Reisemotorrad 2024: Suzuki V-Strom 800

Reisemotorrad 2024: Suzuki V-Strom 800

Ein nacktes Motorrad zu kaufen ist immer nur der Anfang! Motorisierte Zweiräder wollen individualisiert und auf die Vorlieben ihrer Besitzer angepasst werden – erst recht solche, mit denen es auf Reisen gehen soll. Nach zwölf Jahren Erfahrung mit langen Touren weiß ich mittlerweile sehr genau, was ich an einem reisetauglichen Motorrad benötige. Durch eine Kette von glücklichen Zufällen in Tateinheit mit starker Motivation ist nun binnen der Rekordzeit von nur vier Wochen die V-Strom 800 SE entstanden – “SE” für “Silencer Edition”. Das kam so.

Vom überraschenden Kauf der V-Strom 800 hatte ich ja schon berichtet. Zwei Wochen später, also am 08. März, war es schon soweit: Die Barocca war abgemeldet und ihr Kennzeichen an die V-Strom 800 übergegangen, denn auf die “V137” wollte ich nicht verzichten.

Hier drei Generationen des Kennzeichens: Links das erste, das beim Unfall 2017 zerstört wurde, in der Mitte dessen Ersatz, den die Barocca sechs Jahre lang trug, rechts die neue Version für die 800er.

Für ihre letzte Fahrt musste die 650er ein kuchenblechgroßes Überführungskennzeichen tragen. Was für eine Demütigung.

Die letzte Fahrt der Barocca führte in das Dorf hinter Kassel, wo der Suzuki-Händler wohnt. Dort wartete schon die 800er, abholbereit und zum guten Teil fertig umgebaut. Dass das jetzt überhaupt möglich war, war purer Zufall und wieder diesem genialen Händler zu verdanken, der schon auf irgendwelchen Wegen die 800er als eine der ersten in Deutschland beschafft hat.

Seit 13 Jahren gehe ich jetzt auf lange Motorradtouren und weiß, was ich in einem Motorrad brauche und was nicht. Meine bevorzugten Hersteller sind die Italiener von Givi oder die deutsche Firma SW-Motech. Ein paar Dinge haben sich als wirklich essentiell für mich herausgestellt, und dazu gehören:
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  • Gepäckträger für Topcase oder Gepäckrolle
  • Seitenträger für Koffer
  • ordentlicher Sturzbügel
  • Handschutz
  • Motor- und Kühlerschutz

Nur: Das gab es alles noch nicht für die V-Strom 800, weil sie halt gerade erst auf den Markt gekommen ist. Allerdings brachte Suzuki im vergangenen Jahr schon die größere Geländeversion, die 800DE, heraus und vermutlich würden Teile, die für die gemacht sind, auch an die Straßenversion passen. Nur können das leider die Ausrüstungshersteller nicht ausprobieren, weil: Sie haben noch keine Testmaschinen.

Dieses Drama hatte der Suzukihändler mitbekommen, und er bot eine Lösung dafür an. “SW-Motech ist nicht weit weg, die sitzen hier umme Ecke. Und ich habe die in der Vergangenheit schon öfter mal mit Testmaschinen beliefert. Ich kenne die Ingenieure da und frage mal, was die meinen, ob das passt. Falls ja, lasse ich mir von denen mal ein Gepäcksystem kommen, und wenn es passt, haben die damit gleich ihr Testmopped”.

Zum mindestens dritten Mal hatte mich der Händler damit verblüfft – und der Gedanke, das MEINE V-Strom 800er das Testmodell für SW-Motech sein sollte, fand ich auch ziemlich cool.

Gesägt, tun getan: SW-Motech schickte Anfang März ein großes Paket, und schon eine Woche später war meine 800er aus- und umgerüstet. Als erste, oder eine der ersten, Maschinen in Deutschland überhaupt, und der Katalog von SW-Motech führt die Straßenversion der V-Strom 800 seitdem ganz offiziell als kompatibles Fahrzeug.

Die SW-Motech-Teile sind aber nur ein Teil der Ausstattung, auch aus dem Zubehörkatalog von Suzuki kam einiges dazu.

Was mich bei V-Stroms immer nervt, ist der geringe Schutz der Motorkomponenten und der Kühler. Anfangs hatte meine 650er keine Schutzgitter vor Motor und Kühler, und ich hielt die auch für Quatsch. So lange, bis kaputte Lamellen aus dem Kühler rieselten, die sich Schotterbeschuss eingefangen hatten.

Aus diesem Grund sollte die V-Strom 800 den originalen Kühlerschutz von der 800DE bekommen. Der passt leider nicht, die DE hat am Kühler zwei Haltenasen mehr, ohne die es nicht geht. Aber immerhin einen Motorschutz hat sie gekriegt. Das geht aber auch nicht so einfach, denn standardmäßig hat die Straßenversion keine Befestigungspunkte für den originalen Unterfahrschutz oder den Sturzbügel.

Dafür ist ein “Rahmenunterzug” nötig, quasi ein Hilfsrahmen, der vor den Motor gebaut wird. Den hat meine 800er von der 800DE bekommen, bei der standardmäßig der erweiterte Rahmen verbaut ist. Er dient als Befestigung für einen Unterfahrschutz, der Abgasanlage und Motor vor Bordsteinen und Bodenwellen schützen wird. Aktuell ist nur eine Plasteabdeckung da drauf, wenn es richtig losgeht, wird die durch eine Aluwanne von SW-Motech ersetzt.

Der untere Rahmen dient ebenfalls als Befestigung für den Suzuki-Sturzbügel. Der ist ein martialisches Ding, hochgezogen bis zum Tank und weit vom Motorrad abstehend. Es wirkt gerade so, als hätte Suzuki hier etwas zu kompensieren. Vielleicht ist das auch die Entschuldigung für den Winzwitz von Sturzbügel der ersten V-Strom 650, der aus einem peinlich kleinen U-Rohr bestand, das genau gar nichts schützte.

Ebenfalls ein Originalteil ist der Hauptständer. Der ist wesentlich besser konstruiert als der von der L0-650er, das Aufbocken geht damit wirklich sehr einfach.

Der Originalträger wirkt so, als könne er gerade mal einen Turnbeutel tragen. Der neue Heckträger ist jetzt komplett SW-Motech. Das “Adventure-Rack” fügt dem Standardgepäckträger zusätzliche Trägerrohre hinzu, die ihn stabilisieren und die Last verteilen. Eine neue Trägerplatte hat Zurrpunkte und kann mit Adapterkits für Topcases und Taschen verschiedener Hersteller umgerüstet werden, ich bevorzuge Givi.

Die “Pro”Seitenträger sind die Nachfolger der Evo-Reihe und m.E. in allen Belangen schlechter. Sie sind immer noch abnehmbar, aber statt aus Profilen bestehen sie nun aus Stanzteilen, können 5 kg weniger tragen als die Evo und stehen zudem recht weit ab.

Der weite Abstand wirkt seltsam, zumal SW-Motech auch die Original Suzuki-Träger baut (die exakt so aussehen wie die alten Evos!), und die sind aus Profilen gefertigt und liegen enger an. Allerdings sitzen die auch recht hoch am Motorrad und lassen sich nicht mit einem Gepäckträger kombinieren. Irgendwas ist halt immer.

Wieder mit dabei ist übrigens das Garmin Zumo 590 als Navigationslösung. Das hat zwar jetzt schon 11 Jahre auf dem Buckel und ist mittlerweile sehr langsam bei der Darstellung von Übersichten über Touren, die mehrere Hundert Kilometer lang sind. Allerdings ist Anna bis auf die Rechengeschwindigkeit bei dieser speziellen Ansicht den modernen Garmin ZUMO XT2s immer noch überlegen. Die können Dinge, die ich nicht brauche (Spotify, Tripafvisor), dafür gibt es bei denen keine Wetterübersichten mehr, die Anzeigefläche auf dem Display ist kleiner und das Reifendrucksystem lässt sich auch nicht nutzen. Anna hat jetzt Karten von Open-Street Maps eingepatcht bekommen, damit geht die Übersichtsdarstellung von langen Touren wieder schneller.

Das Zumo sitzt auf einer RAM-Mount Halterung auf der Gabelbrücke. Zwar hat die 800er einen Befestigungsbügel an der Scheibe, aber dort ist es mir zu sehr in der Sicht.

Als Tourenfahrer weiß ich es zu schätzen, alles Wichtige an Bord zu haben. Die 650er hatte unter der Sitzbank so viel Stauraum, das ich da Papiere, Verbandskasten, den Tank für das Kettenölsystem, Reifenflickzeug, Bordwerkzeug, Panzerband, Flüssigmetall, Ersatzkabel und Schellen, Draht und noch etliches mehr unterbringen konnte. Die 800er hat ÜBERHAUPT keinen Platz, für nichts. Schon das Verbandspäckchen muss man arg quetschen, und mehr geht dann auch nicht rein. Das mitglieferte Bordwerkzeug ist ein Witz, gerade mal zwei Imbus Innensechskantschlüssel und ein Schraubendreher liegen der Maschine bei. vermutlich denkt Suzuki, dass man eh nichts mehr selbst an der 800er machen kann, und hat deshalb einfach alles weggelassen. Ich habe aber gerne ein wenig mehr dabei.

Die Lösung dafür ist eine Toolbox namens “Trax” von SW-Motech, die auf der Innenseite der Seitenträger montiert ist. Die Bauform ist dreieckig und damit maximal seltsam, nimmt man sich doch durch diese Form ordentlich Stauraum. Die Befestigung ist bei der V-Strom 800 auch nicht ganz einfach, weil die Trax-Halter etwas dumm konzipiert sind und gerne gegen die Verkleidung der Sitzbank stoßen. Ein paar zusätzliche Abstandshalter waren nötig, um die Brotdose zu befestigen.

Hier finden jetzt Reifenset, Warndreieck, Ersatzteile, Werkzeug und Panzerband Platz. Und wo ich gerade dabei war, gab es auch noch diese Standfußverbreiterung, denn das Ende des Seitenständers ist nur plattgeklopftes Stahlrohr, das in Nullkommanix in weiche Untergründe einsinkt.

Die erste längere Fahrt führte nach Coburg, wo die V-Strom in der CLS-Manufaktur Heizgriffe, ein Anschlussmodul und ein Kettenölsystem bekam. Hochwertige Komponenten, verbaut vom Erfinder selbst.

Die 1.000-Kilometer-Inspektion wurde dann noch genutzt um Handschützer von SW-Motech anzubringen. Anders als die Originalteile von Suzuki werden die nicht an die Spiegel geklemmt, sondern direkt am Lenker befestigt. Ebenfalls anders: Die sind nicht nur aus Plaste, sondern haben, genau wie die Barkbusters-Handguards, innen einen stabilen Alubügel. Damit schützen sie nicht nur meine Hände, sondern auch Kupplungs- und Bremshebel. Die Außenschalen sind das neue “Adventure”-Design inkl. Wetterschutz und Fallkanten.

Gut zu sehen: der Wetterschutz ist die aufgesetzte Erhöhung, die Fallkanten dämpfen Umfaller und können einzeln ausgetauscht werden.

Was jetzt noch kommt: Andere Reifen. Ich traue den Dunlop 614, mit der die V-Strom ausgeliefert wurde, nicht wirklich. Die fahren sich gut, aber wie lange werden sie halten? Das weiß niemand. Auch Dunlop nicht.

Auf meine Nachfrage, was das überhaupt für ein Reifen sei und auf welche Anforderung hin er konstruiert sei, kam ein fröhliches wie nichtssagendes “Der D614 wurde von Dunlop-Japan speziell für die V-Strom 800 entwickelt.”

Auf eine erneute und zugespitzte Nachfrage kam ein leicht genervtes “der D614 bietet eine solide Performance auf der Landstraße, hat aber keine nennenswerten Stärken. In der Regel bieten die japanischen Erstausrüstungsreifen aber eine geringere Performance als unsere Replacement-Reifen.” Die Erstausstattung der 800DE hält ca. 4.000 km – falls der D614 ähnlich lang hält, ist das auf jeden Fall zu wenig, um über den Sommer zu kommen.

Mitte Mai kommt nun der Dunlop runter und dafür Metzeler Tourance Next II drauf, und dabei werden auch Metallventile eingebaut, damit Annas Reifendruckkontrollsystem wieder nutzbar ist.

Damit ist dann aber auch gut, und das Reisemotorrad 2024 fertig. Dass das jetzt SO dermaßen schnell ging, quasi binnen 4 Wochen, hätte ich mir im Leben nicht träumen lassen. Ich war schon traurig, weil ich fast damit gerechnet hatte dieses Jahr gar nicht mit dem Motorrad rauszukommen. Nun bin ich einer der ersten mit einer reisetauglichen V-Strom 800. Schräg.

Nachtrag: Im August, nach einer ausführlichen Testfahrt in den Abruzzen, bekam die V-Strom noch zwei neue Augen: Nebelscheinwerfer von SW-Motech. Zusatzscheinwerfer hielt ich immer für Mumpitz, im Fall dieser Maschine sind sie aber sinnvoll: Der Lichtkegel des Hauptscheinwerfers ist eng begrenzt und streut nicht, und gerade nachts auf Schlängelwegen ist mehr Licht sehr wünschenswert. Mehr Sichtbarkeit ist ohnehin nie verkehrt.

Frühere Reisemotorräder:

Version 2019
Version 2018
Version 2017
Version 2013
Version 2012

19 Gedanken zu „Reisemotorrad 2024: Suzuki V-Strom 800

  1. Ich fahre ja auch ein altes Garmin zumo, das ‘kleinere’ 350 seit .. äh.. auch fast so lange. Hatte immer mal darüber nachgedacht auf was Neueres zu wechseln, weil dann beispielsweise kabellose Dat enübertragung vom Telefon und RDKS auch möglich wäre, aber die Kartendarstellung und vor allem die möglichen Felder haben mich dann doch immer abgehalten. Da gab es ja schon Unterschiede zu dem 390, was äußerlich identisch war, aber das UI dafür nicht mehr schön.

    Aber das 350 läuft und läuft, merke nicht das es langsamer wird, war halt immer schon nicht schnell zum Planen, daher mache ich das immer noch am Computer, aber beim Route neuberechnen reichtes immer.

  2. Max: Planen tue ich auch am Rechner. Mich nervt halt wirklich nur die Landesübersicht, die baut sich teilweise auch nach mehreren Minuten nicht mehr auf. Wirkt, als wäre da im Hintergrund irgendein Filter verkehrt gesetzt, der zu viele Detailinfos versucht zu laden. Das scheint aber generell kaputt zu sein, auch ein branneues XT2 hat damit Probleme.

    Die alten Geräte sind tatsächlich von der UI besser. Das neue XT hat zwar einen größeren Bildschirm, aber der wird bei der Anzeige von Reisedaten von riesigen Rahmen mit totem Raum wieder so klein gequetscht, dass im Endeffekt weniger zu sehen ist als auf den kleineren, älteren Geräten.

  3. Herzlichen Glückwunsch zum Möpp.

    “Das” ideale Motorrad wird es wohl nie geben, kommt deinem Verwendungszweck aber höchstwahrscheinlich nahe.

    Kritikpunkt für mich wäre der breite Hintern wie an meiner Jetzigen, die Materialersparnis beim Kofferträger, daß es noch nicht die breite Masse an Zubehörteile gibt, bringt die Zeit.

  4. Hallo Silencer,

    hoffentlich hast du sehr lange Freude an diesem schönen neuen Motorrad. Der Sturzbügel ist aber nicht vorne am Rahnen befestigt? Bei der Tiger 900 haben sich schon etliche den Rahmen zerstört. Die Sturzbügel sind eher suboptimal.

    Gruß Thom

  5. Hi Thom,
    vielen Dank für die guten Wünsche und den Hinweis! Der Sturzbügel ist tatsächlich am Motor und am Rahmenunterzug angeschlagen. Wenn der letztereer Kaputt geht, ist das ärgerlich, aber der lässt sich einzeln und zu vertretbaren Kosten austauschen.

  6. Moin,

    wegen der Reifen würde ich mir nicht zuviel Sorgen machen.

    Sie brauchen zwar etwas, bis sie auf Temperatur sind, halten aber, bei vernünftigem Reifendruck(2,3/2,5 solo, 2,5/2,8 beladen/AB) und ohne Etappen über 130 km/h, bei mir schon 7500km mit Sardinien- Tour. Profil v 3,0 h 5,0.

    Meine 800 habe ich, mit ähnlicher Kaufgeschichte, seit Ende März.

    Viel Spaß und viele schöne Touren!

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