Momentaufnahme: November 2023
Herr Silencer im November 2023
“Farewell, Eleanor!”
Wetter: Monatsbeginn mild und viel Regen und Sturm, zweite Woche trocken und grau bei Temperaturen zwischen 9 und 12 Grad, dann Dauerregen bei null bis sieben Grad, letzte Tage Schneefall bei Minustemperaturen und vereiste Straßen.
Lesen:
Jeremy Clarkson: Pigs Might Fly [Kindle, 2023]
Gesammelte Kolumnen zu Jahr drei auf der Diddly-Squat-Farm, dieses Mal mit Schweinezucht. Wie üblich unterhaltsam, man lernt viel über das britische Agrarsystem.
Hören:
Das Lederhosenkartell [2023, Podcast]
Alexander Gutsfeld ist hauptberuflich Journalist, aber zwei Wochen im Jahr nimmt er sich frei, um auf der Wiesn, dem Oktoberfest, Rikscha zu fahren und damit Leute abzuzocken. Gutsfeld liebt die Wies´n, und geht in sieben Podcastfolgen dem gigantischen Geschäftsbetrieb aus Bier, Hendl, Sex, Koks und Kotze nach.
Eingebettet in Rikscha-Anekdoten und O-Tönen von lallenden Gästen wird die Geschichte des Fests, und wie die Familie Käfer es verändert hat, genauso erzählt wie der Versuch eines abgebrochenen Studenten, sich mit den mächtigen Brauereien anzulegen oder des Bombenattentats und seinen Folgen. Immer wieder gibt es dabei hoch interessante Einblicke, etwa, wenn die Rikscha Gäste zum Bordell befördert und dafür Provision bekommt, oder wenn ein gefasster Koksdealer von seinen Eskapaden in den 90ern erzählt.
Sehr gut konzipiert, saubere O-Töne und wahnsinnig geringer Eitelkeitsfaktor des Autors – ich habe die sieben Folgen á 45 Minuten mit Vergnügen weggehört.
Sehen:
Last Night in Soho [2022, Prime]
Junge Studentin zieht in ein Appartement im Londoner Stadtteil Soho. Dort träumt sie von einer jungen Tänzerin, die in den Sechzigern nach Soho gekommen ist. Jede Nacht setzt sich der Traum fort, und die Studentin erlebt, wie die Tänzerin erst von einem Nachtclubbesitzer verführt, dann in die Prostitution gezwungen wird. Die Studentin ist fasziniert, aber plötzlich tauchen Personen aus den Träumen in der Realität auf. Macht sie am Ende nächtliche Zeitreisen und erlebt einen Mordfall mit, der wirklich so passiert ist?
Edgar Wright macht immer interessante Filme. Aus seinem Kopf stammen u.a. Hot Fuzz, Shaun of the Dead, Worlds End, Scott Pilgrim vs. The World oder auch Baby Driver. Nun also “Last Night in Soho”, und der ist eine gemischte Tüte. Er bietet stylische und bis in Details durchkomponierte Bilder, braucht aber ziemlich lange, um aus dem Quark zu kommen.
Die Schauspielerinnen sind okay, können aber die schlecht geschriebenen Figuren nicht retten. Besonders schade: Diana Rigg hat in ihrer letzten Rolle wenig zu tun, und dabei gibt sie sich auch noch sichtlich keine Mühe.
Die Story kann sich lange nicht entscheiden, ob sie Thriller sein möchte oder doch Fantasy oder gar Drama, bevor sie schließlich in Horror abgleitet und dann, im letzten Drittel, wirklich wild wird und einen Twist bietet, der mich echt überrascht hat.
Zusammengefasst also ein durchaus überraschender High-Konzept-Film, dem aber die Inszenierung wichtiger ist als seine Charaktere – etwas, das mir bei “Baby Driver” schon aufgefallen ist und was eine Eigenart von Edgar Wright zu sein scheint.
Gunpowder Milkshake [Blu Ray]
Karen Gillians Mudder lässt eines Tages die pubertierende Tochter allein in einem Diner zurück. Die heult kurz in ihren Milchshake, dann tritt sie in Muddis Fußstapfen und wird Auftragskillerin. Jahre später versiebt sie einen Job und muss Zuflucht bei drei Bibliothekarinnen suchen. Die lesen nicht nur kleinen Kindern Bücher vor, sie sind selbst Bestandteil eines Assassinenzirkels.
Achtung, der Trailer verrät alle interessanten Plotpoints:
Holla die Waldfee, 2022 war wohl das Jahr stylischer Filme um Auftragskillerinnen. Nach dem erfrischenden “Bullet Train”, dem grandiosen “Kate”, dem mediokren “The Protege” habe ich nun den vierten Film entdeckt, der im vergangenen Jahr mit der gleichen Thematik aufwartete.
Die Story ist recht schlicht, der Plot übersichtlich, die Actionszenen etwas lieblos inszeniert und keinen Teil des Films hat man nicht woanders schon besser gesehen, zumal “Gunpowder Milkshake” hemmungslos bei John Wick klaut, was das Worldbuilding und die Bildästhetik angeht. Also ein doofer Film?
Keineswegs. Mir hat die Optik sehr gefallen, und auch wenn Umsetzung der Actionszenen im direkten Vergleich zu “John Wick” verlieren, so haben sie doch stest Wucht und sind originell – ich habe zumindest noch keine Actionszene gesehen, in der die Protagonistin ihre Arme nicht bewegen kann, sich aber dennoch gegen eine Horde Lachgasbedröhnter Kerle zur Wehr setzen muss.
Was es aber richtig raushaut, ist der fantastische Cast. Karen Gillian (Nebula aus “Guardians”) ist die Tochter, Lena Headey (“Game of Thrones”, “Terminator Chronicles”) die Mudder, und die Bibliothekarinnen sind Angela Basset, Michelle Yeoh und Carla Gugino (“Sucker Punch”) – und alle, alle haben Freude an ihren Bad Ass-Rollen. Empfehlenswert für alle, die “John Wick” mit einem weiblichen All-Star-Cast sehen mögen.
Mission Impossible VII: Dead Reckoning, Part I [2023, BluRay]
ChatGPT läuft Amok und geht stiften in die Cloud. Da es den Browserverlauf von jedem Menschen kennt, ist auch jeder erpressbar und damit die Welt nicht mehr sicher. Tom Cruise rennt einem McGuffin hinterher, von dem er nicht weiß, was der tut, und stolpert von Abu Dhabi über Rom und Venedig bis in den Lake District und nach Norwegen.
“Mission: Impossible” ist das letzte, große Action-Franchise, und hier wird wieder satt abgeliefert. Die gesamte Laufzeit von zwei Stunden und 44 Minuten enthält praktisch keine drei Minuten, in denen nicht etwas Spektakuläres, noch nie Gesehenes oder Spannendes passiert.
Egal ob Infiltrationen, Verfolgungsjagden oder Kämpfe, Regisseur McQuarrie und Produzent Cruise versuchen immer neues, ungewöhnliches oder sogar nie Dagewesenes zu zeigen – und das, in dem Sie wirklich echte Stunts filmen. Wenn riesige SWAT-LKWs in der Innenstadt von Rom Dutzende Motorroller umfahren, Cruise einhändig einen Fiat durch die Kanalisation steuert, mit einem Motorrad von einem Berg springt oder Speeddiving betreibt – dann haben dafür echte Menschen (und Cruise) wirklich ihr Leben riskiert, an echten Schauplätzen, und das sieht man einfach. Hier staunt und fiebert man noch mit, anders als z.B. bei den CGI-Orgien der Marvel-Filme, wo alles sichtbar aus dem Computer kommt und völlig egal und beliebig ist.
Abseits der cleveren Story, der tollen Kameraarbeit, den so noch nie gesehenen Drehorten und der grandiosen Stunts sind es vor allem die Schauspieler:innen, die “Dead Reckoning” zu etwas ganz Besonderem machen. Ving Rhames hat hier einen intensiven (und gefühlt letzten) Auftritt, Rebecca Ferguson rockt als Ilsa Faust wieder alles weg und Esai Morales als Handlanger der KI ist herrlich charismatisch und unheimlich.
Die besten Performances kommen aber von Hayley Atwell und Pom Klementieff. Atwell als gerissene, aber von der Situation überforderte Diebin ist einfach spitze, und Klementieff (“Mantis” aus den “Guardians of the Galaxy”-Filmen) gibt ihre Rolle als Killerin mit einer solchen körperlichen Leidenschaft, wie man sie zuletzt bei Famke Janssen in “Goldeneye” sah. Großartiger Film, aber leider nur der erste Teil – der zweite muss noch zur Hälfte gedreht werden und kommt frühestens 2025 in die Kinos.
Spielen:
Spider-Man 2 [2023, PS5]
New York hat jetzt zwei Spider-Männer, und beide haben so ihre privaten Probleme. Peter Parker versucht mit dem Tod von Tante May klar zu kommen und sich in ein “Erwachsenenleben” mit Job und Haus einzufinden, Miles Morales muss Collegebewerbungen schreiben und hat darauf so gar keine Lust. Gegen diese Art von Herausforderungen ist der Kampf gegen Söldnertruppen, die in New York plötzlich Jagd auf Superbösewichte machen, eine willkommene Abwechselung.
Das erste “Spider-Man” war 2018 eine gameplaytechnische Offenbarung, weil die Fortbewegung durch ein riesiges New York einfach fantastisch funktionierte. Wermutstropfen waren eine, mit repetitiven Aufgaben zugeschissene, Open World, die sich arg nach Strafarbeit anfühlten, sowie ein etwas unbalancierter Schwierigkeitsgrad.
“Spider Man 2” baut Bewährtes aus und hat die Kritikpunkte fast sämtlichst ausgebügelt. Die Fortbewegung und das Kampfgameplay sind noch einmal deutlich besser geworden und der Schwierigkeitsgrad gut meisterbar, und die Open-World-Aufgaben kommen jetzt organisch rein und nerven nicht mehr. Im Gegenteil, das hier ist das erste Spiel seit langem, dass es geschafft hat, dass ich mich den Tag über freue abends nach Hause zu kommen und wieder die Spielwelt zu erkunden.
Die Story und die Inszenierung ist auch noch einmal intensiver, und dass dafür das Spiel etwas kürzer ausfällt, ist kein Drama – zumal 25 bis 30 Stunden halt auch nicht wirklich wenig sind, und die Hauptgeschichte durchinszeniert ist wie ein Actionfilm und wirklich keinerlei Hänger hat. Was auch deutlich wird: Die Spiele erzählen übergreifend nicht die Geschichte von Peter Parker, sondern die von Miles Morales. Das ist mutig und frisch. Sehr geiles Spiel, großer Spaß, und endlich mal wirklich Next-Gen-Grafik und Null Ladezeiten.
Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name [2023, PS5]
Kiryu Kazuma, der Yakuza, der einst als “Drache von Dojima” für Angst und Schrecken sorgte, ist tot – zumindest behauptet er das, während er unter dem Namen Joryu und wie einst Clark Kent mit einer Brille eher schlecht getarnt durch die Gegend läuft und kleine Aufträge für eine Agentenorganisation erfüllt. Zu seinem großen Erstaunen erkennt ihn dabei aber jeder, und bald sind die Arschlochkinder im Waisenhaus wieder in Gefahr. So kommt der Ex-Drache nicht umhin, sich erneut durch Yokohama und Osaka zu prügeln, um schlussendlich dabei zu helfen, die beiden größten Yakuza-Organisationen in Japan aufzulösen.
War wohl als Spin-Off geplant, zumindest deutet darauf der Name “Gaiden” (Nebengeschichte) im Titel hin. Tatsächlich fühlt sich “The Man who Erased his Name” vom Scope her etwas kleiner an als die sonstigen, episch ausufernden Erzählungen der “Like a Dragon”-Spiele. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier wieder eine verwickelte Geschichte, schräge Figuren, zahlreiche Plot Twists und coole Schauplätze.
Etwas ärgerlich ist ein Hänger in der Spielmitte, bei der man Käfigkämpfe bestehen und Sub-Stories abarbeiten muss, bevor die Hauptgeschichte weitergeht. Da die aber gewohnt skurril und/oder dramatisch sind und sogar Auftritte von Figuren aus “Judgment” bieten, ist das verschmerzbar.
Gameplaytechnisch hat man hier “Yakuza 6” vor sich, allerdings mit einem neuen Kampfstil, bei dem Agentengadgets zum Einsatz kommen. Klingt nett, spielt sich aber ein wenig wurschtig – umso besser, dass das gewohnte Kiryu-Dampfhammer-Vorgehen auch erlaubt ist. Ich hatte mit dem Ding rund 20 Stunden großen Spaß, hab am Ende ein Tränchen verdrückt und bin jetzt total gespannt auf das im Februar erscheinende “Like A Dragon: Infinite Wealth”, zu dem “Gaiden” eine Brücke baut.
Machen:
– Einen Flug klicken und dabei sehr aufgeregt sein.
– Eine Überschwemmung im Haus entdecken und daraufhin tagelang räumen.
Neues Spielzeug:
Soundcore Liberty 4 NC
Ich mag das Unternehmen Anker ja sehr. Egal, was die Chinesen veröffentlichen, es ist immer technisch und qualitativ top und dabei meist im Verhältnis günstig. Unter der Marke “Soundcore” vertreibt Anker seine Lautsprecher und Kopfhörer.
Nachdem meine 2019er Kopfhörer von Billiganbieter Boltune ihre einst erstaunliche Kapazität von 19 Stunden Wiedergabe drastisch verloren hatten, musste nun etwas Neues her. Zum ersten Mal keine Bluetooth-Kopfhörer mit Neckband, das ich bislang sehr schätzte, weil man die nicht verlieren kann, sondern welche mit Ladeschachtel und Noisecanceling.
Und, was soll ich sagen – ich bin sehr begeistert von den Liberty 4 NC! Zugegeben, ich bin nicht audiophil, aber die Musikwiedergabe klingt für meine Ohren prima, die Bässe sind kräftig, wummern einem aber nicht das Trommelfell kaputt, die Mitten und Höhen klingen sehr klar und präsent. Auch Podcastwiedergabe klingt gut, ohne das man am Equalizer (der in einer App steckt) rumfummeln muss. Die Form ist für meine Ohren sehr angenehm, der Sitz in Ordnung – auch, wenn ich noch etwas größere Silikonkappen bevorzugt hätte, aber ich habe auch gigantische Ohrkanäle.
Die Akkulaufzeit ist rund 9 Stunden, das Ladecase schafft bis zu 5 Aufladungen, macht insgesamt 45 Stunden Wiedergabezeit, bevor das Ding an die Steckdose muss.
Der Hammer ist aber das Noisecanceling. Gerade monotone Geräusche wie Motoren im Zug oder im Bus verschwinden vollständig und weichen himmlischer Ruhe. Das hier ist mein erstes Paar Ohrhörer mit ANC, aber die Fachpresse schreibt, es sei nahezu auf einem Level mit denen der Airpods Pro – und dabei kosten die Liberty 4 NC gerade mal 80 Euro (in den regelmäßigen Aktionen sogar weitaus weniger).
Weniger toll ist der Transparenzmodus, bei dem die Kopfhörer Außengeräusche durchstellen kann, da sind Störungen und Rauschen drin. Aber ich kann Leute ohnehin nicht leiden, die bei Gesprächen mit anderen die Ohrhörer drinlassen, also mache ich das selbst auch nicht.
Ding des Monats:
Das Kleine Gelbe AutoTM, zum letzten Mal. Aus diesem Grund wird es hiermit feierlich umbenannt und findet fürderhin als Legendäres Gelbes AutoTM Erwähnung.