Reisetagebuch Motorradtour 2019 (5): Abschiedstour durch die Toskana

Reisetagebuch Motorradtour 2019 (5): Abschiedstour durch die Toskana

Auf Sommerreise mit der V-Strom. Heute mit einer Pause in der Toskana.

Pfingstmontag, 10. bis Montag, 18. Juni 2019

Ich schlafe bis Mittags, tappe ein wenig in der Wohnung auf “I Papaveri” herum, falle wieder um und schlafe weiter. Die letzten Tage, ach was, die letzten Wochen und Monate waren anstrengend, das signalisiert mir mein Körper jetzt sehr deutlich. Wenn er Gelegenheit zum Abschalten hat, macht er das auch, und bei mir bricht die angeborene Faulheit durch.

Erst am spĂ€ten Nachmittag schaffe ich es mich aufzuraffen und in den Sattel der Barocca zu klettern. Ich fahre die KĂŒste runter bis nach Venturina. In dem acht Kilometer entfernten Ort ist ein GeschĂ€ft der Telekom Italia Mobile, der TIM. Es ist Pfingstmontag, aber in Italien ist das kein Feiertag.

Zur Telekom muss ich, weil ich eine neue SIM brauche. Die Datenkarte, die ich seit drei Jahren nutze, wurde immer von einem Serviceunternehmen in Meran betreut. Denen konnte ich sagen was ich möchte, dann habe ich denen Geld per Paypal ĂŒberwiesen und die haben dann fĂŒr mich mein TIM-Kundenkonto benutzt und das richtige gebucht. Das machen die aber jetzt nicht mehr, wegen “EU” und “Datenschutz”. Das ist eine dumme Ausrede und sehr schade – ich fand es immer toll, gegen 99 Euro fĂŒr das ganze Jahr 50 GB Daten zur Hand zu haben, zumal das 4G Netz in Italien irrsinnig gut ausgebaut und schnell ist.

Das TIM-Kundenkonto selbst zu nutzen ist keine Option. Das fÀngt schon damit an, dass man aus dem Ausland kein Geld einzahlen kann. Offiziell geht das, aber sowohl Kreditkarten- als auch Paypalbezahlung mit auslÀndischen Konten werfen Fehlermeldungen, seit Jahren schon.

Mit dem Webservice “Xoom” hĂ€tte ich es schaffen können die Blockade der TIM gegen AuslĂ€nder zu umgehen, aber ganz ehrlich: Ein Blick in das Backend meines TIM-Kundenkontos hat mich verzweifeln lassen. Es gibt keinen einfachen Knopf um die SIM-Karte fĂŒr ein Jahr mit dem vorhergehenden Tarif zu verlĂ€ngern. Stattdessen gibt es dutzende von Checkboxen und SchaltflĂ€chen, die versuchen einem tausend Optionen aufzuquatschen, alles auf Behördenitalienisch.

Dazu kommt, dass die HÀlfte der SchaltflÀchen kaputt ist oder was ganz anderes tun als sie sollen. Die Gefahr ist hoch, mit einem unvorsichtigen Klick versehentlich einen Festnetzanschluss oder ein FaxgerÀt zu bestellen.

Immerhin gibt es seit diesem Jahr gibt es nun das Angebot “TIM Tourist”. Als Besucher erhĂ€lt man darĂŒber 15 GB, fĂŒr 30 Euro. Das ist nicht schlecht, aber auch nur ein Mal buchbar und nur 30 Tage gĂŒltig. Egal, dieses Jahr bin ich nur ein Mal in Italien.

Die TIM-Niederlassung in Venturina ist modern eingerichtet. Zwischen Designermöbeln und AusstellungsflĂ€chen mit den neuesten Smartphones stehen Monitore, auf denen lachende Menschen ĂŒber den Bildschirm tanzen. Vor den Monitoren stehen wĂŒtende und aufgebrachte Menschen. Das ĂŒberrascht mich nicht, sondern entspricht dem, was ich bislang ĂŒber die Telekom gelesen habe. Deren Service ist unterirdisch, UnfĂ€higkeit an der Tagesordnung, und zustĂ€ndig ist sowieso niemand. Das ist sytembedingt. Die Angestellten hier im Laden tun nichts weiter, als mit toten Augen und traurigen Mienen zuzuhören und ab und an bedauernd den Kopf zu schĂŒtteln. Sie sind Notfallseelsorger fĂŒr den Unfall namens TIM, wirklich machen können sie auch nichts. Einem besonders aufgebrachten Kunden wird sogar ein Telefon gereicht, damit er seinen Kampf mit der Telekom-Hotline persönlich ausfechten kann.

Als ich dran bin, lege ich einen Zettel auf den Tresen und ernte von der Angestellten einen irritierten Blick. Das Blatt Papier ist ein Ausdruck eines Gutscheins fĂŒr die Touristenkarte. Habe ich schon zuhause gebucht und bezahlt.

Sie kennt das offensichtlich nicht, macht sich gleich aber erstmal im Backoffice schlau. Dort thront anscheinend eine Art graue Eminenz, die alles weiß und schon allein deshalb keinen Kontakt zu Kunden nötig hat. Ich höre schnelle GesprĂ€che, dann kommt die Angestellte wieder, verlangt meinen Ausweis, kopiert ihn un und tippt dann in ihrem Computer rum. Dann tippt sie noch etwas lĂ€nger im Computer rum.

Ein Kollege in TIM-Polohemd kommt mit besonders trauriger Miene vorbei und guckt, was sie da macht. Er besieht sich meinen Voucher, fĂ€hrt die Logos darauf mit dem Finger ab und sagt. “Ach, guck. Ist ja toll, was wir alles so haben. 15 Gigabyte. 4G. Mit Whatsapp. Sogar mit SIM inklusive”.

Ja, das steht da. So hatte ich das im Internet auch verstanden: Alles inklusive, keine Extrakosten. Ich hatte allerdings in Foren auch gelesen, das insbesondere die TIM-Partneragenturen die SIM nicht ohne ExtragebĂŒhr rausrĂŒcken, weil sie sonst nichts verdienen. Aber das hier ist ein Original TIM-GeschĂ€ft, die werden vom Staat bezahlt. Der traurige Typ geht wieder, die Frau tippt weiter im Computer rum. Dann noch lĂ€nger. Dann sagt sie: “das macht 10 Euro fĂŒr die SIM”.

“Ach”, sage ich. Ich drehe den Voucher zu mir und lese vor “Inclusiva data, whatsapp and SIM”. “Ach, sie haben da schon was fĂŒr bezahlt?”, sagt die Frau. “Ja”, sage ich. “SIM kostet trotzdem extra”, sagt die Frau. “Nein, ist inklusive”, sage ich. “OK”, sagt die Frau und reicht mir eine SIM, die ich sofort untersuche.

GrĂ¶ĂŸe stimmt, 4G stimmt auch, PIN und PUK sind auch drauf. Sehr gut. “A posto”, sagt die Frau wieder, und “OK”. “Ok” sage ich und will gehen. “Das macht 10 Euro”, sagt die Frau. Was soll denn das jetzt? Will die unbedingt Ärger oder was? “Aber im Internet stand, SIM Inclusive”, sage ich. Dann deute ich auf den Voucher, wo auch TIM SIM steht. Sie zuckt die Schultern und sagt “A Posto”. Das heißt so viel wie “in Ordnung”.

“A…. Posto…”, sage ich und drehe mich langsam Richtung Ausgang, wobei ich die Frau aus den Augenwinkeln im Blick behalte. “10 Euro”, sagt sie. Man, das GIBT ES doch nicht! Was denn nun? “In Ordnung” oder 10 Euro? “Tutto insieme!”, sage ich. “A posto”, sagt die Frau. Ich wende mich zum Gehen. “10 Euro!” ARGH!

In dem Moment dröhnt die graue Eminenz aus dem Back Office “ist inklusive!” Die Angestellte zuckt mit den Schultern und geht weg. Ich rufe ihr und der grauen Eminenz im Back Office ein danke zu, dann stecke ich die SIM ein und flĂŒchte. Meine GĂŒte, bin ich froh italienisch zu sprechen, englisch kann hier nĂ€mlich vermutlich niemand und ich mag mir gar nicht ausmalen was fĂŒr ein Drama dann diese seltsamen Verhandlungen gewesen wĂ€ren.

Immerhin funktioniert die Karte auf Anhieb. Ich fummele die SIM in das kleine GerĂ€t im Topcase, das Display leuchtet auf und “Connected” erscheint. Internet! Yay! Ab jetzt ist die Barocca ein fahrender Accesspoint. Wir machen unser eigenes WLAN.

In den folgenden Tage dödele ich in der Toskana herum. Die Sonne scheint und es ist warm, meist um die 25 Grad, aber auch sehr windig. Am Strand von San Vincenzo zu liegen macht bei dem Wetter keinen Spaß, da wird man gesandstrahlt und der Sonnenschirm fliegt weg. Aber Nichtstun und Motorradfahren, das macht Spaß, und deshalb tue ich das sehr ausgiebig.


Auf verschlungenen Bergwegen, durch das Geothermietal und ĂŒber Volterra, geht es unter anderem nach Florenz. Dort parke ich am ĂŒblichen Ort unter dem Torre NiccolĂČ, besuche Signora Evangelisti, kaufe aber dieses Mal keine ihrer wunderschönen Krawatten. Habe ich mittlerweile genug von. Aber Seidenschals nehme ich mit. Meine Mutter hat nĂ€mlich im FrĂŒhjahr den kleinen Laden besucht und sich in deren Seidenschalkollektion verliebt. So hatte ich doch einen Grund wieder zu kommen.

Florenz ist wie immer schön, aber wie immer völlig ĂŒberlaufen.

Eine Apothekerin bringt mir das das italienische Wort fĂŒr Blasenpflaster, Cerotto per le Vesciche, bei und lacht, als ich die Ausprache auch beim dritten Mal nicht hinbekomme. Egal, ich bin froh, dass es hier diese Pflaster gibt.

Meine Fersen sind noch nicht verheilt, die tiefen und offenen Stellen von den zu großen Stiefeln schmerzen und nĂ€ssen so heftig, dass ein Blasenpflaster nur einen Tag hĂ€lt bis es vollgesogen ist. Zum Rumlaufen trage ich jetzt zwei paar Socken ĂŒbereinander in den Motorradstiefeln. Das scheuert nicht mehr ganz so stark, aber zwei paar dicke Socken in geschlossene Stiefeln im Hochsommer ist auch nur begrenzt schön.

Ich wĂŒrde gerne die Sammlung “La Specola” noch einmal besuchen, jenes fiese Gruselkabinett von Wachsmoulagen der Uni. Leider darf man da neuerdings nur noch mit FĂŒhrung rein. Das ist ziemlicher Quatsch, und das sage ich den Museumsleuten auch. Helfen tut es freilich nichts, ich komme da nicht rein.

Auf dem RĂŒckweg von Florenz nach San Vincenzo fahre ich kurz Autobahn. Auf der Gegenspur steht ein brennender LKW. Und was macht die Frau mit der Eulenaugenförmigen Sonnenbrille vor mir? Legt eine Vollbremsung hin, fummelt ihr Handy raus und macht in aller Ruhe Fotos. Ich gestikuliere wild. Meinen Schwall an Beschimpfungen und den Vogel, den ich ihr zeige, hat sich die Eulenfrau redlich verdient.

So geht das tagein, tagaus. Ich lungere herum und fahre mit dem Motorrad kreuz und quer durch die Toskana. Aufregend ist das nicht, ich kenne hier mittlerweile tatsĂ€chlich jeden Ort und jede Straße und finde mich sogar ohne Annas Hilfe hier zurecht. Aber es ist entspannend, denn ich muss nichts tun und kann einfach in den Tag hineinleben. Ich muss nur dafĂŒr sorgen, das es mir gut geht. Und das bekomme ich hin. Ausgiebig frĂŒhstĂŒcken, rumpruddeln, dann aufÂŽs Motorrad und mal gucken wohin es mich trĂ€gt.

Nach fĂŒnf ĂŒberaus entspannten Tagen in San Vincenzo packe ich meine Sachen und sattele die V-Strom.

Franca nimmt mich nochmal in den Arm. “Willst Du schon wieder los? Du bist noch gar nicht zum Mittagessen rĂŒber gekommen”, sagt sie. Licio klopft ihr liebevoll auf die Schulter und sagt “Nun lass den Jungen doch. Italien besteht auf mehr als San Vincenzo, ist doch gut, wenn er sich das angucken will.”
Sie sieht mich an. “Sehen wir uns wirklich erst nĂ€chstes Jahr wieder?”

Ich schĂŒttele den Kopf und sage dann “Wir sehen uns wieder, aber ich weiß noch nicht wann. Nicht nĂ€chstes Jahr.” Franca legt die Stirn in Falten und macht eine gespielt böse Miene, dann sagt sie. “Du bist hier immer willkommen, aber denk dran, wir sind alte Leute und werden nicht jĂŒnger. Irgendwann sind wir nicht mehr da!” Ihr Gesichtsausdruck zeigt, dass sie das Ernst meint. “Franca, ihr werdet ewig leben”, sage ich und lache. Sie lacht nicht mit, und ich frage mich, ob da was im Busche ist, was die beiden mir nicht verraten.

Letztlich bleibt mir aber keine Wahl. Ich verabschiede mich, steige aufÂŽs Motorrad und fahre ich die breite Strada Statale 01 die KĂŒste runter.

Bei Capalbio wĂŒrde ich gerne den Giardino dei Tarocchi von Nikki de Saint Phalle noch einmal besuchen, aber als ich durchÂŽs Tor trete, werde ich angeherrscht und an die Luft gesetzt. Heute Morgen hat den ganzen Park jemand fĂŒr eine Privatfeier gemietet. Geschlossene Veranstaltung. Spacken.

Den Rest des Tages ist eine Art Best of-Tour durch die Toskana, ich fahre noch einmal die tollsten SehenswĂŒrdigkeiten ab. Zu denen gehören definitiv die heißen Quellen von Saturnia, wo die Leute in Sinterbecken in warmem Wasser baden und sich mit Schlamm einreiben. Gerne wĂŒrde ich da jetzt auch reinspringen, aber erstens ist mir das da ein wenig zu voll und zweitens ist da riecht man nach einem Bad in dem Schwefelwasser nach faulen Eiern, und ich möchte nicht, dass meine Motorradklamotten – die ich noch ein paar Wochen tragen muss – so duften.

So blicke ich nur sehnsĂŒchtig von einer nahegelegenen Anhöhe auf das BadevergnĂŒgen der anderen.

Pitigliano tront auf ihrem Felsen, und endlich komme ich dazu die Stadt von ihrer besten Seite zu fotografieren.

Am spĂ€ten Nachmittag taucht hinter einer HĂŒgelkuppe Siena auf. Der Anblick lĂ€sst mich lĂ€cheln. Die Stadt sieht einfach wunderschön aus, wie sie da inmitten der toskanischen HĂŒgel liegt.

Die “Villa Allegria” ist ein ganz normales Haus auf einem Dorf. Es gehört Cecilia und Francesco. Die beiden Akademiker haben Haus und GrundstĂŒck vor drei Jahren gekauft und vermieten die Einliegerwohnung im Keller. Hier ist es ruhig, wenn Francesco nicht gerade auf seiner Baustelle beschĂ€ftigt ist. Er hat einen riesigen Krater im Garten gegraben. Keine Ahnung, ob das ein mal Pool oder ein Teich wird.

In der Villa Allegria habe ich eine ganze Wohnung fĂŒr mich allein. Hier kann ich sogar kochen, in einer wirklich schönen KĂŒche.

Und auch hier duftet alles nach Jasmin. Ich liebe diesen Duft.

Cecilia und Francesco beiden freuen sich, dass ich wieder da bin, und laden mich zu einem Grillfest ein, das sie mit Familie und Freunden heute Abend im Garten feiern. Das ist toll – wann bekommt man schon mal Gelegenheit, an einer echten italienischen Familienfeier teilzunehmen?

Der Abend wird ĂŒberaus schön. Es gibt mehr als reichlich zu essen, Francesco und die anderen MĂ€nner schleppen Fleischpakete heran und kurze Zeit schmurgeln auf einem großen Grill so viele Salsicce (grobe WĂŒrste), FleischstĂŒcke und Rippchen, dass es fĂŒr eine Armee reichen wĂŒrde. Die eintreffenden Frauen decken einen großen Tisch unter den BĂ€umen im Garten und fahren Brot, Salate und Wurstplatten auf.

Ich amĂŒsiere mich köstlich beim Gartenfest, auch wenn ich nur wenig verstehe. Aller SprachhĂŒrden zum Trotz unterhalte ich mich blendend mit Antonella, einer Freundin der Familie und Lehrerin von Cecilias Tochter. Sie sieht aus wie Claudia Bertani aus den 1998er Spots und hat einen trockenen Humor, der mich sofort umhaut. Hatte ich schon erwĂ€hnt, das ich total auf intelligente Frauen abfahre?

In Siena bleibe ich den Rest des Wochenendes und den Montag. Nur zweieinhalb Tage, aber immerhin genug Zeit um meine LieblingsplÀtze in der Region abzuklappern.

Auf dem Marktplatz von Siena findet gerade die Abschiedsfeier der UniversitĂ€t statt. Der ganze schiefe Campo ist vollgestellt mit StĂŒhlen, auf denen bestimmt 150 junge Menschen sitzen und den Reden der UniversitĂ€tsoberen lauschen. Sie tragen alle diese eckigen HĂŒte mit Quaste, die es frĂŒher nur fĂŒr graduierte, also Doktoren, gab. Heute werden die anscheinend auch aufgesetzt, wenn man nur einen Bachelor gemacht hat. Um die Sitzenden herum wuseln Eltern und Großeltern mit Videokameras und Handys. Sie stolpern fast ĂŒbereinander, als sie versuchen den großen Moment festzuhalten.

NatĂŒrlich darf auch das obligatorische Eis nicht fehlen oder der Besuch bei Christinas “Casale”.

Übrigens sieht man auch hier ĂŒberall die Spuren des Sandes, der mit dem Scirocco aus Afrika herĂŒbergeht kam. Die Barocca hat mindestens noch zwei dieser Staubigen RegenfĂ€lle abbekommen und ist ebenfalls mit einer dicken Schicht abgeregnetem Staub bedeckt, genau wie dieser kleine Fiat.

Die Bar900 in Siena ist geschlossen. Ob dauerhaft, weil Bruno seine Drohung wahr gemacht hat und in Rente gegangen ist, oder ob Töchterlein den Laden ĂŒbernommen hat und erst mal durchrenoviert, das werde ich vielleicht mal spĂ€ter erfahren, oder vielleicht auch nicht.

Ich fahre noch ein wenig in der Crete Senese herum, dem HĂŒgelland hinter Siena. Hier sind genau die Motive zu finden, die man auf Postkarten aus der Toskana sieht: Sanfte HĂŒgel auf denen NatursteinhĂ€user stehen, zu denen ein zypressengsĂ€umter Weg fĂŒhrt. Diese Anblicke sind aber die Ausnahme, der Großteil der Crete besteht aus PlĂ€te – karge Felder und verbrannte Wiesen, gesĂ€umt von dornigem GebĂŒsch. HĂŒbsch anzuschauen ist das natĂŒrlich trotzdem.

Es ist heiß, an die 30 Grad, und mehr als rumfahren und in Bewegung bleiben geht kaum. Ich habe auch keine Muße irgendwo anzuhalten oder etwas zu besichtigen. Ich mag die Crete Senese sehr, aber ich kenne hier alles Sehenswerte und wirklich jede Straße.

Dann ist die Zeit vorbei. Das waren jetzt insgesamt sieben sehr entspannte Tage in San Vincenzo und Siena. Sieben Tage Auszeit. An diesen Orten unterwegs zu sein ist keine Abenteuer, keine echte Reise. Alles hier ist mir vertraut und hÀlt wenig Neues bereit.

Das ist einerseits sehr cool, weil es bedeutet: Ich habe mein Ziel erreicht. Vor neun Jahren war ich das allererste Mal ganz kurz in der Toskana und beschloss damals: Hier will ich mich auskennen. Ich will diesen Landstrich zu einem Teil von mit machen. Ich will hier hin Bande knĂŒpfen, lernen, am Liebsten hier Bekannte haben.

Nach neun Jahren kann ich sagen: Das hat sich erfĂŒllt. Ich kenne hier jeden Ort, ich habe tatsĂ€chlich Anlaufstellen bei Leuten, die sich freuen wenn ich vorbeikomme und mich in ihre Familien aufnehmen. Die letzten Jahre war ich hauptsĂ€chlich wegen dieser Menschen hier, um die Beziehungen zu ihnen zu pflegen. Florenz oder Siena oder Pisa oder Genua oder, weiter weg, Rom oder Venedig sind fĂŒr die meisten Menschen Sehnsuchtsorte, die sie vielleicht ein Mal im Leben besuchen. Ich hatte das GlĂŒck viel öfter in jeder dieser StĂ€dte zu sein. FĂŒr mich sind das mittlerweile Orte, die ich sehr gut kenne und in denen ich mich ohne Stadtplan zurecht finde. Ich bin zu Fuß durch die Straßen dieser StĂ€dte gelaufen, Kilometer um Kilometer und der Lohn dafĂŒr ist, dass ich an jedem Ort mein LieblingscafĂ©, “meine” Gastgeber/in, mein Lieblingsrestaurant habe. Ich weiß, wo die freien ParkplĂ€tze sind und wo es das gute Eis gibt. Das ist toll, ich fĂŒhle mich da praktisch nirgends fremd.

Aber jetzt, das spĂŒre ich deutlich, möchte ich etwas Neues kennen lernen. Heute ist die Abschiedsrunde durch die Toskana zu Ende gegangen. Jetzt drehe ich noch eine Abschiedsrunde durch Italien und dann ist es Zeit, was anderes zu entdecken. Weiterzuziehen, nachdem ich ĂŒber Jahre jede Landstraße hier kennengelernt habe. Ich möchte mal wieder den Nervenkitzel etwas gĂ€nzlich Unbekannten, und deswegen ist das hier die letzte Motorradtour nach Italien auf absehbare Zeit.

Die Abschiedstour durch die Toskana ist heute Abend zu Ende, aber bevor ich dem ganzen Land den RĂŒcken kehre, geht es morgen erst einmal in den SĂŒden. Weiter, als ich je zuvor mit einem Motorrad weg war.

Tage des Nichtstuns.
Bild: Google Maps 2019.

Die Tour bis hier her:

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Weiter zu Teil 6: Die schönste Straße Italiens

9 Gedanken zu „Reisetagebuch Motorradtour 2019 (5): Abschiedstour durch die Toskana“

  1. Ahahh… Jetzt wird diese kryptische Andeutung im Topdinge-Thread schon klarer … sag mir in welchem/r Ort/Gegend Du ein Eis auf Zwerch essen willst und ich sage Dir, wo es gut ist … 😉 Außerdem: es gibt Gegenden, da gibt es, wenn ĂŒberhaupt, nur Packeis von Eskimo – das hat bei euch einen seltsamen Namen wie auch der Hofer komisch anders heißt – ich hab’s schon: Langnese 😉

    Das Ding mit den intelligenten Weibern hast Du schon erwĂ€hnt, ja … indirekt 😉
    (ich werde vor Dir in Aspremont sein)

    Saturna hast Du ausgelassen, echt ? Das war ein Fehler, bestimmt – du könntest Jahre Ă€lter werden mit Hilfe dieses Jungbrunnens … die Klamotten riechen danach nicht tagelang nach Schwefel – man durchlĂŒftet sie ja stĂ€ndig und ĂŒbrigens: rechterhand des Standortes von dem aus Du die Bilder der Terrassen aufnahmst, im Ablauf der Quelle nachdem sie sich mit dem flachen BĂ€chlein vereinigt hat, scheint es Fische zu geben; dort stolzieren fallweise Reiher herum, die eine Fluchtdistanz von unter 5 Metern haben… klar, bei dem Trubel, wo sie jedoch kaum jemand beachtet. Ich kenne es nicht ganz so voll (Vorsaison, Mai) und beinahe menschenleer sind die Becken in der Nacht natĂŒrlich – das Wasser ist aber genauso um die 35 Grad warm, hab da drin schonmal eine halbe Nacht gepennt – war wie damals im Mutterleib 😉 … das sind jene Insidertips, die nur Wildcampierer weitergeben können … *kicher* …

    Die Mafiosi haben Dich nicht zu ihrer Familienfeier im Park reingelassen ? Böse böse böse !!!

    Eines der Fotos der QuadrathĂŒte ist pulitzerpreisverdĂ€chtig – die Quadrathaubenbehaupteten hören allesamt gespannt in eine Richtung, der/die Einzige, welche/r die Graduierung nicht schaffte, trĂ€gt ein schwarzes Trauerflorstirnband und blickt handgestĂŒtzt unerfreut zu Boden oder ins Narrenkastl 😉

    Eine ganze Woche hast Du gefaulenzend durchgehalten ? Deutschland steht nimmer lang, huch !!
    Trotzdem: Gratuliere ! Auch wenn Du glaubst, es ist das Alter, HaHa ! (melmakbetonter DoppelLacher)

    Nun bin ich gespannt, wie weit der SĂŒden entfernt ist !!

  2. Olpo: Na, da kennt sich ja einer aus 🙂 Ich habe da tatsĂ€chlich auch schonmal gebadet, unter der Woche im September ist weniger los als am Wochenende im Juni.

    Das mit dem Clash Rom/London stimmt, aber als die Motorradtour hier mit “Reisetagebuch 2019 Teil 6” startete, da waren alle zutiefst irritiert. Wie manÂŽs macht…

  3. Einer der Reihen wirst Du wohl ein PrĂ€fix voran- oder sonstwohin beistellen mĂŒssen, um Verwirrung zu vermeiden; obwohl: im Untertitel erkennt man sofort, daß sich die Geschichten um verschiedene HandlungsstrĂ€nge gruppieren… ist halt der deutsche Ordnungssinn, zu dem ich mich grundsĂ€tzlich auch bekenne, der ‘Unerlaubter Vorgang’ ruft … 😉

  4. @Olpo: ich weiß nichts!?! GrundsĂ€tzlich! *lĂ€cheltverschmitzt

    @ Silencer: wenn du wieder einen so schönen Marktplatz finden solltest wie in Sienna, geht das Eis gerne auf mich. Aber natĂŒrlich nur wenn ich ein Bild davon kriege 😉

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