Corona-Tagebuch (39): Resignation
Weltweit: 355.027.209 Infektionen, 5.605.074 Todesfälle, 9,8 Milliarden verabreichte Impfdosen
Deutschland: 8.909.503 Infektionen, 116.967 Todesfälle
689 Days Gone
“Alle anderen Varianten des Virus verursachten Kurven bei den Infektionszahlen, Omikron ist eine Wand.”
So war es vorhergesagt, und so kam es. Die Infektionszahlen sind schlagartig in die Höhe geschossen, nachdem die Erfassung nach den Winterferien wieder halbwegs normal lief. Omikron ist tatsächlich noch einmal viel, viel ansteckender als alles zuvor Dagewesene, und es infiziert auch Geimpfte. Und es wird noch besser kommen, eine weitere Omikron-Mutante wird von PCR-Tests nicht mehr ordentlich erkannt.
Erstaunlicherweise wird darauf nicht mit Lockdowns oder harten Beschränkungen reagiert. Im Gegenteil. Die Schulen bleiben geöffnet und machen Präsenzunterricht, Einzelhandel und Gastronomie bleiben offen. Menschen mit einem Booster brauchen das Plus in “2G+” (Geimpft oder genesen und ein negativer Test) nicht zu beachten.
Ist vielleicht auch gut so, denn die bislang zuverlässigen PCR-Tests bzw. die Testkapazitäten werden in Deutschland knapp und deswegen bald rationiert und priorisiert. Die Quarantäne- und Isolationszeiten sind verkürzt worden, und Kontaktpersonen müssen unter bestimmten Umständen gar nicht mehr in Isolation.
Der Grund dafür: Omikron ist zwar viel ansteckender, macht aber angeblich nicht ganz so schlimm krank wie die vorherigen Versionen, zumindest nicht wenn man geimpft und geboostert ist. Geimpfte Infizierte kommen weniger häufig ins Krankenhaus und bleiben kürzer. Nur: Es gibt viel, VIEL mehr Infizierte und in der Summe sieht das alles nach Resignation der politisch Verantwortlichen aus. Eine Kapitulation vor einer Virusmutante, die die Gesellschaft durchseucht – “warum sich der noch entgegenstellen, wieso sorgen wir nicht dafür, dass es schnell vorbei ist”, das scheint gerade die Stoßrichtung der Politik zu sein.
Vielleicht sagt es nur niemand laut, und diese politische Richtung ist Ausdruck der Verzweiflung. Ein Rückzugsgefecht, das sich letztlich nur darum müht die Gesellschaft irgendwie am Laufen zu halten, damit durch die hohen Infektionszahlen nicht alles zusammenbricht und es zu Versorgungsengpässen und Panikreaktionen kommt.
Dabei reicht das hausgemachte Chaos schon völlig aus. Impfgegner werden jetzt liebevoll “Wichswichtel” genannt und laufen mittlerweile jeden Abend auf den Straßen der Städte rum. Angeführt von Rechtsradikalen “gehen sie nur spazieren”, um sich dann Straßenschlachten mit der Polizei zu liefern. Vor allem in Ostdeutschland, aber am Wochenende auch in Brüssel – unter Anwesenheit deutscher Rechtsradikalenprominenz.
Diese Menschen wähnen sich, zumindest zum Teil, im “Widerstand” gegen eine herbeifantasierte “Diktatur” und gegen eine Impfpflicht, die es noch gar nicht gibt und die so auch nicht kommen wird. Anders als in Österreich, wo eine Impfpflicht beschlossen wurde (und es ausreichend PCR-Tests gibt), hat die neue deutsche Bundesregierung keinen Bock auch nur einen Gesetzesvorschlag vorzulegen und tut generell so wenig, dass Merkels von-links-nach-rechts-Verwalten retrospektiv wie Leistungssport aussieht. Aus deren CDU, jetzt in der Opposition, kommt aber auch kein konstruktiver Vorschlag zur Impfpflicht.
Während der Bund langsam vor sich hin erodiert, ist man in den Bundesländern teils schon weiter. Hier stellt sich hier ein Vizelandrat der CDU auf Wichswichtelkundgebungen hin und kündigen an, Gesundheitsmaßnahmen des Bundes nicht umsetzen zu wollen. Unter dem Gejohle des Mobs tut man so, als ob man den “Widerstand gegen die da oben” unterstützt. Das ist natürlich in Sachsen, wo sonst. Die Radikalisierung der Konservativen, die auf eine Abschaffung der Demokratie hinausläuft, ist ein Phänomen was weltweit zu beobachten ist, insbesondere in den USA. Für Deutschland beginnt sie in den ostdeutschen Bundesländern.
Der Landkreis #Bautzen wird die #Impfpflicht im #Gesundheitswesen nicht durchsetzen, das hat Vizelandrat Udo Witschas (CDU) heute verkündet. #bz2401 #Sachsen pic.twitter.com/VIJkuvHAq7
— Demoreport (@Demoreport1) January 24, 2022
Ich bin einfach nur noch sehr, sehr müde. Ich kann mich über die Wichswichtel schon gar nicht mehr aufregen. Ich diskutiere nicht mehr mit “Impfskeptikern”. Sollen sie doch alle machen was sie wollen. Ist mir egal.
Ich will mal hoffen, dass ist nur Wintermüdigkeit und nur bei mir… denn wenn sich die Resignation auf breiter Front durchsetzt, ist das ein weiterer Schritt in das neue Mittelalter.
0 Gedanken zu „Corona-Tagebuch (39): Resignation“
Könnsemal den Begriff Wichswichtel erklären bitte? Wichsen, ja, Wichtel, ja, aber die Kombination?? Und die Verbindung zu Quer”denkern”? Und wieso liebevoll – wer will das denn? (Ich bin sprachlich ja eigentlich gut drauf, aber es klickt nicht bei mir.)
Leider nein. Das „Quarklutscher“ von „Querdenker“ über „Quarkdenker“ bis hin zum jetzigen Stand mutiert ist, kann man sich erschließen. Wieso Twitter plötzlich gefühlt flächendeckend auf die Wichtel gekommen ist – keine Ahnung.
Angesichts des Impfstatus der Bevölkerung und den typischen Omikron-Verläufen sehe ich das “Nicht-Reagieren” durchaus positiv. Leider wie gewöhnlich schlecht kommuniziert.
In meinem Umfeld sind inzwischen ein paar mehr Leute in Omikron-Quarantäne. Alle geimpft, z.T. geboostert. Keine Corona-Spinner darunter. Und alle haben maximal etwas Halsschmerzen und ein paar Erkältungssymptome. Damit wäre man sonst einfach weiter zur Arbeit gegangen, jetzt soll man sich 14 Tage einschließen?!
Wir haben bei uns ja zum Glück eh Homeoffice und keinen Kundenkontakt, ich pers. werde mich bei solchen Symptomen also gar nicht erst testen. Omikron wird durchlaufen und das ist auch gut so. Wir kommen ohne eine weitgehende Immunität (geimpft oder genesen) nie wieder zu einem normalen Leben.
Wer die Impfung verweigert, muss da jetzt so durch – die Zeit der Rücksichtnahme ist vorbei.
Die Worte in Bautzen sind ein Schlag ins Gesicht der Leute, die bisher verantwortungsvoll und solidarisch gehandelt haben.
Ich denke und hoffe, dass das energische Konsequenzen nach sich zieht.
🙁
Marcus: und Menschen die nicht geimpft werden können? Zum Beispiel mein 10 Monate alter Sohn? Einfach drüber fahren lassen die Mutante? Ihn verstecken, bis es eine Impfung gibt? Beten?!?! Hoffen, dass im Fall der Fälle (auch einem Unfall) die Krankenhäuser genug (personelle) Kapazitäten haben?
Die Schulen (und Kitas, Kindergärten) als Durchseuchungszentren weiterhin zulassen? S**** auf Long COVID und die paar Prozent die es hart trifft?
Hm.
Ich würde das “Durchlaufenlassen” von Omikron ja noch für eine zumindest diskussionwürdige Strategie halten, wenn man denn danach gegen weitere Covid-Erkrankungen erst einmal gefeit wäre. Nach den Studien die ich bisher gelesen habe ist dem aber leider nicht so: Wer geimpft und genesen ist hat wohl auch keinen besseren Schutz gegen weitere Ansteckungen als ein Geboosterter. Und wer ungeimpft Omikron überstanden hat kann drei Monate später trotzdem den Löffel wegen Delta abgeben (oder umgekehrt)…
@kalesko, in deinem Fall des Kindes ist es schwierig, da Voraussagen zu treffen was das Richtige wäre. Da das derzeitige Omikron eher einen milden Verlauf (insbesondere bei Kindern) hat und ich jetzt nicht annehme, das dein Kind in irgendeiner Weise eine vorgeschadigte Immunität aufweist, bleibt einem – wie bei manch anderen Sachen – nur Hoffen und Beten bei einer Infektion.
Bei Marcus kann ich klar herauslesen, daß er nicht zwischen Ge/Ungeimpft die Merkmale setzt sondern daß – welche Variante auch noch kommen mag – es mit höchster Wahrscheinlichkeit die Meisten trifft welche dann damit klarkommen müssen.