Reisetagebuch (10): Die Triftsperre

Reisetagebuch (10): Die Triftsperre

Motorradherbst mit der Barocca. Heute geht es nach Hause.

Freitag, 13. Oktober 2023
Frühstück im alten Gebäudeteil der Offiziersvilla, dann verabschiede ich mich von der Familie. Es dämmert gerade erst. Die V-Strom steht schon fertig gepackt vor dem Haus, und heute Morgen springt sie ohne Probleme an.

“Danke!” stoße ich laut hervor, dann gebe ich Gas und lasse die Maschine über den geflasterten weg durch den Vorgarten des Restaurants rollen, fahre dann zügig durch das tiefe Kiesbett des Parkplatzes und ziehe schließlich auf die Bundesstraße, die an der Villa Maria Luigia vorbeiführt.

Es ist kühl, aber es regnet nicht, und das ist gut. Ich reihe mich in den Berufsverkehr ein, bis mir nach ungefähr zwei Minuten der Geduldsfaden reißt und ich die Barocca zwischen den Autos und LKW und dem Gegenverkehr vorbeimanövriere.

Nach zehn Kilometern wechsele ich auf die Autobahn. Das kostet Maut, aber alles ist besser als Berufsverkehr im Veneto.

Die Autobahn führt nach Westen, bis sie bei der Sternstadt Palmanova einen scharfen Knick nach Norden macht und an Udine vorbei in die Alpen führt. Greifvögel jagen über den Feldern und lassen sich von der Autobahn nicht stören.


Berge – Tunnels – Österreich. Die italienische Autobahn A23 wird zur österreichischen A2, und da an der Gabel der Barocca bereits eine Mautvignette klebt, die seit gestern aktiv ist, bleibe ich auf der Autobahn.

Das Massiv des Dobratsch-Nationalparks taucht auf, ein sicheres Zeichen, dass ich jetzt in Österreich bin.

Das Massiv verschwindet im Rückspiegel, und kurz vor Klagenfurth am Wörthersee fahre ich von der langweiligen Autobahn ab und folge jetzt der S37, was bei in Deutschland eine Bundesstraße wäre. Die ist fein ausgebaut, nicht zu dicht befahren und sie führt durch eine schöne Landschaft, die von Feldern und Bergen geprägt ist.

Ich genieße die Fahrt – die Straße ist gut und frei, die Landschaft schön und dreidimensional, das Wetter warm und sonnig – das ist Motorradfahren at it´s Best, gut für die Seele.

So geht es gemütlich durch die Ostalpen, über die Hohentauern und bei Kirchdorf an der Krems wieder aus den Alpen heraus, in weitem Bogen vorbei an Linz, auf Bad Füssing zu und schließlich, nach 590 Kilometern, hinein nach Passau.

Mich zieht es aber nicht in die Dreiflüssestadt, sondern in die Berge dahinter. Nach einigen Dörfern geht es eine schmale Straße entlang durch Wiesen, dann an der Ilz entlang bis zu einem abgelegenen Gasthaus.

“Gasthof zur Triftsperre” steht über der Tür, und ist einer von diesen Gasthöfen, die ich extrem mag. Moderne Zimmer, gutes Essen, vernünftige Preise. Sehr schön.

Ich werfe schnell das Gepäck ab, dann schwinge ich mich wieder auf das Motorrad und fahre zurück nach Passau, Freunde besuchen. Es wird ein netter Abend mit Spaziergängen am Inn und einem Besuch in einem Wirtshaus.

Es ist bereits dunkel und recht kühl, als ich mich aus dem Wirtshaus verabschiede und zurück zur Triftsperre fahren will. Schon als ich den Schlüssel im Zündschloss drehe, weiß ich, das etwas nicht stimmt. Die Benzinpumpe startet wieder nicht, und dieses Mal bringt Zündung an/aus auch nichts. Frustriert klicke ich den Killschalter auf “aus” und wieder “ein”, und in dem Moment ertönt das vertraute Surren, die Pumpe kommt und die Maschine springt an. Offensichtlich hat sich die V-Strom einen Elektrolurch gefangen – aber was für einen bloß? Es ist sehr schnell recht kalt geworden, ist vielleicht ein Temperaturunterschied die Ursache?

Samstag, 14. Oktober 2023
Die letzte Etappe auf dem Weg nach Hause. Es ist kurz nach sieben, und es ist kühl – gerade mal fünf Grad sind es noch. Bevor ich in den Sattel steige, schlendere ich über den Holzsteg und schaue mir an, was eine “Triftsperre” eigentlich ist. So richtig schlau werde ich nicht, da stehen halt Reste von Säulen im Wasser.

Was sich nicht leugnen lässt: Der Herbst hat Einzug gehalten. Vor einer Woche war ich noch im Sommer, aber hier sind die Bäume bunt und man merkt, wie sich alles dem Ende zuneigt.

Ich steige auf die V-Strom, drehe den Zündschlüssel um und die Maschine springt klaglos an. Uff.

Der Weg nach Hause ist unspektakulär und regnerisch. Trotz Autobahn ist die Fahrt nett, denn es geht durch Ostdeutschland, und ostdeutsche Autobahnen sind viel leerer und weniger stressig als die im Westen.

Hinter Suhl mache ich einen Toilettenpause. Meine Güte, ist die Suzuki dreckig. Die muss erst einmal ordentlich gesäubert und konserviert werden.

Jetzt bin ich schon fast zu Hause. Zündung an und… Nicht schon wieder! Es tut sich nichts, die Barocca blinkt zwar, ist aber tot.
Nochmal.
Zündung aus, Zündung an.
Nochmal.
Zündung aus, Zündung an.
Nichts.
Killschalter aus, Killschalter an.
Nichts.

Die Benzinpumpe bleibt tot.

Ein Versuch noch…

Seitenständer raus, Seitenständer rein. SURRRRRRR…. Die Benzinpumpe läuft an, die V-Strom startet.

Ok, JETZT habe ich einen Verdacht. Die Barocca ist nun 13 Jahre alt und hat 106.000 Kilometer runter. Sie war bislang immer zuverlässig, aber die Zeit nagt nunmal. In letzter Zeit sind Gummiteile porös geworden, Plastikteile haben Risse bekommen und nun fangen anscheinend die Elektroteile an, schlecht zu werden. Wenn ich nicht falsch liege, dann ist der aktuelle Fehler ein Relais, was so viel Abbrand hat, das es gelegentlich hängt. Oder es ist die Benzinpumpe, Aber das Fehlerbild, das sie mal nach Zündung, mal nach Killschalter und mal nach Seitenständerschalter wieder anläuft, kann auch das Relais sein. Keine große Sache, aber es summiert sich halt mit vielen anderen Kleinigkeiten.

Vor eineinhalb Jahren habe ich nochmal was zweieinhalb Tausend Euro in die Maschine gesteckt, und von Reifen über Kette und Bremsscheiben bis hin zu einer Gabelrevision alles Mögliche machen lassen. Kann sein, dass mit dem Austausch des Relais jetzt einfach die nächsten Jahre Ruhe ist. Kann aber auch sein, dass sich ab jetzt diese Art Kleinigkeiten häufen.

Kann auch sein, dass es Zeit wird für etwas Neues.. Aber das denke ich nur, während ich zu Barocca sage “Na komm, Du alte Dame. Gleich sind wir zu Hause” und ihr den Tank tätschele.

Zwei Stunden später steht die V-Strom 650 in der heimischen Garage. Wir haben es wieder einmal geschafft, das waren jetzt 6.142 Kilometer und fast vier Wochen auf der Straße.

Zwei Tage später wird sie in die Inspektion gehen und für 12 Euro ein neues Benzinpumpenrelais bekommen, und damit verschwinden die Startprobleme. Ach, ich schätze die V-Strom. Aber als ich mit der Hand an der Flanke der Maschine entlangfahre, werde ich irgendwie den melancholischen Gedanken nicht los, dass das hier vielleicht doch unsere letzte gemeinsame Tour war.

Nun, die Zukunft wird es zeigen. Vielleicht werden wir noch einmal gemeinsam Forellenhütten in den Bergen und la Famiglia im Veneto besuchen. Vielleicht ändert das kommende Jahr auch alles. Wir werden sehen.

Damit schließt sich das Reisetagebuch für heute, und leider auch für recht lange Zeit. 2024 ist ein seltsames Jahr voller Veränderungen. Eine Motorradtour ist nicht geplant, und die nächste Reise steht erst im Oktober an.

Von daher: Danke an alle, die hier im Blog mitgereist sind, egal ob ihr still mitgelesen oder euch in die Kommentare gewagt habt.

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Hier noch einmal der ganze Motorradherbst im Video.

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Die gesamte Tour: 6.142 Kilometer, fast vier Wochen on the Road.

Strecken auf Sardinien:

Vom Dementor Basel über seltsame GS-Fahrer, deren Urlaub nur ein guter ist wenn es crasht, über Touren auf Sardinien, die schönste Frau Italiens, das Gold der grauen Toskana bis hin zu der Sache mit den Schafen. Alle Reisetagebucheinträge:

0 Gedanken zu „Reisetagebuch (10): Die Triftsperre

  1. Das wird wohl eine lange Durststrecke für uns Reisetagebuchliebhaber (was für ein Wort)

    Auch diesmal danke ich dir für´s mitnehmen und finde es nach wie vor wunderbar, dass ich beim lesen den warmen Fahrtwind spüren kann und mit dir sinnbildlich durch die Kurven düse.

  2. 🙏 Danke fürs dabei sein dürfen ganz wundervoll! ❤️ich werde das sehr vermissen! Und für alles was in diesem Jahr kommen mag und verändern wird, wünsche ich dir das Beste🧚🏻‍♀️☀️🍀🚀

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