Reisetagebuch (8): Skyfall

Reisetagebuch (8): Skyfall

Sommertour mit der V-Strom durch Frankreich, England, Wales und Schottland. Heute mit James, Harry, Nessie, Rob, Connor, Mio und den MacDonalds vom Clan der McDonalds.

Samstag, 09. Juli 2022, Inverardran Guest House, Crianlarich, Schottland

Ich wache früh und leicht gemartert auf. Im “Inverardran” ist es zwar ganz ruhig und still, aber der Schlaf war trotzdem unruhig. Irgendwie hat mich die Geschichte mit der Geschwindigkeitsmessung nicht losgelassen. Ich bin ja gestern gelasert worden. Aber warum? Warum bin ich mit 65 km/h in eine 30er Zone gerauscht? Warum habe ich die Schilder nicht gesehen? So krasse Fahrfehler begeh ich sehr selten – aber wieso hat es mich am Loch Tay erwischt?!

Das lässt mir keine Ruhe, weder die Nacht über noch jetzt. Ich kurbele das Internet an und schaue mir die Stelle, wo mich der Polizist erwischt hat, auf Google Streetview an.

Die Aufnahmen sind nur 6 Wochen alt, und sie erklären, warum ich in den Blitzer gerauscht bin: Erst unmittelbar vor der Stelle, an der der Polizist stand, wird die Geschwindigkeit von 40 auf 20 Meilen reduziert. Das zeigen zwei Schilder links und rechts der Straße. Aber: Eines der Schilder ist um 90 Grad verdreht und aus Fahrtrichtung gar nicht ablesbar, und das andere wird von den tiefhängenden Ästen eines Baumes verdeckt. Gemein!

Ich bin nicht der, der schnell “Abzocke” schreit – wenn ich Scheiße baue, dann stehe ich auch dazu und bezahle ohne rumzuheulen. Dazu kommt: Ich fahre gerne, ich fahre viele Kilometer in fremden Gebieten, ich fahre auch gerne zügig – da ist schon die statistische Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass es mich mal erwischt. Wenn es passiert, dann fällt es halt unter “Betriebskosten”, wie mein alter Mentor immer sagte. Aber das hier? Das war fies.

Zumal Verkehrsdelikte aus Großbritannien in Europa noch vollstreckt werden – und zwar in erheblichem Umfang. Hier gibt es mit die höchsten Strafen überhaupt, sie bemessen sich am Einkommen. Ich bin ein großer Fan solcher Gesetze, weil es dann auch Leuten vielleicht ein wenig weh tut, die sonst dreistellige Strafzettel aus der Hosentasche zahlen. Aber diese Geschichte gestern… wenn es so gelaufen ist wie ich denke, werde ich dafür ein halbes Monatsgehalt los. Bäh.

Was auch auf Streetview gut zu sehen ist: Der Aufsteller eines Polizisten.

Die lokale Polizei stellt Aufsteller ihrer Beamten an kritischen Stellen auf, und anscheinend stellt sich dann ab und an ein echter Polizeist da hin – selbst Einheimische wissen also nie, ob an der Stelle gerade ein Pappkamerad steht oder doch ein echter Mensch. Ich bin mir echt sicher, das dort gestern ein echter Beamter stand – als ich an ihm vorbeifuhr, senkte er das Gerät und guckte mich an.

Oder?

Oder haben meine Augen nur einen Pappaufsteller mit einem Foto eines Polizisten an der Stelle gesehen, und mein Hirn hat eine Bewegung und nur hinzugedichtet? Man glaubt es ja gar nicht, aber das Hirn füllt permanent Lücken in unserer Wahrnehmung – habe ich mit das am Ende eingebildet?

Meine Laune ist nur so mittel, als ich das Netbook weglege und seufzend aus dem Bett klettere.

Inzwischen sitzt jeder Handgriff, und ich brauche nur wenige Minuten bis alles Geraffel wieder an genau den richtigen Stellen in den Motorradkoffern verstaut ist und ich abreisebereit bin. Aber vor der Abfahrt hätten wir da noch die Kleinigkeit eines Frühstücks zu erledigen.

Wobei “Kleinigkeit” gar keine passende Beschreibung ist, denn als ich den Frühstücksraum betrete, erwartet mich ein laaaaanges Buffet mit Toast, Saft, Frühstücksflocken, Milch, Konfitüren und allem Duttendeubel. Aber um das Trockenfutter geht es ja nicht. Ich bin ja hier für ein Full Scottish Breakfast.

John stellt eine Schüssel mit dampfendem Porridge, in Milch aufgekochten Haferflocken, vor mich hin. Das sieht eklig aus, schmeckt aber großartig, und als ich damit und mit einigen Pastries (aufgebackenen Blätterteigstückchen) fertig bin, bin ich eigentlich schon zufrieden.

Aber jetzt geht es erst los: John balanciert einen Teller mit einem hier gemachten Würstchen, gebackenen Bohnen, zwei Eiern, zwei Hashbrowns und einem Berg Schinken heran. Oh man, hatte ich gestern abend beim Ausfüllen der Frühstücksbestellung Hunger? Scheint so!

“Brauchst Du sonst nochwas?”, fragt John. Wirklich der perfekte Gastgeber, er hat das Bewirten von Gästen echt im Blut.

“Nur eine Info”, sage ich zwischen zwei Bissen Würstchen, “Woher kommt der Name “Inverardran”? Warum heißt das Haus so?”

John lächelt, das wird er wohl öfter gefragt. “Nun, “In” bedeutet Flußmündung, und der “Ver” soviel wie Geröll und der “Dran” fließt da hinten”, sagt John. Das Haus auf den Steinen an der Mündung des Dran. Ergibt Sinn.

“War das hier schon immer ein Hotel?”, will ich wissen. “Nein”, sagt John, “Das Haus ist über 200 Jahre alt, aber meine Familie hat es erst seit der Generation meiner Großeltern. Als mein Großvater in Rente ging, war der Betrieb, in dem er arbeitete, kurz vor der Pleite. Statt einer Abfindung haben die ihm das firmeneigene Haus angeboten, in dem er lebte – und das war ein guter Deal. Als B&B betreibe ich das seit 1992. So, und jetzt lasse ich dich weiter essen, ich muss mehr Frühstück machen, die nächsten Gäste kommen gleich.”

Als die tatsächlich eintrudeln, habe ich mein Megafrühstück wider Erwarten bis auf einige Schinkenstreifen geschafft und verabschiede mich.
“Komm mal wieder”, sagt John.

Ich furche die Augenbrauen und grummele “Gerne, wenn ich kann… bin gestern gelasert worden, vermutlich bin ich hier nicht mehr so gerne gesehen.” Dann erzähle ich ihm den Quatsch von gestern. Weil: Er hat gerade Zeit und überhaupt, geteiltes Leid ist halbes Leid und so.

John hört aufmerksam zu. “Hat da einer mit so einem Handlaser gestanden?”, fragt John und hält die Hände vor die Augen. Ich nicke. “Und sie haben dich danach nicht rausgezogen?” Ich schüttele den Kopf. “Dann haben sie Dich auch nicht erwischt“, sagt er und lächelt. „Wenn sie dich mit dem Handlaser erwischen, dann springt ein paar hundert Meter weiter ein Beamter aus der Hecke und du wirst angehalten und dann werden in einem Bus deine Personalien aufgenommen. Wenn sie Dich nicht angehalten haben, wurdest Du nicht erwischt.”

“ECHT?!”, entfährt es mir. John nickt. Dann haben sie mich nicht erwischt! “THANK GOODNESS!”, rufe ich und freue mich ernsthaft. “John, you made my day!” John grinst.*

Midges schwirren um die V-Strom herum. Das sind Stechmücken, so klein, das man sie kaum sieht – aber ihre Stiche bilden regelrechte Beulen und sind sehr schmerzhaft. Jetzt weiß ich auch, warum sie sich hier so wohlfühlen. Es ist feucht hier. Inver-Ar-Dran, und der fließt da hinten bzw. genau in einem kleinen Einschnitt im Berg hinter der Asphaltfläche, die nur für Motorräder gedacht ist.

Ich lenke die V-Strom auf die Straße und nehme Kurs gen Nordwesten durch die Highlands. Es geht über gut ausgebaute, zweispurige Straßen durch ziemlich menschenleere Landschaft. Weiden und kleine Wälder säumen die Straße, manchmal liegt ein Bach oder ein See am Wegesrand. Heute ist es wieder sonnig und warm, fast 20 Grad.

Perfektes Motorradwetter, und nicht nur meinem gut gesättigten Körper geht es gut, auch meine Seele reist sehr zufrieden durch die tolle Landschaft. Hier ist nichts, was mich ärgern könnte. Keine Menschen, keine Fahrzeuge. Nur das Motorrad, die Straße und ich.

Dreißig Kilometer nordwestlich vom Inverardran liegt das Tal von Glen Coe (was eigentlich doppelt gemoppelt ist. „Glen“ bedeutet schon Tal, und der Coe ist der Fluß, der hier fließt). Das Tal gilt als eines der schönsten Täler in Schottland. Als ich darauf zu fahre, verstehe ich auch warum. Baumlose, grasbedeckte und steile Berge, erheben sich aus den weite Wiesen links und rechts der Straße. Manche der Berge sind von Felsformationen gekrönt. Groß und imposant sieht das aus. Und irgendwie unwirklich, wie die die Kulisse einer Fantasyserie.

Ich biege kurz vor dem Bilderbuchtal ab und nehme eine gut ausgebaute Single Track Road ins Nachbartal.

Hier ist schon ordentlich was los, ich sehe viele Autos und sogar Busse und Camper. Manche sind offensichtlich gerade angereist und laden Mountainbikes oder Kanus ab, andere haben hier übernachtet.

Ein kleiner Fluss fließt träge durch das grüne Tal, und die Straße schlängelt sich zwischen Bach und Bergen entlang.

An einer Stelle führt sie um eine Kurve und über eine Kuppe, und dann… muss ich erstmal anhalten.

Ich steige ab und blicke in das Tal hinein, das sich jetzt weit öffnet. Die Berge links und rechts stehen hier eng und sind höher. Wolken werfen im Vorbeiziehen Schatten auf die Wiesen.

Das hier ist Skyfall.

Hier ist die Location, wo die Ländereien des Anwesens “Skyfall” im gleichnamigen Bond-Film beginnen sollten. Genau hier standen Bond und M.

Ich fahre noch ein wenig weiter in das wunderschöne Tal, das übrigens zum Glen Etive führt, einem See. Nicht zu einem Anwesen. “Skyfall”, das Herrenhaus der Bonds im Film, existiert in der Form nicht.

Das Tal wird enger wird und rückt dichter an den Fluss heran.

Eigentlich wäre hier der perfekte Ort um Drohnenaufnahmen zu machen, aber darauf verzichte ich. Zum einen ist es sehr windig, und, relevanter: Am Ufer des Flusses stehen immer wieder Zelte, aus denen gerade die Camper krabbeln oder schon nackt im Fluss baden. Die will ich nicht filmen. Ich drehe um uns fahre zurück zum Taleingang, wobei ich mich nicht sattsehen kann an dieser Werbekulisse von Tal.

Zurück auf der Straße geht es jetzt doch weiter ins Glencoe-Tal, und es ist so malerisch wie immer und überall beschrieben – aber die Halteplätze sind auch gekracht voll mit Autos und Campern, hier ist echt viel los.

Das Tal selbst hat eine blutige Geschichte. 1692 genossen die Soldaten des Earl of Argyll zehn Tage die Gastfreundschaft des hier ansässigen Highlander-Clans der MacDonalds, dann schlachteten sie alle ab. “Red Wedding” in echt. Das Glencoe-Massaker ist bis heute ein nationales Trauma und in die Geschichte und die Kultur Schottlands eingegangen.

Auf den Rückseiten vieler Straßenschilder finden sich Graffiti. Besonders häufig sehe ich “MediaVirus” und “Plandemic Event 201” – hier haben sich Coronaleugner verewigt, die die Pandemie für Fake und ein Experiment halten (Plandemic Event 201 gab es tatsächlich, das war eine Pandemiesimulation des Johns Hopkins in 2019).

Hinter einem Ort namens Fort William fahre ich in ein nettes Tal, was an einer Stelle total überlaufen ist. Autos fahren hier dicht an dicht zu einem großen Parkplatz, auf den ich auch die V-Strom lenke. Der Parkplatz ist ganz neu und mit viel Personal besetzt. Ich folge den Anweisungen von Parkeinweisern, die mich bis in eine Ecke für Motorräder lotsen.

Kaum ist die Suzuki abgestellt, komme ich mit einem Parkeinweiser ins Gespräch. Stellt sich raus: Der Parkplatz wird von der Dorfgemeinschaft von Glenfinnan betrieben. Von denen hat niemand daran gedacht, was Parktickets für Motorräder kosten sollen, deshalb darf ich jetzt umsonst parken.

Warum ein Dorf hier, mitten ins Grüne, einen Parkplatz baut? Um die Besucherströme zu kanalisieren, hier kommen nämlich in Massen Touristen her. Und wieso tun sie das?

Wenige Minuten vom Parkplatz entfernt stehe ich auf einem Weg, der durch ein breites Tal führt – und von hier hat man einen exzellenten Ausblick auf das Glenfinnan-Viaduct. Das kennt man aus den Harry-Potter-Filmen, hier ist immer der Hogwarts-Express drübergedampft.

Unmengen an Menschen sind auf den Wegen zwischen Parkplatz und Viadukt unterwegs, und ich mache nur schnell ein Foto, dann suche ich wieder das Weite.

Das Weite, das ist in diesem Fall ein seeeehr weiter See. Wobei weit eigentlich nicht stimmt, er ist eher lang als weit. Siebenunddreißig Kilometer lang, um genau zu sein, erstreckt sich dieser größte Süßwassersee Schottlands. Mit einer Tiefe von bis zu 230 Metern ist das hier der See mit dem größten Volumen an Süßwasser in Schottland.

Das hier ist Loch Ness.

Während die V-Strom auf der Landstraße neben dem Seeufer dahin cruist, reiße ich immer wieder die Augen auf, weil ich von der schieren Größe des Sees so beeindruckt bin.

Ich folge dem Verlauf des Westufers nach Nordosten, vorbei an Fort Augustus. Ich dachte eigentlich, das sei die einzige, größere Stadt hier oben und wundere mich, das ich da ratzfatz durch bin. Aber das ist kein Wunder, später lese ich, das die „größere Stadt“ nur ungefähr 600 Einwohner:innen hat.

Am Ostufer erheben sich recht steile Berge.

An einem Einschnitt im Westufer des Sees liegt Urquhart Castle, eine alte Festungsanlage. Dahinter, weiter im Landesinneren, liegt der Ort Drumnadrochit, DEM Nessie-Zentrum überhaupt. Natürlich gibt es hier direkt an der Straße Kioske und kleine Läden, die Nessie-Devotionalien in rauen Mengen feilbieten. Vor Restaurants und Imbissen stehen Motorräder in der Sonne, und die Fahrer:innen lassen es sich gut gehen. Ist aber auch perfektes Motorradwetter, Sonne und 20 Grad machen das Fahren zum Vergnügen.

Ich folge der Straße bis zu einem großen Steingebäude, über dessen Front “The Loch Ness & Exhibition Centre” steht.

Motorräder müssen leider nach hinten.

Der Parkplatz zieht sich hinter dem Gebäude einen Berg hinauf, Motorräder müssen ganz oben parken. Die Parkflächen sind abschüssig, deshalb drehe ich die V-Strom, bevor ich sie einparke. Sonst müsste ich sie später gegen die Steigung rückwärts den Berg hochwuchten. Etwas, woran die GS-Fahrer auf den anderen Stellflächen wohl eher nicht gedacht haben. Tja, manche können halt parken, andere stellen ihre Kiste nur irgendwie hin.

Vom Parkplatz führt eine Treppe hinab zum Gebäude. Ich bin ehrlich gespannt was mich da erwartet. Buhei um Nessie und der Versuch, die Besucher:innen von der Existenz des Seemonsters zu überzeugen? Die Schilder am Wegesrand sehen sehr danach aus.

Im Hof steht ein U-Boot auf einem PKW-Anhänger. Ob das wohl immer noch von “Monsterjägern” genutzt wird?

Nein, wird es nicht. Der Glasfaser-Rumpf hat überall Risse, und beim Näherkommen sehe ich, dass das Boot fest auf dem Anhänger montiert ist.

Ah, eine Toilette. Ich muss grinsen, selbst auf dem stillen Örtchen wird man stets daran erinnert, wo man hier ist.

Das Center selbst beherbergt eine Ausstellung, die man getaktet erkundet. Alle fünf Minuten werden Besucher:innen eingelassen und kommen dann in einen Raum, in dem mit Videos, Exponaten und einer Erzählstimme vom Band etwas vorgetragen wird. Dann geht das Licht aus, und man geht gemeinsam in den nächsten Raum, wo sich das Spielchen wiederholt. Der Rundgang ist also eine Multimedia-Show, und eine kurzweilige noch dazu.

Es geht allerdings nicht darum, die Besucher:innen von der Existenz von Nessie zu überzeugen. Vielmehr wird alles präsentiert, was sich mit Fakten belegen lässt. Das beginnt mit der Entstehung des Sees und seiner Veränderung während der letzten Eiszeiten und dem Aufbau seines Grundes.

Die Legenden um das Monster von Loch Ness samt der bekanntesten Fotos von “Nessie” werden erwähnt und dann als das entlarvt, was sie schon immer wahren: Optische Täuschungen, Streiche und PR-Stunts, um den Tourismus anzukurbeln auch schon im 19. Jahrhundert.

Der Großteil der Ausstellung dreht sich um die Menschen, die immer wieder den See nach dem Ungeheuer absuchten, und die Methoden und Ausrüstungen, die sie dafür nutzen. Angefangen von Filmkameras auf Beobachtungstürmen, Anfang des 20. Jahrhunderts, über Tauchglocken bis hin zu einer Flotte von Sonarbooten, die in Formation den See abfuhren. Die Technik fasziniert mich genauso wie die Hartnäckigkeit der “Nessie”-Forscher.

Der letzte Teil der Ausstellung ist ohne Video und Ton und frei begehbar. Er dreht sich um Skurriles im Zusammenhang mit dem See, angefangen von Experimenten um den Druck und seine Auswirkungen in 230 Meter Tiefe zu visualisieren…

…bis hin zum Gedenken an den Raketenbootpiloten, der sich hier beim Versuch, einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen, tot fuhr.

Aber auch um die wirtschaftliche Bedeutung des Loch Ness geht es. Der See und eine Reihe weiterer Gewässer zieht sich wie ein natürlicher Kanal quer durch Schottland. Mit ein wenig Nachhilfe und einigen Durchbrüchen wurde der “Kaledonische Kanal” gebaut, eine Verbindung zwischen der West – und der Ostküste Schottlands. In der Theorie ermöglicht der 60 km lange Kanal schnelleren Warentransport und vor allem schnellen Zugang zu den fischreichen Fanggebieten auf beiden Seiten der Insel. Ein wirtschaftlicher Erfolg war dieser Kanal aber nie.

Das Ausstellungscenter lohnt sich, hier kann man echt einiges lernen – und es ist nicht esoterisch oder abgedreht.

Ich steige wieder auf die V-Strom und fahre langsam wieder am Seeufer entlang nach Südwesten. Langsam schon deshalb, weil die Landschaft so verdammt schön ist – aber auch, weil viele recht unkonzentriert fahrende Mietwagen unterwegs sind. Die Fahrer:innen gucken sich wohl auch die Landschaft an.

Auf einer Nebenstrecke rollt die V-Strom durch die Highlands. Bei Tempo 90 im 6. Gang schnurrt das V-Twin-Herz der Barocca geradezu. Immer weiter nach Westen geht es, auf die Küste zu, am Loch Alsh entlang. Das ist tatsächlich kein See, sondern eine Meeresbucht, die tief und weit ins Festland einschneidet.

Ich kneife kurz die Augen zusammen, als ich an einer kleinen Burg vorbeifahre. Die Festung hat ein markantes Haupthaus und liegt auf einer kleinen Insel, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Ich bin zu schnell vorbei um ein Bild zu machen, hier eines aus Wikimedia:

CC BY SA Wikimedia

Irgendwie kommt mir die bekannt vor. Ach, das bilde ich mir bestimmt ein. Vermutlich habe ich was ähnliches mal in “Robbi, Tobbie und das Fliewatüüt” gesehen oder so, diese Burgen sehen doch alle gleich aus, und hier in Schottland gib es so viele davon, dass es unmöglich ist, alle zu besuchen.

An einer Jet-Tankstelle mache ich noch einmal den Tank voll. Heute ist Samstag, und ich habe keine Ahnung wie das hier Sonntags so läuft. Nicht, dass hier alle morgen stehen und sagen “Ja aber SONNTAGS hat doch in Schottland NIE eine Tankstelle offen, das weiß man doch” – nee, ich weiß sowas nicht.

Dann geht es weiter nach Kyle, einem kleinen Ort an der Westküste. Einer dieser typischen Fischerorte: Ein kleiner Hafen, weiß getünchte Häuser. In einem davon ist mein Hotel für heute. Das ist auch weiß getüncht.

Ich muss grinsen. An der Rezeption hängt ein Zettel des lokalen Bridge-Clubs, der Mitspieler:innen sucht. “Man kann niemals zu viel Bridge spielen” ist der Werbeslogan.

Das Hotel steht am Hang eines kleinen Bergs, und in den ist ein Parkplatz auf einer Plattform gebaut. Zwischen der Plattform und dem Hotel gibt es eine schmale Fußgängerbrücke. Die V-Strom parkt dort, und ich schleppe die Koffer in das kleine Hotelzimmer.

Dann stromere ich noch ein wenig durch den Ort. Viel zu sehen gibt es hier nicht. Selbst der “Gift Shop” ist leer und geschlossen.

Mitten im Ort ist ein Berg, und auf dem liegt ein COOP, der mich mit Abendessen versorgt. Dann erkunde ich den Hafen noch ein wenig, spaziere am Kai entlang und bleibe dann am Wasser stehen.

Die Hände in der Steppjacke vergraben blicke ich über die Bucht und genieße das Gefühl, allein zu sein. Die Wellen schwappen gegen die Hafenmauer. Zum Meer hin schlägt eine elegante Brücke einen weiten Bogen über das Meer.

Plötzlich fällt mir ein, woher ich die Burg von vorhin kenne, und ich schlage mir mit der flachen Hand vor den Kopf. Mein Hirn hat sich die ganze Zeit mit der kleinen Festung beschäftigt und ist anscheinend alle Erinnerungen an Burgen durchgegangen, und JETZT weiß ich, woher ich die kenne. Aus “Highlander”, dem alten Film von 1986!

Später lese ich, dass Eilean Donan Castle – so heißt die Burg – nicht nur in “Highlander” vorkam. Sie diente in auch in “Die Welt ist nicht genug” als schottisches Hauptquartier des MI6, war das Haus von Sean Connery in “Verlockende Falle” und war in “Braveheart”, “Rob Roy”, “Prinz Eisenherz”, “Verliebt in die Braut” und “Mio, mein Mio” zu sehen. Sie gilt als eine der schönsten und meistgefilmtesten Burgen Schottlands. Nur in “Robbie, Tobbi und das Fliewatüüt”, da kam sie nicht vor.

Tour des Tages: Vom Inverardran Guest House nach Skyfall am Glen Etive, dann durch das Tal von Glencoe und am Loch Ness entlang, dann zurück und nach Kyle. Rund 346 Kilometer.


*) Silencer aus der Zukunft hier. Bislang ist kein Strafzettel angekommen, also war es wirklich ein Pappaufsteller, dem mein Hirn Bewegung angedichtet hat.

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4 Gedanken zu „Reisetagebuch (8): Skyfall

  1. 🤗 ach so schön, ich liebe Schottland! Eilean Donnain fand ich sehr sehenswert, dafür hab ich das Nessie Center noch nicht gesehen… hab auf der anderen Seite von Loch Ness übernachtet in einem Holz Wigwam. Dass dich da Pappkameraden abschiessen 🙀🙈aber wenn du nicht gesehen hast wie einer aus der Hecke gesprungen ist, warst du definitiv zu schnell 😹.
    Schöne Geschichte und tolle Bilder!
    Liebe Grüße
    Suse

  2. In Teil 7 warst du nah dran … 😉

    „Recherchen hatten ergeben, dass es zwar einmal eine dreieckige Burg in Schottland gegeben hat – Caerlaverock Castle –, von ihr aber nur noch eine Ruine erhalten war. Daher wurde Plumpudding Castle als Modell im Maßstab 1:3 mit zehn Meter hohen Türmen nachgebaut, damit es beim Anflug aus der Luft zu erkennen war.“

  3. @Stefan: Schafe. Sie ist voller Schafe. 😀

    @Suse: 😀

    @Marcus: Oh da gab es wirklich ein Vorbild?! Ich kenne nur die Geschichte mit dem Modell, was dann bei Sturm weggetrieben ist… Plumpudding Castle? Ich muss die Serie echt mal wieder anschauen.

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