Reisetagebuch Motorradtour 2019 (11): Die ungleichen Schwestern
Sommertour mit dem Motorrad. Heute geht´s weiter durch Hitze und Staub.
Samstag, 22.06.2019, San Sostene, Kalabrien
Es ist erst kurz vor 08:00 Uhr, aber die Sonne brennt schon wieder wie ein Heizstrahler vom Himmel herab. Die Hitze liegt bereits wie eine Decke über der staubigen Landschaft von Kalabrien.
Unter meinen Stiefel knirscht der Sand, als ich die Koffer zum Motorrad bringe. Ein Windstoß fegt eine Staubwolke durch die Einfahrt.
“Il Cipresso al Mare”, der Hof der beiden Schwestern Riccarda und Raffaela, besteht aus einem winzigen Häuschen, in dem die Schwestern wohnen, und mehreren, uralten Stallgebäuden aus Natursteinen. In einem davon ist die kleine Wohnung, in der ich übernachtet habe.
Ein Stück dahinter ist eines, das früher vielleicht mal eine Backstube war, und in dem sich nun eine der Frühstücksraum und eine kleine Küche befinden. Die Wände sind grob verputzt, der Raum ist gemütlich eingerichtet mit Möbeln aus dunklem Holz und Korbgeflecht.
Als ich den Raum betrete, begrüßt mich Riccarda, mit Ende Zwanzig die jüngere der beiden Schwestern. Sie zeigt mir den Tisch, den sie für mich gedeckt hat. Auf italienisch erläutert sie: “Und hier ist Butter, das da links auf dem Tisch ist Marmelade, und da rechts Wurst und Käse und ein Joghurt. In dem kleinen Kühlschrank auf der Ablage ist Milch und Saft, falls Du möchtest. Ich hole dir einen Caffé”, sagt sie und verschwindet hinter einem Vorhang aus Holzperlen. “Doppio, bitte”, rufe ich ihr hinterher.
Das Frühstück ist… Wow. Sogar Bruschetta gibt es, frisch angebratenes Brot mit Tomatenschnitzen und Knoblauch, und eine aufgeschnittene und schön in Form gelegte Kiwi. Ich bewundere alles ausgiebig. Das ist toll, Riccarda hat sich echt Mühe gegeben.
In dem Moment kommt Raffaela, Riccardas Schwester, zur Tür hereingesprungen. Sie trägt Hotpants und ein bauchfreies Hemdchen, das sie unter der Brust verknotet hat. “Guten Morgen!! Ich zeig dir alles!!!”, ruft sie, wedelt eine Hand in Richtung des Kühlschranks mit dem Saft drin und ruft “Hier, da, da ist Joghurt und Wurst und sowas!”
“Da ist KEIN Joghurt drin”, tönt es von hinter dem Perlenvorhang, aber Raffaela ist nicht zu stoppen. “Und hier ist Honig, selbstgemacht! Wir haben nämlich auch Bienen! Ich bin gut im Honig machen! Und hier ist Marmelade!” “Ich weiß”, nuschele ich und deute auf das Marmeladenbrot, dass ich gerade zwischen den Zähnen habe. “Du hast die Marmelade ja schon entdeckt!”, ruft Raffaela. “Und? Ist sie gut??”
“Sehr gut”, sage ich. Raffaela quietscht, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und dreht sich einmal um sich selbst. “Er mag meine Marmelade”, ruft sie und hüpft auf und ab. In ihrer überbordenden Freude erinnert sie ein wenig an einen jungen Hundewelpen. “Ich bin voll gut in sowas! Ich kann Marmelade und Honig und Wein machen und Rasenmäher reparieren und Häuser renovieren! Hat Dir Dein Zimmer gefallen?”, fragt sie. Ich nicke. “Das ist total schön”, sage ich. Raffaela quietscht wieder und hüpft auf und ab. “Das habe ich renoviert und eingerichtet!”, ruft sie.
Unvermittelt beugt sie sich vor, stützt beide Hände auf die Tischplatte und hält mir dadurch ihr Dekolleté direkt vor die Nase. “Und der Honig? Wie ist der?” In diesem Moment kommt ihre Schwester mit dem Kaffee zurück und sagt “Nun lass ihn doch mal in Ruhe frühstücken!” Als sie mir die Espressotasse hinstellt, wirft sie ihrer Schwester einen augenrollenden Seitenblick zu.
“Wir sind sehr… ungleich”, sagt sie auf deutsch, wohl wissend, dass ihre Schwester keine Fremdsprachen spricht. “Ist mir gestern schon aufgefallen”, sage ich.
Raffaela kramt neben dem Kamin in einer Kiste herum, in die sie sich schon fast demonstrativ hineinbückt und dabei die Hotpants einer Belastungsprobe unterzieht. Ich tue so, als ob ich das nicht bemerke. Riccardas Seitenblicke auf ihre Schwester sind jetzt eher peinlich berührt, was mich wiederum grinsen lässt. “Intelligence is sexy” sage ich. Jetzt lächelt Riccarda, während Raffaela sich aufrichtet, verwirrt guckt und fragt “Was?”. Dann hört sie ein Geräusch in der Einfahrt und eilt nach draußen.
“Habt ihr schon immer hier gelebt?”, frage ich. Riccarda schüttelt den Kopf.”Nein, meine Familie ist eigentlich aus Sizilien, aus der Nähe von Agrigent”, sagt sie und verschwindet in der Küche. Die Region um Agrigent kenne ich, da….
“…da ist nicht viel”, beendet Riccarda meinen Gedanken. Sie taucht wieder aus dem Perlenvorhang auf, lehnt sich an den Türrahmen und hat nun selbst eine Tasse Kaffee in der Hand. “Viel Arbeitslosigkeit, schlechte Jobs. Darum haben wir beschlossen es hier zu versuchen. Wir haben diesen alten Bauernhof übernommen. Wir renovieren ihn, Stück für Stück, Gebäude für Gebäude, ganz allein.” -“Wow”, sage ich und meine es auch so.
Gestern sind mir die vielen Bauruinen an der Küste aufgefallen – Rohbauten von mehrgeschossigen Wohnhäusern, von denen nur die Skelette stehen und aus denen der Baustahl rausragt. Das sieht nicht nach den üblichen Mafia-Förderabschreibungen aus. Die Mafia baut Autobahnen ins Nichts, Brücken ohne Straßen und Polostadien ohne Pferde, aber keine Wohnhäuser. Wo kommen die her? Warum werden die nicht weitergebaut, will ich von Riccarda wissen.
Sie zuckt mit den Achseln. “Die meisten Leute haben sich einfach verzockt. Kalabrier sind nicht so gut im Planen. Da wird ein Bau plötzlich teurer als gedacht, und dann wird erstmal alles auf Eis gelegt, bis wieder Geld da ist um weiter zu bauen. Manchmal dauert das dann zu lange, und irgendwann sagt die Behörde dann: Der Rohbau ist zu alt, abreissen. Macht natürlich keiner, kostet ja viel Geld. Deshalb steht die Küste voller Ruinen”.
“Danke für die Erklärung”, sage ich. Eine Sache noch: Du studierst ernsthaft deutsch, weil Du die Sprache so schön findest?! Echt jetzt?”
“Jaaa!”, sagt Riccarda und strahlt jetzt förmlich. “Deutsch ist klasse, so eine tolle Sprache!”
“Verstehe ich nicht”, sage ich. “Gegenüber der Sprachmelodie von Französisch oder Italienisch klingt Deutsch doch wie Hundegebell! Ich meine, hör mal…”, sage ich und trage dann meine beste Imitation von Copycats Sprachvideo vor, “Englisch: The Hospital. Französisch: L´Hopital. Italienisch: L´Ospedale. Deutsch: KRRRRANK-EN-HAUS“. Riccarda lacht und verschluckt sich fast an ihrem Kaffee.
“Oder hier”, sage ich, “Englisch: Butterfly. Französisch: Le Papillon. Italiensch: La Farfalla. Deutsch: SCHMETTERRRRRR-LING“.
Schmetterling ab Sekunde 20:
Riccarda japst nach Luft. “Schmetterrrr-ling”, sagt sie, als sie sich wieder eingekriegt hat, “Soo schöööön! Hört sich doch toll an, viel schöner als Farfalla”
Nunja. Hier ist offensichtlich Hopfen und Malz verloren. Ich blicke auf die Uhr. “Ich muss leider los”, sage ich, lege die Serviette beiseite und stehe auf, als Riccarda um den Tisch herum auf mich zueilt, mich ganz fest umarmt und ihre Wange an meine Brust schmiegt. Äh?
Sie hält mich weiter fest, als sie den Blick hebt und dabei ihr Kinn auf meinem Oberkörper abstützt. “Kommst Du wieder? Und dann vielleicht für mehr als nur eine Nacht?”, fragt sie und sieht mir von unten tief in die Augen. Ihre sind von einem so tiefen Braun, dass man die Pupille nicht von der Iris unterscheiden kann. Solchen Augen kann ich nichts abschlagen. “Öh, Ok”, sage ich, leicht überfahren. “Wirklich?”, fragt sie. “Versprochen”, sage ich. “Vielleicht nicht nächstes Jahr, aber irgendwann, und dann für länger”.
“Na gut. Dann will ich Dich mal gehen lassen. Warte, ich hole Raffie zur Verabschiedung.” Aber Raffaela springt schon in der Einfahrt und um das Motorrad herum. Da fällt mir was ein. “Darf ich ein Foto machen?”, frage ich. “Klar!”, quietscht Raffaela, “Und dann Booking stellen!”
“Ne, von Euch”, meine ich. “OK”, sagt Raffaela, löst ihr Haarband, schüttelt eine feuerrote Mähne aus, zuppelt ihr Hemdchen in Position, stützt dann die Hand auf die Hüfte und wirft sich in eine sexy Pose. Riccarda stellt sich mild lächelnd daneben, und ich mache ein Bild von den Beiden.
“Aber DAS nicht auf Booking einstellen!”, ruft Raffaela. “Und ich will ein Selfie! Selfie! Selfie!”
Jetzt bin ich verwirrt. Ich mache sehr selten Selfies mit meinem Telefon und finde erst nicht die richtige Funktion, aber zum Glück weiß Raffaela, wie das geht. Während des Fotos drückt sie ihre Wange an die ihrer Schwester, während Riccarda ihren Kopf an meine Schulter lehnt.
Kurze Zeit später grollt die V-Strom los und fährt, eine Staubfahne hinter sich herziehend, vom Hof der ungleichen Schwestern. Im Rückspiegel sehe ich die Silhouetten der beiden Frauen, die in der Einfahrt stehen und mir hinterher winken.
Es geht über langweilige Autobahnen nach Cantanzaro, der Hauptstadt der Region Kalabrien. Kurz vor dem Ort passiere ich ein riesiges Gebäude.
Das ist wirklich riesig und wirkt wie eine Mischung aus Palast und Burg. Später werde ich rausfinden, dass das die Regionalverwaltung der Region Kalabrien ist. Ein so gigantisches Gebäude für eine arme Region mitten im Nirgendwo? Ob da die N´Drangheta die ein oder andere großzügige Subvention hat einfließen lassen?
Catanzaro ist die Hauptstadt von Kalabrien und liegt auf einem Bergrücken zwischen zwei tiefen Schluchten.
Annas Kartenmaterial von der Stadt ist offensichtlich ungenau, immer wieder versucht uns in Einbahnstraßen und auf Treppenaufgänge zu lotsen. Irgendwann gebe ich es auf und stelle das Motorrad einfach irgendwo ab, hefte einen Parkschein mit der Magnethülle an die Scheibe und gehe einfach zu Fuß.
Zu Fuß laufe ich den Berg hinauf. Es sind nur 700 Meter, aber danach bin ich schon wieder in Schweiß gebadet, und die Fersen tun trotz doppelter Socken weh. Aber es lohnt sich, denn ich stehe vor diesem Gebäude, dem Teatro Politeama.
Dabei handelt es sich um ein Theater und Konzerthaus, 2002 aus EU-Mitteln gebaut.
Von Außen fällt die geschwungene Fassade auf.
Welche Form das aber wirklich ergibt, kann man erst aus der Luft sehen:
Oder noch eindeutiger in der 2D-Ansicht:
Das ganze Gebäude ist geformt wie eine Harfe! Oder der Korpus einer Geige! Ist das nicht fantastisch!
Leider ist heute Samstag und das Gebäude bis zum Abend verschlossen. Trotzdem freue ich mich, es einmal aus der Nähe gesehen zu haben. Ich laufe zurück zum Motorrad.
Die Straßen von Catanzaro sind schon gut belebt, überall sitzen und stehen Rentner und schwatzen.
Ich fahre Überland bis Le Castella, einem Küstenort mit einer großen Aragoneserburg auf einer Halbinsel vor der Altstadt. Der Anblick ist toll, aber in dem Moment, wo ich das Motorrad am Hafen anhalte, weiß ich schon, dass mir viel zu heiß ist, um die jetzt zu besichtigen.
Das Thermometer am Motorrad zeigt schon wieder über 36 Grand an, in echt sind es also so um die 32 Grad – und das um 10 Uhr Vormittags! Ich mache ein Foto und fahre weiter, durch die Altstadt aus dem Ort hinaus und von dort ins Landesinnere.
Zuerst führt die Straße fast eine Stunde durch sandiges Gebiet, das eher nach Wüste aussieht als nach Italien. Ist halt schon sehr weit im Süden, hier. Diese Region liegt bis nur 100 Kilometer über der Höhe von Tunis oder Algier.
Je weiter ich ins Landesinnere komme, desto grüner wird es wieder. Sand, Staub und Gebüsch weichen Wiesen, Baumgruppen und schließlich Wäldern aus Nadelhölzern. Die Straße liegt voller Zapfen, fast flächendeckend ist sie übersät. Das ist doof zu fahren. Das Vorderrad der V-Strom ist sehr schmal und die Zapfen Faustgroß und hart wie …ein Stück Holz, eben. Wenn ich da direkt drüberholpere, wird das Vorderrad um einige Zentimeter versetzt. Fahren wie auf Flußkieseln. Über Kilometer geht das so. Auf dem Bild liegen die Zapfen nur am Rand der Straße, aber über weite Strecken liegen sie wirklich wie ein Teppich, dicht an dicht, über die gesamte Breite.
Als der Nadelwald in einen Blätterwald übergeht und die Zapfen verschwinden, atme ich auf. Dabei merke ich, das ich Druck auf den Ohren habe. Aber warum? Ein Blick auf Annas Höhenmesser zeigt warum: Ohne es zu merken habe ich ordentlich Höhenmeter gemacht, gerade befinde ich mich 1.600 Meter über dem Meer, an dem ich vorhin noch war. Ui, wann ist DAS denn passiert?
Aber es nett hier, und mehr als 10 Grad kühler als an der Küste. “Hier” ist übrigens der Ente Parco Nazionale della Sila, der Sila Nationalpark.
Als ich weiterfahre, sehe ich Bergwiesen voller Ginster und Disteln. Stellenweise ist alles knallgelb oder bratzviolett, so dicht stehen die Pflanzen. Ein toller Anblick.
Irgendwie fühle ich mich hier an den Harz erinnert, während ich es genieße durch die kühle Luft zu rauschen. Sogar eine Talsperre gibt es hier, oder zumindest einen großen See.
Was es hier auch gibt, genauso wie im Harz, sind gigantische Schlaglöcher. In eins davon fahre ich volle Kanne rein, weil es unmittelbar hinter einem zwanzig Zentimeter tiefem Absatz in der Straße liegt. Die V-Strom federt tief ein, dann tut es einen gewaltigen Schlag, als das ganze Motorrad hart aufsetzt.
Als ich begreife was da gerade passiert ist, ist die Maschine schon wieder auf ebener Straße, aber irgend etwas schleift und quietscht ganz erbärmlich. Sofort halte ich am Straßenrand, steige aus dem Sattel und inspiziere die Maschine rundrum.
Die Geräusche lassen mich fürchten das etwas gebrochen ist, aber ich kann nichts entdecken. Die Umlenkhebel der Tieferlegung, die so weit nach unten rausstehen, sind zerkratzt, aber nicht gebrochen. Ich schraube die Werkzeugrolle hinter dem linken Seitenkoffer auf, in der sich eine auch eine starke Taschenlampe befindet. In deren Lichtkegel inspiziere ich die tiefer liegenden Halterungen und das Federbein. Sieht auch alles gut aus.
Schließlich entdecke ich, dass lediglich der Fußbremshebel in einem etwas merkwürdigem Winkel nach oben steht, aber nachdem ich ihn einmal betätige, ist er wieder in der richtigen Position und das Schleifen ist verschwunden. Puh, Glück gehabt. Hätte mir noch gefehlt, hier mitten im Nationalpark mit einem Bruch am Fahrwerk liegen zu bleiben.
Vorsichtig fahre ich weiter und fluche einmal mehr über die Tieferlegung. Mit mehr Bodenfreiheit wäre das eben wohl nicht passiert. Ich glaube, die muss doch raus, wenn wir zurück in Deutschland sind. Besseres Handling hin oder her, meine Wege führen mich immer öfter in Regionen, in denen Bodenfreiheit wichtiger ist als kippelfreies Rangieren beim Einparken.
…
Fast fünf Stunden bin ich durch den Nationalpark gegurkt. So langsam habe ich den Fußballen des Stiefels von Italien durchquert und nähere mich dem Fußgewölbe. Es geht wieder auf die Küste zu, durch ein breites Felsental.
Gegen 16:00 Uhr bin ich wieder an der Küste und habe vor allem eins: HUNGER! Da sehe ich einen Lidl am Rand eines Küstenorts. Lidl sind tatsächlich die besten Freunde des Budgetreisenden, denn in denen gibt es fertige Salate und sogar eine Backtheke, die in Italien auch wirklich leckere Pizza enthält. Ähnlich wie Gemüse in unseren Supermärkten muss man übrigens bei Lidl Italien die Backwaren wiegen. In eine Tüte packen, auf die Waage legen, die Zahl aus dem Fach, aus dem man die entnommen hat, eingeben und die Anzahl der Teilchen, dann wird ein Aufkleber gedruckt.
Direkt auf dem Parkplatz schlinge ich ein großes Stück Pizza runter und ein warmes Vanilleteilchen gleich hinterher. Dann geht es mir besser, und ich nehme die letzten Kilometer bis zu meiner heutigen Unterkunft in Angriff. Die Unterkunft, das Hotel Villa Al Mare. Die heißt nicht nur so, die liegt wirklich direkt am Meer!
Ich parke die Barocca auf der Strandpromenade und gehe ins Haus. Ah, eine Wohltat – alles ist klimatisiert. Die Einrichtung ist stellenweise ein wenig over-the-Top-kitschig. Höhepunkt sind Bilder, die ein wenig nach do-it-Yourself Malerei aussehen, wie es in den 70ern mal Mode war. Erinnert sich jemand an die Zigeunerin mit dem Perlenumhang, was damals in vielen Haushalten in unterschiedlicher Qualität hing? Das war auch sowas. Nur das die Bilder hier keine Sinti oder Roma zeigen, sondern eine junge Frau in einem weißen Kleid, die verdächtig nach Jennifer Garner aussieht.
Ein Mann Anfang 50, braungebrannt und drahtig, begrüßt mich. Ob ich das Motorrad nicht auf der Terrasse abstellen möchte, dann ist es Nachts durch ein dickes Stahltor geschützt? Aber gern möchte ich! So kommt die V-Strom neben einer Hollywoodschaukel zur Ruhe.
Ich selbst komme noch nichts zur Ruhe. Erst säubere ich den Helm und hänge alle Geräte an den Strom, dann dusche ich ausgiebig und sehr kalt. Mein Zimmer hat einen Balkon, deshalb nutze ich die Gelegenheit und wasche eine Ladung Wäsche. Im Gepäck habe ich eine kleine Wäscheleine aus verdrillten Gummibändern, auf der kurz darauf Hemden, Socken und Unterhosen in der Sonne hängen.
Im Haus gegenüber liegt ein alter Mann in Unterhose und Freinripphemd in seinem Fernsehsessel und lässt sich von meinen Hausarbeiten nicht stören.
Danach packe ich meine Schwimmsachen und gehe ein Mal über die Straße, und schon bin ich am Strand. Es ist kein besonders schöner Strand. Er besteht aus Kies, mal fein wie grober Sand, mal echt große Steine. Er liegt zwischen zwei Industriegebieten, deren große Schornsteine als Umrisse im mittlerweile dunstigen Licht zu erkennen sind. Auch das Wasser ist nicht schön, durch den dunklen Kies wirkt es fast schwarz. Mir ist das egal, mit Vergnügen schwimme ich im Meer und freue mich über die Abkühlung.
Als die Sonne langsam hinter einer Berkette versinkt, kommen immer mehr Angler ans Wasser und werfen ihre Ruten aus.
Ich packe meine Sachen und laufe ein Stück die Straße runter. Hier liegt das Restaurant “Tropix”. Das öffnet gerade erst, und die erste Pizza des Abends ist meine!
Gesättigt kehre ich nach Einbruch der Dunkelheit zurück in die Villa Al Mare. Die Wäsche auf dem Balkon ist fast schon trocken. Kein Wunder, bei der Hitze.
Der Oppa auf dem Balkon gegenüber hat sich jetzt Feinripphemd und Unterbuchse entledigt und liegt völlig nackt in seinem Fernsehsessel. Na, soll er.
Ich lege mich auf´s Bett, und während mir die Augen zufallen gilt mein letzter Gedanke einer Frau, deren Vorname mit einem R beginnt.
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Ein Gedanke zu „Reisetagebuch Motorradtour 2019 (11): Die ungleichen Schwestern“
Ich kenne unterhalb von Venedig in Italien gar nichts. Gerade deshalb lese ich den Blog so gerne um etwas über Land und Leute sowie etwas Kultur zu erlesen.
Daß die tiefergelegte Strom bei tiefen Schlaglöchern an ihre Bodenfreiheits&Federwegegrenzen kommt – schon klar. Es gibt aber gerade genug Möpps, welche diese Situation schlechter wegstecken.
Vor 4 Jahren bin ich aus der Hitze vor Athen geflüchtet, da hatte ich den Sommeranzug noch nicht.
Erträglicher wurde es bei freier Fahrt.