Reisetagebuch Griechenland (17): Olympisches Wasserwerfen

Reisetagebuch Griechenland (17): Olympisches Wasserwerfen

Tagebuch einer Moppedtour durch Griechenland. Heute mit dem Sportteil, einem doppelten Lottchen und Nazis. Und ich muss die V-Strom blind fahren.

Samstag, 09. Oktober 2021, Kourouta
Kurz vor acht.
Wie ist wohl das Wetter? Regen? Sturm?

Hm. Sonnenschein! Ach, das ist ja mal eine gute Nachricht.

Die Sonne sollte ich besser ausnutzen. Auch wenn die Wetterapps meinen, dass das Wetter Nachmittags noch besser würde als morgens, so will ich doch jetzt gleich los. Packen muss ich nichts, ich komme nachher wieder und bleibe noch eine zweite Nacht in Kourouta.

Die V-Strom hat die Nacht überstanden, aber es war gut, dass ich die in der Nacht noch anders geparkt habe. An der Stelle, an der sie gestern Abend noch geparkt war, ist heute eine Seenlandschaft, die nur langsam wieder zurückgeht.

35 Kilometer von Amaliada liegt das antike Olympia. Als ich dort ankomme scheint die Sonne, es ist 25 Grad warm und die Luftfeuchtigkeit hoch.

Ich parke neben einer Schwestermaschine meiner V-Strom, auch einem schwarzen Modell L0 aus 2011. Ein Blick auf die Seriennummer zeigt, dass diese Maschine neunhundertfünzehn Fahrzeuge später als die Barocca vom gleichen Band gelaufen ist.

Die Barocca ist immer an der geileren Scheibe zu erkennen und daran, dass sie keinerlei Aufkleber trägt.

Olmypia ist heute ein sehr kleines Örtchen.

Schon die Mosaike in den Bürgersteigen und die Statuen am Wegesrand machen deutlich, wo man hier ist:


In Olympia gibt es antike Ruinen und zwei Museen. Eines davon beschäftigt sich mit der Geschichte der antiken Spiele, das andere mit den Ausgrabungen.

Das Wetter ist super, also gehe ich zuerst über das Ruinenfeld.

Das finde ich erst gar nicht so interessant. Mein Problem mit griechischen Ruinen hatte ich ja schon einmal beschrieben: Die sind so alt, dass halt meist wirklich gar nichts mehr übrig ist. Wenn dann eine Tafel in der Landschaft steht, wo dann von fantastischen Thermen und ausufernden Badehäusern und riesigen Tempeln mit 12 Meter hohen Zeusstatuen aus purem Gold fabuliert wird, aber davon genau das hier zu sehen ist:

Dann kann ich dafür nur sehr schwer begeistern. Zum Glück fangen die Grabungsfelder in Olympia nur schwach an, dann gibt es aber noch genug, für das ich mich begeistern kann. Manche Steine stehen noch aufeinander, andere liegen pittoresk in der Landschaft, und an einigen Stellen gibt es wirklich schöne Bodemosaike, wie ich sie im gleichen Stil von Sizilien kenne.

Erstaunlicherweise gab es wohl früher diesen Mumpitz mit dem olympischen Feuer nicht. Und wo kommt es dann her, dass heute eine Fackel, die in Olympia entzündet wird, um die ganze Welt getragen wird? Wer hat das dann erfunden?

Stellt sich raus: Die Nazis.

Kein Witz. Diese Zeremonie wurde zum ersten Mal 1936 durchgeführt, ausgedacht hatte man sich das in Berlin!

Ansonsten: Ruinen. Viele davon.

Nach der Ausgrabung geht es zum ersten Museum. Der Weg ist eben, aber trotzdem bin ich in meinen Motorradklamotten klitschnassgeschwitzt, als ich dort ankomme.

Das Museum ist nicht klimatisiert, so das mir auch hier der Schwei aus allen Poren quillt und die gute FFP2 nach kurzer Zeit völlig nass ist.

Die Ausstellung ist faszinierend, hätte nicht gedacht, dass vor 2500 Jahren die Kunst schon so weit war, das Metall und Stein so kunstvoll verarbeitet und behauen werden konnte.

Schleich-Tiere vor 2.300 Jahren.

Am Modell wird gezeigt, wie die Ruinen früher mal aussahen.

Es gibt auch noch Friese, die die Briten nicht geklaut haben.

Die Gewänder werfen Falten, so dass der Stein wie Schleier aussieht. Hier die älteste Nike der Welt.

Das zweite Museum ist weniger spannend, zeigt aber auch ein paar schöne Stücke.

Als ich es verlasse, regnet es. Och man. Sollen das jetzt?

Ich ziehe verschiedene Wetterapps zu Rate. Ok, anscheinend ist der Regen da, und er wird ab jetzt nur noch schlimmer. Na dann. Hilft alles nichts.

Das kleine Archimedesmuseum lasse ich ausfallen und laufe stattdessen nur die Hauptstraße von Olympia entlang. Besitzer von Andenken- und Modeläden stehen und sitzen unter den Markisen vor ihren Geschäften und blicken genauso missmutig in den Regen wie ich.

Weg durch Olympia. Oben links der kleine Ort, unten rechts die antiken Sportstätten. Nördlich und nordwestlich davon die Museen.

Zurück am Motorrad streife ich erstmal nur die Regenjacke über – vielleicht hört es ja gleich auf zu regnen, odr? Wenn ich jetzt die volle winddichte Regenkluft anlege, gehe ich ein. Ich bin so schon völlig nass, Außen vom Regen und von Innen vom Schwitzen.

Der fromme Wunsch nach einer Regenpause geht natürlich nicht in Erfüllung. Schon von Weitem sehe ich Starkregen über Amaliada niedergehen. Über dem Meer rückt blauer Himmel nach, aber genau da, wo ich noch hin muss- das Gewerbegebiet mit der Tankstelle und dem Lidl – da macht es gerade richtig runter. Also doch am Rand der Schnellstraße anhalten und die Regenhose anklatern.

Während ich versuche mich in das störrische Beinkleid zu winden, hüpfe ich auf einem Bein im Nieselregen herum. Wie ein Schamane beim Regentanz.

Dann fällt mir ein Mann auf, der auf dem angrenzenden Parkplatz eines Möbelhauses steht und schreit. Dabei wirft er mit voller Wucht ein Paket auf den Boden. Dann brüllt er noch lauter, hebt es wieder auf und donnert es noch einmal auf den Boden. Und nochmal. Und nochmal, mit voller Wucht. Hä? Was macht der da? Wenn er es kaputt kriegen will, warum tritt er nicht drauf?

Der Mann schreit weiter und wirft wieder das Paket auf den Boden. Dann begreife ich es. Er steht neben einem Sprinter der Kurierfirma “Eurotrans”. Anscheinend hat er das Paket gerade abgeholt, und der Versender ist ihm so dumm gekommen, dass er sich jetzt an der Lieferung abreagiert. Ein Fußabdruck wäre da natürlich verräterisch, aber ein Fallschaden… sowas passiert. Die Rache des Lieferpräkariats.
Im Paket klirrt es jetzt vernehmlich.

Einige Kilometer weiter regnet es wirklich sehr, sehr heftig. Die Zufahrt nach Amaliada ist vierspurig. Sechzig km/h sind erlaubt, da hält sich aber normalerweise keiner dran. Gestern sind hier alle mit 90 langgeprügelt, auch ich, aber heute fahre ich besser wirklich nur 60. Ein Auto hinter mir setzt zum Überholen an, lässt es dann aber sein. Hehe, sobald es ein wenig regnet, werden sie alle vorsichtig. Ist auch besser so.

Aber gut, einen Trottel gibt es halt immer. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie ein Kleinwagen von hinten auf der linken Spur angeprescht kommt. Er zieht an der Barocca vorbei und…

Plötzlich trifft mich unvermittelt etwas Schweres am Oberkörper, und ich bin blind.

Ich bekomme einen heftigen Schlag vor die Brust und gegen den Kopf. Hätte die Alpinestars-Jacke nicht auch um den Brustkorb Protektoren, würde mir jetzt wohl die Luft wegbleiben.

Plötzlich läuft alles wie in Zeitlupe. Mein Kopf ist seltsam schwer, als würde er hundert Kilo wiegen, und ich muss die Muskeln in Hals und Nacken voll anspannen um ihn oben zu halten. Sehen kann ich nichts mehr, nur noch eine verschwommene Fläche nehme ich war, als wenn mir urplötzlich die Kontaktlinsen rausgefallen wären. Nur: Ich trage gar keine Kontaktlinsen.

Was immer da passiert, es geht nicht schnell vorbei. Etwas drückt gegen meinen Kopf und nimmt mir die Sicht, und das nicht für einen Bruchteil einer Sekunde, sondern LANGE.
Zwei Sekunden.
Ich greife in die Bremsen
Drei Sekunden.

Völliger Blindflug. Mit 60 Km/h.

Zum Glück ist die Straße mehrspurig und führt schnurgerade aus. Ich halte einfach nur den Lenker fest und greife weiter moderat in die Bremsen, hinten stärker als vorne.

Die lange Zeit reicht aus um zu begreifen, warum ich nichts mehr sehe. Der Helm, der zum Glück geschlossen war, ist vollständig unter Wasser! Ich sehe nichts mehr, weil ich praktisch unter einem Wasserfall bin. Aber wo zum Geier kommt das her?
Vier Sekunden.

Das Motorrad verzögert weiter und nach insgesamt fünf, sechs Sekunden Blindflug sehe ich endlich wieder etwas und die Zeit läuft wieder normal.

Der Druck am Helm nimmt ab, und jetzt sehe ich einen Wasserstrahl, armdick und wie aus einem Hochdruckschlauch, der meinen Oberkörper hinabtastet und dann auf das Windschild der V-Strom trifft, das sich unter dem Druck biegt.

Jetzt sehe ich auch woher der Wasserstrahl kommt. Auf der linken der beiden Fahrspuren steht Regenwasser. Nicht nur ein Bisschen, sondern flächig und bestimmt 10 Zentimeter hoch, gefangen zwischen dem leichten Gefälle der linken und rechten Fahrspur und der halbhohen Betonwand, die die Fahrtrichtungen trennt.

Die linke Spur ist also quasi ein See, und dadurch pflügt das kleine Auto, ein Fiesta oder sowas, das mich überholt hat. Links und rechts schießen dicke Wasserfontänen aus den Radkästen des Wagens, bestimmt an die 2 Meter hoch und mindestens ebenso weit und so dick wie ein fetter Feuerwehrschlauch auf Hochdruck. Sieht ein wenig so aus wie ein Feuerwehrschiff, das beim Hamburger Hafengeburtstag links und rechts Wasser in die Luft speit.

Dieser krasse Wasserstrahl hat mich volle Lotte erwischt. Da der Penner seine Geschwindigkeit reduziert hat als er in das Wasserbett hineingefahren ist, war er genau auf meiner Höhe und hat mich lange damit erwischt.

Alter Falter, das hätte jetzt gerade schlimm enden können. Meine Schutzkleidung und danach der dicke Vorbau der Barocca haben einen Teil der Wucht abgefangen. Einen Mofafahrer im T-Shirt hätte der Kleinwagen mit seinem rollenden Wasserwerfer schlicht von der Sitzbank geschossen. Puh. Und jetzt wird mir auch klar, warum das andere Auto hinter mir doch nicht überholt hat. Der wusste das so etwas passiert und war einfach rücksichtsvoll.

Ich steuere die Tankstelle neben dem Lidl an und mache den Tank voll, dann stelle ich den Kettenöler auf “Hi 2”, damit der Sekundärantrieb auch trotz des Wasserbads genug Schmiermittel bekommt. Danach fahre ich nach Hause. Im Appartement hänge ich jede verfügbare Ecke mit Wäsche zum Trocknen voll und lege mich aufs Bett.

Natürlich kommt genau jetzt die Sonne raus, und der Sturm flaut zu einem böigen Wind ab. Es sind noch 23 Grad. Ich könnte jetzt an den Strand laufen und baden, aber die Wahrheit ist: Ich bin völlig erschöpft und möchte mich nicht mehr bewegen. Nie wieder.

Tue ich dann natürlich doch noch einmal, aber erst nach einer Stunde Schlaf. Das Appartement ist nur 100 Meter vom Meer weg. Die Einheimischen flanieren den Weg am Meer entlang, ein Café mit mehreren hundert Sitzplätzen ist gut belegt. (Im Folgenden eine klassische Text/Bild-Schere.)

Auf einer Brüstung am Meer sitzend gucke ich den Sonnenuntergang an und denke mir “ach, das war er also, der schöne Teil des Urlaubs”.

Das war es dann auch mit der Chance auf Baden im Meer. Als ich die Koffer packe, überantworte ich seufzend die Sonnenschutzcreme dem Abfalleimer*. Das war es dann. Ich werde im Ernst vier Wochen in Griechenland gewesen sein und hatte nicht einen Tag am Strand.

Ab Morgen kein Meer und keine Sonne mehr, dafür beginnt die Quälerei. Aber die Strecke wird spannend, auf diese Etappe freue ich mich schon seit drei Wochen.

Tour des Tages: Von Kourouta nach Olympia und zurück, rund 86 Kilometer.

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*) Ich bin übrigens ein total vorbildlicher Gast. Wann immer ich mehr Müll produziere als normal – z.B. weil ich in der Unterbringung was esse oder so spezielle Dinge wegwerfe wie hier Aprés-Creme und Sonnenspray – dann sammele ich den Kram in einem mitgebrachten Müllsack und entsorge den vor meiner Abfahrt im Container. Oder ich nehme ihn sogar mit und führe in unterwegs einer Tonne zu.

0 Gedanken zu „Reisetagebuch Griechenland (17): Olympisches Wasserwerfen

  1. Die regentauglichen “Rüsselreifen” hat meine auch drauf. Ich hoffe aber, dass ich nie in so eine Situation wie hier beschrieben komme. Mann oh mann! Gut reagiert!
    Eine diebstahlsichere Verstauung von Motorradklamotten bei Anreise mit Möpp zum sightseeing bei hochsommerlichen Temperaturen suche ich auch noch. Von ummantelten Stahlseilen liest man da im Netz, durch Ärmel oder Hosenbeine gezogen und dann am Bike befestigt. Jemand Erfahrung damit?
    In Griechenland gewesen und nicht gebaden – klingt wie Dienstreise! 😉

  2. Auaaa. Nix passiert zum Glück, aber soviel ‘täglichen Herzstillstand’ meinte ich eigentlich nicht, und auch der Blutdruck der Leserin war kurz davor…

    Danke für die vielen Fotos aus dem Grabungsgelände von Olympia. Ich bin sehr froh, dass dort alles so grün ist wie ich es kenne. Vor ein paar Jahren gab es ja ein mehrtägiges großes Feuer, das in der ganzen Elis wütete und besonders war die Rede von der Gegend in und um Olympia (Zacharo, Amaliada…). Sowas macht mich immer fertig, es scheint aber hier keinen Schaden gegeben zu haben, alte Ölbäume, Steineichen, Pinien sind noch da. Erleichterung!

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