
Gone in 60 Minutes: Das Ende einer Ära
Das Kleine Gelbe AutoTM und ich gehen nach 16 Jahren getrennte Wege. Ich hatte mich immer gefragt, wie sein Ende wohl aussehen würde – mit diesem hatte ich nicht gerechnet. Eine anekdotische Würdigung, inklusive explodierender Wasserpumpen.
Es war 2007, als ich einem guten Freund vorjammerte, wie sehr mich doch mein Toyota Carina nervte. Ich trug nämlich immer die alten Autos meines Vaters auf, die ich ihm gegen teuer Geld, aber letztlich aus Bequemlichkeit abkaufte. Der 1993er Carina war ein großes Auto mit einem dicken Motor, aber er begann gerade zu gammeln und hatte erst neulich seine Kühlerlamellen verloren und war mitten auf der Autobahn heißgelaufen.
“Willst Du meinen Leon haben?”, fragte der Kumpel und ich war bass erstaunt, denn sein Fahrzeug hatte er erst vor sechs Jahren neu gekauft, und in meiner Welt machte es gar keinen Sinn, einen Neuwagen nach weniger als 15 Jahren zu verkaufen. “Das meinst Du nicht ernst, und in aller Freundschaft: Das kann ich mir nicht leisten, ich habe kein Geld.” Aber nein, er meinte das ernst, machte einen überaus guten Preis und bot Ratenzahlung an, und die erste Probefahrt war… okay. Nicht doll, aber okay. Nur diese Farbe! Gelb?! Viel zu auffällig! Was hatte sich mein Kumpel dabei nur gedacht?
Trotz der Farbe kaufte ich den Leon, für 6.420 Euro. 1.020 Euro konnte ich Anzahlen, das war alles, was ich auf dem Konto hatte. Der Rest ging auf Raten von 150 Euro im Monat.
Anfangs fühlte es sich ganz falsch an. Dieser Wagen war, in meinem Kopf, der meines Kumpels, und deshalb dachte ich davon ständig als “Toms Auto”. Um es ein wenig mehr zu meinem zu machen, bastelte ich eine Mittelarmstütze hinein, aber das hatte wenig psychologischen Erfolg. Es blieb noch sehr lange Zeit “Toms Auto”, und “ich fahre jetzt in Toms Auto zur Arbeit” zu denken ist halt… falsch.
Mit der Zeit entdeckte ich, das mein Kumpel den Wagen völlig underselled hatte. Er hatte zwar erzählt, das der Leon schnell sei, aber nicht, das unter dem Blechkleid des 2001er armadillogelben Seat Leon 1M nichts von der Stange steckte, sondern das Beste, was der VW-Konzern damals zu bieten hatte. Ein Sportfahrwerk aus dem Golf IV GTI, der 180PS 5-Zylinder mit 20 Ventilen Turbomotor aus dem Audi TT und die Sport-Innenausstattung aus dem Audi A3. 180 PS, das war damals mit weitem Abstand viel mehr Leistung als das Durchschnittsauto hatte – zumal der Wagen mit 1.100 Kilo sehr leicht war.
Macht in Summe ein absolut außergewöhnliches Auto: Alltagstauglich wie der Golf 4, auf dessen Basis er gebaut wurde, mit großem Ladevolumen und Platz für 5 Personen.

Was mir sehr gefiel, war das Understatement. Vom Aussehen her war der 20VT ein ganz normaler Kleinwagen, aber unter der Haube und bei Bedarf auch ein giftiger Sportler. Überhaupt, die Leistung von der Kiste. Ich hätte die nicht gebraucht, im Gegenteil, ich fand den Wagen völlig overpowered und hätte sogar ein sparsameres Fahrzeug bevorzugt.
Ich kann aber nicht verhehlen, dass das Fahren damit eine Freude war. Mit dem Sportfahrwerk lag der Wagen wie ein Brett auf der Straße, ging durch Kurven wie nichts, beschleunigte ob des geringen Gewichts wie ein Düsenjet und riegelte erst bei 240 km/h ab.
In Seat-Foren hieß dieses Modell “Der BMW-Killer”, und ja, der ein oder andere BMW oder Tuningautos haben vermutlich dicke Backen gemacht, als das Kleine Gelbe Auto TM sie einfach stehen ließ. Leistung verbraucht aber leider Sprit, und unter acht Liter lag der Verbrauch nur auf Langstrecke und Landstraße. Im Alltag und auf Kurzstrecke verheizte der Wagen von Anfang an eher 9,5-10,5 Liter. Das fand ich von Anfang an nicht doll.
Abseits des Benzindurstes gab es wenig auszusetzen, im Gegenteil. Die Kiste war ein EU-Reimport, ursprünglich bestimmt für Skandinavien. Hieß: Der Motor hatte die GUTEN Continental-Membranen verbaut, die Batterie einen Extra-Kälteschutz, und: Er hatte eine Sitzheizung! Also eigentlich ein rundum tolles Auto – wenn nur diese Farbe nicht wäre!
2010 war der Wagen abbezahlt und nun endgültig auch in meinem Kopf “mein” Auto. 2011 erreichte der Seat 100.000 km, 2014 meldete ich ihn offiziell auf mich um. Bis dahin lief er noch auf meinen Vater (fragen sie nicht) und trug ein Northeimer Kennzeichen. (“Ein “NOM” ist die kleinste Einheit fahrerischen Könnens”). Danach fuhr er offiziell für mich und unter der Flagge Göthams.
Die Freude an dem Auto wurde mit der Zeit immer größer, und auch durch die komische Farbe aber nicht wesentlich geschmälert. Auch dadurch nicht, dass ATU unmittelbar nach dem Kauf meinte, ich hätte mich beim Kauf über den Tisch ziehen lassen. Die Hinterachsbuchsen seien fertig, und die Bremsen auch, damit könnten sie mich quasi nicht mehr vom Hof lassen. Ich ignorierte das, denn Angst und Unsicherheit ist das Geschäftsmodell von ATU. Spoiler: Die Hinterachsbuchsen wurden erst 2021 erneuert, satte 14 Jahre nachdem ATU behauptete, die seien am Ende.
Ernster war der Wassereinbruch in den Türen. Nach heftigem Regen konnte ich beim Anhalten das Wasser in den Türen hin- und herschwappen hören. Das war laut der Foren ein bekannter Produktionsfehler bei der 1M-Reihe, Regenwasser lief oben in die Tür hinein, aber unten nicht mehr hinaus, sondern blieb darin oder sickerte sogar in den Innenraum. Leider hatte sich der Vorbesitzer nicht in der Garantiezeit darum gekümmert, und so musste ich den Wagen nachträglich für 1.200 Euro abdichten lassen. Die neuen Trägerplatten in den Türen brachten aber wenig, immer wieder war der Innenraum nass. Ein echtes Ärgerniss, zumal im Winter die Scheiben von Innen stärker zufroren als von Außen. In Folge fuhr ich permanent einen Luftentfeuchter hinter dem Fahrersitz herum, und der hatte gut zu tun.
Das Kleine Gelbe AutoTM, wie es aus Understatement seit Anbeginn hier im Blog hieß, hatte kaum elektrischen Firlefanz an Bord. Zentralverriegelung und elektrische Fensterheber vorn, das war alles. Keine Klimaanlage, keine elektrischen Spiegel, nichts. Alles, was Gewicht kostete, war weggelassen. Das stellte sich über die Jahre als total super heraus, denn was nicht vorhanden ist, kann auch nicht kaputt gehen. Was von Anfang an das einzige Luxus- und überhaupt beste Feature des Wagen war, war halt die Sitzheizung. Meine Güte, war die großartig! Diese trockene Wärme, die das ganze Rückgrat entlang zog… herrlich! Hatte ich quasi im Winter im Dauereinsatz, leider ging die 2017 oder so kaputt. Schade, die Sitzheizung wahr das allerbeste Feature an dem Wagen.
Ansonsten hielten sich die Reparaturen in Grenzen. Jedes Jahr Service, alle paar Jahre neue Achsmanschetten und Bremsen. Nicht nur Beläge, auch die Scheiben. Ich fahre vorausschauend, und deshalb bildeten sich an den 340mm-Scheiben immer wieder Rostränder.
Geärgert haben mich die Schäden, die die Werkstatt verursacht hat. Einmal waren die zu dumm, bei der HU den Schalter für die Scheinwerferwaschanlage zu finden, bauten die völlig auseinander und dann wieder so zusammen, dass sie das Wasser verlor, und wollten mir das auch noch berechnen.
Oder die Sache mit den Federn. Die brachen 2018 der Reihe nach, und die Werkstatt baute statt der Sportfedern welche vom normalen Seat Leon ein, mit dem Ergebnis, dass der Wagen vorne zwei Zentimeter höher lag als hinten, wie ein Clownsnauto. “Das müsse so”, behauptete der damalige Werkstattleiter monatelang.
Ein anderes Mal musste die Frontscheibe nach einem Steinschlag ausgetauscht werden, und die Vertragswerkstatt delegierte das an einen “Scheibendoktor”. Der klebte die Scheibe so ein, das sie ab 80 km/h spürbar pfiff, und schlimmer: Er verwendete den Falschen Klebstoff zur Fixierung der Haltebänder, und riss bei der Entfernung den Lack vom Dach. Die Vertragswerkstatt lackierte das neu, in der Originalfarbe, aber da in der Zwischenzeit der Rest vom Lack zu einem fahlen Zitronengelb ausgeblichen war, passte das dann nicht mehr zueinander.
War aber sowieso egal, die Plastikteile wie Tankdeckel und Spoiler hatten noch einen anderen Gelbton angenommen, so dass der Wagen ein gelbes Sammelsurium darstellte. 2017 musst der Auspuff erneuert werden, und nun, 16 Jahre nach Herstellung des Autos, gingen schon die Probleme mit der Ersatzteilversorgung los. Der Auspuff kam zwar noch, nach einem halben Jahr Wartezeit, aber später wurde es mit Teilen, insb. für die Karosserie, zappenduster. Gibt´s einfach nicht mehr, zumindest nicht für diesen sehr speziellen Leon.
Die Jahre vergingen, und die Farbe verschwand aus den Autowelt. Früher fuhren hier noch mehr gelbe Autos durch die Gegend, aber irgendwann war mein gelber Seat der letzte auf den Straßen Göttingens. Ich hatte mich schon lange an die Farbe gewöhnt und es nun sehr klasse, ein so herausstechendes und irgendwie fröhliches Auto zu fahren.

Immerhin: Auf Parkplätzen war der Wagen leicht wieder zu finden.
Mittlerweile kannte und schätze ich den Wagen, auch wenn ich zwischendurch immer mal wieder dachte, es wäre Zeit für was neues. Aber der Automarkt hatte sich völlig falsch entwickelt. Statt sparsamer zu werden, schluckten Autos gleich viel oder mehr wie der Seat. Und war der Begriff “Kleines” gelbes Auto im Jahr 2007 ein Understatement, so war der Wagen heute wirklich winzig im Vergleich zu Neuwagen, die in den vergangenen 20 Jahren ins riesenhafte gewachsen sind. 180 PS ist heute bei manchen Herstellern Einstiegsmotorisierung. Irgendwann gab es dann gar keine billigen Kleinwagen mehr, und keinen Gebrauchtwagenmarkt, und so fuhr ich das gelbe Auto halt weiter und weiter.
Und warum auch nicht? Der passte mir wie angegossen. Exakt die richtige Größe, wertig und gut, und ich kannte den Seat aus dem FF. Ich beherrschte den nicht nur in jeder Situation, sei es bei Regen oder Schnee, ich konnte auch spüren, wenn irgend etwas nicht stimmte. Ich hörte, das die Federn kurz vor dem Brechen waren, fühlte, als das Hitzeschutzblech vom Auspuff locker oder die Achsmanschetten mal wieder dran waren und hörte einen Haarriss in einem Luftschlauch.
Über die Jahre kam es immer wieder zu dramatischen und skurrilen Situationen. Etwa, als auf der Autobahn bei 220 km/h die Wasserpumpe zerplatzte. Dramatisch: Der Motor überhitzte sofort und ich fürchtete, der wäre nun hinüber, weil die Zylinderkopfdichtung hin wäre. War sie zum Glück nicht. Skurril: Ich hatte mir die 180.000er-Inspektion sparen wollen, bei der wäre der Zahnriemen und die Wasserpumpe getauscht worden. Es war bei Kilometerstand 180.184, dass die Pumpe den Geist aufgab und beinahe den Rest des Wagens mit sich genommen hätte. Wie kann es sein, dass die Haltbarkeit eines Teils so exakt berechnet ist?
Völlig skurril auch der Auffahrunfall in Zeitlupe, bei dem das KGA in der Waschanlage auf einen Passat gezogen wurde, der meinte, die Bremse betätigen zu müssen. Zum Glück ist dabei nichts passiert, aber die Situation war ein Albtraum. Seitdem war ich in keiner Waschstraße mehr.
Die spektakulärsten Situationen gab es erst in den vergangen Jahren. 2022 ein Auffahrunfall, bei der ein Honda den Seat von hinten abschoss.
Das blieb zum Glück der einzige Unfall mit Menschen. Im Februar 2023 fiel dann ein Baum auf das Heck des Kleine Gelbe AutosTM und zerstörte die Heckscheibe und verbeulte die C-Säule. Die wurde von der freien Werkstatt, bei der ich mittlerweile war, notdürftig wieder in Form gehämmert und eine neue Scheibe eingeklebt. Das war dramatisch. Die Beule ließ ich drin, da kam lediglich gelbe Farbe aus der Dose drauf. Für eine Reparatur hätte das ganze hinter Blechteil ausgetauscht und der Wagen neu lackiert werden müssen, das wären mindestens 3.000 Euro gewesen.
Skurril war dagegen die Sache mit dem Anlasser. Der wurde im April 2023 erneuert, und der neue Anlasser führte ein Eigenleben und hört nicht auf zu drehen, bis er glühte und qualmte – erst in letzter Sekunde fand ich ein Werkzeug, um die Batterie zu trennen, sonst wäre der Wagen abgefackelt.
Solche Erlebnisse verbinden, genau wie schöne Erinnerungen. Der Leon rollte schon über die Croisette in Cannes, tobte über die Küstenstraßen Südfrankreichs und kämpfte sich durch die verschneiten Straßen des Oberharzes und die Weite Thüringens.


Sechzehn Jahre hatte ich das Kleine Gelbe AutosTM jetzt. Wir haben viel miteinander und zusammen erlebt und sind gemeinsam alt geworden. Eigentlich sollte es mein letztes Verbrenner-Auto sein, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass die Automobilindustrie einfach mal 20 Jahre den Kopf in den Hintern steckt und es bis heute keinen Elektro-Gebrauchtmarkt gibt.
Elektroneuwagen kommt deshalb aktuell nicht in Frage. Aber nun fiel mir ein guter, gebrauchter Aygo in die Hände. Völlig ausreichend für meine Bedarfe, nur halb so teuer in Unterhalt und Verbrauch wie der Seat Leon, aber eben auch minimalistisch und völlig befreit von jeglicher Freude. Genau das, was ich brauchte. Und das gelbe Auto war ja ohnehin fast am Ende, oder? Also fix mal zu TÜV gefahren, der würde das gelbe Auto und mich ja scheiden.
Pustekuchen. “Achsmanschetten sind dran und leichte Korrosion am Boden”, sagte der Dekra-Mann. “Hier, Plakette. Werden sie noch lange dran Freude haben, wenn sie das machen lassen.” – nicht das, was ich erwartet hatte, zumal die freie Werkstatt einen hängenden Bremssattel, aufgebende Domlager und einen Bedarf an neuen Stoßdämpfern attestiert hatte.
Ich kaufte den Aygo, fuhr den gelben Seat aber erst einmal weiter – der Gedanke den abzugeben, bereitete mir körperliches Unwohlsein. Das ist seltsam, denn ich hänge mein Herz normalerweise nicht an Dinge, aber wie geschrieben: Die Bindung kommt durch gemeinsame Erlebnisse. Nein, ich WOLLTE mein Kleines Gelbes AutosTM nicht hergeben!
Bis… Ja, bis vergangene Woche etwas am Auspuff schepperte, und mir schmerzhaft bewusst wurde, dass nun eine Entscheidung anstand. Nochmal Geld in gelbe Auto stecken? Der Ölwechsel stand an, und halt die Achsmanschetten, und perspektivisch auch die Stoßdämpfer. Keine superhohen Kosten, und dann könnte ich mein Gelbes Auto noch mindestens zwei Jahre fahren. Aber was würde dann aus dem Aygo, der nun durch lange Standzeiten auch nicht besser wird und irgendwann in seiner Lagerhalle anfangen würde zu gammeln? Oder sollte ich jetzt, wo der Gelbe noch halbwegs beieinander und zwei Jahre TÜV hatte, wirklich mal anfangen einen Käufer zu suchen?
Auf dem freien Markt werden die 1.8 20VT mit einer Laufleistung von 200.000 km noch für vier- bis fünftausend Euro gehandelt – allerdings ohne, dass das halbe Heck verbeult ist. An Privat wollte ich ohnehin nicht verkaufen, dafür hatte der Wagen zu viele Zipperlein, neben dem Wassereinbruch und der kaputten Sitzheizung wollte auch das Türschloss manchmal nicht mehr, der Kofferraum ging gelegentlich nicht auf, die Frontscheibe war zerkratzt (meine Schuld, man sollte nie Eiskratzer mit Stahlkante verwenden) und die Türdichtungen fielen bei Minusgraden ab.
Schweren Herzens klimperte ich vergangenen Freitag die Daten des Leons bei einer Internetseite ein, die gerade aggressiv Werbung damit macht, dein Auto zu kaufen. Die Rückmeldung war ernüchternd, gerade mal 616 Euro bot die Seite. Dann begann deren Terror per Telefon und Mail, denn die bombardieren einen nach der automatisierten Online-Schätzung mit Erinnerungen und einem Countdown, egal wie oft man auf “Ich will keine Mails mehr” klickt und “Ich habe kein Interesse zu verkaufen” sagt.
Aus Trotz bin ich dann einfach spontan bei der alten Seat-Vertragswerkstatt vorbeigefahren. Der Chef hatte früher ein paar Mal den gelben Wagen bewundert und Sätze fallen lassen wie “Da hätte ich auch Spaß dran” und “Den würde ich sofort kaufen”. Aber nun, diese Aussagen waren auch schon wieder zehn Jahre her.
Der Chef ist heute 73, und als ich vortrug, das ich mich vielleicht mit dem Gedanken trüge, das Kleine Gelbe AutosTM zu verkaufen, bekam er sofort große Augen und begann zu plappern. “DEN wollen Sie verkaufen? Und ich dürfte den haben? Danke, dass sie an mich gedacht haben!!! Kann ich gleich mal eine Probefahrt machen?”
Fünf Minuten später war er hin und weg. “Den mache ich mir wieder zurecht! Blechteil mit der Beule raus, aufbereiten, neu lackieren… Ha, das wird mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst! Was wollen´se dafür haben??”
Nun, haben gewollt, in meinem kühnsten Träumen, hätte ich 1.200 Euro, und konnte kaum glauben, das wir uns nach kurzer Verhandlung tatsächlich auf 1.500 Euro einigten.
Das Wochenende überlegte ich, und unterdessen passierten komische Dinge. Das Klappern am Auspuff verschwand, dafür lag das Hitzeschutzblech vom Mittelschalldämpfer auf dem Parkplatz – erstaunlich, dass es nicht während der Fahrt abgefallen ist. Und zum anderen funktionierte die Sitzheizung plötzlich wieder!
Mach´ es mir doch nicht so schwer, dachte ich, fällte dann aber schnell einen Entschluss. Ausschlaggebend war tatsächlich die Aussicht, dass der Wagen nicht geschlachtet oder nach Afrika verklappt wird. Er kommt in die Hände eines Sammlers, der ihn pflegt und wirklich Freude daran haben wird. Der Leon lebt weiter, besser als er es bei mir hätte haben können. Den Gedanken finde ich beruhigend, und mit dieser Aussicht fiel mir jetzt auch die Trennung leichter.
“DEN wollen sie verkaufen??”, fragte dann noch der Vertragsmensch im Autohaus, aber ich blieb tapfer. “Na gut, müssen sie wissen, aber so gute Autos gibt es selten. Der Chef ist aber ein echter Liebhaber von Oldtimern, der wird sich gut um das Schätzchen kümmern.”
Und damit, just like that und in Summe in weniger als 60 Minuten, blieb das Kleine Gelbe AutoTM in der Vertragswerkstatt zurück, die uns in der Vergangenheit so häufig geärgert hat.
Ich hatte mich immer gefragt, wie das Ende des Wagens aussehen würde – ein Unfall? Schrottpresse? Verkauf nach Afrika? Hiermit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Das hier ist der beste, denkbare Ausgang – aber nicht das Ende. Das der 20VT nun in Sammlerhände kommt und noch lange bestehen wird, freut mich außerordentlich. Ich werde sein Ende nicht miterleben, und da ist gut so – wir hatten eine tolle gemeinsame Zeit.
Ich habe gerade noch die Kennzeichen abgeholt. Das Kleine Gelbe AutosTM steht auf dem Hof wie ein VIP-Auto, in einer eigenen Absperrung, damit nur niemand da dran geht.
Das war es jetzt.
Nach 16 Jahren gehört mir mein Kleines Gelbes AutosTM nicht mehr.
P.S.: Das Kleine Gelbe AutoTM hatte auch einen Namen, den aber nur wir beide kannten: Eleanor. Wer die Referenz erkennt, darf kommentieren. Alle anderen natürlich auch.
8 Gedanken zu „Gone in 60 Minutes: Das Ende einer Ära“
Hm, vielleicht wg. des in Filmen beliebten Ford Mustang Shelby GT500 genannt Eleanor?
Ich mag Understatement auch und verstehe den Abschiedsschmerz
Aber das war doch ein “schöner” Abschied!
und bei Eleanor denke ich als erste an die betrogene Ehefrau von Franklin D. Roosevelt.
hmm, und ich denke als erstes an “Eleanor Rigby, picks up the rice in the church where the wedding has been…”
PS. schön, dass das KGA noch so einen guten Alterssitz bekommen hat und nicht zum Abdecken gekommen ist!
Wieder einmal sehr schön geschrieben – auch wenn ich pers. die Bindung zu Dingen nur Ansatzweise nachvollziehen kann. Egal wieviel man zusammen erlebt, letztendlich bleibt es doch nur eine tote Sache. Der Rest passiert im Kopf 😉
Anonymous 001: Genau! So wie der Shelby der Traumwagen in den “Gone in 60 Seconds”-Filmen war, so war es der 20VT für mich.
Hirnwirr: Ach, interessant! Ich wusste gar nicht, wie Frau Roosevelt mit Vornamen hieß
Anonymous 002: ChrChr, den Beatles-Song kannte ich gar nicht – wieder was gelernt!
Marcus: Anthropomorphismus, auch unterbewusst, ist, glaube ich, tief in der menschlichen Natur verwurzelt – genau wie unsere Neigung, uns die Welt in Narrativen zu ordnen. Das wird auch der Grund sein, warum Marie Condo immer sagt, man soll sich bei Gegenständen bedanken, bevor man sie wegwirft – weil es dann leichter fällt sich von ihnen zu Trennen.
Für mich ist Auto nur Zweck. Relativ günstig, Zigeunerhaken und wenige Mängel sind das Kriterium.