Corona-Tagebuch (32): Plötzlich ging´s doch ganz schnell
Weltweit: 172.226.125 Infektionen, 3.703.470 Todesfälle
Deutschland: 3.703.468 Infektionen, 89.026 Todesfälle
449 Days Gone.
Lage der Welt
Nicht so supi. In Afrika, Indien und UK drehen neuen Varianten wild und sorgen für mehr Infektionen. In Südamerika geht in den Kliniken der Sauerstoff aus.
Für die Mutanten gibt es jetzt Codenamen nach dem griechischen Alphabet, was sich leichter merken lässt als die kryptischen Zahlenkürzel und keine Diskrimierung auslöst, wenn die Mutante nach dem Land des ersten Auftauchen benannt wird. Die Namen sind nun:
- Alpha: B.1.1.7, früher “britische Variante”, bekannt seit September 2020.
- Beta: B.1.351, früher “südafrikanische Mutante”, bekannt seit Mai 2020.
- Gamma: P.1, früher “brasilianische Variante”, bekannt seit November 2020.
- Delta: B.1.617.2, früher “indische Variante”, bekannt seit Oktober 2020.
In Vietnam wurde gerade eine neue Variante entdeckt, die eine Mischung aus Alpha und Delta ist, die hat noch keinen Namen.
Lage der Nation
Das Bundesministerium handelt zunehmend populistisch und untergräbt damit ganz klar die Stellung der Ständigen Impfkommission und der wissenschaftlichen Berater:innen. So ist bspw. bekannt, dass Astra umso besser wirkt, je größer der Abstand zwischen erster und zweiter Impfung ist. Empfohlen werden 12 Wochen. Das BMG verkürzt nun auf sechs Wochen, weil Jens Spahn der Meinung ist, die Leute wollten ja gerne in Urlaub fahren.
Zeitgleich wird verkündet, dass nun jeder und seine Mudder impfen dürften, also auch Betriebsärztinnen usw., und das ab dem 07.06.21 die Priorisierung fällt – dann darf jede und jeder ab 16 Jahren sich auf die Warteliste der Impfwilligen setzen lassen.
Ist ja generell alles nicht verkehrt, nur: Es gibt halt immer noch nicht in ausreichender Menge Impfstoff. Da nützt es nichts, wenn Betriebsärztinnen impfen dürfen, aber nicht können. Und die Wartelisten selbst sind gigantisch, mit beruflicher Indikation und im März angemeldet bedeutet, dass man in Niedersachsen jetzt so langsam für Mitte/Ende Juni einen Termin bekommt.
Aber hey, das kommt vermutlich bei den Leuten nicht an. Zumindest bei einem Teil der Leute kommt die als gute Nachrichten verpackte heiße Luft aus dem Hals von Jens Spahn als “Die Pandemie ist vorbei!!” an. Anders sind die nächtlichen Massenparties in Innenstädten oder die Öffnung von Schulen oder Unis nicht zu erklären.
Immerhin, die Inzidenz sinkt immer weiter. Spahn gibt sich darüber völlig erstaunt, dabei haben genau das die Vertreter:innen von Zero-Covid bei einem R-Wert kleiner 0,7 vorhergesagt, und mit ein wenig politischen Willen hätte man genau diese niedrigen Ansteckungs- und Todesraten schon vor Wochen haben können. Aber das wollte man ja nicht. Weil: Wirtschaft.
Verteilungskampf
Der Wegfall der Priorisierung wird absehbar eine hausgemachte Denial of Service-Attacke auf die Impfportale auslösen. Und dann? Nehmen die internetaffinen Jüngeren den Älteren die Impfplätze weg? Werden Junge neidisch auf Ältere werden? Wohl kaum. Ältere stehen meist schon auf Wartelisten, die sind aber kilometerlang. Und der Neid wird vermutlich nicht in erster Linie zwischen Alterskohorten ausgetragen, sondern innerhalb einer Kohorte. Warum gibt es bereits jetzt geimpfte 16jährige, die nun mit Mama und Papa in Urlaub fliegen, fragen sich verblüffte Mitschüler:innen und sind zu Recht sauer auf das wirkende Vitamin B, wie die Vorsitzende der Schulsprechervereinigung im Radiointerview zu Protokoll gab.
IchIchIch
Vergangene Woche hatte ich mich an dieser Stelle noch über das unfassbar komplizierte Prozedere beklagt, das man in Niedersachsen jedes mal durchlaufen muss um überhaupt nur zu erfahren, ob es freie Termin im Impfzentrum gibt. Am selben Tag geschah das Wunder: Eine Kollegin gab mir Bescheid, dass in einem privaten(!) Onlineportal gerade freie Plätze für das Göttinger Impfzentrum angezeigt wurden – und ich konnte einen davon ergattern! Und zwar nicht für irgendwann im August, sondern für Übermorgen!
Am vergangenen Samstag bin ich also zum Impfzentrum getöffelt, das hier mitten in einem Industriegebiet liegt. Ich bin eineinhalb Stunden vorher losgefahren – den wichtigsten Termin meines Lebens wollte ich nicht wegen eines zickigen Autos oder überlanger Parkplatzsuche verpassen. Das ich dann eine Stunde vor Termin da war, stellte sich als perfektes Timing heraus – die Warteschlange stand nämlich einmal um den Block herum, und es dauerte schon eine Stunde, bis ich überhaupt einen Fuß in die heiligen Hallen setzen konnte.
Dort war dann alles perfekt organisiert, alle sehr freundlich und der Ablauf zügig. Weil ich alle nötigen Dokumente, wie Einwilligungserklärung und Anamnsebogen, schon ausgefüllt mitgebracht hatte, war ich schon 30 Minuten später dran und eine Beobachtungsviertelstunde später konnte ich das Impfzentrum wieder verlassen. Ich habe tatsächlich eine Injektion mit Comirnaty zugeteilt bekommen, dem Impfstoff von BionTech/Pfizer, aber es gab auch Astra Zeneca und Moderna.
Ungewünschte Effekte gab es bei mir keine, sieht man von Druckempfindlichkeit an der Einstichstelle am ersten Tag und gelegentlich ultrakurz aufblitzenden, stechenden Kopfschmerzen am 5. Tag ab (aber die können auch vom schwülen Wetter gekommen sein).
Übrigens stellte sich im Nachgang raus: Statt der üblichen maximal 900 Impfungen pro Tag hatte das Impfzentrum an diesem Samstag fast doppelt so viele durchgeführt, weil gerade eine dicke Lieferung Impfstoff gekommen war – ein weiterer Beleg dafür, dass die Infrastruktur zur Verimpfung durchaus vorhanden ist, es fehlt nur an Material.
Umfeld
Diese Woche haben tatsächlich alle meine Kolleg:innen einen Termin für eine Impfung bekommen. Aber: So gut wie nie auf einem regulären Weg. Vorgedrängelt haben wir uns aber auch nicht.
Drei von uns haben über das private Portal “Impfsuche.de” von freien Plätzen in unserer Nähe erfahren und dank der vorher im Firmenchat kommunizierten Anleitung und Druck der Kolleg:innen einen Platz bekommen. Zwei hatten das Glück bei einem Hausarzt zu sein, der unerwartet viel Stoff bekommen hat, aber auf Fortbildung musste. Der hat dann einfach jeden geimpft der zur Tür rein kam. Und der Rest kam tatsächlich bei Hausärztinnen regulär unter oder stand aufgrund besonderer Indikation schon seit drei Monaten auf Prioritätslisten und hat nun Termine für Mitte/Ende Juni bekommen.
Meine Leute haben damit sicher ihre Termine, und das erleichtert mich ungemein und eröffnet Perspektiven. Auch, wenn der Ausnahmezustand erst in drei Monaten so langsam ausschleicht.
So kann´s gehen. Eben dachte ich noch, es bewegt sich gar nichts, und nun ist binnen einer Woche alles anders. Positive Überraschungen sind zur Abwechslung auch mal etwas schönes.
3 Gedanken zu „Corona-Tagebuch (32): Plötzlich ging´s doch ganz schnell“
Die schnelle Aufhebung der Prio ist in meinen Augen nicht gut. Das führt zu nichts Gutem.
Das “Vollprofi-Gespann” Spahn/Scheuer sollte man …. ne, schreib ich jetzt nicht!
Für dich freue ich mich!!!!!!!
Willkommen im Club der Geimpften 😉
Bei meinem Hausarzt waren die Impfdosen z.T. überfüllt und ich stand auf einer Liste der kurzfristig Erreichbaren. Anruf von ihm in der Mittagspause, 5 Minuten später war ich dort, 10 Minuten später geimpft. So kam ich vor knapp 2 Wochen an eine Dosis Johnson & Johnson.
Nachts ein paar grippeähnliche Symptome, Paracetamol reingeschoben und der nächste Tag war schon ok. Sonst nix weiter 🙂
Glückwunsch!! Man muss auch mal Dusel haben ?