permanent rummosern, dass sie sich unterfordert fühlten und man beim nächsten Mal doch die Schnellen nach vorne lassen sollte – dann sollte es mit genau diesen Personen kein nächstes Mal geben. Die können eine eigene Gruppe aufmachen, ganz für sich allein.

Kategorien: Motorrad | 11 Kommentare

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11 Gedanken zu „Ausfahren in der Gruppe – wie man es nicht macht (und wie es richtig geht)

  1. So schaut’s aus. Leider gibt’s immer auch Zeitgenossen, die die Langsamen nach hinten verordnen und denen nach der Tour auch noch blöde Kommentare umhängen.

    Das Verhalten Einspuriger ist schon manchmal kurios.

    Beste Griass,
    JvS von http://www.motorprosa.com

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  2. dermeikel

    Dem stimme ich 100% zu – danke für den Beitrag @Silencer den dadurch hoffentlich ein paar derer lesen die das noch nicht verinnerlicht haben – fahren in der Gruppe heißt IMMER sich anzupassen. Wer das nicht möchte sollte keine Gruppenausfahrt machen und wenn dann nur mit Gleichgesinnten damit sich solch ein Bild wie oben beschrieben nicht bildet..Stress beim Biken kann ganz schnell böse enden und das kann nicht der Sinn und Zweck einer gemeinsamen Ausfahrt sein!

    Gruß
    Der „Meikel“ 🙂

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  3. Ali

    Habe mich am Sonntag bei Aalen auch wieder gewundert, lasse eine schnelle heißblütige Gruppe vorbei, wobei es bei den beiden letzteren mit Sozia gerade so im cm-Bereich gelangt hat trotz Gegenverkehr zu überholen. Gerade im Gruppendruck entstehen selbst für geübte und gestandene Fahrer/in oftmals Situationen, denen man als Solofahrer eher aus dem Weg fährt.
    Ich kenne beides und bereue nicht, jetzt zu 99% als Solofahrer unterwegs zu sein.
    Das hat natürlich auch den Vorteil, schnell, langsam, rechts oder links sowie Pinkelpausen individuell gestalten zu können. Bei meinen Etmalen würde sich auch mancher entgeistert an den Kopf langen.

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  4. Genau so, und nur so!

    Du hast das wunderbar beschrieben und auf den Punkt gebracht! Ich finde auch, dass es nichts Schlimmeres gibt, als Anfänger oder unerfahrene ans Ende zu setzen.

    Habe selbst mit meiner damals für mich neuen Vstrom die Erfahrung gemacht, als unerfahrener im letzten Drittel untergebracht zu werden. Den ganzen Tag hat man das Gefühl, zu langsam zu sein, alle warten auf einen und der Frust steigt ins Unermessliche. Wird man dann noch gefragt, ob man noch genug Kondition hat, lächelt man auch das fröhlich weg! Was für ein Quatsch!

    Auch beim ADAC habe ich es nur so kennengelernt, dass der schwächste direkt hinterm Tourguide fährt! So kann sich der unerfahrene im Idealfall noch etwas an Ideallinie abgucken und der Tourguide sieht sofort, wenn die Kondition nachlässt oder das Tempo nicht passt!

    Das gleiche gilt, wenn ich Tour-Guide bin! Dann mache ich auch immer noch einmal die Gruppenregeln klar. Denn gerade beim Überholen ist mir wichtig, dass jeder nur dann überholt, wenn ihm danach ist. Und selbst wenn er auf der längsten geraden der Welt einen Krümel im Auge hat und deshalb nicht überholen möchte, gibt es nachher kein Gemecker!

    Ich bin aber auch kein Freund davon, wenn mehrere gleichzeitig überholen! Ich muss immer die Chance haben, auch mal abbrechen zu dürfen, ohne dass man beim von hinten in mich rein fährt.

    Bin ich Tour-Guide und einer überholt innerhalb der Gruppe ohne besonders wichtigen Grund, kann er direkt bei der nächsten Pause alleine weiterfahren!

    Ich bin übrigens auch überhaupt keinen Freund, von Regeln, die ist noch komplizierter machen. Irgendeiner aus der Gruppe hält an irgendeiner Ecke, und andere fahren vorbei, aber überholen dann woanders wieder und jemand anders hält. Das kann ich mir ja schon in der Theorie nicht merken!

    Also, vielen Dank noch mal für diesen Artikel, den man nicht oft genug teilen kann!

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  5. ssuchi

    Es gibt eine sehr schöne Broschüre vom Institut für Zweiradsicherheit zu dem Thema, wo die Regeln noch mal ausführlich dargestellt und erklärt werden: https://www.ifz.de/wordpress/wp-content/uploads/2017/03/TT-2017.pdf

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  6. zwerch

    Danke, gut beschrieben!
    Ich bin sehr froh, dass es bei unseren Gruppenfahrten im Harz bisher immer genau so lief und laufen wird.

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  7. rudi rüpel

    SIE HABEN DIE MÖGLICHKEIT AN EINER VERKAUFSVERANSTALTUNG TEILZUNEHMEN

    Ohje,ohje,ohje. Größere Gruppen sin mir ein Graus. Erst ma aus eigener Erfahrung. Is schon ne Weile her, da dachten wir, man könne mit 10 oder 12 Mopeds ne Tagestour von 400 km in die Vogesen unternehmen. Ja kann man, muß man aber nicht. Warum? Beim Start: he Leute ich muß nur noch tanken. Nach 46 km Lichthupe: ich glaub ich hab zu wenig Luftdruck im Reifen. Nach 58 km: ich muß mal kurz in die Büsche. KM 101: Raucherpause. KM 130: ich hab Hunger. KM 160: übrigens ich fahr seit 20 km auf Reserve. KM 230: hat sonst noch jemand Durst? Und so weiter und so fort. Ach ja: Ampeln. Hät ich beinah vergessen. Am Ziel angekommen war wirklich jedem klar, die Heimfahrt sieht ganz anders aus. Seit dem fährt jeder von uns nur noch in kleinen Einheiten von 2,3 und höchstens vier Mopeds durch die Gegend. Und die, die da unterwegs sind finden sich anhand desselben Fahrstils zueinander. Wie beschrieben das sind eigene Erfahrungen. Dann gibt es noch die Beobachtungen die ich mache wenn ich größere Gruppen sehe. Da trudeln doch tatsächlich mehrere Tausender wie ein Bremsklotz vor einem Linienbus herum. Oder ich rolle auf eine Niederländische Reisegruppe auf. Der hintere Reiseleiter gibt mir ein Zeichen: du kommst hier nicht vorbei und er beschützt seine Gruppe indem er sich unglaublich breit macht und sogar in engen , unübersichtlichen Rechtskurven auf die Gegenfahrbahn fährt. Irre! Der war im vorherigen Leben wohl ne Katze und im Vertrauen auf seine sieben Leben unterwegs. Also Leute, müßen diese Gruppenreisen wirklich sein? Ich fahr allein!

    In einer Heitzdecke eingewickelt und auf einem Kaffeeberg sitzend grüße ich euch

    euer Rudi Rüpel

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  8. @Alle: Danke für Eure Kommentare! Ihr seid ja geradezu langweilig vernünftig 🙂 Ich hatte auf einen Kommenator gehofft, der Ausfahrtdarwinismus vertritt 😀

    Rudi: Aww, schön beschrieben! Sowas wäre für mich DIE HÖLLE AUF RÄDERN!

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  9. Ali

    Kurioserweise, wo für mich als Außenfahrender viel stimmig ist, sind Gruppen auf Alteisen, die Jäckchen rundum bestickt und die Reserveantriebskette noch umhängend. Penibel in Reihe und Geschwindigkeit um nicht unnötigerweise aufzufallen. Gerade „die“ hatten mir immer fairerweise Platz gelassen zum Überholen.

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  10. Was mich beim beschriebenen Szenario immer wieder irritiert: Es sind Strecken bei denen man sich nicht verfahren kann wo man sowas trotzdem häufig sehen kann/muss.

    Eine Straße, keine oder kaum Kreuzungen und trotzdem versuchen die Langsamen unbedingt mit den Schnellen mitzuhalten. Angst davor den Anschluss zu verlieren? Falsch abzubiegen? Wo kann man sich DA denn verlieren?

    Treffpunkt ausmachen, die geübten Fahrer davon brausen lassen und wenn man gemütlich (und vermutlich sogar relativ entspannt) am vereinbarten Treffpunkt ankommt ist alles Tutti.

    Das jemand versehentlich zur Edelweißspitze abbiegt oder die Kaiser-Franz-Josefs-Höhe verfehlt und ihm das erst an der Maustation ein paar 100 Höhenmeter tiefer aufgeht halte ich für recht unwahrscheinlich. Und wenn doch: Dann sollte er sowieso besser nicht in Gruppen reisen sondern zunächst ein paar Orientierungsläufe absolvieren. 😀

    Meine zugegeben seltenen Erfahrungen in Gruppen: Als Einsteiger-Schnecke mit am schwächsten motorisierten Gefährt an Platz 2. Nach Rücksprache bei Steigungen mit vielen Kehren am Ende und die flotten Fahrer fuhren vorneweg. War okay so. Nur hatte ich den Eindruck das ich den anderen den Spaß versaue und daher fahre ich jetzt schon seit Jahren alleine – kann dafür aber auch jederzeit anhalten, meine Foto-Pausen machen oder eben auch mal zwei Stunden ohne Zigarettenpause durchfahren (weil ich nicht rauchen muss – andere schon 😉 ).

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  11. Ali

    @x_fish….gerade das ist es, was mich am meisten stört: In vielen Berichten steht zu lesen daß man z.B. Pässe „hochheizt“ und dafür die-und die Maschine ergo PS notwendig ist.
    Wenn ich schon „untermotorisiert“ in einer Gruppe unterwegs bin und muß die Maschine ausquetschen um mitzukommen, kann die Gegend noch so schön sein, einen Eindruck davon habe ich dann deshalb nicht.

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