Corona-Tagebuch (20): Die zweite Welle ist da

Weltweit: 40.485.384 Infektionen, 1.119.545 Todesfälle
Deutschland: 377.068 Infektionen, 9.844 Todesfälle

Tag 222 seit Beginn der ersten Corona-Maßnahmen.

Das Problem an vorbeugenden Schutzmaßnahmen: Wenn sie wirksam sind, wird im Nachgang gerne so getan als wären Sie überflüssig gewesen. So auch hier und jetzt, mitten in der Pandemie. Über den Sommer hat sich in vielen Köpfen festgesetzt das es einen „Lockdown“ gegeben habe und der übertrieben gewesen sein muss, weil: Wir leben ja noch und guck, alles wieder offen.

Nun gab es zum einen aber gar keinen „Lockdown“, und zum anderen: Wer auch nur den Wikipediaartikel zur Spanischen Grippe von 1918 gelesen hat, konnte ganz sicher sein, dass im Herbst eine zweite Welle kommen würde. Und nun ist sie da:

Von weniger als 300 Neuinfektionen pro Tag im Juli auf 8.500 jetzt. Muss man auch erstmal hinkriegen, wobei es besonders die ganz Jungen und die Älteren sind, die das Risiko nach wie vor nicht ernst nehmen. Ich musste am Freitag mein Auto von einer Werkstatt abholen und habe dafür spät am Abend den Nachtbus genommen, um möglichst wenig Leuten zu begegnen. Obwohl Bus und Stadt eigentlich leer waren: Wo Menschen unterwegs waren, klumpten die dicht zusammen und hatten keine Masken auf.

Wobei Deutschland im europäischen Vergleich noch gut da steht, andernorts sind die Infektionszahlen viel höher. Wer einmal eine französische Schulklasse auf Klassenausflug gesehen hat, ahnt auch, woher das kommt. Sport der Kids war es, sich von Angesicht zu Angesicht aufzustellen und sich gegenseitig in den offenen Mund zu spucken oder zu husten. E-kel-haft.

Non sole mio

Nun komme ich gerade aus Italien zurück. Die Menschen dort haben ihre Lektion auf die harte Tour gelernt, Italien hatte nämlich wirklich einen Lockdown. Vier Monate durften die Menschen ihre Wohnungen nicht verlassen. In den Straßen patrouillierte Polizei und Militär, und wer ohne Grund außerhalb seiner vier Wände unterwegs war, bekam eine Anzeige und wanderte im Wiederholungsfall oder bei „Coronaleugnung“ schlicht in den Bau.

Resultat: In Italien trägt jeder Einwohner seine Maske, vom Kind bis zum Greis, über Mund UND Nase, und selbstverständlich auch draußen und in den Straßen. Das wird gar nicht diskutiert, Maskenverweigerer sieht man nicht. Nur deutsche und britische Touristen erkennt man sofort. Die Deutschen tragen gar keine Maske und die Briten tragen Masken als Einstecktuch oder am Revers spazieren oder setzen sie sich – LUSTIG LUSTIG – auf den Kopf. Als ob Corona im Urlaub Pause hätte.

U-S-A!

In den USA melden Kliniken jetzt nicht mehr die Fallzahlen an das Gesundheitszentrum, sondern an das Weiße Haus. Das „bereinigt“ dann die Daten veröffentlicht sie erst dann. Prompt sanken seitdem die Infektionszahlen, aber seitdem es Trump selbst und mit ihm das halbe Weiße Haus erwischte, steigen selbst die gelogenen Zahlen wieder. Trump spinnt daraus aber eine Heilandserzählung: Er habe überlebt und an ihm wurden neue Medikamente getestet, die er nun dem Volk schenkt. Krass, wie schlimm das gerade alles entgleist.

„Nicht ausreichend“

Nochmal zurück nach Deutschland: Während die Länderchefs sich im Klein-Klein verlieren und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband reihenweise Schutzmaßnahmen wegklagt, weil Umsatz wichtiger ist als Menschenleben, warnt der Bundeskanzler Frau Merkel davor, dass die verabredeten Maßnahmen „nicht ausreichend seien um Unheil abzuwenden“ und das alles „zu keinem guten Ende führe“.

Konservative Kommentatoren, die in gerade in Deutschland an einer ähnlichen Spaltung der Gesellschaft arbeiten wie in den USA, verspotten sie dafür als „Schreckgespenst“ (Nikolaus Blome auf Spiegel Online).

Vernünftigen Menschen fällt dagegen jetzt noch einmal verstärkt auf, wie schlimm Merkel mit Sprache umgeht, und das sie nie agiert als habe sie Macht und Gestaltungsspielraum. Stattdessen richtet sie ihre Politik immer nach Umfragen und Zahlen aus, und die Zahlen sagen gerade: Was noch kommt wird richtig Scheiße.

Der Bundeskanzler Frau Merkel weiß das. Die Altherrenrunde der Kanzlerkandidaten ignoriert es und tut so, als könnten sie Covid-19 mit bloßen Händen besiegen. Deppen.

Deppen

Apropos Deppen: Die Deutschen hamstern schon wieder. Vielerorts sind die Klopapierregale erschreckend leer.

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Kategorien: Corona-Tagebuch | 4 Kommentare

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4 Gedanken zu „Corona-Tagebuch (20): Die zweite Welle ist da

  1. Hervorragend geschrieben. Besser hätte ich das auch nicht sagen können 🙂

    Gefällt 1 Person

  2. Was soll das „Der Bundeskanzler“ in Bezug auf Frau Merkel? Finde ich doof :-/
    Du bist auch nicht „die Silencerin“. Der Rest passt.

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  3. Das ist ein sehr dummer Running Gag der „tönenden Wochenschau“ auf NDR-Info, die im Stil der alten Wochenschau über aktuelle Themen berichtet und die Form „der Bundekanzler“ und „Frau Merkel“ verwendet um sich über veraltete Vorstellungen von geschlechtsspezifischen Rollenbildern lustig zu machen. Irgendwie habe ich das so verinnerlicht (weil ich es so lustig fand), dass ich das auch verwende. Heute muss man sich aber eher die Frage stellen, ob auch Männer das Zeug zur Bundeskanzlerin haben – von daher werde ich den Gag werde ich sofort umdrehen, wenn ein Mann den Job bekleidet. Aber, ogottogott, „die Bundeskanzlerin Herr Söder“… will man sich das vorstellen? Man Man Man

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  4. ruediger

    ich hatte im Sommer die kurzzeitige Hoffnung, das der 2 Lockdown nicht kommen würde, aber ach….

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