Ich bin ein großer Fan von Pinlock. Das ist ein System für Motorradhelme und besteht aus zwei Teilen: Einer Halterung und einer Scheibe.
Die Halterung, das sind zwei kleine Nöppel links und rechts im Inneren eines Motorradvisiers. Zwischen die beiden Nöppeln wird eine durchsichtige Scheibe, das Pinlock-Visier, gespannt. Das sitzt dann bombenfest auf der Innenseite des eigentlichen Visiers.
Der Trick ist nun: Die Pinlockscheibe hat eine hauchfeine, umlaufende Silikonlippe, so dass zwischen Außen- und Pinlockvisier ein kleiner Spalt bleibt.
Dieser Spalt zwischen den Visieren ist luftdicht und dadurch, DamenundHerren, kann der Helm nicht mehr von Innen beschlagen! Ganz egal wie warm oder kalt oder nass es ist und wieviel man im Helm rumatmet: Das Visier beschlägt nicht mehr.
Fantastisch, oder? Ich liebe Pinlock und fahre nicht mehr ohne. Ich habe schon genug damit zu kämpfen, das die Brille unter extremen Bedingungen beschlägt, da soll wenigstens das Visier verlässlich freie Sicht bieten.
Das Problem bei der Sache, und dafür hasse ich Pinlock inbrünstig: Die Scheiben sind irrsinnig empfindlich und sehr teuer.
Ich hatte es nun schon zwei Mal, dass frisch gekaufte Pinlockscheiben heftige Kratzer aufwiesen. Kratzer zu produzieren geht schnell: Die Scheiben sind aus hauchdünnem und leicht beschichtetem Kunststoff gefertigt und nur auf einer Seite mit einer Schutzfolie versehen.
Im Versand beim Einpacken mit langen Fingernägeln angefasst oder im Motorradgeschäft im Lager einen Karton drauf abgestellt und ZACK, Kratzer. Das Dumme ist: Die Kratzer kann man vor dem Kauf im Geschäft nicht sehen, denn auf einer (und NUR einer) Seite klebt eine Schutzfolie, durch die man kleine Kratzer nicht erkennen kann.
Bei einem Helmvisier sorgen aber selbst allerkleinste Kratzer im Sichtfeld dafür, dass das Licht gebrochen wird und man nichts mehr sieht. Dazu kommt, dass die flimmsigen Plastescheiben kein Wegwerfartikel sind. Über dreißig Euro kostet ein neues Pinlock! Also wirklich NUR die Innenscheibe, das eigentlich Helmvisier schlägt nochmal mit 40 bis 50 Euro zu buche.

Ich kaufe die Dinger immer dann, wenn Louis oder Polo gerade Rabattaktionen haben, und lege mir die auf Vorrat ins Regal. Mitsamt Kassenbon, um sie – falls ich beim Einbau feststelle, dass sie verkratzt sind – wieder umtauschen zu können. Das hat bisher auch immer geklappt, nur eine Louis-Mitarbeiterin war mal am Rumnöckeln „Den Kratzer haste ja vielleicht selbst reingemacht“.
Hatte ich nicht, aber natürlich hat die Dame recht: Hätte sein können. Denn natürlich kann man auch beim Einbau (den man bei Louis auch vom Personal vornehmen lassen kann) Kratzer hinterlassen.
Meine Spezialität beim Einbau ist aber eine andere. Pinlockscheiben sind nämlich nicht nur kratzempfindlich, auf ihnen bleibt auch Hautfett zurück, und das bekommt man nicht mehr ab.
Vor zwei Jahren habe ich es geschafft, beim prüfenden Blick durch ein frisch eingebautes Pinlock einen Nasenabdruck auf der Scheibe zu hinterlassen. Hautfett auf Helmvisier, das wirft beim Durchgucken Regenbogenfarben. Dennoch blieb der Nasenabdruck da, denn wenn man versucht ein Pinlockvisier zu reinigen, verkratzt man es sofort mit mikroskopischen kleinen Kratzern, die das Licht noch schlimmer brechen.
Beim Visierbau in diesem Jahr war ich gaaaaanz vorsichtig. Ich habe mit der Nase weiten Abstand gewahrt und sogar Latexhandschuhe angezogen, um keine bloß Fingerabdrücke zu hinterlassen. Nun muss man aber für den Einbau sehr beherzt das äußere Helmvisier auseinanderbiegen und gleichzeitig die Pinlockscheibe in die Nöppel fummeln. Dafür braucht man entweder drei Hände oder man nimmt den Ellenbogen zur Hilfe.
Es kam, wie es kommen musste: Einmal kurz abgerutscht, schon hatte ich den Abdruck meines Ellenbogens auf dem Pinlock hinterlassen. Ich habe dann gaaanz vorsichtig versucht mit Seifenlauge und dem zartesten aller vierlagigen Tissues den Fettfleck weg zu bekommen, aber ohne Erfolg. Die fettige Stelle blieb, wo das Tüchlein das Pinlock berührte, blieben Mikrokratzer zurück. Dreißig Euro für die Tonne.
Also eine neue Pinlockscheibe gekauft und eingebaut, dabei Nase, Ellenbogen und Finger gut verhüllt und die Schutzfolie erst nach dem Einbau abgezogen und bemerkt: DIESES Pinlock ist wohl zu warm gelagert worden. Die Schutzfolie hat einen blasigen, kaum sichtbaren Schleier hinterlassen. Das ist noch eine ganz neue Dimension von Arschigkeit. Außerdem sind an einer Stelle Kratzer, als wäre da was drübergeschabt. Ärgerlich, aber wenigstens sind die Kratzer außerhalb des Sichtfelds, und wegen des Schleiers habe jetzt keinen Nerv mit dem Geschäft rumzudiskutieren.
Also: Pinlock ist vom Prinzip her eine tolle Sache, beschlagfreie Sicht will ich nicht missen. Aber die Pinlockscheibe als solche ist ein garstiges Mistvieh, unverschämt teuer und praktisch sofort kaputt, wenn man sie auspackt oder scharf anguckt. Ihre Konstrukteure seien geheiligt und sollen in der Hölle schmoren.
Wieder mal was dazu gelernt aus einer ungeahnten Parallelwelt.
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Moin,
Fettflecken auf einem Pinlock Visier beseitigst Du einfach und schnell mit einem Microfasertuch. Das geht kratzerfrei. Reinigungsmittel und Seife sollte man bei Pinlock nicht verwenden, so steht es zumindest in der Anleitung meines Helmes: „Die Visier-Innenseite ist ausschiesslich mit einem weichen, bei Bedarf leicht angefeuchteten Tuch (empfohlen: Microfasertuch) zu reinigen. Hierbei keine Reinigungsmittel verwenden.“
Mache ich seit Jahre so und funktioniert, auch bei Nasen- oder Fingerabdrücken.
Gruss
Lupo
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P.S.: Ich habe mit Flugzeughauben aus Plexiglas zu tun, daher grundsätzlich und niemals Papiertücher verwenden. Die mineralischen Zuschlagsstoffe in Papier verkratzen das Visier, was bei Stofftüchern nicht passiert. Probiers aus!
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Danke für den Hinweis, Lupo! Ich dachte immer, harte Mikrofasertücher verursachen noch mehr Kratzer als superweiches Papier. Werde ich mir merken!
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Kommt auch höchstwahrscheinlich auf den Sehwinkel an, der bei mir außergewöhnlich breit ist und dazu führt, daß ich den kaum sichtbaren Rand des Pinlockes als sehr störend empfunden habe.
Es reicht mir schon, durch drei Plastescheiben der optischen Verzerrung durchzusehen: Airflow, Visier und Sonnenblende, die zudem bei Strecke mit Flugobjekten garniert werden.
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Das ist eine gaaanz tolle Beschreibung eines Moppetfahrers, detailliert wie immer, über das wohl innovativste Produkt, das mann sich in der Szene an sinnvollen Produkten zu kaufen vorstellen kann, die aber kaum wirklich unbeschädigt zum Einsatz kommen.
Meine eigene Erfahrung damit:
Nachdem mir bei einer Donauüberquerung (in der Stadt) auf einer (langen) Brücke bei Minusgraden die Moppetbrille außen zufror, hatte ich von einem Augenblick zum nächsten Milchglas vor Augen und mußte sie während der Fahrt blitzartig entfernen. Das war kein Problem, ich trage sie, wie MX-Fahrer sie eben tragen, ein Ratsch an der linken Seite und sie baumelte seitlich am Helm, doch ich war überrascht und alarmiert; bei dichtem Verkehr ist es ja nicht ungefährlich, die Hand -wie gewohnt- von der Vorderbremse zu nehmen. Daraufhin beschloß ich, im Winter bei Minus nur mehr einen Helm mit Visier zu tragen, das zur Aufnahme des Pinlockvisiers vorgesehen ist. Gesagt, getan, der vorhandene Schuberth hat sowas ja. Ergebnis nach der Montage: zwar keine Fingerabdrücke, aber Kratzer. Das Pinlock hatte ich mitsamt dem Helm zwei Jahre zuvor gekauft. Beides lag seitdem im Schrank, Reklamation mit wenig Aussicht auf Erfolg unterließ ich. Fazit: Ich fahre jetzt im Winter mit Integralhelm ohne Pinlock – in der Stadt lasse ich das Visier einen ganz kleinen Spalt weit offen, das reicht und es zieht nicht, außerorts beschlägt sowieso nichts, auch wenn es zu ist.. Wer eine Balaklava bis über die Nase (oder eine Brille) trägt: da funktioniert dieses System wahrscheinlich nicht. Die Feuchtigkeit im Gewebe steigt auf und beschlägt (Brille und) das Visier nachhaltig. NUR vor dem Mund, zB ein HAD: das geht…
Vielleicht weiß ja ratbike Rat und kann Abhilfe anbieten … 😉
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Kein Problem. Egal welches Papier: Tempo, Küchentücher oder irgendwelche Kosmetiktücher (Vorsicht, die sind oft imprägniert!) enthalten anorganische Füllstoffe, die zu den Kratzern führen. Das sind z.B. Titandioxid, Calciumcarbonat, Bentonit, Aluminiumhydroxit, sowie Silicate. Über die Härte dieser Zuschlagsstoffe, härter als Kunststoffe, zerkratzen diese.
Hartes Mikrofasertuch? Welche kennst Du? Ich nehme die Microfasertucher für Brillen vom Optiker, welche sehr weich sind.
Ich selbst habe eine Sportbrille aus Kunststoffgläsern (Polycarbonat), die ich nur mit Microfaser reinige. Kein Problem damit! Meine Mutter nutzte für Ihre Kunststoffgläser Küchentücher, die Gläser sind hin…
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Guck an – ich hatte tatsächlich diese Mikrofasertücher für den Haushalt im Hinterkopf. Meine Brille ist aus Glas und die Beschichtung fest wie sonstwas, der mute ich von Papier bis Billig-Feuchttücher von Lüdl alles zu 😀
Das Optikertuch merke ich mir auf jeden Fall. Hätte ich das vorher gewusst und mich nicht so doof angestellt, ich hätte das letzte Pinlock nicht versaut.
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Olpo: Ich fahre am liebsten auch nur mit Visier Spalt offen. Sturmhaube kann ich aber auch nicht tragen, Brille ist sonst schneller beschlagen als ich gucken kann 🙂
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Ali: Die Verzerrung merke ich bei meinem Helm kaum, und das sichtfeld ist so groß, dass mich auch die Pinlockränder nicht stören. Das mag natürlich bei anderen Helmen anders sein.
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Moin Olpo und Silencer,
ich bin ja auch Brillenträger und trage aber auch Sturmhauben. Habe damit bzgl. Beschlagen meiner Brille keine Probleme. Da nutze ich die ganz billigen und uralte von vor knapp über 20 Jahren. Visier habe ich auch gerne auf, hängt aber davon ab,ob es regnet oder nicht.
Als Helm nutze ich einen Schuberth C3, der hat eine gute Belüftung.
Parallel dazu habe ich noch alte Helme von BMW und Schubert ohne Pinlock, aber mit Anti-Fog-Beschichtung. Die funktinieren sehr gut, immer noch…
Wenn jetzt einer sagt, Heme sollte man alle fünf bis sechs Jahre tauschen, dem empfehle ich folgenden Artikel, der sich mit meiner Erfahrung als Segelflieger deckt, denn das erste Segelflugzeug aus Kunststoff aus dem Jahre 1957 fliegt immer noch:
https://www.motorradonline.de/bekleidung/beratung-wie-lange-halten-helme-wie-lange-halten-helme/
Gruss
Lupo
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Ich denke, man sollte den Helm tatsächlich alle paar Jahre mal erneuern. Es mag richtig sein, dass die Dämpfungwirkung alter Helme nicht oder nur langsam schlechter wird, was aber im Dauereinsatz recht fix altert sind die Innenpolster, wodurch der Helm nicht mehr so gut sitzt wie früher. Und was man auch nicht vergessen darf: Die Helmtechnik entwickelt sich weiter. Ein Helm von 2019 schützt, würde ich jetzt mal wagen anzunehmen, besser als einer von 1991. 🙂
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ja, das stimmt. Da hast Du natürlich recht, aber was soll man gegen emotionanle Gründe machen ; – )))
Gruss
Lupo
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@all: ich denke, man könnte Lupo den Titel ‚ratracer.de dieses Fadens‘ verleihen 😉 das kann natürlich nur ein Vorschlag sein, ich bin ja bloß Gast hier wie alle anderen auch. Aber durch die zielführenden Tips mit Erfahrungs-Hintergrund wie obgenannter meist anbietet, darf man ihm schon dankbar sein.
@Sturmhaube etc.: Mir geht’s wie Silencer; wenn ich mal eine Brille trage, meist nur bei Nachtfahrten, ist sie sofort beschlagen, wenn ich irgendwo zum Stehen komme und ein Tuch oder Neopren-Mundschutz im Spiel ist, die jeweils über der Nase liegen – versteh‘ ich nicht, wie das anders geht … *Neid* … 😉
@Helme: Ich kann nur von einem mit Sicherheit sagen, daß das Innenleben kleiner wurde: ein Takashi MX aus 2007. Den trage ich tatsächlich nicht mehr, damals war er 2 oder 3 Jahre mein einziger. Heute habe ich meist 3 Helme im Einsatz, gelegenheitsabhängig. Den Jethelm nur im Hochsommer in der Stadt mit dem Rolla – mit Bauchweh. Lieber wäre mir einer mit Rundmetall vor den Zähnen, wie es beim American Football üblich ist. Weniger wegen des Kinns, sondern, was viel häufiger vorkommt, des seitlichen Schlitterns wegen und dem daraus resultierenden Asphaltausschlag auf der Wange, der auch bei 40kmh weh tut und tiefenwirksam ist… dann trage ich übrigens auch die Softversion eines MX-Hemdes mit Brust- und Rückenschutz, gepolsterten Schultern und der Nierengegend…
Ich habe den Eindruck, daß das Innenleben bei teureren Helmen auch besser die Form behält. Mein Schuberth S1 ist 19 Jahre alt, sitzt aber wie am 1. Tag.
Ja und der AGV, mein erster Integralhelm, hat auch noch immer sein Styropor eingeklebt – eigentlich unglaublich … 😉 (Der ist jetzt aber Kultobjekt geworden).
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Lupo: Gerade hier angekommen: Ein Zehnerpack mit „Microsfasertüchern in Optikerqualität“, und die werden jetzt auch benutzt. Danke nochmal!
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