Reisetagebuch (3): Dublin
Sommertour mit der Barocca nach Irland. Heute ohne Motorrad, dafür geht´s in eine verdammt große Bücherei – und in den Knast.
30. Mai 2023, Westcounty Hotel, Dublin
Das Westcounty Hotel habe ich ausgesucht, weil Monteure hier absteigen, es verkehrsgünstig zur M50 liegt, einen großen und bewachten Parkplatz hat und – eine Bushaltestelle vor der Tür!
Dublin ist nämlich die Stadt in Europa, in der Autofahrer statistisch gesehen die längste Zeit pro Jahr im Staus stehen, noch vor Athen oder Rom. Eigentlich ist Dauerstau hier die normale Art der (nicht-)Fortbewegung. Parkplätze gibt es in der Innenstadt, auch gegen viel Geld, nur wenige bis gar keine. Busse dagegen haben eigene Spuren und kommen noch vergleichsweise fix durch den dickflüssigen Schlamm des Stadtverkehrs.
Es ist erst 06:30 Uhr, noch zu früh für ein Hotelfrühstück. Ich gieße mir nur schnell einen Instantkaffee mit heißem Wasser aus dem Badezimmer auf, dann springe ich schon die Treppen des Hotels hinab. Ich trage nur leichte Trekkingschuhe, Jeans, Hemd und eine leichte Jacke – das perfekte Outfit, um die Stadt zu erkunden. Heute morgen ist es ein wenig kühl, denn es sind gerade mal zehn Grad. Aber das wird sicherlich noch besser werden.
Um zur Bushaltestelle zu gelangen, muss ich eigentlich nur einmal über die Straße. Das stellt sich aber als unerwartet schwierig heraus, denn ein endloser und ununterbrochener Strom an Fahrzeugen wälzt sich im Schritttempo in Richtung Innenstadt entlang. Klar, irgendwoher muss der Stau dort ja kommen. Irgendwann mache ich es auf die italienische Art und gehe einfach los, nehme Blickkontakt mit den Fahrern auf und zwinge sie dadurch zum Anhalten.
Endlich an der richtigen Stelle, muss ich nur noch wenige Minuten warten, bis einer der grünen Stadtbusse heranrollt. Beim Einsteigen halte ich einfach eine grüne Karte an einen Leser und bin drin. Das ist eine “LEAP”-Card, die ich vor Wochen im Internet bestellt habe. Die wiederaufladbare Karte funktioniert als Rundum-Glücklich-Ticket für die allermeisten Busse und Bahnen in der Region, so brauche ich mir keine Gedanken über Tickets zu machen und kann einfach in jeden ÖPNV hineinhüpfen, wenn mir danach ist.
Dass ich die Karte habe, stellt sich als supergut heraus – als einige Haltestellen später ein älteres Touristenpaar einsteigen will, werden sie abgewiesen – der Kreditkartenleser des Busses, sagt die Fahrerin, funktioniert nicht, und den Fünfzig-Euro-Schein, mit dem der Mann wedelt, den darf sie nicht annehmen. Vielleicht nehmen die auch gar kein Bargeld mehr an, wer weiß.
Auf dem Weg in die Stadt bin ich meinem Vergangenheits-Ich mehrfach dankbar, dass es gar nicht erst versucht hat zu planen, mit dem Motorrad in die Stadt zu fahren. Zwar gibt es ein paar wenige Stellen, wo man ein Mopped halblegal abstellen könnte, und die hatte ich auch im Vorfeld korrekt identifiziert, aber da hinzukommen hätte unwirtschaftlich viel Nerven und noch mehr Zeit gekostet. Tatsächlich steht der Verkehr um den Bus herum, der sich zumindest langsam über seine Extraspur schiebt.
Radfahrer sehe ich wenige, und nach kurzer Zeit verstehe ich auch, warum: Haben Fahrräder am Stadtrand noch gute, baulich von den Autos getrennte Fahrspuren, müssen sie sich näher am Zentrum die Spuren mit Bussen teilen, was schon unangenehm genug ist, und dann hören auch die Bus-/Fahrradspuren plötzlich auf und alles knäult sich.
Der Bus hält am Irish House of Parliaments, und hier springe ich raus und stehe genau vor einem der bekanntesten Orte in Dublin: Dem Trinity College.
Staunend betrete ich die 430 Jahre alte Universität durch das Haupttor. Die großen Gebäude aus grauem Stein sind wirklich ehrfurchteinflößend.
Die Morgensonne strahlt aus den Campus, der mit seinen Grünflächen und Bäumen sogar recht einladend aussieht.
Was mir sehr gut gefällt: Die Rasenflächen, die ohnehin nicht zum Betreten gedacht sind, werden nicht gemäht und sind zu veritablen Wiesen geworden – für Insekten, wie ein Schild verkündet.
Die größte Attraktion im Trinity ist das “Book of Kells”, das Buch der Kelten. Das Ding ist ungefähr 1.200 Jahre alt und anscheinend ein Must-See für alle Dublin-Besucher. Mich interessiert das, ehrlich gesagt, gar nicht – ich habe nichts für Ikonenmalerei über, und Ikonenmalerei zwischen Buchdeckeln interessiert mich auch nicht. Was mich aber interessiert ist die alte Bibliothek, und um in die reinzukommen, muss man halt eine “Book of Kells”-Tour buchen.
Die Tour findet alle halbe Stunde statt, und das Organisationssystem ist so einfach wie genial. Am Eingang zur alten Bibliothek gibt es zwei Rampen, eine links, eine rechts. Rechts stellen sich alle Leute an, die ein Ticket für eine Tour zur vollen Stunde haben, links alle die, die zur halben Stunde gebucht haben. Und dann wird einfach um Punkt Uhr das Gatter aufgemacht und alle Personen auf einer Rampe eingelassen.
Eine Führerin oder einen Führer gibt es nicht, man kann sich einen Audioguide auf´s Handy laden und sich von dem die Exponate in der vorgelagerten Ausstellung erklären lassen. Das ist nett, aber auch unspektakulär – ich mag keine Audioguides, die einen auf jeden einzelnen Punkt erst mit Mönchschorälen oder “Atmo” einzustimmen versuchen und damit lediglich meine Zeit verschwenden. Außerdem kann ich schneller lesen als ein Erzähler erzählen kann, und deshalb lese ich lieber die Ausstellungstafeln und die Beschriftungen an den Exponaten.
Meist handelt es sich um Vergrößerungen von Illustrationen aus dem “Book of Kells” und Deutungen, was uns der Künstler wohl damit sagen wollte.
Interessant finde ich eine Erklärung über die Pigmente, die für die Farben verwendet wurden und die jetzt schon zwölf Jahrhunderte überstanden haben.
Das echte “Book of Kells” steht in einem eigenen Raum. Der ist abgedunkelt, und das Buch steht auf einer Stele in einem Lichtstrahl und wird von einer Glashaube geschützt. Würdige Inszenierung für das älteste Buch Irlands. Fotografieren darf man es nicht, aber später kommt man noch an einer fast identischen Vitrine vorbei, in der ein Faksimile liegt, und das darf man fotografieren.
So, und nun wird es spannend. Eine Treppe hoch und dann hier um die Ecke und… aaaaaah! DAS wollte ich sehen! Das ist der berühmte Long Room der Old Library!
Der heißt so, weil er, nun, lang ist. Fünfundsechzig Meter, und ungefähr 15 Meter hoch. Aus der richtigen Perspektive, von einer der Galerien aus, fotografiert, sieht der Long Room spektakulär aus:
Auf die Galerien komme ich leider nicht, und ich bin hier auch nicht allein…
…aber trotzdem ist der Raum einfach spektakulär. Die schiere Größe, die Regale, die sich vom Boden bis an die Decken ziehen, und dazu das warme, alte Holz und die alten Bücher, die hier stehen… Wahnsinn.
Was schrieb Pratchett so schön? “Bücher sind Wissen, Wissen ist Macht, Macht ist Energie mal Materie, und das ist Masse. Mit anderen Worten: Eine große Ansammlung Bücher krümmt die Raum-Zeit, und eine Bibliothek ist nichts anderes als ein freundliches, schwarzes Loch, das lesen gelernt hat”. Wenn man im Long Room steht, weiß man, was er meinte.
Rund 200.000 Bücher stehen hier normalerweise, dazu zwei Dutzend Büsten. Aber nun wird behutsam renoviert, viel der Regale sind leer und einige der Büsten in Luftpolsterfolie verpackt. Also, entweder das, oder das hier ist ein Prominenter, den ich nicht kenne:
In der Mitte des Long Rooms stehen Vitrinen mit Ausstellungsstücken. Darunter Irlands älteste Harfe…
…oder eine dreihundert Jahre alte Ausgabe von Shakespears “Hamlet”:
Erstaunlicherweise finde ich jedes dieser Exponate spannender als das olle Book of Kells, aber ich bin vielleicht auch einfach ein Banause.
Ich mache meinen Exit Through the Gift Shop und verlasse das Trinitiy-College in Richtung Innenstadt.
Wer gerne den Long Room von zu Hause am Bildschirm aus besuchen möchte: Auf den Seiten des Trinity College gibt es eine 3D-Simulation.
Es ist erst 09:30 Uhr, und ich schlendere ziellos herum. In weiten Teilen sieht die Innenstadt von Dublin aus wie jede andere europäische Innenstadt auch. Ladengeschäfte von internationalen Modeketten, Parfumketten, Juweliere, jede Menge Restaurants… wenig inhaltlich Interessantes.
Auf einem Sockel vor der St. Andrews-Kirche steht die Statue von Molly Malone. Das ist eine Figur aus einem Lied aus dem 17. Jahrhundert, das eine junge Frau beschreibt, die sich tags als Straßenhändlerin und nachts als Teilzeitprostituierte verdingt und die früh am Fieber stirbt. Die angefassten Stellen der Statue zeigen deutlich, welcher ihrer Berufe die Fantasie der Besucher mehr anregt.
Ansonsten bin ich überrascht, wie die Beliebigkeit der Postmoderne allerorten zu spüren ist. Modegeschäfte residieren in Läden, die nach Pub aussehen. Pubs sind geschmückt mit Star-Wars-Zeichnungen. Ein ehrwürdig aussehendes Ladengeschäft beschäftigt sich nur mit Game of Thrones. An einer Hausfassade wachen lebensgroße Figuren von Batman und Dracula. Und es gibt es gibt sogar ein Forbidden Planets, einen Laden voller Science-Fiction und Animebüchern und Filmfiguren! Ich korrigiere mich: Das hier ist nicht Postmodern, Dublin ist nerdig!
Mitten in der Innenstadt steht ein großes Einkaufszentrum, dessen Architektur an Gebäude in New Orleans erinnert…
Das Innere ist auch verwinklelt und eigentümlich gestaltet, mit einer großen Uhr mitten in der zentralen Halle.
Das “Stephens Green” Shooping Centre ist echt eine Schau – das es von sich selbst aber als “Great Shopping centre with a City attached” spricht zeugt von wenig sympathischen Größenwahn. Immerhin ist es aber interessant anzuschauen, dieser Mix aus… ALLEM in der Mall. Blumengeschäfte sind neben Modeläden, ein Asialaden verkauft Animes, ein räudiges Plattengeschäft liegt neben einer hochpreisigen Galerie, und eine Esoterikerin bieten Energiesteine und Lichtnahrung neben einem Thai-Imbiss an. Im Imbiss ist mehr los.
In den Gassen der Altstadt gibt es immer wieder Kunst zu bestaunen. Die ist meist laut und tritt in Form von Straßenmusikanten aus ganz Europa auf. Die stehen an jeder Ecke und sind meist richtig, richtig gut. Manchmal ist es auch leise Kunst, die man nur sieht, wenn man nach oben schaut.
Pubs haben hier einen eigenen Stadtteil namens Temple. Ein uriger Pub reiht sich hier an den nächsten.
Interessant ist auch, das manche Motorräder ein extra-Versicherungsschild zusätzlich zum Nummernschild haben.
Dublin ist eine Stadt der Flüsse und Brücken, und am Nordufer des Liffey, des großen Flusses, der die Stadt von West nach Ost teilt, liegt das EPIC, das irische Migrationsmuseum.
Irland war quer durch seine Geschichte ein Auswanderungsland, und im EPIC wird daran erinnert, was die Gründe für die Landflucht waren und welche Entbehrungen Migrant:innen auf sich nehmen, welches Leid sie oft durchleiden müssen und das so gut wie nie jemand seine Heimat freiwillig verlässt.
Das Museum verwendet einige interessante Konzepte, um die Besucher:innen anzulocken und bei Laune zu halten. Die beste ist sicher der Pass, den man am Eingang bekommt.
Anfangs ist der noch leer, und es gilt, ihn mit Stempeln zu versehen. In jedem Raum steht eine Stempelmaschine, und in die muss man den Pass einlegen und abstempeln.
Ein kleines Gimmick, dass aber dazu führt, dass ich wirklich alle Räume besuchen möchte und sogar zwischendurch merke, dass ich einen übersprungen habe. Das EPIC ist nämlich fast ein wenig wie ein Labyrinth aufgebaut. Es liegt im Untergeschoß eines großen Glasgebäudes. Im Inneren gibt es keine Fenster, die Beleuchtung ist meist dunkel. Das passt super, weil durch sorgfältige Lichtkonzepte unterschiedliche Stimmungen erzeugt und optische Hervorhebungen gesetzt werden können.
Das führt aber auch dazu, das ich zuerst an einigen Dingen vorbei laufe.
In jedem Raum gibt es einen echten Hingucker. Mal sind das themenbezogene Kunstinstallationen, die mich zum Staunen bringen, wie die raumfüllende Skulptur aus Stahl, bei der von einem gemeinsamen Punkte Dutzende Rohre in alle Richtungen des Raumes führen, und auf jedem Rohr sitzt ein kleines Schiff oder Flugzeug, aus unterschiedlichsten Epochen, von Segelschiffen bis zu Jumbojets. So wird Auswanderung zu verschiedenen Zeiten symbolisiert.
In anderen Räumen laufen Filme mit Schauspielern, die Migranten mimen und deren Geschichte erzählen. Interaktive Tische, eine Bibliothek mit sprechenden Büchern, “Eins-Zwei-Oder-Drei”-Quizzes… das EPIC ist eine echte Wundertüte an Präsentation, allerdings kann die nicht verhehlen, dass die eigentlichen Themen nur an der Oberfläche angekratzt werden. Das EPIC ist für Schulkinder und Touristen gedacht, und es macht seinen Job – Bildungs-Fast-Food.
Nachdem ich durch das EPIC durch bin, mache ich mich auf einen Fußmarsch entlang des Liffey. Es ist jetzt richtig warm, über 25 Grad, aber eine stete Brise macht das Laufen angenehm.
Natürlich komme ich auch an der Guinness-Brauerei vorbei.
Nach fünf Kilometern bin ich im Stadtteil Kilmainham. Alte und sehr moderne Gebäude wechseln einander ab, und an einer Straßenecke ist ein Eingang in einen grünen Park zu sehen. Dem Gegenüber liegt ein Gebäude aus grauem Stein, und dort hinein gehe ich nun.
Es ist der Eingang zum Kilmainham Gaol, einem riesigen Gebäudekomplex, der früher ein gefürchtetes Gefängnis war.
Es wurde 1796 gebaut und spielt für die Geschichte Irlands eine wichtige Rolle, weil hier immer wieder politische Gefangene einsaßen. 1926 wurde es geschlossen, aber nicht abgerissen. Der riesige Gebäudekomplex mitten in Kilmainham verfiel einfach vor sich hin. Erst in den 60ern erinnerte man sich an die historische Bedeutung, restaurierte die Gebäude und richtete ein Museum ein. Heute kann man es im Rahmen von Führungen besichtigen, und es ist immer wieder Kulisse für Filme.
Die Führung ist die einzige Möglichkeit, in die interessanten Gebäude zu kommen – verwinkelte Verwaltungsgebäude, eine Kapelle und natürlich den Gefängsnistrakt, aber sie ist auch ziemlich ernüchternd. Dave, der Führer, rattert emotionslos die Namen von Rebellenführern und Politikern herunter, die hier einsaßen. Davon sagt mir kein einziger etwas, und ohne Kontext können weder ich noch die anderen Teilnehmer, die aus den USA und Australien kommen, einordnen ob und falls ja, wie wichtig diese Personen jetzt waren. Ich hätte lieber etwas über die Verhältnisse im Kilmainham Gaol erfahren und das tägliche Leben in diesen Mauern. Aber dazu lässt sich Dave nur Randbemerkungen entlocken.
Immer wenn es gerade interessant wird und er anfängt, von den schlimmen Zuständen, korrupten Gefängnisleitungen und gierigen Wärtern zu erzählen, bleibt er wieder stehen, deutet auf eine Tür und sagt sowas wie “Und in dieser Zelle saß Boaty McBoatface, der Politiker, kennt ihr ja, brauch ich nichts zu zu sagen, der war ja berühmt”, und dann geht er weiter und vergisst, die Anekdote zu Ende zu erzählen.
Es gab Zeiten der tiefen Krisen in Irland, in denen Menschen sich absichtlich bei kleinen Vergehen erwischen ließen, um ins Kilmainham Gaol gesperrt zu werden – immerhin gab es hier ein Dach über den Kopf, das den irischen Dauerregen abhielt, sowie ein wenig zu essen. Dafür musste man sich eine dunkle, kalte, feuchte 20-Quadratmeter-Zelle mit fünf anderen Menschen teilen. Männer, Frauen und Kinder wurden eingangs zusammen eingesperrt – man mag sich gar nicht vorstellen, was dadurch alles passiert ist. Dave erwähnt nichts davon, aber es muss eine Hölle aus Vergewaltigungen gewesen sein.
Wie verzweifelt müssen Menschen sein, dass ihnen so eine Gefangenschaft als ein erstrebenswerter Ort erscheint? Allein die äußeren Umstände müssen wirklich krass gewesen sein, denn das Gefängnis ist aus grobporigem Stein gebaut, der viel Regenwasser aufnimmt und dadurch immer kalt ist.
Das ist selbst jetzt, bei 25 Grad draußen, zu spüren – die Gebäude sind kalt und klamm. Auch waren die Fensteröffnungen nicht verglast, weil man lange glaubte, das Gestank Krankheiten überträgt und Lüften und Licht gut für den Körper sei. Ich glaube, viele Deutsche hatten irische Vorfahren. Als einzige Beleuchtung und Wärmequelle in den Zellen diente eine Kerze, von denen es alle zwei Wochen genau eine gab.
Highlight der Tour ist der eigentliche Zellentrakt, der als Panoptikum gebaut ist. Alle Zellen sind von einem riesigen Raum aus zugänglich, und in dem kann man von nahezu jedem Punkt aus alle Zellen im Auge behalten. Dieser Raum ist beeindruckend, und man kann ihn kennen – aus Filmen wie “Im Namen des Vaters” oder “The italian Job”, zum Beispiel. Auch Bär Paddington saß hier schon ein, in “Paddington 2”.
Auch U2 sind schon durch das Gefängnis gestolpert.
Nach der Führung wird man in ein Nebengebäude entlassen, in dem man sich frei bewegen kann.
Es ist das Museum, und das bietet so einiges. Neben Gegenständen aus dem Alltag des Gefängnisse, von abgeschabten Blechlöffeln über große Schlösse und Uniformen bis hin zu konfizierter Schmuggelware und Kunstinstallationen wie die Bronzes der Inis Faíl.
Es bietet auch Anekdoten und ordnet die Insassen zu verschiedenen Zeiten in einen Kontext ein. So wurde z.B. um 1910 viele Frauen verhaftet, die für die Unabhängikeit von Großbritannien auf die Straße gegangen waren. Nach dem Aufenthalt im Kilmainham Gaol wurden sie als nicht resozialisierbar diffamiert, und ihnen schlechtes Benehmen und Verwahrlosung unterstellt.
Um 17:00 Uhr schließt das Museum, und ich laufe ein paar Straßen weiter und nehme einen Bus zurück zum Westside County Hotel. Die Barocca steht unverändert vor der Tür, und ich freue mich auf eine Dusche und ein Abendessen.
In der Bar bestelle ich in meinem jugendlichen Leichtsinn eine Pizza, und als die serviert wird, merke ich nicht sofort, dass da was fehlt – der Teller. Ach nee, guck da, ist ein Metallteller drunter. Ungewöhnlich, aber kenne ich in der Tat schon aus Frankreich, dass die Pizza direkt auf dem Teller serviert wird, auf dem sie gebacken wurde.
Ich haue ordentlich rein und merke erst recht spät, dass das kein Metallteller ist oder ein richtiges, durchgehendes Blech. Das ist ein Gastroblech mit großen Löchern, gedacht für Konvektomaten, das der Kellner einfach auf den Tisch gelegt hat. Okay, vielleicht macht man das hier so, denke ich kurz und esse weiter, aber es fühlt sich völlig falsch an – durch die Löcher sifft nicht nur Öl auf den Holztisch, die Bakterien auf dem Tisch siffen auch in die Pizza.
Ich winke den Kellner wieder ran. “Sagen sie mal, ist das normal, dass sie hier die Pizza so servieren”. Wie aus der Pistole geschossen antwortet der Mann “Natürlich”. “Und sie finden es nicht komisch, dass der ganze Tisch eingesaut wird?” “Den kann man abwischen”, sagt der Kellner. “Unhygienisch finden sie das nicht?”, frage ich. “Nein”, sagt der Mann, dreht sich um und geht weg. Ich lasse die Reste der Pizza zurück und gehe auch.
Als ich an der Fensterfront vorbeikomme, höre ich Geboller vor der Tür. Dicke alte Männer auf viel zu lauten Motorrädern rollen auf den Parkplatz und stellen sich rechts und links neben die Barocca – sehr dicht, und eine der Arschkrampen parkt auch gleich noch den Behindertenparkplatz zu. Penner.
Im Zimmer merke ich, das es mir nicht gut geht. Ich hole einen Covid-Test aus dem Koffer und bin froh, das der negativ ausfällt. Nein, hier stimmt was anderes nicht – ich habe pochende Kopfschmerzen und mir ist heiß, aber eigentlich auch kalt. Und dann merke ich es: Ich habe mir einen veritablen Sonnenbrand auf dem Kopf eingefangen – und das, obwohl ich fast die ganze Zeit ein Cap getragen habe. Die Kombination aus Wind und Sonne lässt einen nicht merken, wenn man verbrennt. Zum Glück enthält die Reiseapotheke Cortisonsalbe und Aspirin, und mit Kopfschmerzen und immer noch leicht hungrig gehe ich früh schlafen.
Tour des Tages: Rund 38km mit Bus und zu Fuß.
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2 Gedanken zu „Reisetagebuch (3): Dublin“
Hammerfotos, Alter, wow, ich bin geplättet! Menno, ich muss da mal wieder hin. An Dublin kann ich mich nur noch an die Guiness Brauerei erinnern, wo wir eine Bierprobe hatten, die leider nur im Nippen bestand, da wir mit dem Mopped da waren….
Vom Norden der Insel noch nicht viel gesehen, dafür die andere Seite umso mehr.
Danke für interessanten Bericht.
Mich! interessiert vor allem Geschichte (incl. Ringfort/Steinkreise/Hünengräber) und Landschaft.