Reisetagebuch Japan (9): Das Überflutungseichhörnchen
Reise durch Japan. Heute wird Auto an einem ungewöhnlichen Ort gefahren und Modernd flutet eine Toilette.
Samstag, 09. November 2019
Pension Yasuda, Takayama
irgendwo in den japanischen Alpen
Ich wache auf, weil ich so sehr friere. Das liegt am Wetter, stelle ich beim Blick aus dem Fenster fest. Die Pension Yasuda liegt am Waldrand, und aus dem Zimmerfenster ist nur das dichte Laub von bunten Bäumen zu sehen. Aber aus einem Fenster neben dem Waschbecken im Flur kann ich auf eine Wiese und ein paar Autos blicken, und die sind übergefroren und dick mit Raureif bedeckt. Die Nacht hat es also gefroren, und die Temperaturen liegen immer noch unter Null.
Als Modnerd und ich den Gästeraum im Erdgeschoss betreten befürchte ich ein Frühstück aus Fisch und Tee, aber zum Glück bedient der Gastwirt auch jetzt den den europäischen Geschmack, den seine Eltern aus Spanien mitgebracht haben. Er bringt uns in der Pfanne angebratenen Toast, den er mit Gemüse belegt und mit Käse überbacken hat. Nach der Fischvermutung eine echte Erleichterung! Nur mit dem Wasserkocher in einer Ecke des Raumes können wir nichts anfangen. Zu zweit stehen wir vor dem quaderförmigen Gerät mit dem halben Dutzend bunter Knöpfe und rätseln, welche der japanisch beschrifteten Tasten jetzt wohl was auslöst.
Zum Glück bemerkt einer der beiden anderen Gäste im Raum unsere Hilflosigkeit, kommt herübergeschlendert und erklärt uns, wie man das Ding bedient. Mit seiner Hilfe bekommen wir es hin zwei Tassen heißes Wasser zu zapfen. Ok, dann gibt es Toast mit Tee, damit kann ich leben. Alles, nur keinen Fisch zum Frühstück.
Als wir abreisen wollen ist unser Mietwagen noch dick übergefroren. Einen Eiskratzer hat der Prius natürlich nicht an Bord. Unentschlossen wische ich mit meinen Lederhandschuhen auf der Scheibe herum, was aber nichts bringt. Früher hätten wir jetzt einfach unter das Radio gegriffen und eine Kassettenhülle als Eiskratzer genommen. Aber was nimmt man heute?
Modnerd kommt auf die Idee den Motor zu starten und die Scheibe mit der Lüftung abzutauen. Geht das mit einem Elektroauto überhaupt, wo doch die Abwärme vom Verbrennungsmotor fehlt?, frage ich mich und stelle fest, dass ich mich mit Elektro- oder Hybridautos echt gar nicht auskenne.
Der Prius summt kurz, als seine Systeme starten. Es ist, als ob der Wagen aufwacht und erstmal guckt, wo er ist. Anscheinend merkt das Auto, dass es kalt ist, und startet nach einer kurzen Denkpause seinen Verbrennungsmotor. Cleveres Kerlchen!
Ich krame ich meine kleine Missionsmappe raus, in der unsere Pläne, Buchungen und Routen für die einzelnen Tage sind. Die besteht außen aus einem halben Plastikschnellhefter, und mit dem hobele ich nun Stück für Stück die Eisschicht weg.
Als die Sicht akzeptabel ist, fahren wir los. Es geht durch herbstlich goldene Wälder, die die Berghänge bedecken, und dann an einem See entlang.
Auf der Karte sieht der gar nicht so doll aus.
Aber in echt sieht die herbstliche Kulisse so schön aus, das wir anhalten und die Aussicht angucken müssen.
Der Stop ist auch gut, weil wir die verdammte Handyhalterung wieder ordentlich an die Scheibe kleben können. Das verdammte Dinge fällt nach wie vor alle paar Minuten ab. Wirste irre, wenn das Navi erst auf halb acht hängt, und dann unvermittelt abfällt.
Zwischendurch fahren wir durch einen rot beleuchteten Tunnel, der ein wenig wie der Schlund zur Hölle aussieht.
“Weißt Du was?”, sage ich zu Modnerd. “Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ich muss auf den Kalender gucken um zu sehen, welcher Wochentag ist. Es fühlt sich an, als wären wir schon mehrere Wochen unterwegs.” Er nickt. “Geht mir auch so. Kein Wunder, so voll wie unsere Tage sind”. Recht hat er.
Einige Kilometer nördlich liegen die Dörfer von Shirakawa-gō und Gokayama.
Kurz vor dem Ortseingang kommt uns ein anderes Auto entgegen, dessen Fahrer signalisiert, dass wir hier falsch sind. Wäre ja auch zu schön gewesen, aber wirklich: Wenige hundert Meter weiter ist eine Straßensperre. Modnerd wendet, dann folgen wir der Ausschilderung zu einem Parkplatz.
Wobei die Ausschilderung gar nicht nötig wäre: Alle paar Meter steht ein Rentner in einer fantasievollen Uniform mit Basecap und weißen Handschuhen und weist mit Leuchtstöcken den Weg. Teils stehen die Uniformierten so dicht beieinander wie eine Ehrengarde die wir so würdevoll abfahren, wie das mit einem Prius halt möglich ist.
Es gibt mehrere große Parkplätze im Umfeld der Dörfern. Der, auf dem wir schließlich landen, liegt mehrere Kilometer entfernt und auf einem Berg. Von dort fahren alle paar Minuten große Reisebusse als Shuttle ins Tal und halten an einer überdachten Sammelstelle. Zwischen der Shuttlestation und den Dörfern liegt ein Fluß namens Shō, über den eine lange und sehr schmale Brücke führt. Gemeinsam mit ganz vielen anderen Menschen wackeln wir im Gänsemarsch hinüber.
Die Brücke führt mitten hinein in das Altdorf von Shiragawa. Das ist seit 1995 UNESCO Weltkulturerbe, und wer sich hier umsieht, weiß auch sofort, warum: Wegen der pittorseken Holzhäuser, wobei “pittoresk” in dem Fall kein Euphemismus für “fällt jeden Moment zusammen” ist.
Im Gegenteil, die traditionellen japanischen Häuschen hier sind alle perfekt gepflegt und gut in Schuss. Das besondere ist, dass die Häuser in einem Stil gebaut sind, dessen japanischen namen ich sofort wieder vergesse nachdem ich ihn lese, der aber übersetzt “Stil der betenden Hände” heißt. Die steilen Dächer der Häuser sollen nämlich an zum Gebet gefaltete Hände erinnern.
Hm. Naja.
Betende Hände hin oder her, die Dächer sind was besonderes. Die sind so steil, damit sie die schweren Schneefälle in dieser Region aushalten. Bis zu vier Meter Schnee liegt hier im Winter, und der spitze Winkel von bis zu 60 Grad der Dachkonstruktion soll dafür sorgen, dass der vom Dach herabgleitet. Die Dächer selbst sind aus Stroh gefertigt und ähneln den Reetdächern in Norddeutschland.
Wegen der schweren Schneefälle sind alle Bäume mit solchen Haltekonstruktionen versehen. Das findet Modnerd aber erst später raus, als ich davorstehe vermute ich zuerst, die merkwürdigen Seile dienten Dazu die Bäume in besonders kunstvolle Form zu bringen.
Die Häuser sind robust und aus dicken Balken gebaut, verhältnismäßig groß und haben teils mehrere Stockwerke. In ihnen wohnten und wohnen mehre Generationen von Großfamilien, und auf den Dachböden wurden bis in die 1970er Seidenraupen gezüchtet. Tatsächlich wachsen hier überall noch Maulbeerbüsche, die Seidenraupen besonders gerne mögen.
Das ist aber wohl nicht alles, wozu die Dächer gut sind.
“Aubergine”, sagt Modnerd unvermittel, und ich habe keine Ahnung was er von mir will. Er muss explizit darauf zeigen, sogar mehrfach, bis ich es auch sehe: Aus einem Dach wächst Gemüse!
Fast jedes Haus enthält ein Lädchen oder lässt sich besichtigen. Das liegt aber in der Hand der Hausbesitzer, deshalb muss man an jedem Haus einzeln bezahlen. Da haben wir keine Lust drauf und stromern nur an den Läden vorbei, die oft einfach nur Kaffee und Tee oder Kinkerlitzchen anbieten, manchmal aber auch sowas wie Seidenseife:
Das ist eine Seife, die einen sehr festen und großen Schaum macht. In einem anderen Haus gibt es Softeis mit Matcha-Geschmack, also grünem Tee.
Zumindest soll es nach Matcha schmecken, in der Praxis ist es aber nur Grün und schmeckt halt nach Milcheis.
Am hinteren Ortsausgang kann man auf einen kleinen Berg steigen und das Dorf von oben bestaunen.
Gegen Mittag fahren wir weiter, durch herbstbunte Täler und Ebenen voller Reise- und Hirsefelder und auf die Küste zu Küste zu.
Weiter im Norden liegen bestaunenswerte Reisterassen, die um diese Jahreszeit festlich mit tausenden von LED-Lampen illuminiert werden, aber die sind leider zu weit weg um sie heute noch zu besuchen.
Stattdessen versuche ich Modnerd zu einem ganz bestimmten Punkt an der Küste zu navigieren, aber dank meiner dilettantischen Anweisungen (“Jetzt links. Nein, doch erst die nächste. Ach Mist, jetzt sind wir auf der Autobahn”) und ähnlichen Missverständnissen dauert das länger als geplant. Schließlich rollt der Prius dann aber doch eine kleine Straße entlang, die auf einen Strand führt.
“Und nun?”, fragt Modnerd. “Fahren wir auf den Strand”, sage ich. Das darf man hier nämlich, und das tun auch viele.
Vor allem dicke SUV und getunte Poserautos fahren am Strand spazieren.
“Das fühlt sich ja komisch an”, sagt Modnerd. Wenig später übernehme ich das Steuer und stelle fest, das er recht hat. Auf dem Sand machen die Reifen keine Geräusche, und bei höheren Geschwindigkeiten und schnellen Lenkbewegungen driftet der Wagen ein Bißchen. Außerdem fühlt sich das hier…. verboten an, auch wenn es das nicht ist, und hat dadurch einen besonderen Nervenkitzel.
An einer Ausfahrt verlassen wir den Strand. Das vergnügen war nur kurz, aber eine Erfahrung war das allemal. Ich will am Rand der Strandstraße anhalten, als mich Modnerd anfährt: “Mensch, halt doch wenigstens auf der richtigen Seite!” – ach Mist. Jetzt ist es mir doch passiert. Ich habe ganz automatisch am rechten Rand der schmalen Straße gehalten, aber klar, wir haben hier ja Linksverkehr. Man, echt nicht mein Tag.
Wir tauschen wieder die Plätze, weil Modnerd ja immer schlecht wird wenn er Beifahrer ist, und fahren weiter gen Westen, an der Küste entlang und auf die Stadt Kanazawa zu. Unterwegs sehe ich wieder Beispiele für “Kawaii”, Niedlichkeitsdesign. Das zieht sich bis in den Bereich von Warnbarken an Baustellen.
Es ist bereits dunkel, als wir in Kanazawa eintreffen. Der Stadtverkehr ist dicht und komplex, aber dank Navigation mit Apple Maps finden wir unseren Weg.
Bei der hiesigen Filiale von Times Rental geben wir den Toyota Aqua ab. Zwei Mitarbeiter gehen mit Taschenlampen durchs Auto und ich selbst auch noch einmal. Nein, wir haben nichts vergessen. Dann werden wir in ein Büro gebeten.
Wieder sprechen die Mitarbeiter praktisch kein Englisch, kommen aber zumindest von sich aus auf die Idee, den Google Übersetzer zu bemühen. Sie stecken die Köpfe zusammen und brüten über Papieren, dann tippt einer der beiden Ewigkeiten auf ein Handy ein und hält mir dann freudestrahlend das Display hin.
“Ihre Verpflichtungen wurde nicht zur Verlängerung erfüllt”, steht darauf. Was soll dass den heißen? Ich mache fragende Bewegungen. Der Angestellte guckt auf das Handy, tuschelt mit seinem Kollegen, dann tippt er wieder lange auf dem Handy und hält es mir hin. “Ihr Vertrag ist nicht vorüber am Ende des Tages”, steht darauf. Ich kenne sowas, wenn man versucht in seiner eigenen Sprache besonders höflich zu sein, kommt aus dem Übersetzer nur Murks, weil er Floskeln und Metaphern nicht kennt. Gerade besonders bildhafte Sprachen bereits da Probleme. Aber was ist jetzt der Kern von “Ihr Vertrag ist nicht vorüber?”. Macht schon wieder diese Einweggebühr Probleme? Mir fällt wieder ein, das wir für den kleinen Spaß über 300 Euro extra löhnen mussten und merke, wie die Ader an meiner Schläfe zu pochen beginnt.
Der Angestellte lacht und lächelt und deutet auf das Handy. Ich lächele nicht und versuche es mit Dreiwortsätzen. Japaner haben jahrelang englisch in der Schule, sie können nur die Aussprache nicht. “Alles gut?”, frage ich nachdrücklich, “Contract over? Alles OK?” Der Angestellte tippt wieder auf seinem Hand rum. Ich bin genervt, gleich nehme ich ihm das Ding weg. Aber dann hält er mir ein drittes Mal das Display hin. Er merkt meine Verärgerung und guckt jetzt unsicher. Ich lese auf dem Handy “Alles gut. Auto gut. Vertrag Ende.”
“Arigato”, sage ich, schultere den Rucksack und wir verlassen das Mietwagengebäude.
Wir haben jetzt einen Fußweg von rund fünf Kilometern vor uns. Ich habe mein Daypack vor die Brust geschnallt und den Cabin Max auf dem Rücken. Damit sehe ich zwar aus wie ein Klops, aber das ist gut ausbalanciert und lässt sich prima tragen, und ich habe trotzdem noch die Hände frei. Neben mir rattert Modnerds Rollköfferchen, das heute eigentlich Kilometergeld kriegen müsste, übers Pflaster.
Wir laufen beleuchtete Hauptstraßen entlang und über einen Fluss und am Bahnhof vorbei, dann über einen weiteren Fluss in die Altstadt von Kanazawa.
Es beginnt zu regnen, was unangenehm ist. Im Dunkeln und bei Regen ein winziges Häusschen in einer verwinkelten Altstadt zu finden ist nicht leicht.
In japanischen Städten sind die Adressen übrigens nach so gegliedert: Präfektur – Stadt – Stadtteil – Viertel – Hausnummer. Das ist ein echtes Problem, denn in einem Viertel sind die Häuser chronologisch nummeriert, d.h. das zuerst gebaute kriegt Nummer ein, das zweite Nummer zwei… aber die müssen nicht zwangsläufig nebeneinander liegen, sondern können zwischen sich das ganze Viertel haben.
Aus dem Grund habe ich mir vorher sehr genau auf Google Streetview angeguckt, wo jede unserer Unterkünfte liegt und mir eingeprägt, wie man sie findet. Unsere heutige Unterkunft ist das Share House GaOoo, ein Begriff, mit dem ich nichts anfangen kann. So sieht es in Streetview aus:
Fast auf Anhieb finde ich auch im Dunkeln das winzige Häuschen, dass sich in einer Gasse zwischen zwei größere Häuser duckt.
Modnerd klingelt, und ein älterer Herr öffnet, lächelt freundlich und bittet uns herein. Ich ahne Schlimmes, aber der alte Herr, der sich als Shuke vorstellt, spricht erstaunlich gutes Englisch.
Er erläutert uns etwas umständlich, dass dies sein privates Wohnhaus sei und er es mit der Welt teilen würde, deshalb “Share House”. Er mache das, damit Menschen von überall zu ihm kommen und etwas über ihre Welt erzählen können. Dann fragt er, wo wir her kommen und wird ganz aufgeregt, als wir “Deutschland” sagen. “Oh, so ein Zufall!” ruft er und bittet uns dann, unseren genauen Herkunftsort auf mit einer Nadel einer Karte von Europa zu markieren. Als wir eine weiße Nadel direkt in die Mitte von Deutschland setzen, wo noch nichts ist, freut er sich und klatscht in die Hände.
Dann zeigt er uns sein Wohnzimmer und stellt uns seine Frau vor. Die sitzt gerade an einer Nähmaschine und begrüßt uns mit einem freundlichen Nicken. In einem Käfig, kaum größer als er selbst, liegt ein Hund. Ein Shiba, wie ich mit fachkundigem Blick feststelle, ungefähr 40 Zentimeter lang, mit kurzem, goldenen Fell und einem wolfsförmigen Kopf über einem gedrungenen Körper. Etwas traurig liegt er in dem Käfig herum. “Das”, sagt der alte Mann stolz, “Ist Mr. Gaoo! Er heißt so, weil er Ga-oooooo macht. Nach ihm ist das Haus benannt”.
Unser Zimmer ist spartanisch. Strohmatten, zwei Futons, Laken, ein winziger Tisch. Am Fenster hängt ein Seil, mit dem wir uns im Notfall abseilen sollen.
Auf der Jagd nach etwas zu Essen strolchen wir durch die Straßen. Kanazawas Altstadt ist interessant und verwinkelt, und die Brücken über den Fluss sind festlich beleuchtet.
In einem Imbiss gibt es gedämpfte und gefüllte Buns in Clownsform.
Die sehen aus wie Clowns, die in der Hölle leiden. Ich esse lieber eine Reissuppe. Zum Glück ist die Karte auf Englisch.
Direkt daneben gibt es eine kleine Craft-Beer-Brauerei namens Oriental Brewery. Dort testen wir das ein oder andere Selbstgemachte.
Um kurz vor 22 Uhr sind wie wieder im Share Haus von Mr. GAOoo. Es ist schon ganz ruhig, nur aus dem Nebenzimmer kommen noch Stimmen – die Deutsch sprechen. Ich gehe schnell duschen, dann lege ich mich auf die Matte und schreibe einige Zeilen Reisetagebuch. Modnerd geht sich die Zähne putzen, kommt wieder und legt sich hin.
Bei mir ist das Bier durchgelaufen, ich stehe auf und steige nochmal die steile Treppe hinab und öffne die Klotür am Ende der Stiege.
WAS ZUR HÖLLE?! Der ganze Boden ist mit Wasser überflutet!!
Das gibt es doch gar nicht! Modnerd ist ein Ignorant was Badezimmer angeht, aber es kann doch nicht sein, dass er das riesige Schild an der Tür übersehen hat, oder?! “Die Rohrleitungen sind alt und schwach”, steht da, und weiter “Wenn sie ein großes Geschäft gemacht haben und viel Papier benötigen, spülen Sie bitte öfter zwischendurch. Sonst kommt es zu Verstopfungen”.
DAS KANN MAN DOCH NICHT ÜBERSEHEN, ODER?!
Ich starre auf die überflutete Toilette. Bestimmt einen halben Zentimeter hoch steht das Wasser in dem winzigen, vielleicht einen Quadratmeter großen Raum. Ich beuge mich rüber und hebe den Toilettendeckel. In der Schüssel sieht alles aus wie es sein soll. Da schwimmt kein Abwasser, sieht auch nicht verstopft aus. Wie hat Modnerd das nur geschafft? Dass das hier sein Werk ist, daran zweifele ich nicht eine Sekunde.
Ich ziehe die Schubladen des kleinen Toilettenschränkchens auf. Kein Putzzeug.
Der Korridor im winzigen Häuschen ist gleichzeitig Abstellraum, Waschkammer und Badezimmer. Neben Waschmaschine und Wäschetrockner hängt auch ein Waschbecken an der Wand. Hier muss es doch auch Putzzeug geben?
Ich wühle mich durch Schränke. Nichts.
Moment mal, wieso soll ich hier überhaupt…?
Ich klettere wieder die Treppe hinauf.
“Kommst Du mal bitte”, sage ich zu Modnerd, und gleich darauf stehen wir beide vor der Bescherung.
“Das war ich nicht”, sagt Modnerd in einem ersten Reflex. “Natürlich warst Du das”, sage ich leise, um die Gastgeber nicht zu alarmieren. “Und jetzt überlegen wir uns mal, wie wir das wieder wegkriegen!”
Gemeinsam durchforsten wir nochmal den Flur. Keine Putzmittel, kein Wischmop, kein Eimer. Es hilft nichts, wir müssen unseren Gastgebern Bescheid sagen. Vorsichtig drücke ich die Tür zum Wohnbereich von Herrn Shuke und seiner Frau auf. Der raum ist leer, alles ist dunkel. Die sind wohl schon schlafen gegangen. Mr Gaoo winselt leise in seinem Käfig.
Verdammt. Und nun? Ich gucke auf das Wasser in der Toilette. Modnerd steht davor und blickt darauf hinab. “Es ist ganz klar, gar nicht wie Abwasser”, sagt er. Stimmt.
Wir sind gedanklich gerade beide woanders. Ich überlege, wie wie wir das Wasser wegbekommen, Modnerd sinniert darüber, wo es hergekommen ist.
Mit fällt das kleine Mikrofaserhandtuch ein, das ich in meinem Rucksack habe. Hoch saugfähig und leicht auswringbar. Vielleicht lässt sich das zum Aufnehmen des Wasser verwenden? Oh, wo die Gedanken gerade bei “Handtuch” sind, ich habe doch vorhin geduscht, und zum Abtrocknen ein Handtuch der Herberge benutzt, und das dann gleich nach Benutzung in einen Korb getan…
Ich gehe in die Dusche, hole das benutzte Handtuch aus dem Wäschekorb und drücke es Modnerd in die Hand. Er wirft es in der Toilette auf den Boden. Es saugt sich in Sekunden voll und liegt dann da, nass und traurig, im Wasser herum.
“Ich bräuchte jetzt noch einen Eimer oder so”, flüstert Modnerd und sieht auf das Handtuch hinab. “Warum?”, zische ich. “Du kannst das doch jetzt nehmen und über der Toilette auswringen und dann wieder Wasser damit aufnehmen und so weiter”. “Stimmt”, sagt Modnerd und macht sich ans Werk. Mit dem Handtuch wischt und schöpft er das Wasser weg, bis der Boden so gut es geht trocken ist. Dann bringt er das klatschnasse Handtuch weg und kehrt zurück auf das Zimmer. Morgen wird sich Frau Shuke sicher über das triefnasse Handtuch wundern. Aber besser darüber als über eine überflutetes Klo.
Ich besehe mir die Toilette, dann hole ich nochmal das Handtuch und wische nochmal gründlich unter dem kleinen Schränkchen, dem Mülleimer und rund um die Toilettenschüssel herum, wo überall noch Wasser steht. Erst als der letzte Tropfen weg ist, bin ich zufrieden.
Wie hat er Modnerd nur diese Überflutung hinbekommen?!, denke ich und erledige endlich das, weswegen ich eigentlich zum Klo gegangen bin. Als ich fertig bin, drücke ich den Spülhebel – und sofort spritzt Wasser links und rechts aus dem kleinen Waschbecken auf der Oberseite des Spülkastens, gegen die Wände und auf den Boden und plötzlich begreife ich was passiert ist.
Die Toilette ist nämlich eine von den Modellen, die oben auf dem Spülkasten ein Waschbecken haben. Spült man, läuft Wasser aus dem Wasserhahn und durch den Abfluss des Waschbeckens in den Spülkasten, bis der wieder voll ist. Eigentlich eine geniale Konstruktion, die nicht nur Platz spart, sondern auch dafür sorgt, dass das Wasser doppelt genutzt wird: Erst zum Hände Waschen, dann für die Klospülung.
Der Abfluss des Waschbeckens ist normalerweise einfach ein gähnendes Loch. Aber nicht hier. In dieser Toilette ist auf dem Abfluss ein Dekoelement, so ein flüssigkeitsgefülltes Plastkdings mit einem Schmuckeichhörnchen an der Seite. Dieses Dekoelement war mit vorhin schon aufgefallen. Vorhin steckte es mitten im Abflussloch, aber jetzt liegt es umgefallen mitten und auf der Seite mitten im Waschbecken, und das Wasser aus dem Hahn trifft darauf und spritzt links und rechts an die Wände und auf den Boden.
Schnell greife ich das Eichhörnchen und drücke es wieder in den Abfluss.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich was passiert ist. Modnerd, der Badignorant, hat seine übliche Schneise der Verwüstung hinterlassen. Dabei hat er das Eichhörnchen entweder aus Versehen umgeworfen oder es aus dem Abfluss gezogen, irritiert angeguckt und dann einfach fallen lassen, auf jeden Fall war hat er es unter dem fließenden Wasser liegen lassen und ist einfach gegangen. Der Wasserstrahl wurde vom Dekoelement abgelenkt und ist gegen die wand gespritzt und hat so den kleinen Raum unter Wasser gesetzt hat.
Oh man.
Das Geheimnis ist gelöst, das Überflutungseichhörnchen war schuld.
Tour des Tages: Von Takayama nach Kanazawa, rund 200 Kilometer.
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8 Gedanken zu „Reisetagebuch Japan (9): Das Überflutungseichhörnchen“
Der Clown ist übrigens ein Moogle aus Final Fantasy. Und in der Form ein mit Hackfleisch gefüllter Hefekloß (Nikuman).
Nikuman ist richtig, aber ist das wirklich ein Moogle?!
Schön schön… bis zum Eichhörnchen 😉
Du musst mich ja sowieso aus dem Keller holen, kannst das hier dann löschen: Google Maps (Earth) Bilder darf man privat im Internet verwenden bei Nennung von Google UND dem Datenanbieter (das ist nämlich jemand anderes und überall anders). Bei Kartenausschnitten sind sie ganz albern, Screenshots dürfen auch nicht privat…alles abmahnfähig. Sie müssen dich ja nicht finden, aber du solltest das wissen.
Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich den gewollten und ungewollten Mechanismus mit dem Eichhörnchen nicht verstanden habe, aber ich bin auch müde, vielleicht leuchtet es mir morgen ein 😉
Viele Grüße Miki
Ah, danke für den Hinweis. Ich hatte es befürchtet.
Steht zumindest da, ist wohl ne Promo zu Final Fantasy Brave Exvius (diese Namen!), nem Mobilableger. Deswegen das “FFBE” in der Beschreibung.
Ok, beim zweiten Mal lesen hab ich die Eichhörnchensache dann auch verstanden…
Aber das ihr immer das gute japanische Frühstück verschmäht, dem die Japaner ihre hohe Lebenserwartung verdanken, tse!
Noch zum Eichhörnchen: Meine eigene Theorie hat noch eine kleine Abweichung: Am Ende landete das blaue Dings (von den wir beide bis heute nicht wissen, wozu es eigentlich gut ist) so auf dem Abfluss, dass das Wasser von oben drauf spritzte und das blaue Dings nach unten drückte, dieses aber auch gleichzeitig den Abfluss blockierte. So gab es das Spritzen aber auch ein Überlaufen des Beckens, was die Menge an Wasser erklärt hat.
Dadurch wurde übrigens auch das Weiterlaufens des Wassers induziert, da wohl das Wasser, dass oben auf dem Klo läuft wenn sich das Spülbecken füllt, genau auch dieses Becken darunter erst füllt. Spricht, wenn der Zulauf verstopft ist, läuft das alles immer weiter, weil sich ja das Becken nicht füllt …
Snoeksen: Final Fantasy ist bei mir Bildungslücke und ich musste Moogle tatsächlich erstmal googeln, aber Du hast Recht, eine gewissen Ähnlichkeit ist vorhanden. So sieht ein Moogle aus, der Stunden in einer Sauna verbracht hat 😉
Zimt: Ach, nicht immer. Ein Mal haben wir es gegegessen. Reicht.
Modnerd: Hast recht, es ist mehr Wasser gelaufen als eigentlich in den Kasten passt! Dass das Becken übergelaufen ist glaube ich aber nicht, der Abfluss war nicht ja ganz zu und als ich kam, lief das Wasser ja auch nicht mehr.