Momentaufnahme: August 2020

Herr Silencer im August 2020

Keine Lust zu bloggen

Wetter: Mitte des Monats Hitzwelle mit teils über 30 Grad, dann unerträglich schwül. In der letzten Woche kühlt es sich merklich ab.


Lesen:

Stephen King: If it bleeds
Vier Kurzgeschichten: Ein iPhone als Verbindung in die Welt der Toten, der Geist eines Mannes als Universum, andere Outsider wie ES.

Schon lange keinen King mehr gelesen und nach dem Film „Dr. Sleep“ (s. vergangenen Monat) mal wieder lust drauf gehabt. „If it bleeds“ enthält vier Novellen, von denen ich drei gelesen habe und die mal mehr, mal weniger gut funktionieren. Totalausfall für mich war eine Story, die von einem Amerika erzählt, dass durch Klimawandel und faschistische Politik in sich zusammenbricht, und es den handelnden Personen schlicht egal ist. Das klingt nach einer Situationsbeschreibung im Jahr 2020, und gewinnt weder durch den im Vorfeld lange durchtelegraphierten Twist noch dadurch, dass die Geschichte rückwärts erzählt wird. Eine andere Geschichte ist nett, trägt aber zu viel Speck mit sich rum und langweilt durch elendig lange Abschweifung. Insgesamt ein nettes Buch, dem etwas mehr Lektorat gut getan hätte, das aber auch zeigt, dass Stephen King auch mit seinen mittlerweile 72 Jahren in der heutigen Zeit lebt und immer noch Lust auf Experimente hat.


Hören:


Sehen:

Bombshell [2019, Prime Video]
1996 startet Roger Ailes den Sender „Fox News“, der fortan „alternative Fakten“ aus einem straff konservativen Paralleluniversum in die Welt posaunt. Um die Zuschauer bei Laune zu halten, setzt Ailes auf die weiblichen Reize von hübschen, jungen Moderatorinnen. Frauen sind Eye Candy und Zierrat, und so werden sie auch behandelt.

2016 wagt eine von ihnen aufzubegehren und zieht gegen Ailes vor Gericht. Dessen Verbündete, allen voran „Richterin“ Geannine Shapiro und die stramm rechten Moderatoren wie Sean Hannigan oder Lou Dobbs, stellen sich vor Ailes und organisieren sogar eine „Women for Fox News“-Kampagne. Durch mehrere Zufälle beginnt die Mauer des Schweigens dann aber doch zu bröckeln und legt ein toxisches Arbeitsklima frei, in dem Frauen freiwillig oder unfreiwillig Sex gegen Karrieren eintauschen. Am Ende ist Ailes als Chef von Fox News für Rupert Murdoch nicht mehr zu halten.

Spannend! Ein Blick hinter die Kulissen von Trumps Propagandasender, mit erfrischenden Details. So erfährt man, dass Fox News oft und gerne mit der von Ailes erfundenen „Leg Cam“ die Beine der Moderatorinnen in Szene setzt, oder dass das Tragen von Hosen für Frauen lange verboten war. Highlight des Films sind aber die Lookalikes der Personen, die man real aus Fox-Ausschnitten kennt. Dabei sind das weniger die männlichen Moderatoren, denn die Darsteller von Widerlingen wie Tucker Carlson oder Sean Hannity haben wenig mit den Originalen gemein. Es sind aber Charlize Theron als Megyn Kelly und Nicole Kidman als Gretchen Carlson, die auf den Punkt wie die Vorbilder zurechtgemacht sind und hervorragend spielen. Dazu kommt ein hervorragender Malcolm McDowell als ein absolut genialer Rupert Murdoch und John Lithgow als Roger Ailes. Sehenswert!

Her [2019, Prime]
Joaquin Phoenix ist ein empfindsamer Mensch, lebt gerade in Scheidung und wird damit nicht so einfach fertig. Zur Ablenkung installiert er ein neues, KI-getriebenes Betriebssystem auf seinem Rechner, dass ihn fortan als Stimme im Ohr überall hin begleitet. Schnell baut er eine emotionale Beziehung zu der körperlosen Präsenz auf.

Schöne Ideen, gut gespielt. Der Film spielt 5 Minuten in der Zukunft und wirkt wie eine überlange „Black Mirror“-Folge, wenn er Menschen zu Postkartenschreibern degradiert, während KIs die wirklich anspruchsvollen und wichtigen Dinge leisten. Oder wenn er große Themen aufmacht wie Transhumanismus, Liebe in Zeiten von körperlosen Bewusstseinsformen und letztlich der Frage, was menschlich ist. Allzu viel beantwortet er davon nicht, stattdessen kneift er auf der Zielgraden den Schwanz ein und biegt in die Büsche ab. Trotzdem originell und schön anzusehen.

The good Place, Staffel 4 [2020, Prime]
Vor vier Jahren ist Kristen Bell gestorben und kam in den „Good Place“, eine idyllische Nachbarschaft im Leben nach dem Tod, die von Ted Danson geleitet wird. Das Problem dabei: Sie war zu Lebzeiten ein richtig schlechter Mensch und ist nur aus Versehen im „Himmel“ gelandet, der sich gegen die Anwesenheit der verkommenen Seele wehrt und auseinanderfällt. Später stellt sich raus, dass der „Good Place“ nur eine besonders perfide Art der Folter und Ted Danson ein Dämon ist. Irgendwann geht das Ganze hin und her im Leben nach dem Tod einer allmächtigen Richterin so auf die Nerven, dass sie erst Kirsten Bell experimentell die Leitung des „Good Place“ überträgt, nach dem Resultat aber die Menschheit auslöschen will.

Ach, ich mag diese knuffige, kleine Serie, die seit vier Jahren zuverlässig in der Sommerpause mit 10 bis 12 neuen, je rund 25 Minuten langen Folgen aufpoppt. Sie ist witzig, extrem gut geschrieben und macht in jeder Staffel eine andere Frage auf, zum Beispiel: Können moderne Menschen heute noch so Leben, dass ihr Karma unbelastet bleibt, wenn globale Zusammenhänge doch dafür sorgen, dass es am Ende immer jemandem schlecht geht? Die vierte Staffel bringt das philosophische hin und her zu einem sehr befriedigendem Ende.

Last Samurai [2003, BluRay]
Das Abschlachten von Ureiwnohnern und das Massaker am Little Big Horn haben US-Armee-Captain Tom Cruise so traumatisiert, das zu einem versoffenen und zynischen Wrack geworden ist. Trotzdem gilt er als Kriegsheld und wird deshalb 1877 vom japanischen Kaiser angeheuert. Der will sein Land nach Jahrhunderten der Isolation modernisieren, aber dabei stehen ihm die Überreste des feudalen Systems, oder besser: Dessen Samurai, im Weg. Tom Cruise soll nun kaiserliche Truppen an Schußwaffen ausbilden und damit gegen die Schwertkämpfer vorgehen. Kaum in Japan, wird er aber von Samurai entführt und lernt ihre Lebensart kennen.

Wenn es den Aufstand der Samurai nicht wirklich gegeben hätte, wirkte die Story als an den Haaren herbeigezogen. Gut, zumindest der Tom Cruise Teil ist das auch, und natürlich ist alles vorhersehbar. Ändert aber nichts daran das der Film toll gespielt und schön fotografiert ist: Tolle Schauspieler, wundervolle Landschaften, knallige Szenen. Alles an diesem Film strotzt vor Detailreichtum. Das Beste aber: Er ist der vermutlich letzte Film mit Tom Cruise, der kein Tom-Crouise-Vehikel ist. Seine Figur steht zwar im Mittelpunkt, aber hier ist er eben nicht der Sonnyboy-Superheld.

Der Leuchtturm [2019, Prime]
Robert Pattinson und Daniel Defoe sind Leuchturmwärter und schieben Dienst auf einer abgelegenen Inseln. Beide haben ihre Geheimnisse und sind ungehobelt, es kommt zu Spannungen und Psychospielchen. Als ein Unwetter das Verlassen der Insel unmöglich macht, liegen die Nerven blank und es kommt zu surrealen Ereignissen und blutiger Gewalt.

Viel gelobter Horrorfilm, mit dem ich Null anfangen kann. Er beginnt langsam, schleift einen dicken Mittelteilbauch durch die Gegend, um am Ende metaphysisch zu werden und sich in Sagenbildern zu ergehen. Das alles ist mal überdreht, mal holzschnittartig inszeniert und ergibt in der Summe wenig Unterhaltung. Ist was für Pseudointellektuelle mit Horrorneigung, die ungewaschene Schauspieler, schwarzweiß-Bilder und reingeprügelte Motive der griechischen Mythologie für Kunst halten.

Birds od Prey – The fabulous emancipation of one Harley Quinn [2020, Prime]
Something something somethin Harley Quinn.

Absurder Müll. Wirklich. Ich mag Filme mit emanzipatorischen Themen und starken Frauenfiguren, ich mag Action- und Superheldenfilme. „Birds of Prey“ ist nur leider nichts davon. Die Charaktere sind egal, durchgehend alle Männer sind böse, die Story ist wurscht und, die Action und die Kameraarbeit auf dem Niveau einer billigen Fernsehserie. Einzig Margot Robbie und Ewan McGregor sind Lichtblicke. Und ich meine die Schauspieler, nicht die Charaktere, die sie verkörpern. Die Schauspieler wissen genau, wo sie in diesem Film gelandet sind und overacten wie Hölle, weil halt einfach alles egal ist. Die Charaktere können einem dagegen Leid tun – Victor Zsasz in seinem ersten und vermutlich einzigen Auftritt in einem DC-Film zu einem schwulen Comicrelief zu machen, ist genauso ein Tritt in die Eier wie der ganze Film. Nicht angucken, ist genau so eine Lebenszeitverschwendung wie „Suicide Squad“.


Spielen:

Ghost of Tsushima [PS4]
Im Jahr 1274 greift eine mongolische Armee Japan an und erobert als erstes Tsushima, die große Insel zwischen dem chinesischen Festland und den japanischen Hauptinseln.
Schon beim ersten Angriff werden die Samurai, die Beschützer der Insel, abgeschlachtet, weil die Mongolen sich nicht an die Regeln des „ehrenvollen Kampfes“ halten. Nur einer der Samurai überlebt schwer verletzt und versucht nach seiner Genesung die Insel zu befreien. Da er allein ist, muss er zu Guerillataktiken greifen. Die sind eines Samuraikriegers eigentlich unwürdig, aber effektiv. Als ungesehener Meuchelmörder wird er zum namensgebenden Geist von Tsushima, dessen bloße Erwähnung die mongolischen Besatzer zittern lässt.

Ein Assassins Creed im feudalen Japan, aber ohne die AC-typischen Altlasten und must-Haves. Das fühlt sich befreit und leicht an. Weniger leicht ist der knackige Schwierigkeitsgrad in den ersten Stunden und die Überladene und gewöhnungsbedürftige Steuerung sowie die störrische Kamera, die immer wieder in Bäumen und Gebäuden hängenbleibt. Das Game ist nicht so poliert, wie man es von Sony-eigenen Studios kennt. Animationen sind manchmal blockig, Charaktere haben Botox-Gesichter, es gibt gelegentlich Clippingfehler und die Texturen sind auch nicht die Welt.

Trotzdem wurde die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Das Kampfsystem ist gut und die Progression und Fähigkeiten steigen bis zum Ende, was motivierend und kurzweilig ist. Weitere Pluspunkte: Die schönen, japanischen Landschaften und eine sehr gelungene Darstellung der historischen Ereignisse: Hier die mongolische Armee, die mit geschlossenen Reihen, Gift- und Feuerpfeilen und Knallkörpern vorrückt, dort die japanischen Samurai, die auf einen „ehrenvollen“ Kampf Mann gegen Mann vorbereitet sind und in der Folge wie die Fliegen fallen, dazwischen der Protagonist, der immer wieder damit zu kämpfen hat, dass seine Methoden als „Geist“ unehrenhaft und eines Japaners nicht würdig sind.

Tolles Spiel mit simpler Geschichte und etwas langem Mittelteil, aber einem süchtig machendem Gameloop aus Exploration, sehr einfachem Stealth und Kampf, der bis zum Ende hin immer noch Neues bietet und darum motiviert. Toll.


Machen:

Planen.


Neues Spielzeug:

Archiv Momentaufnahmen ab 2008

Kategorien: Momentaufnahme | 2 Kommentare

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2 Gedanken zu „Momentaufnahme: August 2020

  1. Waren die Triumph in Birds Of Prey keine willkommene Ablenkung? Oder hat man die am Ende gar nicht gesehen?

    Gefällt 1 Person

  2. Nicht gesehen, kann sein das mein Hirn von lauter Grütze zu war.

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