Sperrmüll 1927

Ich mag es nicht, zu viele Dinge zu besitzen. Angesammeltes und unbenutztes Zeug nimmt Platz in Wohnung und Keller weg, und es engt mich gefühlt auch mental ein. Jeder Gegenstand, den man besitzt, trägt ein Stück der eigenen Seele in sich. Ist die Seele auf zu viel Zeugs verteilt, bleibt für einen selbst zu wenig übrig.

Nachdem ich in diesem Jahr gemerkt habe, das ein 16:9-Bild auf einem 4:3 Fernseher mittlerweile doch SEHR klein ist, war klar: Den alten Röhrenfernseher brauche ich nicht mal mehr, um das eine Mal im Jahr „Dschungelcamp“ zu gucken, der kann jetzt nach 26 Jahren wirklich weg. Auch, wenn die Fritzbox dann einen anderen Standort braucht.

Folgerichtig Sperrmüll bestellt. Warnung auf der Website der Entsorgungsbetriebe: Achtung, Termin kann drei Monate dauern. Okay, April oder Mai passt mir, da habe ich noch nichts vor. Dann der Bescheid: Wir holen ihren Kram übermorgen. WTF? Drei Tage statt drei Monate Wartezeit? Respekt! Also schnell ausmisten.

Was kann noch weg? Ah, ja! Der 90er Jahre Vitrinenschrank, den mir die Nachbarin beim Einzug aufgedrängt hat, und gegen den ich mich nicht genug gewehrt habe. Zwölf Jahre sind als Zeitraum, den man ein ungewolltes Geschenk aus Höflichkeit behält, wohl genug.

Sonst noch was? Die Dachbox vom Auto vielleicht? Schade drum, aber nimmt viel Platz weg, will niemand haben und um ehrlich zu sein, habe ich die seit 14 Jahren nicht mehr benutzt. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich die wirklich nochmal brauche? Die Zeit, wo ich mit drei, vier Personen im Auto auf Zelturlaub gefahren bin, sind lange vorbei.

Die Alufelgen vom Kleinen Gelben AutoTM können auch weg. Die sind zwar in Ordnung und sehen geil aus, aber das Auto wird nie wieder Sommerreifen bekommen. Okay, und hier noch ein Stuhl und dort ein alter Computer und mein erster „Ingo“-Küchentisch, ein altes Windschild für die ZZR und eines für die Suzuki, eine Kühlbox mit schleifendem Lüfter, ein Reisekleiderschrank und der 13 Jahre alte N90-Helm, und das war es dann.

Oh, Moment! Ich könnte eigentlich mal diese Ecke in der Garage ausmisten! Schränkchen samt Inhalt und der Plunder in der Ecke sind noch von den Vermietern, das kann wirklich mal weg, das braucht nie wieder jemand.

Wieviel Plunder ist denn das in der Ecke? Ach, nur ein paar Holzteilchen, das geht sicher schnell.

Damit nahm dann das Elend seinen Lauf. Wie eine angestochene Eiterbeule quoll ZEUG aus allen Ecken der Garage, in Summe war ich das halbe Wochenende mit Kramen und Sortieren beschäftigt.

Man glaubt es ja echt nicht, was da alles angesammelt war: Alte Ölkanister. Lösungsmittelbehälter. Abschnitte von Holzbalken. Holzleisten. Kurze Bretter. Lange Bretter. Metalleisten. Bleche, angeschnitten. Metallplatten, mehrere Millimeter dick. Türschlösser, der Größe nach von Kirchentüren. Betonplatten. Reste von Marmorplatten, die bestimmt nicht in diesem Haus verbaut sind. Wackersteine.

Hinter der alten Hobelbank ging es weiter. Spanplatten aus alten Möbeln. Mehr Holzleisten. Dachrinnenhalter. Hufeisen. Eine zwei Meter lange Tischplatte(?), oben aus Metall, im Unterbau aus Presspappe. Unausgepackte Blätter für eine Kreissäge, die es hier im Haus nicht gibt.

Wirklich erstaunlich, was hier alles gelagert war. Aber auch kein Wunder, das knuffige Vermieterehepaar war Jahrgang 1927, Kriegsgeneration, da musste ALLES aufgehoben werden – man wusste ja nie, wann man es mal braucht.

Das ist auch der Grund, warum hier krumme, weil gebrauchte Nägel und benutzte Schrauben rumlagen, fein säuberlich aus alten Brettern herausgedreht und dann unsortiert in Kisten gekippt. Dazu Dutzende Schalter, ausgebaut aus Nachtischlampen oder vom Kabel abgeschnitten. Gebrauchte Scharniere. Noch ein Hufeisen. Sardinendosendeckelaufroller. Flaschenöffner. Verrostete Sägeblätter. In Summe bestimmt 10 Kilo gammeliges Altmetall.

Zum Glück durfte ich fast alles wegwerfen, nur an einigen Holzböcken (nicht faltbar, nehmen echt viel Raum ein, werden demnächst auseinandergeschraubt) hing noch das Herz eines Erben. Erinnerungsstücke an den Großvater.

Nachdem ich mich einmal durch Keller und Garage gearbeitet hatte, war eine krasse Menge an Müll zusammengekommen. Sieht auf dem Bild alles ordentlich aus, weil es gut gestellt ist, aber welche Menge an Holz-Kleinteilen sich darunter verbirgt, ahnt man kaum. Und nichts, kein Teil davon war in meinen Augen noch brauchbar.

Am schwersten war es, die vier Meter langen Eichenbretter raus zu schleppen. Die dienten vermutlich zum Gerüstbau beim Bau des Hauses, in den 70ern.

Sie wieder rein zu schleppen war noch schwerer, denn zwischenzeitlich kam ein Nachbar vorbei und wies darauf hin, dass die Dinger für Sperrmüll zu lang seien und man sie auch nicht einfach fix zersägen könnte, weil sie mit Betonschleier überzogen seien und der eine Motorsäge stumpf machen würde. Da hat er wohl recht, der Nachbar.

Tja, nunja. Bleiben die halt noch ein wenig hier liegen, und die Holzböcke halt auch. Aber wenigstens wurde der ganze andere Krempel rückstandslos abgeholt. Die Müllwerker sind meine persönlichen Helden, dank denen sind nun Wohnung, Garage und Keller zumindest etwas leerer – und mein Kopf fühlt sich auch wieder freier an.

Kategorien: Ganz Kurz, Gnadenloses Leben | 8 Kommentare

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8 Gedanken zu „Sperrmüll 1927

  1. Dachbox, Alufelgen, alter Schrank?
    Das schreit doch geradezu nach regionalen Verschenke-Seiten auf FB oder Gratisabholer bei Ebay-Kleinanzeigen. Sperrmüll ist so endgültig … 😛

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  2. Marcus: Das stimmt, ist mir auch nicht ganz leicht gefallen. Aber ich habe gerade weder Zeit noch Lust mich mit Horden von Verrückten auseinanderzusetzen.

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  3. Nachtrag: Ich glaube, die Felgen sind tatsächlich noch in der Nacht vor der Abholung verschwunden. Von daher leben die sicherlich weiter.

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  4. Ali

    Ich stelle Brauchbares und Überflüssiges vor das Haus am Straßenrand und hänge einen Zettel „zu verschenken“ dazu.
    Bisher hat alles einen neuen Besitzer gefunden.

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  5. Jay

    So gar nicht ängstlich, der Herr Silencer.
    Nicht nur, dass er die Wackersteine anscheinend sorglos entsorgt – liegt Mumpfelhausen nicht in Harznähe? Oder gibt es dort keine Wölfe mehr… Er schmeißt auch noch ein Hufeisen hinterher. Und dann – ich meine, wie viel deutlicher kann denn ein ZEICHEN noch sein – taucht ein zweites Hufeisen auf. Hallooo! Das bedeutet doch etwas… Aber nein, muss die gleiche Route nehmen. Was hatte der Bezirksschornsteinfegermeister Mumpfelhausen für ein Glück, an dem Tag nicht am falschen, nämlich diesem Ort einen Termin zu haben. Der wäre vermutlich ebenfalls eiskalt auf dem Sperrmüllhaufen gelandet. Ts ts ts. Aber ‘nen Airbag unter der Motorradjacke tragen… 😉

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  6. 😄 ich kann das erklären: Ich bin Wassermann. Wassermänner sind von Natur aus nicht abergläubisch.

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  7. Den Holzschrank hätte ich auch genommen…….

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  8. Nee. Das war furniertes Sperrholz, und das Furnier war dreckig und kaputt.

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