Herr Silencer im Januar 2021
Diesen Monat kaum was anderes getan als zu arbeiten und danach todmüde Medien zu konsumieren – so viel, dass die monatliche Rückschau in zwei Teilen daherkommt. Dies ist Teil 1.
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Wetter: Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt und vereinzelt, aber immer wieder Schneefall. Am Monatsende Sintflutregen und SChneeschmelze – gut so, die Talsperren können das brauchen.
Lesen:
Christopher Tauber (Autor) Hanna Wenzel (Illustratorin): Rocky Beach
Vor 30 Jahren hat Peter Shaw seinen Heimatort Rocky Beach verlassen und bei einer Versicherung in Boston Karriere gemacht. Um einen Versicherungsfall zu untersuchen, kehrt Shaw an den Ort zurück, an dem er mit Justus Jonas und Bob Andrews einer der drei ??? war. Dort begibt er sich auf Spurensuche.
Graphic Novel, das die „drei Detektive“ dreißig Jahre später zeigt und dabei einen Nebencharakter der Hörspiele in den Mittelpunkt rückt: Rocky Beach selbst.
Die Kleinstadt im sonnigen Kalifornien wird ganz in der Tradition des Film Noir als Ansammlung aus Bars, runtergekommenen Buchläden und korrupten Polizisten beschrieben. Dazu passt, dass die spannende Geschichte in oft düsteren Schwarz-Weiß-Panels erzählt wird.
Richtig interessant ist aber, dass das auch die drei ehemaligen Detektive ihr Päckchen zu tragen haben. Seit einem schicksalshaften Ereignis haben die drei sich nicht mehr viel zu sagen, Justus ist sogar depressiv. Das passt vielen Fanboys der Serie natürlich gar nicht, aber ich finde die Idee super und wollte bis zum Schluss wissen, was da eigentlich los war.
Hören:
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Sehen:
The Hunt [2020, BluRay]
Eine Gruppe von 12 Menschen wacht auf einer Wiese auf. Offenbar sind alle entführt worden. Neben ihnen steht einer Kiste voller Waffen, kurze Zeit später eröffnet jemand das Feuer auf sie. Warum passiert das? Alle Gejagten sind typische Trump-Wähler – Erzkonservativ, verschwörungsgläubig, rassistisch – ansonsten scheinen sie keine Gemeinsamkeiten zu haben. Und wieso haben ihre Jäger seltsame Schlachtrufe wie „Klimawandel ist real, Bitch!“
„Guck den Film, da wirst Du viel Spaß damit haben“, meinte ein Freund, und er hatte recht. „The Hunt“ ist zuvorderst ein Actionfilm, der bereits in den ersten Minuten ultrabrutal daher kommt. Die Gewaltdarstellungen sind dabei aber so comichaft überzeichnet und die Situationen so absurd, das sie zum Lachen sind – dennoch ist ein gefestigter Magen von Vorteil. Dabei ist der Film kein doofer Actionklopper, sondern eine sehr geschickt verpackte Parabel mit einem cooolen Twist, die der Frage nachgeht was passiert, wenn eine Gesellschaft durch das Internet so tief gespalten wird, das beide Lager nicht mal mehr die gleiche Sprache sprechen. Da passt es, dass der Film in den USA aus den Kinos verbannt wurde.
Sehr unterhaltsam, überraschend, dazu mysteriös und actionreich und die dabei coolsten und schrägsten Hauptdarstellerinen seit gefühlt ewig – „The Hunt“ ist keine Familienunterhaltung, aber eine klare Anschauempfehlung und vielleicht jetzt schon mein Film des Jahres 2021. Zumindest der erste Streifen seit langer Zeit, den ich wirklich zwei Mal hintereinander geschaut habe, weil er so krass clever ist.
Die entfesselte Silvesternacht [1998, DVD]
Der Silvesterabend in einem Wohnblock in der Vorstadt von Rom: Monica Belucci bereitet eine Silvesterparty vor und findet dabei heraus, dass ihr Mann sie betrügt. Zwei Jugendliche kiffen und schnüffeln sich das Hirn weg und hantieren mit Dynamit. Eine alte Dame erhält unerwarteten Besuch von einem Gigolo. Ein Rechtsanwalt zieht sich Damenunterwäsche an und wird von Einbrechern überrascht. Am Ende sterben alle.
Ich verstehe ja die italienische Art Filme zu machen nicht wirklich, aber „L´Ultimo Capoanno“ will auch gar nicht verstanden werden – er ist einfach grandioser Quatsch, der einen auf die verkehrte Fährte lotst. Der Film tut so, als sei er ein typischer heile-Welt-Episodenfilm, zeigt dann aber absurde Dinge und wird auf die letzten 15 Minuten eine Mischung aus [beliebigen Tarantino-Film hier einsetzen] und „Gabelstaplerfahrer Bernd“, bei dem alle Protagonisten einen blutigen Tod sterben.
Happy Go Lucky [Prime VOD]
Poppy ist Kindergärtnerin in London und immer gut drauf.
Argh! Wieso war DAS DENN einer der erfolgreichsten Filme 2008?! „Happy Go Lucky“ ist eine unzusammenhängende Aneinanderreihung von Szenen, die die Schauspieler ganz offensichtlich irgendwie hinimprovisert haben – und das nicht besonders gut machen.
So guckt man geschlagene 120 Minuten dabei zu wie Mülltüten mit Tusche angemalt werden, Poppy Fahr- und Flamencostunden nimmt oder sich einen Wirbel ausrenkt.
Das ist genauso interessant wie es klingt, zumal alle Charaktere Abziehbilder gutgelaunter Nervtröten sind, die in jedem Frauenfilm der 90er immer um Couchtische getanzt sind. Poppys Frohnatur erschöpft sich in Dauergrinsen und nervtötend schrillem Gekichere (das in der deutschen Synchro noch einmal schlimmer ist), so dass einem die Figur schon nach zwei Sekunden auf den Sacque geht. Einzig die Figur des cholerischen und rassistischen Fahrlehrers könnte interessant sein, ist aber so überzogen nach improv-Theater, dass man nach der ersten Szene schon denkt „ach nee, lass mal“. In der Summe sind „Happy Go Lucky“ zwei Stunden verschwendete Lebenszeit, die ich nie zurückbekommen werde.
The Shape of Water [Netflix]
Baltimore, 1962: Eine stumme Putzfrau arbeitet in einem streng geheimen Forschungslabor, in das eines Tages eine seltsame Wasserkreatur gebracht wird. Die Putzfrau freundet sich mit der Kreatur an und beschließt, sie zu befreien.
Ich mag Guilliermo del Toros Bildwelten ja sehr, und „Shape of Water“ steht hier seinen früheren Werken wie „Hellboy“ oder „Pans Labyrinth“ in nichts nach. Wunderschöne Bilder, perfekt in Szene gesetzt. Großartig auch die Schauspieler: Sally Hawkins, die als „Poppy“ in „Happy Go Lucky“ einfach nur nervt, macht hier genau so einen fantastischen Job wie Doug Jones (Saru aus „Star Trek Discovery“) als Fischwesen und Michael Shannon (Zod aus „Man of Steel“) als sadistischer Sicherheitschef.
Spielen:
Yakuza 5 Remastered [PS4]
Einige Jahre nach den Ereignissen von Yakuza 4: Ex-Yakuza Kiryu Kazuma hat Okinawa verlassen und verdingt sich unter falschem Namen als Taxifahrer in Fukuoka, als seine alten Weggefährten ihn aufspüren und um Hilfe in einer Yakuza-Sache bitten.
Schnitt.
Taiga Saejima verbüsst die letzten Woche seiner Haftstrafe, als ihn ein Gefängnisaufstand zwingt auszubrechen. In Sapporo kommt er einer Intrige auf die Spur.
Schnitt.
Haruka Sawamura, die Adoptivtochter von Kiryu Kazuma, trainiert in Osaka dafür ein Idol zu werden, als ein Mord geschieht und sie sich fragen muss, ob sie ihren Traum weiter verfolgen soll.
Schnitt.
Shun Akiyama, der wohl ungewöhnlichste Pfandleiher der Welt, hält sich zur Zeit des Mords in Osaka auf und wird in die Geschehnisse hineingezogen.
Schnitt.
Und dann ist da noch Tatsuo Shinada, der früher ein großer Baseball-Star hätte werden können und der nun in der Toyota-Stadt Nagoya am Rande des Existenzminimums rumknapst.
Größer, besser, schöner: Yakuza 5 fährt gleich fünf Städte aus unterschiedlichsten Regionen Japans auf und hat fünf Protagonisten, deren Schicksale miteinander verwoben werden. Das ganze ist so umfang- und abwechslungsreich, das die Geschichte jedes einzelnen Charakters ein eigenes Spiel für sich ist. So muss man mit Kiryu Taxikunden sicher ans Ziel bringen und Autorennen fahren, mit Häftling Saejima in einem Survival-Hunting-Abschnitt in einem verschneiten Bergdorf auf Bärenjagd gehen oder Haruka mit Rythmusspielchen im Singen und Tanzen zum Idol trainieren. Vielfalt und Abwechselung sind fast erschlagend, aber immer sinnvoll herbeierzählt.
Die Yakuza-Reihe wird manchmal mit der amerikanischen Grand Theft Auto-Reihe verglichen, aber das ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Yakuza brilliert nämlich da, wo GTA völlig versagt: Im Erzählen von erwachsenen Geschichten. Wo sich GTA 5 in Pipi-Kacka-Sperma-Humor und launigen Banküberfällen ergeht, verhandelt Yakuza auf erzählerischer Ebene menschliche Geschichten und schreckt dabei selbst vor Themen wie Mißbrauch oder Suizid nicht zurück.
Vordergründig wirkt Yakuza wie ein Prügelspiel, aber in Wahrheit ist es ein sehr langer, wirklich exzellent erzählter Film. Daneben stehen dann wieder völlig absurde Seitenmissionen oder Nebentätigkeiten wie das Taxifahren: Hier muss man sich – auch anders als bei GTA – an alle Verkehrsregeln halten, auf Fußgänger aufpassen und sogar den Blinker setzen, sonst gibt es Punktabzug. Dass das alles nicht auseinanderfällt, ist der große Charme.
Nach dem grottigen Yakuza 3 (das sich nur um das Hüten von nervigen Arschlochkindern drehte) und dem quälend schlechten Yakuza 4 (das eine völlig vergurkte Steuerung und viele Längen hatte) ist Yakuza 5 wieder ein echtes Highlight und genauso toll wie der überragende zweite Teil.
Technisch ist Yakuza 5, das im Original 2012 erschien, endlich auf der PS3(sic!) angekommen und verwendet eine leistungsfähigere Engine, natürlichere Darstellung der Charaktere und Motion Capturing. Die remasterte PS4-Fassung legt schönere Texturen und höhere Auflösung drauf, so dass Yakuza 5 viel besser aussieht als die anderen Teile der Yakuza Kollektion 3-5 für PS4 und XBOX One.
Machen:
Den Pilotenschein für Drohnen in den offenen Klassen A1 und A3.
Neues Spielzeug: Neues Werkzeug! Ich habe lang genug mit Werkzeug rumgefummelt, dass ich geerbt oder bei Wiglo Wunderland gekauft habe. Jetzt bin ich offenbar in einem Alter, in dem ich Freude an wertigem Werkzeug habe, und deshalb gab es in diesem Monat Zangen von Knipex und Inbusschlüssel von S&R. Stilgerecht gelagert wird der Kram jetzt in der Motorradgarage, in einem zwar billigen, aber okayen Werkstattwagen von Mesko. Ich freu mich!
Shape of water haben wir auch vor ein paar Tagen geschaut, war ganz okay, nicht langweilig oder über-dramaturgisch, aber kein Film den ich öfter ansehen würde.
Ich binge gerade Agents of Shield, gestern die vorletzte Staffel beendet – die Stories sind echt weit hergeholt und sehr verflochten, aber es bleibt immer spannend und interessant, und nur wenig absurd 😀
Coole Sache mit dem Drohnen-Schein!
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Gutes Werkzeug ist wunderbar, im wahrsten Sinn des Wortes!
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Kalesco: Del Toro-Filme haben die Eigenart Bilder im Gedächtnis zu hinterlassen die nicht wieder weggehen, so dass man sie irgendwann später mal wieder gucken möchte. Agents of Shield habe ich gerne geguckt bis zu der Staffeln wo die Inhumans reinkommen, danach habe ich den Faden verloren…
Zwerch: Oh ja! Jetzt musst Du mir noch beibringen was man damit macht!
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