Reisetagebuch Griechenland (19): KLONK
Tagebuch einer Motorradtour durch Griechenland. Tag 24 mit – oh Wunder! – schlechtem Wetter und einem Jubiläum.
Dienstag, 12. Oktober 2022, Granítsa
Es regnet.
Immer noch.
Oder schon wieder.
Wie auch immer, es regnet. Nicht nur ein Bißchen, sondern ordentlich. Gegen 2:30 Uhr bin ich aus dem Schlaf hochgeschreckt, weil der Regen wie mit Fäusten auf das Dach des Zimmers im “Hotel Panorama” getrommelt hat. Jetzt hängen die Regenwolken in den Bergen und lassen laufen. Also Abreise im strömenden Regen, wie befürchtet.
Aber erstmal ein lecker Frühstück, dann freundliche Verabschiedung von Nikos und Annecka.
Als ich bereit zu Abreise bin, macht der Regen freundlicherweise eine Pause. Sogar die Sonne scheint kurz durch die dunklen Wolken.
Schnell mache ich mich fertig. Die Koffer sind schon gepackt, ich muss mich nur noch in die Regenkombi werfen.
Dann schnappe ich mir die Koffer und trage sie die Straße hoch, am Motorrad vorbei, und stelle sie an einen Zaun.
Warum ich die Koffer da hinstelle? Weil genau dort das einzig gerade und ebene Stück Straße ist.
Für die Abeise habe ich mir einen genauen Plan zurechtgelegt:
1. Zuerst die V-Strom starten und rückwärts von ihrem Parkplatz unter dem Feigenbaum rausschieben
2. Die Straße hoch fahren, dort wo es etwas breiter und wenig abschüssig ist wenden
3. Auf dem einzigen geraden Stück halten, Motor laufen lassen, dann erst Gepäck anbringen.
Warum so kompliziert? Weil es halt WIRKLICH erschwerte Bedingungen sind. Die V-Strom parkt auf einer Fläche, die leicht abschüssig nach vorne ist. Der Betonboden ist bedeckt vom Matsch verfaulter Feigen. Es wird sicheren Stand und Kraft brauchen, um die Maschine vom Ständer hochzubekommen und dann gegen das Gefälle und rückwärts über die kleine Betonkante zu schieben. Ohne das Gewicht des Gepäcks wird es wesentlich einfacher sein, die Maschine auf Zehenspitzen rückwärts und bergauf zu schieben.
Dann, so kann ich mir vorstellen, will der Motor nach zwei Tagen im kalten Regen vielleicht nicht an- und gleich wieder ausgemacht werden, darum will ich ihn laufen lassen. Das geht aber nur, wenn die Maschine gerade steht. Sehen sie?
Alles nicht so einfach.
Aber einfach kann ja jeder.
Das ich mir diese Hindernisse nicht einbilde merke ich schnell als ich in den Sattel klettere und versuche, die Maschine hoch zu bekommen. Beim ersten Versuch glitsche ich mit dem Stiefel auf dem Feigenschlamm weg und muss wieder etwas aus dem Sattel, damit ich genug Kraft aufbringen kann um die Suzuki vom Seitenständer hoch zu bekommen.
So, und nun: Spannung! Wird sie anspringen? Aber warum sollte sie nicht? Die V-Strom hat noch NIE Probleme gemacht, was das angeht. Die ist zuverlässig wie ein Uhrwerk. Auch unter solch widrigen Umständen. Denn aktuell sind nur knapp über Null Grad und damit rund 15 Grad weniger als an dem Tag, an dem wir in Granítsa ankamen, dazu kommt die Nässe der letzten Tage. Die ZZR600, da bin ich sehr sicher, würde jetzt lange rumorgeln und vielleicht sogar streiken. Aber nicht die Suzuki.
Ich drücke auf auf den Starter, und fast sofort ist der Motor da. Ich gebe Gas, und ein Grinsen macht sich in meinem Gesicht breit. Gutes Motorra…. KLONK.
Die Maschine schüttelt sich kurz, dann ist der Motor ist aus. Was? Wieso Klonk? Die V-Strom hat doch noch NIE Klonk gemacht!
Ich drücke nochmal auf den Starter. Der Motor kommt, ich gebe etwas Gas und…. KLONK.
Ein Schütteln geht durch den Rahmen und es hört sich so an, als ob tief im Motor zwei Metallteile miteinander kollidieren, sich gegenseitig mit einem KLONK blockieren und dann geht nichts mehr.
Das gibt es doch nicht! Barocca, du lässt mich doch nicht ausgerechnet heute und in diesem abgelegenen Nest im Stich, oder?!
Ich drücke nochmal auf den Starter. Der orgelt und orgelt, aber der Motor springt nicht an. Abgesoffen. Die LED-Anzeige der Instrumente wird bereits schwächer. Ist jetzt etwa schon die Batterie am Ende? Das kann doch alles nicht wahr sein, die habe ich doch im Sommer erst ausgetauscht!
“Bittebittebitte” murmele ich durch zusammengebissene Zähne, und nach endlosen Sekunden keucht und schnauft der Motor und springt wieder an. Ich drehe am Gashahn und dieses Mal macht es nicht KLONK, sondern er dreht brav hoch. Etwas rauh und holperig, aber das ist halt der Charme des V-Twins, besonders wenn er kalt ist.
Ich stemme die Zehen in den Feigenschlamm und wuchte die Maschine Zentimeter für Zentimeter rückwärts. Mehrfach glitschen mir die Füße weg, dann ist das Hinterrad an einer Betonschwelle. Die sieht nach nichts aus, aber weil die V-Strom so groß ist, ich nur mit den Zehenspitzen an den Boden komme und ich gegen eine Steigung anschieben muss, ist es echt nicht einfach, die Maschine da drüber zu bekommen.
Irgendwann habe ich die V-Strom soweit auf die Straße gezerrt, dass ich das geplante Wendemanöver fahren kann. Immer schön vorsichtig, die Straße ist bröckelig, abschüssig und nass. Der Rest klappt aber wie geplant, und zum Glück macht die V-Strom nicht nochmal KLONK.
Ganz, ganz vorsichtig manövriere ich die Maschine aus Granítsa heraus und dann die engen Kehren den Berg hinab. Hier lässt sich schon erahnen, was das extreme Wetter der letzten Tage so angerichtet haben muss. Überall sind Steine und Schlamm von den Berghängen auf die Straße gespült worden.
Sehr langsam steuere ich die V-Strom vom Berg hinab und will mir fast erlauben mich zu freuen als das geschafft ist, als zwei Dinge passieren. Erstens setzt wieder der Regen ein. Ich klappe das Helmvisier zu und sehe sofort nichts mehr. Ich Idiot – ich bin mit offenem Visier losgefahren, dadurch sind die Brillengläser kalt geworden und beschlagen jetzt natürlich. Anfängerfehler.
Zweitens meldet Anna “Route geändert”. Ich checke kurz die Anzeige. Hm. Okay, hatte ich schon befürchtet. Ich wollte gerne einen Weg über eine kleine Brücke fahren, die ich noch vom ersten Besuch hier in Erinnerung hatte. Aber der Weg dahin gehört wohl zu denen, die in den letzten Tagen weggewaschen wurden.
Die Route, die Anna stattdessen gerechnet hat, passt mir eigentlich gar nicht. Das ist nämlich im Prinzip genau der Weg, den wir vor zwei Tagen für die Herfahrt genommen haben. Den jetzt wieder zurückfahren bedeutet: 35 Kilometer kleine Krumpelstraßen.
Aber gut, ich will auch keine Experimente eingehen. Also folge ich dem Navi und fahre langsam, oft nur im zweiten Gang, über die kleinen Bergstraßen. Immer schön vorsichtig, immer schön aufpassen. Hinter jeder Kurve lauern Überraschungen. Also, wirklich ausnahmslos jeder Kurve. Meist in Form von abgerutschen Hängen und Felsen, aber auch in Form eines umgestürzten Baumes oder von Wasser, das sich in einer Senke der Straße zu einem veritablen See gesammelt hat. Einmal ist sogar ein Stück Straße den Berg hinabgerutscht, und mehrere Male stehen Schafe und Ziegen im Weg.
Um aus den tiefsten Bergen herauszukommen und auf die nächstgrößere Straße zu gelangen sind es nur 35 Kilometer, aber für die brauche ich fast eineinhalb Stunden. Auf der größeren Straße geht es auch nicht voran. Die ist zwar breiter, aber die Steine die hier rumliegen sind größer. Ach was Steine, hier liegen FELSEN hinter nahezu jeder Kurve auf der Fahrbahn, groß wie Ziegen und in einem Fall sogar groß wie ein Toyota Starlet. Ach so, und die Ziegenherden sind auch größer.
Zwischendurch mache ich ein Experiment und drücke während der Fahrt bei gezogener Kupplung den Kill-Schalter. Der Motor geht aus, die V-Strom rollt nur. Ich drücke auf den Starter, der Motor springt sofort an und läuft wieder. Ohne Klonk. Zum Glück.
Zwischendurch halte ich kurz und höre mir das Motorgeräusch genau an. Da scheppert und dengelt nichts. Sehr gut. Woher auch immer das markerschüttertende Klonk kam, es war hoffentlich eine einmalige Sache. Trotzdem, mein Vertrauen in die V-Strom hat eine kleine Delle bekommen.*
Mehrfach setzt wieder starker Regen ein, aber ich fahre stoisch und hochkonzentriert weiter. Bloß keinen Fehler machen, keine Felsen übersehen, auf merkwürdige Fahrbahndecken achten, die vielleicht unterspült sind…
Nach drei Stunden hat der Spuk ein Ende, die Barocca kommt aus den Bergen mit ihren Regenwolken heraus und biegt auf eine Küstenstraße gen Norden ein. Jetzt scheint die Sonne, aber da es immer noch recht kühl ist und ich der Sache nicht traue, behalte ich die Regenkombi an.
Ich trage sie auch noch, als ich eine Tankstelle kurz vor Igoumenitsa ansteuere. Der Tankwart dort spricht deutsch – und zwar flüssig. “Ich war aber noch nie in Deuschland. Habe ich alles hier gelernt. Hier, PIN eingegeben, bitte. Aber vorsicht, die Nummern sind komisch”.
Da hat er recht. Zum Glück ist mir sowas schon untergekommen. Wer auch immer es bei Cardlink, der Herstellerfirma des Nummernpads, eine gute Idee fand die Tastatur so zu bauen, gehört ausgepeitscht:
3 6 9
2 5 8
1 4 7 0
Wie geisteskrank muss man für sowas sein?
Beim Erfassen den Kilometerstands für das Sprittagebuch fallen mir fast die Augen raus. 79.990? Wann ist DAS denn passiert? Ich habe doch die V-Strom gerade erst mit 34.000 Kilometern gekauft, das war doch erst… oh.
Schon 5 Jahre her. Au man, wie die Zeit vergeht.
Weiter geht es die Küstenstraße, und kurz vor dem Hafen von Igoumenitsa halte ich vor einem alten Zementwerk und murmele “Alles gute zum Jubiläum, meine Liebe!”
Dann tippe ich ein neues Ziel auf Annas Display ein, und eine Fahrt quer durch Igoumenitsa stehen wir vor dem Besten Freund aller Reisenden.
Hier kaufe ich Fertigmahlzeiten und Wasser ein. Dann geht es weiter zum Hafen. So schade es auch ist: Das hier ist mein letzter Tag in Griechenland, heute Abend geht es auf das Schiff Richtung Heimat.
Das Passagierterminal ist in einem blauen Gebäude ganz am Ende des Hafens. Ich halte direkt davor und checke am Schalter von Minoan ein.
Dann heißt es warten. Ich mache es mir zunächst in der Sonne bequem und esse was und gucke dabei zu wie LKW-Fahrer Wutanfälle bekommen, weil deutsche und österreichische Senioren mit wirklich gigantischen Wohnmobilen genau in den Kurven der LKW-Ausfahrt des Hafens parken.
Ein freundlicher Vierbeiner schaut mir dabei zu wie ich mich amüsiere. “Na, Du bist ja ein fauler Hund”, sage ich. Der Hund nimmt das zur Kenntnis.
Es ist 15:30, die Fähre geht erst ein sechs Stunden, Boarding beginnt frühstens um 19:30. Ich setze mich in die Eingangshalle des Terminals und lese.
Die Zeit vergeht erstaunlich schnell. Auch, weil ich deutschen Wohnmobilrentnern amüsiert dabei zusehen kann, wie sie sich über die Einreiseregeln echauffieren, weil Corona sei ja nun vorbei und man solle sich mal hier nicht so anstellen.
Aber die freundlichen Damen am Tresen schlagen die Deutschen mit den eigenen Waffen und weisen darauf hin, dass es Formulare gibt! Und Formulare müssen nunmal ausgefüllt sein! Das leuchtet den Deutschen natürlich ein. Wo kommen wir denn hin, wenn Formulare nicht ausgefüllt sind! Nirgends, betonen die Damen am Schalter, kommen die Rentner hin, wenn sie sich weigern die Formulare auszufüllen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
So sitzen Rotten von Grauschöpfen beisammen, die Sonnenbrillen in die Fettigen Haare geschoben, und tippen konzentriert auf ihren Handys herum. Ich beneide sie nicht, das Passenger Location Form ist komplex, und das am Handy auszufüllen ist ätzend. Aber nun, hätten sie sich auch eher drum kümmern können. “Wir sind im Urlaub, da geht uns Corona nichts an” ist eine Einstellung, die spätestens an der Realität der Grenzen zerbricht.
Um 18:30 Uhr, und damit drei Stunden vor Abfahrt, steuere ich die Barocca in eine lange LKW-Kolonnen in den Hafen hinein und werde nach einer angedrohten Kontrolle in eine der Reihen vor Anleger 8 geschickt. Zu meinem Erstaunen bin ich fast der letzte, hier stehen schon Dutzende Autos und LKW, und sogar die Florencia ist schon da und macht gerade ihren Clownsautotrick und spukt viel mehr Fahrzeuge aus, als eigentlich in das Schiff passen dürften.
Warten Warten Warten.
Warten Warten Warten. Die Sonne geht unter.
Plötzlich bollert etwas hinter mir. Ein anderes Motorrad hält neben der V-Strom, für meinen Geschmack viel zu dicht. “Ist das hier die Schlange für Motorräder?” ruft ein kleiner Mann auf englisch. Er sizt auf einer Triumph Bonneville, der Quelle des Gebollers. “Wir sind jetzt zu zweit, zählt das schon als Schlange?”, frage ich zurück.
Der Man lacht und nimmt den Helm ab. Darunter kommt ein launig aussehender Mittfünfziger mit wallendem Kinnbart und grauen Haaren zum Vorschein. “Bon Soir!”, ruft er. Ah, Franzose.
Er findet sofort einen neuen Freund in Gestalt eines älteren Briten, der vom Motorgeräusch der Triumph angelockt wurde und sie nun mit fast kindlicher Freude bewundert. Bestimmt erzählt er gleich, dass er auch mal eine hatte.
“You know, I once had a triumph, too!”, bricht es aus ihm heraus. Ich bin ein Hellseher!
“Qu’est-ce qu’il a dit?”, fragt der Franzose, der nach eigenem Bekunden nur schlecht englisch spricht.
“Das er auch mal eine Triumph hatte”, übersetze ich. “Ahhhh”, macht der Franzose und lacht. “What did he say?” fragt der Engländer. “Das Triumph beste ist”, sage ich und der Engländer macht “Ahhh” und die beiden alten Männer freuen sich und versinken mangels gemeinsamer Worte in stille Bewunderung der Triumph.
Neben der großen Barocca wirkt die Bonneville geradezu winzig. Das fällt auch dem Franzosen auf, der sich als Louis vorstellt.
“Ich würde ja auch lieber was anderes fahren, eine Reiseenduro wie eine KTM oder GS, aber ach, ich habe zwei Probleme! Aber ich sehe, wir teilen die!”
“Die wären?”, frage ich verwirrt.
“Ein linkes und ein rechtes Bein, und beide sind zu kurz”, grinst Louis schelmisch, und ich stelle überrascht fest, das er mir sympathisch ist.
Gut gelaunt erzählt Louis, dass er seit einigen Wochen auf Tour ist, und seine Reise ein Thema hatte: Er wollte die Donau entlang fahren, von der Quelle bis fast zur Mündung. Dabei ist er durch Deutschland, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Serbien und Bulgarien gekommen.
“Und dann?”, frage ich, denn meines Wissens nach führt die Donau bis in die Ukraine.
“Dann Covid und ach, ich war zu langsam und der Urlaub geht zu Ende, also bin ich dann nach Griechenland und jetzt geht es über Italien wieder nach Nizza, wo ich wohne”, sagt Louis.
“Schöne Strecke! Und eine schöne Motivation für eine Fahrt, diese Donau-Geschichte”.
“Es gibt nur ein Problem”, sagt er dann.
“Ich kann meine Erlebnisse mit niemandem Teilen. Oh natürlich erzähle ich sie meinem Bike, aber das ist nicht das selbe”.
Interessant. Sowas ähnliches hatte mir die Amerikanerin in Mystras auch erzählt: Allein reisen ist eigentlich toll, aber sie litt ebenfalls darunter, dass sie mit niemandem ihe Erlebnisse teilen konnte. Sowas. Das Problem kenne ich gar nicht, immerhin erzähle ich meine Erlebnisse diesem Blog hier.
“I´sch schpresche auch Deutsche”, sagt Louis.
“Warum lernt man das freiwillig?”, frage ich.
“Na wegen die Mäd´schen”, sagt Louis und grient.
Ein Decksoffizier der Florencia kommt um die Ecke geschossen und brüllt auf italiensch “Die Motorräder! Boarding! Jetzt!”
Louis beginnt langsam und umständlich seine Jacke anzuziehen und sucht dann seine Handschuhe und die Motorradschlüssel, die er irgendwo ablegt hat. Der Offizier fuchelte mit den Armen. ” Los, hopp hopp, Beeilung! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit!”
Ich setze den Helm auf, starte und bin eine halbe Minute später an Bord. Dieses Mal wird die V-Strom von einem erfahrenen Crewman mit präzisen Handbewegungen eingewiesen und kommt längs zur Bordwand zu stehen. Ja, so ergibt das Sinn! Nicht wie der hilflose Ausdruckstanz auf der Herfahrt.
Ich sichere die Räder der V-Strom, nehme den Tagesrucksack aus dem Topcase und schließe den Helm ein. In dem Moment kommt Louis mit seiner Bonneville angebollert und hält direkt hinter der V-Strom.
“I´sch brauch´ Dein ´ilfe”, sagt er und deutet auf den Hauptständer.
“Willst Du die wirklich auf den Hauptständer stellen?”, frage ich.
“Oui! Besser!”
Na, wenn er meint. Gemeinsam heben wir die Machine auf den Mittelständer.
“Machen sie die fest?”, frage ich einen Vorarbeiter auf italienisch.
“Ja klar, später.”
Hm. Na gut. Ich kann hier nichts mehr machen, also muss ich ihm das glauben.
Dieses Mal habe ich Kabine 507. Die ist nicht für Behinderte ausgelegt und deshalb kleiner, aber immer noch mehr als ausreichend für einen allein. In der Nebenkabine schreit sich ein holländisches Paar an, an der Rezeption brüllt ein LKW-Fahrer auf bulgarisch die Belegschaft zusammen. Zumindest vermute ich, dass das bulgarisch ist.
Ich gehe noch einmal an Deck und schaue über den Hafen von Igoumenitsa, der von Scheinwerfern gelb angestrahlt wird und sich damit deutlich von der Landschaft drum herum abhebt, die in bläulich-weißes Mondlicht getaucht ist.
Der Mond ist noch nicht wieder ganz voll, aber viel fehlt nicht. Bei der Herfahrt schien der Vollmond über dem Hafen von Ancona. Das heißt: Seit fast einem Monat bin ich hier unterwegs.
Dort drüben liegt die Betonfabrik, in deren Zufahrt die Barocca 80.000 auf die Uhr bekommen hat.
Zurück in der Kabine öffne ich eine Schale Penne Neapolitana. Dabei fällt mir ein, dass ich Louis vorhin echt hätte verbieten müssen, die Maschine anders abzustellen als auf dem Seitenständer.
Auf dem Seitenständer stehend hat ein Motorrad drei Punkte, die relativ gut voneinander entfernt sind, mit denen es auf dem Boden steht. Zwei dieser Punkte, die Räder kann man blockieren – bei der Barocca ist ein Gang eingelegt, das fixiert das Hinterrad, und ein Klettband ist um den Bremshebel geschlungen, das blockiert das Vorderrad.
Die Maschine kann nirgendwo hinrollen, und nach links und rechts wird sie hoffentlich abgespannt. Louis´ Bonneville hingegen hat keine Vorderradblockierung, und der Hinterreifen hängt durch den Hauptständer in der Luft. Der Hauptständer hat zwei Auflagepunkte, aber die sind nur eine Handlänge voneinander entfernt. Die Machine muss kippelig wie Sau stehen – und sie steht direkt hinter der V-Strom. Fängt die Florencia an zu nicken, wird die Bonneville nach vorne vom Hauptständer rutschen und damit in die Suzuki hinein.
Argh. Das mir das nicht eher eingefallen ist! Ist wohl auf mangelnde Routine bei Fährfahrten zurückzuführen. Nunja. Jetzt kann ich nichts mehr machen außer hoffen, dass die Crew die Maschinen wirklich verzurrt hat und die See ruhig sein wird.
Alles ist offline, so fange ich an auf dem Netbook die alte Klamotte “Balduin der Sonntagsfahrer” zu schauen, aber Louis de Funes dabei zuzusehen, wie er stundenlang auf einem Baum hockt, hat nur begrenzten Spaßfaktor, und schnell fallen mir die Augen zu.
Tour des Tages: Von Granítsa nach Igoumenitsa, rund 270 Kilometer.
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*) Wieder zu Hause habe ich die Werkstatt dazu befragt. Es gibt wohl tatsächlich die Situation, dass bei großen Temperaturunterschieden zwischen dem Zeitpunkt, als die Maschine abgestellt wurde und wenn sie wieder gestartet werden soll, und man dann den Starter nicht lange genug drückt, die Zündung in einem Zylinder praktisch in dem Moment passiert, wo er schon ein gutes Stück weit vom Umkehrpunkt weg ist oder sogar schon wieder zurückkommt. Damit geht dann die Explosion praktisch ins Leere oder sogar gegen den Kolben. Das Ergebnis ist ein heftiges Schütteln und sofortiges Ausgehen des Motors. Die Symptome passen zum KLONK. Bitte nicht nach Details fragen, ich kann das nicht besser erklären und gebe nur wieder wie ich die Erläuterung des Meisters verstanden habe. Vielleicht hat er es auch ganz anders gemeint.
0 Gedanken zu „Reisetagebuch Griechenland (19): KLONK“
Man lernt bei dir immer wieder dazu: Klebeband um den Bremshebel auf Fähren. Beste Grüsse
Klettband ?
Bei der ersten V-Strom war mehrfach Wassereinbruch im vorderen Zylinder für das “Klink” verantwortlich. Die Jetzige hat ja Doppelzündung, ich schaue trotzdem regelmäßig nach den Wasserabläufen.
Ursache könnte auch ein Kontaktfehler an der Elektrik sein, Steckkontakte neigen mit der Zeit zur Korrosion. 80 K gefahren, ist der Motor noch lange nicht am Ende. Nur die Wartung des Möpps erweitert sich vermutlich.
Steinschlag und Murenabgänge bei schlechtem Straßenbelag, dazu noch im Starkregen…..habe ich höchsten Respekt davor. Insbesondere, wenn man noch alleine unterwegs ist.
Klettband für Vorderradbremse benutze ich auch. Je nach Parksituation. Da hängen immer ein paar Stücke lose am Lenker um bei Bedarf auch kleinere Dinge fixieren zu können.
Ali: Das elektrische hast Du damals ja auch gleich gemutmaßt. Lass Dir versichert sein: Datt war nix elektrisches, das war was mechanisches. Tauchte ja auch seitdem nie wieder auf.
Ich fixiere mir dem Klettband übrigens auch den Gasgriff. Der Tempomat des kleinen Mannes. Funktioniert genauso wie der Autopilot von Tesla. Dann fährt das Mopped quasi allein, während ich in der Einbauküche im linken Koffer Kaffee kochen kann.
Klettband um den Gasgriff?
Aber hallo, komme ich einen Tag zu spät für den Scherz?
Ich mache keine Aprilscherze. Ich hasse Aprilscherze sogar so sehr, dass ich vom 01. bis 30. April jede Art von Scherz boykottiere. Ich lächele in dem Monat nicht mal.
Ich hätte auch auf eine Zündung im falschen Moment getippt. Kann passieren. So wie früher Fehlzündungen. Also den Anlasser besser einen Moment länger drücken, der hat einen Freilauf ?
Und zu der Parksituation: viele Motorräder kannst du einfach auf dem Seitenständer drehen.. Die V-Strom vermutlich auch. Das hält der Ständer aus und es spart Nerven. Probiere es mal aus. So sieht das in der Praxis aus: https://youtu.be/p-wx9AY5hL8. ?
Marcus: Oh ja, sowas habe ich schonmal gesehen. Beim ADAC-Training hatten wir einen Angeber-Tourguide dabei, der das als Zirkustrick aufgeführt hat um “Zu gucken ob da was am Vorderreifen ist”. Braucht natürlich auch Kraft und eine gewisse Statur.
Meiner persönlichen Erfahrung nach viel bequemer als Klettband als Tempomat (und auf öffentlichen Straßen in D. genauso verboten) ist „Cruisy EVO“, beziehbar über den Shop von Bea und Helle auf timetoride.de. Ist leicht, super zu bedienen, auf Autobahn- und sonstigen längeren Gleichmäßigkeitsabschnitten eine hervorragende Unterstützung, wenn man sich die verkrampfte rechte Hand mal einen Augenblick entspannen möchte, freihändig fahren, an der Nase kratzen oder sonst was und ‚bei Bedarf’ ggf. schnell zu entfernen. Passt an alle möglichen Moppeds, habe ich bei mir seit Jahren an CBR XX und Lufti-GSA. Ich glaube, das aktuelle Modell heißt Cruisy EVO II.
Jay: Den Cruisy habe ich auch und den im Ausland mal getestet. Auf langen, gerade Strecken ganz OK, aber ansonsten ist mir das zu unheimlich. Das fühlt sich nach Kotrollverlust an.
Ich stehe tatsächlich sehr auf diese “Throttle Rocker”-Gashilfen. Das beste aus beiden Welten: Hand kann ganz locker draufliegen, mit den Handballen Gas geben, aber wenn die Hand weg ist, ist auch sofort das Gas weg.