Einen Monat ohne (10): Begegnungszentrum

Wie ist das eigentlich, wenn die individuelle Mobilität zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dann aber plötzlich wegfällt? Dank eines Fahrverbots habe ich einen Monat lang die Gelegenheit das auszuprobieren.

Am Wochenende das erst mal laut geflucht. Mein Begehr: Samstag Abend in der Stadt ins Theater gehen. Hinkommen: Kein Problem. Zurück auf´s Dorf: Mit ÖPNV kaum möglich.

Zwar fährt noch ein (!) Bus nach 22:30 Uhr, aber das ist ein Überlandbus durch´s angrenzende Eichsfeld. Bis zu seiner Haltestelle hätte ich vom Theater aus 2 Kilometer laufen, dann 45 warten, 15 Minuten Bus fahren und anschließend nochmal 2,5 Kilometer laufen müssen. Da bin ich doch tatsächlich lieber mit dem Fahrrad gefahren.

Bei drei Grad Minus und durch den wirklich stockdunklen Wald zwar auch kein Vergnügen, aber wenigstens hat mich niemand umgefahren. Ist ja auch was wert, denn auf den Straßen durch den Wald heizen die Leute gerne, Wildwechsel hin oder her, und so wie gerade Abends so mancher durch die Gegend eiert, würde ich vermuten, 10 Prozent aller Fahrer guckt eher auf´s Smartphone als auf die Straße.

Genau deswegen war das auch erste Mal, dass ich mich auf dem Fahrrad in die quietschgelbe Reflektorenweste eingewickelt habe, ich ich sonst für Notfälle im Motorrad spazieren fahren. Wieder zu Hause war ich zwar durchgefroren, aber: Auch das war gut machbar. Hätte es natürlich geschneit, hätte ich mir was anderes ausdenken müssen.

Ansonsten mutiert der Bus zum Begegnungszentrum. Nicht nur, dass ich mittlerweile alle regelmäßig um meine Uhrzeit Fahrenden vom Sehen kenne und mit denen mal ein paar Worte wechsele, nein, ich treffe im Bus auch ehemalige und aktuelle Nachbarinnen wieder und sogar regelmäßig den jungen Mann, der in meinem Haus ganz oben unterm Dach wohnt und den ich sonst manchmal monatelang nicht sehe oder was von ihm höre.

Jetzt weiß ich, was die Nachbarin aktuell macht, wie es der Ex-Nachbarin in der Zwischenzeit ergangen ist, Welche Noten die Kinder in der Schule haben, wo der nächste Urlaub hingeht und das der junge Mann vom Dachboden vor Kurzem fast das Haus abgefackelt hätte, weil er LED-Leuchtmittel in eine Dimmerfassung geschraubt hat. Na dann.

Kategorien: Gnadenloses Leben | 16 Kommentare

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16 Gedanken zu „Einen Monat ohne (10): Begegnungszentrum

  1. 45 – — Minuten fahren oder einen großen Bogen Kilometer mitfahren ?
    Waldheizer und WegwischHendi – — klar, die müssen ständig auf ihre Äbb gucken, ob sich die Straße danach richtet, wie sie führen soll, laut Plan…
    Rad, Wald und Schnee – — schieben. War aber nicht … 😉

    Aufführung im Theater: hoffentlich den Aufwand wert (?). Auf jeden Fall führte sie bei Teilen unserer schwerdigitalisierten Jugend zu mehr Naturverbundenheit.

    Begegnungszentrum: so ist nicht bloß Dorf – doch in der Stadt blicken die Leute ein, zwei Jahre länger weg, bis ein Signal kommt. Außer jene, die täglich das erste Verkehrsmittel nehmen; die sind alle auf einem Level, die dürfen früher miteinander reden … 😉 – Olpo, postsortiererfahrener SehrFrühNachHauseKehrer – was es damals alles gab… *grins*

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  2. Brigitte Eckert

    Moin! Ich bin Fußgängerin und Nutzerin von Massenverkehrsmitteln. Ende 20 habe ich mal die Führerscheinprüfung gemacht, als es mir schlecht ging und ich dringend ein Erfolgserlebnis brauchte. Aber nie das Papier benutzt.
    Wichtige Regel für Menschen ohne Auto: Reueloses monatliches Budget fürs Taxi! Einfache Rechnung von Ressource Geld gegen Ressource Zeit. Auch auf Reisen. Auf dem Land vermutlich mit Vorausbestellung des Autos etc., also nicht spontan wie in der Stadt.

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  3. Ali

    @Olpo, „führt sie bei Teilen der Jugend zu mehr Naturverbundenheit“ läßt zwischen den Zeilen wieder tief blicken.
    Für meinen Teil ist das einfach: Da „darf“ die Verbesserungshälfte denn Chauffiöse spielen und mir fehlt es dann an fast nichts.
    Ich kenne aber Personen, welche das Auto ganz bewußt abgeschafft haben, nicht aus Geldmangel sondern weil der ÖNV (Freiburg/Frankfurt/Mannheim) leidlich gut ausgebaut ist.
    Bei auf den Land Lebenden sieht diese Struktur dann außerhalb der Stoßzeit schlecht aus.

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  4. Ali: bei den ’schwerdigitalisierten‘ ;-), die Erde im Vorzimmer lediglich als Schmutz begreifen bzw nicht mal das, sondern wegkehren und niemals im Wald schlafen oder auch nur dort spazieren gehen, obwohl er beinahe bei ihrer Türe hereinwächst – weil sie’s nicht mehr ‚gewöhnt‘ sind bzw nie daran gewöhnt wurden 😉 …
    Brigitte: Man gewöhnt sich an alles, gewöhnt man sich’s nicht an, geht das Auto nicht ab. Abgesehen vom geringeren ‚Kümmernmüssen‘, ist es ohne vermutlich unterm Strich gar nicht teurer als mit. Nur unbequemer, siehe Lappenloszeit auf dem Land und auf Reisen sowieso – ich meine damit Fern-/Urlaubsreisen.

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  5. Als Teil der „Jugend“ wurde ich auch schon lange nicht mehr bezeichnet. Ich bin sogar kurz vor dem alter, das ich „Hendi“ oder „Schmarrnphone“ sagen könnte. Die Stichelei mit der Natur ficht mich nicht an. Wie schon mal geschrieben: Ich wohne auf dem Dorf. Ich habe Natur im Wohnzimmer, wenn ich nur das Fenster aufmache. Die baut sich dann hier nämlich Netze/Kobel/Nester.

    Ali: Privattaxi, immer gut.

    Frau Eckert: Bedingungsloses Taxibudget ist eine logische Idee. Wenn ich mir überlege, was mein Auto so im Monat kostet… für den Betrag könnte ich so etliche Fahrten im Taxi zurücklegen. Das ist ohnehin ein Faktor – was so ein Auto kostet, machen sich die wenigsten klar. Dabei ist meine alte Kiste schon abbezahlt, aber ich kenne Leute, die zahlen für ihr Abtrag, Versicherung, Steuer und Sprit in Summe mehr als für ihre Miete….

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  6. Ali

    Einspruch euer Ehren im Alpenraum. Bezüglich Urlaubsreisen kam ich noch nie so günstig weg wie mit Pauschalreise, in welcher die interessanten Ziele incl. sind oder auch mit den ansässigen Kleinunternehmern in ihren Minibussen, Taxen verhandelbar
    gegen jahrzehntelangen Urlaub mit Auto und Wohnanhänger (kurze Zeit W.-Mobil).
    Da war meine Nettorechnung auch nur der Sprit im Kopfkino, in der Gesamtheit kommt da aber eine gehörige Summe zusammen, Unfall nicht mal eingerechnet.
    Mietwagen: Auf Kreta bsw. Suzuki Alto (paßt zu mir) 160€ 10 Tage kmfree, so billig fahre ich zu Hause nicht.
    So ist das auch mit dem Möpp. Grob überschlagen was es kostet um dem Regen davonzufahren ergibt das zwei Tankfüllungen und die Nachtruhe das mich fast tausend km weiter in die Sonne bringt.

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  7. Olpo: Und DU wunderst Dich ernsthaft darüber, dass manche Dich hier als Technikverweigerer wahrnehmen? Ich geh mal zum Lachen in den Wald. 😀

    Ali: Auch schön: Städtereisen mit der Bahn. Sehr empfehlenswert.

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  8. Das erinnert mich an was! ich hatte ja mal einen Bürojob und bin öffentlich gefahren. Als Krankenschwester hatte ich gar keine Ahnung von Computern und im Job bin ich an einem einzigen Programm eingearbeitet worden. Word und Excel musste ich allein entdecken. Und eine Jeden-Tag- Mitfahrerin hat mir dann morgens immer meine Fragen beantwortet. Das war cool! (Kurz danach hab ich meinen ersten eigenen Computer angeschafft…und lieben gelernt).
    Jetzt hast du es ja bald geschafft, änderst du irgendwas über die führerscheinlose Zeit hinaus?

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  9. Miki: Gucken wir mal, ob und ggf. was sich rüberrettet.

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  10. Herr Silencer, ich finde es gut, wenn Sie wieder einmal in den Wald gehen, egal, aus welchem Grund ! Technikverweigerer, ich ? Aber nie und nimmer ;-! Wenn jemand Natur kann, ist es doch nicht zwangsläufig so, daß er Technik nicht kann … ich habe bloß kein Verständnis für Menschen die meinen, sie könnten Natur durch Technik ersetzen – oder gar so tun als hätten sie sie erfunden…. Weil sie glauben, wenn mann Technik hat, muß man sie jederzeit ausspielen und anwenden und darf das Wissen darum auch dazu verwenden, sie Naturliebhaberern wie mir schlichtweg abzustreiten oder jene mieszureden, Sie wissen schon, und zB mir auf’s Aug‘ zu drücken, so als hätte ich noch nie etwas von Samba, htlm5 oder der Lorentzkraft gehört … Dabei kommt bei mir relativ wenig Strom aus der Steckdose, dafür viel davon direkt aus dem Universum bzw dem Naturereignis Wind … 😉

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  11. Ach Olpo, woher kommen nur diese beständigen Vorurteile? Nur weil ich Geräte verwende, die in diesem Jahrtausend gebaut wurden, heißt das doch nicht, dass mir die Natur fremd ist. Ich bin praktisch im Wald groß geworden, und auch jetzt bewege ich mich ständig in und zwischen Bäumen, ob ich will oder nicht. Ich gebe zu: Ich bin nicht im Wald zum Übernachten oder um mein Essen dort zu reißen. Das tun m.M. nur Städter mit einer romantischen Ader, nicht aber Menschen, die im Wald aufgewachsen sind.

    Nutzung von moderner Technik geht nicht automatisch einher mit Entfremdung von anderen Lebensbereichen oder -Räumen. Das sehen wir beide ähnlich, kommen nur aus unterschiedlichen Richtungen, für die aber die gleichen Verkehrszeichen gelten: Genauso wenig, wie ich andere von den Vorzügen moderner Services zu überzeugen suche, möchte ich nicht mit offensiv vor sich her getragenen Schildern mit der Aufschrift „GEH IN DEN WALD“ bedrängt werden.

    Soll halt jeder so machen, wie er will, so lange er den anderen nicht auf den Saque geht.

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  12. rudi rüpel

    DER WALD VON HEUTE IST AUCH NICHT MEHR DAS WAS ER FRÜHER EINMAL WAR!

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  13. rudi: im Harz gehts noch, das dürfte aber das einzige naturnahe Gebiet in D sein, obwohl es auch kreuz und quer sonntagsdurchwandert wird – doch da gibt es Luchse und sogar die wilde Waldkatze 😉

    Silencer: du beschreibst 2 Gruppen von Menschen, die beide nicht mit der Natur leben wollen/können. Das ist nicht das Gleiche, wie naturnah zu sein und hat weder etwas mit Romantik noch Kampf zu tun – wie der Name ja aussagt.
    Ich habe aber nicht dich gemeint mit der Bemerkung, auf welche du dich beziehst, sondern modnerd als Bezug stellvertretend für all jene, die zwar glubschäugig meinen,man solle doch den anderen tun lassen wie er will, doch gleichzeitig den Unzufriedenen in einer unerhörten Überheblichkeit sagen: wir verändern die Welt so, wie ihr sie zwar nicht haben wollt, aber was könnt ihr dagegen tun ?
    Bloß, weil ich mir mehr Gedanken auf der sozialen Ebene als der durchschnittlich maingestreamte Sozialnetzwerknutzer mache, fühle ich mich nicht im Entferntesten so dumm, wie mich dann ein solcher ‚Aufmerksammacher‘ erscheinen lassen würde – bloß, weil ich nicht ALLE Errungenschaften bzw deren Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft für gut befinde…

    Im Übrigen: mit etwas mehr Humor lesen sich meine Bonmots gar nicht so übel wie 1:1-Versteher glauben, daß sie gemeint sind … 😉

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  14. rudi rüpel

    Olpoooo, besser Huuumor als Tumor! LIEBEn Gruß

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  15. Selbst Tumor trägt man neuerdings mit Humor … 😉

    Ich hab mich schon gewundert, wo du bleibst – Grippe ?
    Hab heute eine mailaddi von dir gesucht – vergeblich; der Crash war ähnlich tiefschürfend wie die Defragmentierung bei XP 😉 …

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  16. Der Harz ist im Sommer kaum erträglich, weil überlaufen von Touristen auf zwei Beinen oder zwei oder vier Rädern – und das noch trotz völlig kaputtem Wald, der Borkenkäfer hat ganze Täler und Berge entbaumt.

    Modnerd hat sich tatsächlich angegriffen gefühlt von einer – wie er vermutete – offensiven Feindlichkeit seinem Lebensstil gegenüber. Er wollte mit seinem Beitrag bei einem vermeintlichen völligen Technikablehner um Verständnis werben – vor diesem Hintergrund war Dein Rückschlag, der ihn verstummen lies, doppelt heftig.

    Und zuletzt: Bonmot hin oder her, Ironie funktioniert im internet nicht. Zumindest nicht, wenn man sich nicht persönlich oder durch vorangegenagene, intensivere Auseinandersetzungen kennt.

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