Herr Silencer im März 2020
Krisenbedingt viel Medienkonsum, deshalb hier Teil 2 der monatlichen Rückschau.
Hier ist Teil 1.
Sehen:
Terminator: Dark Fate [Bluray]
30 Jahre Nach den Ereignissen von „Terminator 2“: Skynet wird es nie geben, aber dafür wird andere KI die Menschheit jagen. Nur: Dieses Mal haben die Menschen keinen John Connor als Erlöserfigur, denn der wurde tatsächlich noch in den 90ern von willkürlich im Zeitstrom abgesetzten Maschinenkillern terminiert. Diese versprengten Terminatoren jagt nun eine alte, verbitterte und vor Paranoia halb irre Sarah Connor, bis sie über ein ungleiches Gespann stolpert: Eine Mexikanerin, die von einer Soldatin aus der Zukunft begleitet wird, und die beide einen hartnäckigen Verfolger haben.
Noch so ein Terminator-Film, nach dem niemand gefragt hat. Die Grundprämisse von „Deadpool“-Regisseur Tim Miller klingt nicht uninteressant: Er ignoriert die letzten drei Filme („Rebellion der Maschinen“, „Salvation“ und den grottigen „GeniSys“) und setzt „T2“ von 1991 fort. Nur: Das passiert mit einer Ausnahme völlig mutlos.
Statt auf frische Ideen setzt Miller auf das „Force Awakens“ Prinzip und verfilmt hier praktisch Terminator 2 einfach noch einmal. Ein paar Figuren haben ein nun anderes Geschlecht oder eine andere Hautfarbe, aber die Storybeats sind die gleichen. Das ist OK umgesetzt und unterhält so mittel: Man kennt halt alles, das hat man alles schon gesehen. Ich würde mich ja mal über neue Geschichten im Franchise freuen. Sowas wie: Mensch aus der Gegenwart reist in die Zukunft um die Vergangenheit zu ändern, oder so. Aber nicht immer den gleichen Käse, auch wenn er kurzweilig und mit starken Frauen inszeniert ist.
On the Milky Road [2016, DVD]
Im jugoslawischen Bürgerkrieg bringt Milchmann Kosta jeden Tag Milch auf seinem Eselchen über die Frontlinie. Kosta ist ein Glückspilz: Nicht nur, das er nie von Kugeln getroffen wird, bald wird er auch die Dorfschönheit heiraten. Da tritt eine italienische Flüchtlingsfrau (Monica Bellucci) in sein Leben. Kosta verliebt sich in die geheimnisvolle Frau, aber die ist schon einem anderen versprochen und hat einen Ex-Mann, der Killerkommandos hinter ihr her hetzt.
Emil Kusturicas erster Film seit Ewigkeiten. Der Film ist dreigeteilt, aber kein klassischer Dreiakter. Teil 1 beginnt lustig und kauzig-skurril, wandelt sich aber im zweiten Teil zum surrealen Drama mit bizarr-grausamen Momenten. Spätestens wenn Schafe in einem Minenfeld im die Wette explodieren, weiß man nicht mehr, ob man darüber lachen kann. Teil drei ist dann die Rückschau eines alten Kosta, der zum Eremiten geworden ist.
Das ganze ist ein filmisches Erlebnis, Sinn ergibt es aber nicht unbedingt.
Wie sehr liebst Du mich? [2013, DVD]
Ein kleiner Büroangestellter hat 4 Millionen Euro in der Lotterie gewonnen. Damit geht er zu der schönen Prostituierten Daniela (Monica Bellucci) und bietet an, ihr jeden Monat 100.000 Euro zu zahlen, bis das Geld alle ist. Dafür soll sie so tun, als sei sie seine Frau. Der Deal steht, fällt aber nach kurzer Zeit schon wieder auseinander. Daniela fürchtet plötzlich, dass die Schatten ihrer Lebenswelt, in der sie sich wohl fühlt, den braven Typen in einen Abgrund ziehen. Dafür taucht plötzlich ihr Zuhälter und echter Ehemann (Gerard Depardieu) auf und will die 4 Millionen.
Fürchterlich verbimmelter Film, der zu keinem Zeitpunkt auf eine Erzählung fokussiert, sondern mal hierhin und mal dorthin kippt und ab der Hälfte einfach narrativ rückwärts auf den Boden fällt und den Rest der Laufzeit nur noch zuckt. Dramatische Probleme werden aufgemacht, um dann 5 Minuten später vergessen zu werden. Lediglich Monica Bellucci ist fantastisch, weil ihr Charakter im Film dem entspricht, was sie gut spielen kann: Eine Projektionsfläche für Begierden.
Don´t look back [BluRay]
Sophie Marceau lebt mit Mann und Kindern in Paris. In ihrem Alltag stellt sie merkwürdige Veränderungen fest. Erst sind es Kleinigkeiten: Ein Küchentisch, der nicht mehr an der richtigen Stelle steht, oder ein umgeräumter Kleiderschrank. Das steigert sich aber schnell. Plötzlich kommt nicht mehr ihr Ehemann nach Hause, sondern ein Fremder. Und auch die Kinder sind nicht mehr ihre eigen. Schließlich muss sie im Spiegel mit ansehen, wie sie selbst sich in eine andere Frau (Monica Bellucci) verwandelt. Verwirrt macht sie sich auf die Suche nach dem Grund dieser Geschehnisse und findet ihn in Süditalien.
Noch so ein verquaster Arthouse-Quatsch. Viel zu lang zieht sich die Geschichte im Mittelteil, um dann mit einer geradezu einfältigen Auflösung um die Ecke zu kommen, die zu dem Zeitpunkt aber schon niemanden mehr interessiert. Als Zuschauer hat man sich nach dem gemächlichen Einstieg schon das Bild gemacht, das die Protagonistin geistig Krank ist, da erwartet man dann auch keine Erklärung mehr für. Und die „Erklärung“, die dann kommt ist genauso hanebüchen wir naiv.
Meine Güte, Sophie Marceau UND Monica Bellucci, DIE europäischen Göttinnen, zusammen in einem Film, kann man das versauen? Man kann, „Don´t look back“ ist der Beweis. Hätte als Kurzfilm funktioniert, auf Spielfilmlänge ist es Folter.
Stan & Olli [Prime Video]
1937 lag die Welt dem Komikerduo Laurel und Hardy zu Füßen. Ein paar Jahre später tingeln sie auf einer Tour durch England und spielen in halbleeren Pubs. Während Laurel davon träumt, noch einen großen „Stan & Olli“-Film zu machen, hat Hardy Probleme mit Ehefrauen, Spielsucht und seiner Gesundheit.
Langsam und gemächlich trottet dieser Film daher. Beeindrucken tut weniger die kaum vorhandene Geschichte, als vielmehr die Maske und wie die beiden Hauptdarsteller Stan & Olli channeln. Die Charakterstudien sind interessant anzusehen und zeigen die Menschen hinter „Dick und Doof“, Spektakel oder Drama darf man aber nicht erwarten.

Bild: NDR
Tatort: Gewitter im Kopf (ARD)
Ein Typ dreht durch und nimmt Kommissarin Lindholm als Geisel. Nur das beherzte Eingreifen von Kollegin Schmitz rettet der Kommissarin das Leben. Aber warum ist der Ex-Soldat ausgerastet? Und ist es wirklich eine Folge der posttraumatischen Belastungsstörung, das Schmitz den von ihr Getöteten immer wieder vor sich sieht? Gemeinsam ermitteln die beiden Frauen. Die Spur führt an die Göttinger Uni.
Das ist der zweite Tatort, der in meinem Wohnort Göttingen spielt. Die Stadt kommt aber praktisch nicht vor, und das ist auch gut so. Denn mit diesem Schund möchte niemand assoziiert werden. Spätestens wenn ein UniProf eine querschnittsgelähmte Bundeswehrsoldatin im Rollstuhl in den Hörsaal rollt und ernst verkündet „ihr Hirnimplantat kommuniziert mit Sensoren unterhalb der Fraktur, mit Bluetooth UND Infrarot“ hegt man den Verdacht, dass das Drehbuch nicht zu den allerbesten gehört.
Diese Vermutung verfestigt sich dann schnell zu der Gewissheit: Dieser „Tatort“ möchte ein Tech-Thriller sein, aber das Drehbuch wurde von einem Autor verfasst, der bis an die Arbeitsverweigerung faul ist, der keinen Bock hatte sich mit der Materie zu beschäftigen, der auf dem technischen Wissensstand von ungefähr 1987 ist und Physik immer geschwänzt hat.
Ständig fallen Sätze wie „Das ist gerichteter Schall. Der ist quasi wie Licht“, es wird mit USB-Sticks und Disketten hantiert und die fiesen Bösewichte fummeln in dunklen Räumen im Licht von blauen Monitoren an Joysticks herum. Dieser Tatort will Cyberpunk sein, muffelt aber nach Faxgerät. Selbst die besten Schauspielerinnen können die Szenen nicht glaubhaft spielen, die so unwürdig albern sind wie die Dialoge zum Fremdschämen hanebüchen. Das auf jeder Drehbuchseite ganz unmotiviert mindestens ein englischer Satz fallen muss, vermutlich weil der Autor das für töfte, freche Sprache hält, hilft auch nicht wirklich. Ich habe keine Ahnung wie so ein Drehbuchautor mit dem Grimmepreis ausgezeichnet werden konnte.
Zum Fremdschämen schlecht geschrieben und hölzern umgesetzt – nein, mit diesem miesen Dreck will man als Stadt nicht in Verbindung gebracht werden. Immerhin: Göttingen hat die beiden tollsten Kommissarinnen im deutschen Fernsehen. Hoffentlich bekommen sie in ihrem, bereits abgedrehten, dritten Fall eine Chance auch zu zeigen, was sie können.
Spielen:
Judgment [PS4]
Immer noch „Judgment“ (s. vergangener Monat). Das Spiel verkackt leider sein Pacing nach hinten raus.
Ab Stunde 23 wird die Hauptstory öde, weil sie darauf besteht, satte VIER MAL alle Sachverhalte nochmal auszuwalzen, bis auch der Dümmste den Plot verstanden hat. Die Erklärbärnummer zieht das Spiel drei Stunden durch, bis es endlich in das zweistündige Finale startet – was auch kein Höhepunkt der Unterhaltung mehr ist, sondern unverhältnismäßig lang gestreckt wirkt und im Verhältnis zu allen sonstigen Abschnitten sehr schwer ist.
Dank des vergurkten letzten Viertels behält man das Spiel als schleppend und langweilig in Erinnerung. Das tut ihm als Gesamtkunstwerk ein wenig Unrecht, ist aber leider eine Tatsache.
Draugen [PS4]
Norwegen, 1923. Ein Ruderboot gleitet durch einen stillen Fjord. An Bord: Der Amerikaner Edward Harder und sein Mündel Alice. Die beiden sind auf der Suche nach Edwards Schwester, die zuletzt in den kleinen Ort Graavik wollte. Als Edward und Alice in dem winzigen Ort eintreffen, finden sie ihn verlassen vor. Was ist hier passiert? Gemeinsam sammeln sie Hinweise und puzzlen so Stück für Stück die Chronologie einer Tragödie und ihrer eigenen Geschichte zusammen.
Ich schätze den Autor Ragnar Thornquist sehr. Der Kopf hinter „The Longest Journey“ und „The Secret World“ hat tolle Ideen und schreibt wirklich gute Geschichten, die meist sehr behäbig und textlastig daherkommen. Eigentlich genau das richtige für das Genre der Walking-Simulatoren, wie Draugen einer ist. Es gibt kein echtes Gameplay oder Rätsel, man folgt einfach wie auf Schienen der Erzählung. Das Indie-Spiel verlässt sich dabei ganz auf die Dialoge zwischen den Hauptfiguren und die Geschichte.
Leider hat der narrative Aufbau schwere Fehler. Weder Edward, durch dessen Augen wir die Geschichte erleben, noch Alice lernen wir zu Beginn kennen. Das ist Teil des Konzepts von Draugen, führte aber dazu, dass mir der Charakter der Alice von Anfang an egal war und im Verlauf nur begann zu nerven. Wenn die wichtigste Figur der Erzählung zu einem nervigen Faktor wird, funktioniert sie schon nicht mehr. Das im Mittelteil das Pacing noch auseinanderfällt, hilft ebenfalls nicht. Nach einer behäbigen Einleitung werden hier absurde Dinge am Stück rausgehauen, in denen dann die eigentliche Geschichte des Geheimnis von Graavik untergeht. Das Ende des überraschend kurzen Spiels präsentiert sich dann auch noch äußerst schwach und bietet keine definitiven Antworten auf die Frage, was wirklich in Graavik passiert. Das darf man sich selbst zurechtlegen, aber darum geht es zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr.
Kein Meilenstein der Erzählkunst also, und wegen der überaus kurzen Spielzeit von 3 bis 4 Stunden die 20 Euro im Vollpreis nicht wert. Im Sale kann man aber einen Blick drauf werfen.
Machen:
Motorrad wieder einwintern. Ansonsten: Isolation dank Corona.
Neues Spielzeug:
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