Corona-Tagebuch (37): Im Brunnen

Corona-Tagebuch (37): Im Brunnen

Weltweit: 259.628.643 Infektionen, 5.178.043 Todesfälle, 7,5 Milliarden verabreichte Impfdosen
Deutschland: 5.595.678 Infektionen, 100.123 Todesfälle
628 Days Gone

Die haben es verkackt.

Also, eigentlich steht überall “Wir haben es verkackt”, wahlweise “Deutschland” oder “Wir als Gesellschaft” hätten versagt. Aber ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass ICH nichts verkackt habe. Ich war nicht monatelang mit Wahlkampf beschäftigt und habe deshalb die Pandemie versucht wegzulügen; ICH war es nicht, der keine Öffentlichkeitsarbeit hinbekommen hat. Und ICH war es auch nicht, der lieber mit Impfgegnerinnen gekuschelt hat als Vorbereitungen zu treffen. ICH habe auch nicht alle Modellierungen und Warnungen der Virologen ignoriert.

Nein, das waren DIE, die Landes- und Bundespolitiker:innen, die durch Nichtstun und Ignoranz die vierte Welle monumental und mit Ansage verkackt haben. Jetzt haben wir exponentielles Wachstum der Ansteckungsraten unter Ungeimpften. Es sind übrigens, abgesheen von Kindern, die Wenigsten, die sich nicht impfen lassen können. 15 Millionen Menschen in diesem Land WOLLTEN einfach nicht. Aus Protest oder aus Angst, weil sie schlecht informiert oder in die Kaninchenbauten von Verschwörungslügnern gefallen sind. Das ist das Ergebnis:

Noch nie seit Beginn der Pandemie war es so schlimm. Gestern wurde die Schwelle von 100.000 Toten überschritten. Aktuell liegt Deutschland weltweit auf Platz 3 der Länder mit den weltweit meisten Infektionen, nach den USA und UK. Mittlerweile gibt es Reisewarnungen anderer Länder vor dem Besuch in Deutschland.

Was macht die amtierende Bundes- und die Landesregierungen dagegen? Sie beenden die “Epidemische Notlage von nationaler Tragweite” und deckeln die Auslieferung von Biontech-Impfstoff. Ja, sicher passiert das begründet (Notlage wird durch Gesetz abgelöst, Moderna ist auch gut und überschreitet bald das MHD), aber es sind einfach die falschen Signale zur falschen Zeit. Genau wie die Ankündigung des Chef der Bahngewerkschaft, dass das Personal unmöglich die Einhaltung von 3G kontrollieren könnte.

Zusammenbruch

Ein weiteres Ergebnis des epischen Verkackens: Volle Intensivstationen und ein Gesundheitssystem, dass in Kürze zusammenbrechen wird. Da führt kein Weg mehr drum rum. Wir sehen jetzt die Hospitalisierungsraten für Ansteckungen von vor 14 Tagen. Der richtige Schub an Kranken kommt erst noch. Schon jetzt werden planbare Operationen verschoben. In zwei Wochen werden wir hier Bilder haben wie zu Beginn der Pandemie in Bergamo oder New York. Die Krematorien haben bereits Sondergenehmigungen für den Sonntagsbetrieb erhalten.

Selbst Lothar Wieler, dem Chef de Robert-Koch-Instituts, ist jetzt schon mehrfach vor laufender Kamera der Arsch geplatzt. Viral gingen gerade Ausschnitte aus einer Videokonferenz, in der er die sächsische Landesregierung belehrt, sowie ein Ausschnitt aus der Gesundheitsministerkonferenz, in der er dem neben sich sitzenden Gesundheitsminister offen widerspricht.

Zusammegefasst:
Es ist vorbei.
Das Kind ist im Brunnen.
Alles. Mit. Ansage.

Es gibt kein “flatten the curve” mehr, alle denkbaren Gegenmaßnahmen wurden zu spät eingeleitet oder gar gänzlich ausgeschlossen.

Licht am Ende des Tunnels

Wer beim Blick auf die Risklayer-Karte denkt: Oh super, weiße Flächen auf der Landkarte! Es wird wieder besser! Dem seit gesagt: Nee. Den Machern sind nur die dunklen Farben ausgegangen. Nach Rot, tiefrot, violett, dunkelviolett und schwarz ging es irgendwann nicht mehr weiter. Das weiße ist also nicht die Coronafreie Zone der Glückseeligen, das ist Sachsen.

Maximal kompliziert

Das epische Verkacken geht übrigens weiter. Man sollte ja meinen, dass Erst- und Boosterimpfungen angesichts der dramatischen Lage so einfach wie möglich zu erhalten seien, und man sich den schützenden Schuss in jeder Apotheke geben lassen kann. Dem ist aber nicht so.

In Niedersachsen ist es so, dass man Impfangebote erst gar nicht findet.

Geht man auf das Impfportal des Landes, bekommt man Stockphotos, Slogans das Impfen ja voll wichtig sei und dann exakt folgende Informationen:

  1. Das Impfportal ist geschlossen.
  2. Zum 1.10., also rechtzeitig vor Beginn der 4. Welle, hat man alle Impfzentren im Land geschlossen und rückgebaut.
  3. Wenn man Informationen möchte, soll man woanders hingehen.
  4. Es gibt eine Hotline, aber die soll man bitte nicht anrufen, und Impfungen vermittelt die schon gar nicht.
  5. Man solle gefälligst Hausärzte kontaktieren, dazu ein Link auf ein Ärzteregister, der in einem Fehler 400 endet.

Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Als bereits absehbar war, dass alle Geimpften einen Booster brauchten und die Impfung von Kindern schon am Hoizont sichtbar ist, in einer Zeit in der niedrigschwellige Impfangebote LEBENSWICHTIG sind… da schließt Niedersachsen die Impfzentren. Un-fass-bar.

Die Hausärzte haben jetzt schon Wartezeiten bis St. Nimmerlein. Es gibt noch mobile Impfteams, die immer mal wieder von 09:00 bis 12:00 Uhr an unterschiedlichen Standorten stehen, aber da ist der Andrang so groß, dass schon morgens um 07:00 Uhr die Leute einmal um den Block stehen und quasi sofort nach Öffnung wieder weggeschickt werden, denn soviel Impfstoff haben die mobilen Teams gar nicht dabei.

Es ist ein Elend. Alles.

Und dann wird noch darüber disktutiert, ob eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen diskrimierend sei. Dazu sagte eine Krankenschwester in einer Rede vor Politikern: “Wenn jemand Taxifahrer werden will und keinen Führerschein hat, käme niemand auf die Idee zu behaupten, dass diese Person diskriminiert wird. Genauso irrsinnig ist es davon zu sprechen, dass ungeimpfte Pflegekräfte diskriminiert werden. Es gibt Freiheiten und es git Pflichten, und es ist keine Freiheit und keine Wahl, Alte und Kranke zu gefährden.”

Starke Worte.
Aber gut, dass die Politik von vornherein eine Impfpflicht ausgeschlossen hat. Wo kämen wir denn da hin, wenn alle, die sich impfen lassen könnten, das auch tun würden?

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0 Gedanken zu „Corona-Tagebuch (37): Im Brunnen

  1. Das bremst den Tsunami hierzulande zwar nicht, ist mir aber hier im Bundesland mit den weißen Flecken etwas Balsam auf die Seele:

    “Ich sehe meine Rechte nicht beschränkt oder bedroht. Eher sehe ich mich bedroht durch Rechte und Beschränkte.
    Lieber glaube ich Wissenschaftlern, die sich auch mal irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.”

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