Nach dem Aygo-Crash
Der Aygo wurde Ende Juli von einem Ford Ranger von der Straße gerammt. Sah erstmal so schlimm nicht aus, der Schaden, und das kleine Autochen fuhr noch tapfer bis zur nächsten Werkstatt. Dort aber stellte ein Sachverständiger fest: Er ist tot, Jim.
Die Achse hat einen mitgekriegt, das linke Rad stand schief, Aufhängungen und Innenraum deformiert. Reparaturkosten hätten sich auf 7.200 Euro belaufen und damit auf 172% des Fahrzeugwerts, also Totalschaden.
Schon beim Gutachten ging das Wrack in eine Restebörse, wo es noch rekordverdächtige 1.500 Euro erzielte. Über die Aufkaufplattform werden jetzt, drei Wochen nach dem Unfall und zwei Wochen nach dem Gutachten, der Verkauf und die Abholung abgewickelt. Wenn alles klappt, wird das Wrack am Donnerstag abgeholt und nach Wroclaw verbracht.
Zeitgleich krallte sich meine Rechtsanwältin den Fall, weil Spaß mit der gegnerischen Versicherung zu erwarten ist. Der steht noch aus, ist aber wahrscheinlich. Die Einfahrt, an der das passiert ist, hat vor 5 Jahren EXAKT den gleichen Unfall gesehen, und damals ging es durch die Instanzen – weil die gegnerische Versicherung der Meinung war, dass blinken und dann abbiegen einen Fahrfehler darstellt, und wenn man dann von hinten gerammt wird, trüge man eine Mitschuld. Nunja.
Nachdem die Diagnose Totalschaden feststand, habe ich mich nach anderen Autos umgesehen. Hatte ich Lust drauf wie Kuh auf´s melken, gerade jetzt, wo ich eh andere Sachen um die Ohren habe. Aber hilft ja nichts. Ewig alle Wege mit der ZZR machen ist spätestens dann nicht mehr spaßig, wenn der Sommer endet.
Ich stehe zum Downsizing, es sollte also wieder ein Kleinstwagen werden. Zuverlässig sollte er auch sein, also schieden Fiat 500 und Twingo leider wieder aus.
E-Auto schied auch aus. Ich bin kein Fan von Leasing oder Finanzierung, und für das vorhandene Budget gab es als gebrauchte Stromer in der Umgebung nur den Renault Twizzy (Zweisitzer ohne Fensterscheiben) oder alte und leistungsschwache ZOEs mit einer monatlichen Batteriemiete von 70 bis 100 Euro. Also leider, leider ein Verbrenner – aber nun, ich habe ohnehin keine Möglichkeit privat zu laden und keine Lust, den Vermieter zum Jagen zu tragen.
Aygos gab es gerade nur einen in Götham, und der hat mir gefallen: Innen gut gedämmt, Ausstattung Ok – im Gegensatz zu meinem alten, der extrem puristisch und auf das Wesentliche reduziert war, ein vollwertiges Auto und dazu eines mit einem ruhigeren Lauf. Leider mit 9.500 Euro recht teuer, bei gelaufenen 63.000 km.
Blogleser Jay brachte mich dann auf den Toyota Yaris. Auch klein, aber eine Nummer größer als der Aygo. Polo-Klasse, sozusagen, als der Polo noch nicht der Golf und der Golf noch nicht der Passat war.
Gebrauchte Yarisse gab es mehrere, für wenig mehr Geld als den Aygo. Einer stach aus der Liste der Suchtreffer heraus, den wollte ich unbedingt so bald wir möglich sehen. Also fuhr ich Samstag vor zwei Wochen früh morgens mit der V-Strom in den Harz und klapperte Händler ab. Was schon deshalb interessant war, weil man da noch echte Verkäufer-Schlachtrösser findet. Highlight war ein grantiger Mittsechziger mit absurd schlechtem Toupet. Ein Mensch der wirkte, als sei der durch ein Zeitloch aus den Achtzigern gefallen. “Gucknse sich den Wagen erstmal an. Watt? Probefahren? Ja jetzt sofort oder was? Da muss ich aber Kennzeichen holen.” Was mir aber fast noch lieber als die jungen dauerplappernden Jungverkäufer, die kein Stück zuhören aber von ihrem letzten Urlaub erzählen. Die Erkenntnis: Bei Gebrauchtwagenhändlern arbeiten allen Ernstes Menschen, denen ich keinen Gebrauchtwagen abkaufen würde!
Zunächst guckte ich mir einen Yaris an, der gerade frisch reingekommen war. 40.000 runter, 101 PS, fünf Jahre alt, in der Zeit aber drei Besitzer gehabt. Noch nicht aufbereitet, aus dem Innenraum hätte man sich problemlos einen neuen Hund zusammenbürsten können. Da passt es, da im Handschuhfach der Arbeitsvertrag des jungen Manns lag, der den Wagen nach einer Waltraud gefahren hatte. Beide hatten Eindruck hinterlassen: Rundum waren alle Felgen und die Spiegel kaputt. Aber: Fuhr geil. Hing am Gas, zog ordentlich.
Als nächstes, bei einem anderen Händler, wurde ein 5 Jahre alter Hybrid Probe gefahren. 116 PS-Systemleistung, von der aber nichts zu merken war. Rein elektrisch fährt der nur ein bis zwei Kilometer, Aufladen tut die Batterie ausschließlich über den Verbrenner.
Schönes Fahrzeug, hat mir aber nicht gefallen. Die stufenlose Automatik ließ dauernd den Motor aufheulen, so will ich nicht fahren. Bei meinem Fahrprofil verbraucht der Hybrid eh kaum weniger als ein reiner Verbrenner, weil der geringere Verbrauch des Verbrennungsmotors durch das Gewicht der Elektrokomponenten kompensiert wird.
Kandidat drei war einer, der mir sofort ins Auge gestochen war. Ein 2021er Modell in “Mangan-Bronze” (Ich Banause würde ja sagen: Das ist goldfarben), mit Sonderausstattung und 80.000 Kilometern auf der Uhr.
Auf dem Hof entdecke ich zuerst einen, von dem ich hoffe, dass es NICHT der war: Bronzefarbe, aber von oben bis unten beklebt mir “Simons Cat”-Stickern. Zum Glück war er das nicht.
Der, für den ich mich interessierte, stand ein Stück weiter. Und schon beim ersten Anschauen fand ich das Design toll. Ein Kleinwagen, der sich aber traute eine markante Front und eine wunderbar kurvige Seitenlinie mit ausgestellten Radhäusern zu tragen. Nach Jahrzehnten biederer Mainstream-Langeweile bei Toyota sah der hier echt fesch aus!
Angeblich von einer Frau, die einen sehr langen Arbeitsweg hatte, was die hohe Kilometeranzahl in drei Jahren erklärte. Die Dame soll dem Wagen hinterhergetrauert haben. Sie mochte den wohl und hat ihn angeblich sehr gepflegt, wegen Familienzuwachs brauchte sie aber was größeres. Gepflegt war der Yaris auf jeden Fall. Ich fand keinen Kratzer, das DEKRA-Gutachten zur Optik fand einen am Frontspoiler und einen Nadelkopfgroßen Steinschlag in der Frontscheibe.
Ein reiner Verbrenner mit 125 PS, Verbrauch geringer als der ältere Hybrid, bei einem Gewicht von gerade mal 1.100 kg. Also wieder ein Hot Hatch, wie das Legendäre Gelbe AutoTM?
Leider nein. Von der Leistung war nichts zu merken, und die Bremsen schleiften.
Er fuhr sich beschissen.
Dazu kam: Aus der Lüftung roch es, als ob da eine Stracke drin lag.
Trotzdem mochte ich den Wagen. Wollte aber in der kommenden Woche erst noch einen anderen Yaris Probe fahren, fünf Jahre alt und mit nur 20.000 km runter.
“Reservierung machen wir nicht”, sagte der Verkäufer, “Und auf den Wagen haben wir schon weitere Anfragen.”
Ich lehnte mich entspannt zurück. “Wissen Sie, gegen “Fear of Missing Out”, bin ich völlig immun. Ich lasse mich nicht unter Druck setzen. Wenn Sie den nicht reservieren wollen…” Ich drehte den Kopf zur Seite und machte ein “Pöh” Geräusch.
Was der Verkäufer nicht ahnen konnte: Ich bin FÜRCHTERLICH anfällig gegen FOM, habe eine mangelnde Impulskontrolle und war verknallt in den Wagen. Ich musste in diesem Moment wirklich jeden Fitzel Selbstbeherrschung zusammenkratzen, um cool zu tun.
Der Verkäufer sah mich einen Augenblick an. “Wussten, Sie, dass wir auch über die Website verkaufen?”
Dann schwieg er.
Ich überlegte einen Moment, verstand, nickte, zog das Handy raus, griff mir eine seiner Visitenkarten vom Schreibtisch und wählte die Nummer darauf. Das Telefon auf dem Schreibtisch begann zu klingeln. Der Verkäufer ging ran.
“Tach Herr Dingens, dieser Manganfarbene Yaris, den ich vorhin Probe gefahren habe – den hätte ich gerne. Machen sie bitte die Unterlagen fertig und schicken Sie sie an meine Mailadresse”, sagte ich und legte auf.
Noch am gleichen Tag, zu Hause, unterzeichnete ich den Kaufvertrag. Da das Ganze nun übers Internet lief, war es ein Fernabsatzgeschäft und ich hatte zwei Wochen Widerrufsrecht, sollte der andere mir doch besser gefallen.
Aber zu der Probefahrt kam es gar nicht mehr. Ich hatte mich in den Goldfarbenen wirklich verliebt, der sollte es sein. Einen Tag nach Vertragsunterzeichnung überwies ich den Kaufpreis. Abzüglich dem, was ich für das Aygo-Wrack und den Unfall noch bekomme, zahle ich für den nun rund 7.000 Euro.
Der Händler brachte den Wagen durch die Hauptuntersuchung, erneuerte Bremsscheiben und Beläge, machte eine Klimaanlagenwartung und eine Inspektion. Ein Zulassungservice meldete die Kiste dann an und den alten Aygo ab. Das kostete jetzt teuer Geld, ging aber schneller als ich einen Termin bei der Zulassungstelle hätte bekommen können. Nun, dreieinhalb Wochen nach dem Aygo-Crash, ist der goldene Yaris seit Freitag meiner. Ersteindruck, nach rund 250 Kilometern: Doch, der macht Spaß.
Gucken wir mal, wie er sich so macht.
6 Gedanken zu „Nach dem Aygo-Crash“
Den fährst du dir schon noch spritzig 🙂
Cooles kleines Teil, und ein Wahnsinn was solche Mini Autos gebraucht kosten! Viel Spaß damit!
Ein Smart wäre auch etwas für dich.
Das stimmt. Allerdings nur die alten, die neuen sind ja auch schon schon wieder groß wie ein SUV.
Das Auto vom Rallye-Weltmeister – Glückwunsch!
https://www.toyota.de/entdecke-toyota/motorsport/world-rally-championship
Allzeit gute Fahrt und immer eine Hand breit Luft am Heckstoßfänger! 😉
Dangge!
Geile Karre! Glückwunsch!