Momentaufnahme: Februar 2024

Momentaufnahme: Februar 2024

Herr Silencer im Februar 2024

“Sie wollten ja schwarz, und das ist ihre”

Wetter: Meist grau und regnerisch bei um die 8 Grad. In Summe der wärmste Februar seit Beginn der Aufzeichnungen. Und vermutlich der kühlste der kommenden Jahrzehnte.


Lesen:

Walter Moers: Die 13 1/2 Leben des Käpt´n Blaubär [2002]
Kleiner Blaubär zieht in die Welt hinaus und erlebt die ersten 13 1/2 seiner 27 Leben.

Ein früher Moers: Sprühend vor Fantasie, ohne sich dabei zu sehr im Worldbuilding oder endlosen Aufzählungen zu verlieren. Aber auch hier wird die Geschichte schon laufend von Einschüben unterbrochen, hier in Form von Lexikon-Einträgen. Nette, seichte Unterhaltung mit tollen Ideen.
Sehr lang, bin zur Hälfte durch.


Hören:


Sehen:

The Creator [2023, Disney+]
Künstliche Intelligenz hält Einzug in den Alltag, entwickelt sich – und jagt Los Angeles in die Luft. Danach wird KI in den USA verboten. Über die Jahre radikalisiert man sich und nimmt auch Menschen mit robotischen Prothesen ins Visier.

Wie sie nun mal so sind, trägt Amerika schließlich seine Überzeugungen auch in die Welt hinaus und überfällt Länder, in denen KI erlaubt ist und töten jeden, der sie kreieren kann. Unterstützt werden sie dabei von einer gigantischen Waffenplattform, die am Himmel schwebt und jederzeit Tod und Vernichtung bringen kann. Mittendrin ein Ex-Soldat, der auch dem radikalen Anti-KI-Glauben anhängt, aber durch einen Unfall selbst Prothesen bekommt.

Wahnsinnig kreativer Film. Design, Worldbuilding, Motivationen der Charaktere – das ist alles wahnsinnig gut ausgearbeitet und umgesetzt. Abseits der Details ist die Metaebene natürlich grandios: Die USA als christliche Radikalisten zu zeichnen, die Asien (und hier besonders Vietnam) überfallen, und aufgrund ihrer Ideologie transhumane und Menschen wahllos abschlachten, ist mutig – und durchaus in der aktuellen Realitiät verwurzelt.

Film für Menschen, die “Life. Die. Repeat.”, “Elysium” oder “Chappy” mochten. Für mich schon jetzt einer der Anwärter auf “Bester Film des Jahres”.

Hypnotic [2023, Prime]
William Fichner kann Menschen durch einen Wimpernschlag oder ein genuscheltes Wort hypnotisieren und dazu bringen, komplexe und schreckliche Dinge zu tun. Nur bei Ben Affleck klappt das nicht, weil der seine Tochter vermisst und deshalb “starke mentale Vorhängeschlösser” hat.

Unglaublich, was für eine gequirlte Kacke dieses Machwerk ist. Die Suspension of Disbelief ist ab Sekunde eins ausgesetzt, denn jeder, der nicht Generation TikTok ist, weiß einfach, dass Hypnose nicht so funktioniert wie dieser Käse uns das weiß machen will. Ich weiß nicht, was das Studio für Kompromat gegen Fichner und Affleck hat, dass die in diesen Scheiß gezwungen wurden. Ich habe den Film echt nach 20 Minuten ausgemacht, weil mir dieser Quatsch körperliche Schmerzen bereitet hat.

Für mich schon jetzt einer der Anwärter auf “Schlechtester Film des Jahres”

Night on Earth [1991, BluRay]
Eine Nacht, fünf Städte, fünf Taxis:
In New York versucht sich DDR-Auswanderer Armin Müller-Stahl an seiner ersten Taxifahrt, verliert völlig die Orientierung und muss sich am Ende von seinen Fahrgästen den Job erklären lassen.
In Paris wirft ein farbiger Fahrer zwei Rassisten aus seinem Taxi und bekommt anschließend von einer blinden Beatrice Dalle eine Lektion in Sachen Vorurteilen.
In Los Angeles lehnt Winona Ryder eine Filmrolle ab, weil sie lieber Automechanikerin werden will.
In Rom labert Roberto Benigni einen Fahrgast wortwörtlich zu Tode.
In Helsinki tauschen sich eine Gruppe Betrunkener mit Matti Pellonpäa darüber aus, was wirkliches Leid ist.

Ach, einer meiner Lieblingsfilme. Habe ich früher geguckt bis das VHS-Tape Streifen im Bild hatte. Inzwischen hat der Film 33 Jahre auf dem Buckel. Klamotten und Autos wirken altmodisch, die Geschichten der Menschen und ihrer Schicksale sind aber ebenso zeitlos wie berührend – genau wie die unfassbar tollen Leistungen der Schauspieler:innen.


Spielen:

The Last of Us, Part II [2020, 2023 PS5-Remaster]
Replay des grauenvollen Meisterwerks.

Rache wird in vielen Geschichten als starke Motivation der Hauptfigur genutzt. “The Last of Us, Part II” zeigt, was Verluste mit Menschen macht, die nicht loslassen können, und was der Wunsch nach Vergeltung wirklich tut: Einen Kreislauf der Gewalt erschaffen, der Charaktere ihre Menschlichkeit verlieren lässt und sie zu unfassbaren Gräueltaten verleitet.

“The Last of Us 2” inszeniert das auf eine Art und Weise, dass ich beim ersten Durchspielen in 2020 manchmal nicht mehr weiterspielen wollte.

Ich wollte nicht, das Dinge passieren, wie sie passieren. Aber das hier ist nicht meine Geschichte, sondern die der Ellie und Abby, und die handeln so, wie sie es tun.

TLOU2 zeigt damit auf eindrucksvolle Weise, das Videogames ein eigenständiges Medium sind, denn sie können etwas tun, was andere Medien nicht können: Die Spieler/Konsumenten zu Tätern machen. Das kann ein anderes Medium nicht leisten, und deshalb wird die Umsetzung dieses Games als Staffel 2 und 3 der TV-Serie nicht einfach werden.

“The Last of Us” ist Trauer und Leid, in jeder Sekunde und in jedem Augenblick. Beim zweiten Durchlauf weiß man schon, wie sich das Drama entfalten wird, aber der emotionale Impact ist immer noch da. Dieses Videospiel macht keine Freude. So viel Wut und Gewalt, so viel Schmerz und Verzweiflung kristallisieren um einen Kern aus Liebe – das kann Menschen nicht kalt lassen, die nur einen Funken Empathie besitzen.

Braucht nun das beste Spiel für die PS4 nur vier Jahre nach Release ein Remaster? Warum nicht – die PS4 lief stets am Anschlag und machte Geräusche wie ein Düsenjet, wenn TLOU2 lief. Auf der PS5: Totenstille, dafür aber bessere Performance, nahezu keine Ladezeiten, höhere Details und Sichtweiten, weniger Pop-Ins – das Spiel profitiert durchaus von der besseren Hardware.

Beim Remaster mit dabei sind ein neuer Roguelike-Modus, Making-Ofs und Entwicklungskommentare. Wer die PS4-Version schon besitzt, bekommt das Upgrade für 10 Euro.

Übrigens: Meine Sympathien liegen bei Abby, eindeutig.

Lost Words – Beyond the Page [Switch, 2021]
Isabelle ist neun Jahre und führt ein Tagebuch. Darin notiert sie ihren Alltag, schreibt aber auch eine Fantasygeschichte mit sich selbst in der Hauptrolle. Isabelle hängt sehr an ihrer Großmutter. Als es der gesundheitlich immer schlechter geht und sie schließlich stirbt, ist Isabelle verzweifelt und wütend und findet keine Worte mehr. Das Tagebuch hilft dabei, die Trauer zu bewältigen.

Was für ein wunderbares Kleinod! Man merkt, dass die Geschichte aus der Feder von Rhianna Pratchett stammt. Sehr einfühlsam wird das Verhältnis von Isabelle zu ihrer Großmutter geschildert, und wenn dann der Verlust eintritt, ist der emotionale Impact wirklich zu spüren. Das ist minimalistisch und gleichzeitig wunderschön in Szene gesetzt.

Auch wenn einige Bilder plakativ sind, verfehlen sie nicht ihre Wirkung. Wenn die Trauer Isabelle in der Fantasywelt in Form eines großen, schwarzen Hundes verfolgt oder die Protagonistin in einer nebelverhangenen Schwarz-weiß Welt jegliches Ziel verliert, dann fühlt man absolut, was sie gerade durchmacht.

Spielmechanisch gibt es nicht superviel zu tun, das Erleben der Geschichte steht hier klar im Vordergrund. Das Gameplay ist zweigeteilt: Während Isabelle Tagebuch schreibt, erscheinen Worte auf den Seiten, über die sie hüpfen und gelegentlich ein Puzzle legen oder Bilder malen muss. Das ist in erster Linie wunderhübsch anzusehen und sprüht vor Kreativität.

Davon losgelöst gibt es die Fantasygeschichte, in der man tatsächlich durch eine andere Welt reist, in der Worte Macht haben. Mit einem Stick wird Isabelle gesteuert, mit dem anderen wählt man Worte – Verben wie “Anheben”, “Zerbrechen” oder “Reparieren” – aus und ebnet der Figur so den Weg durch die Spielewelt. Das ist auf der Switch leider häufig sehr fummelig, weil die Sticks viel zu empfindlich reagieren und die milimetergenaue Platzierung der Verben zum Geduldsspiel wird.

Das stört aber selten wirklich, und die die wunderbare Geschichte um Verlust und Trauer gleicht das alles wieder aus.


Machen:
– Vermissen, immer noch.
– Eine V-Strom 800 Probe fahren und spontan kaufen.


Neues Spielzeug:


Ding des Monats:


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

4 Gedanken zu „Momentaufnahme: Februar 2024

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