Kein Reisetagebuch (7): Serienduscher
Keine Reisetagebuch. Heute mit unseligen Tunnels, unsichtbaren Gefahrenlagen und unerklärlichen Fehlfunktionen meines Körpers. Es wird schmutzig.
Freitag, 19. Juli 2024, La Vecchia Fontana, Abruzzen.
Der Ablauf ist immer der gleiche. Die Schwingtür zur Küche fliegt auf, Mauro kommt herein, stellt etwas zu Essen auf den Tisch, sagt oder fragt etwas und verschwindet dann wieder. Eine halbe Minute später fliegt wieder die Schwingtür auf und es geht weiter.
So füllt sich das Tischchen vor mir rasant mit leckersten Dingen: Selbstgebackene Cialde (Waffeln), Torta (Kuchen), Biscotti (Kekse), ein Teller mit frisch geschnittenen Aprikosen, Feigen und Äpfeln aus dem eigenen Anbau, ein undefinierbarer Krapfen mit einem Schlag Sahne drauf, Toast, handgemachte Konfitüre und und und, bis ich fast verzweifelt rufe “Stop! Ich kann nicht den ganzen Tag essen, ich muss los!”
“Was soll das heißen, Du musst los?”, ruft Anna und steckt den Kopf aus der Küche.
“Mamma, er bleibt dieses Mal nur eine Nacht”, erklärt Mauro.
“Genau, heute muss ich in die Nähe von Venedig”, sage ich.
Mauro überlegt. “Das sind wie viele Kilometer? 600?”
Ich nicke. “Ungefähr, ja.”
“Na, dann los. Vai! Vai!”
Ein letztes Abschiedsfoto mit dem Team “La Vecchia Fontana“, eine feste Umarmung, dann schwinge ich mich auf die V-Strom, heize den Bröckelweg hinauf und schwenke auf die schmalen Bergstraßen. War nur ein ultrakurzer Besuch, aber auch kurze Besuche erhalten die Freundschaft – und es ist schön zu wissen, dass das hier ein Ort ist, an dem ich willkommen bin und an den ich mich jederzeit zurückziehen kann, wenn mir danach ist.
Dadurch, dass die Vorgebirgslandschaft hier von tiefen Furchen durchzogen ist, ist die Straßenführung abenteuerlich kurvig. Aber nicht im guten Sinne von “Geile Kurven und Mopped, großer Spaß”. Eher “Mist, eine Minikurve an der nächsten, superschmale Straße”. Man muss echt aufpassen und langsam fahren. Dreißig Stundenkilometer sind schon schnell, zwanzig und weniger die Regel. Man kommt quasi nicht vom Fleck.
Immerhin ist die Landschaft schön:
Die V-Strom 800 ist auch schön, im Auge dieses Betrachters:
Warum steht hier ein Flugzeug iAhm Olivenhain?
Es dauert wirklich EWIG, um aus dem Gebiet rauszukommen…
…und als ich bei Ascoli Piceno, der erstgrößeren Stadt, auf eine größere Straße treffe, bin ich froh.
Es geht es schneller voran und nach Westen, durch Felsschlauchten und weiter in die Berge des Apennin hinein. Die Straße hier ist ein Traum. Breit, wunderbar geschwungene Kurven – und normalerweise verstopft mit Bussen und LKW. Heute morgen erstaunlicherweise nicht, es sind Fahrzeuge unterwegs.
Freie Fahrt habe ich trotzdem nicht, weil jetzt überall Baustellen und Straßensperrungen sind. Anna kennt die allesamt nicht oder ignoriert sie. Die Baustellenampeln sind dabei noch das kleinste Problem, als Motorrad kann ich mich stets nach vorne mogeln, und alle Autofahrer finden das völlig in Ordnung.
Schlimmer sind die Straßensperrungen. Wieder und wieder stehe ich vor einer Barrikade und muss umdrehen, und ein Mal führt das Navi sogar ganz in die verkehrte Richtung. Das merke ich zum Glück selbst. Als wir durch den Ort Grisciano fahren. Der ist mir wohl bekannt, da liegt der Agriturismo mit der schüchternen Wirtin mit dem Kuh-Fimmel. Das Örtchen dürfte aber nicht auf der Route liegen?! Und tatsächlich, statt nach Norden fahren wir nach Süden. Keine Ahnung wo Anna hin will. Entweder das Navi ist von der Hitze verwirrt, oder es ist zu Scherzen aufgelegt. Wäre nicht das erste Mal:
Fein für Anna, das sie gut gelaunt in die verkehrte Richtung weist. Aber ich bin genervt, für sowas ist keine Zeit. Ich schalte den Helm auf Handyverbindung um und lasse mich über Sprachanweisungen vom iPhone führen.
Das findet den korrekten Weg Richtung Norcia, weiter geht es aber zunächst trotzdem nicht – ich stehe vor einer Ampel an einem Tunnel. Ein Schild weist darauf hin, dass die Rotphase schon man bis zu einer halben Stunden dauern kann. Großartig. Macht wirklich Spaß, in der knallenden Sonne mitten im Nirgendwo an einer Ampel zu stehen.
Nach zehn Minuten gehts weiter, in den Berg hinein, und der Tunnel ist wirklich abenteuerlich. Eng, überall liegt Baumaterial herum, das Wasser steht auf dem Boden und er ist elendig lang. Fühlt sich an, als würde ich durch eine Höhle fahren.
Auf der anderen Seite gibt es endlich freie Fahrt. Die Suzuki steuert die Straße nach Castelluccio hinauf, was auch auf einer Hochebene liegt. Ein wunderschöner und versteckter Flecken Erde. Ich liebe das hier.
Von Castelluccio steht nicht mehr viel. Vor ein paar Jahren sind bei einem Erdbeben Dreiviertel des Ortes zusammengeklappt, aber so langsam laufen auch hier die Aufbauarbeiten an. Das freut mich, denn die Wahrscheinlichkeit war hoch und ist noch gegeben, dass das hier dauerhaft eine Art Sommerrummel wird. Ein Ausflugsort, wo in Zelten und Holzgebäuden Touristen abgefrühstückt werden, die sich am Ruinengucken erfreuen. So ist das jetzt gerade, und das hat Castellucio nicht verdient.
Nach vielen Jahren endlich wieder offen ist auch die Passtraße hinab nach Casteslantangelo sul Nera. Seltsam, ich hatte die spektakulärer in Erinnerung. Aber gut, das letzte Mal bin ich die noch mit der ZZR gefahren, und die tut sich in engen Kurven wesentlich schwerer als eine V-Strom. Die 800er tanzt leichtfüßig um die Kurven herum, durch die ich das Eisenschwein, das die Renaissance nun mal ist, schwer hätte herumwuchten müssen.
Am Ende des Tals der Nera schwenkt Anna auf eine Schnellstraße. Das ist gut, denn wir sind schon seit geschlagenen viereinhalb Stunden unterwegs und haben erst 170 Kilometer geschafft. Bleiben noch 430, wird also Zeit, mal Gas zu geben.
Dooferweise, stelle ich recht bald fest, fahren wir in die verkehrte Richtung. Es geht nach Osten und damit auf´s Meer zu, und das ist falsch. Ich will auf keinen Fall auf die E55, diesen stinkenden Albtraum aus einem-LKW-am-nächsten. Stellt sich raus: Das Navi EIGENTLICH auch nicht, aber um nach Westen zu kommen, muss man echt 20 Kilometer nach Osten fahren, abfahren, andere Seite auffahren und wieder zurück. Ein Umweg von 40 Kilometern, nur weil eine Auffahrt in westlicher Richtung gespart wurde. Man Man Man.
Das Anna zwischenzeitlich vergisst wo wir eigentlich hinwollen, macht die Sache nicht besser. Vollends absurd wird die Situation aber, weil sie keinerlei Chance bekommt ihre Position zu bestimmen. Die Schnellstraße, auf der wir jetzt fahren, hat die höchste Dichte an Tunneln, die ich je gesehen habe.
Statt die Strada Statale durchs Tal zu legen, und damit durch zahllose Dörfchen, hat man sie entlang der Berge gebaut und dabei einen Tunnel in jeden Ausläufer gesetzt. Das folgende Bild lügt – die Trackerspur ist interpoliert. Es geht nicht über, sondern durch die Berge.
Zwischen den Tunneln sieht man mal 100 Meter Himmel, dann verschwindet die Straße wieder Kilometerlang im Berg. Klar, dass das Garmin Zumo unter den Bedingungen keine Satelliten findet. So weiß ich nicht mal, ob ich auf der richtigen Route bin, was mich extrem ärgert. Nach der 40 Kilometerschleife vorhin kann es nun sein, dass ich völlig verkehrt fahre. Ich werde echt irre, über 30 Kilometer Tunnel-an-Tunnel-an-Tunnel-an-Tunnel. Es gibt auch keine Haltebucht unter freiem Himmel, in der ich mal stoppen und auf eine Ortung warten könnte. Zum Verrücktwerden ist das.
Das Tunnelelend endet irgendwann, und jetzt weiß ich wo wir sind: In Umbrien, und damit richtig. Anna bekommt das irgendwann auch mit, und findet wiederden korrekten Weg. Der führt nach Norden, vorbei an Spello, Assisi und Perugia. Es ist schon wieder unerträglich heiß, und ich muss einen Tankstopp einlegen. Für mich, nicht das Motorrad.
Zwei Stunden später, wir queren gerade die Grenze zur Emilia-Romagna und schwenken Richtung San Marino und Rimini, meldet sich Anna mit einer Gefahrenmeldung. “Achtung, unsicherer Straßenzustand”. Ich schrecke aus dem Dämmerzustand des langweiligen Landstraßenfahrens hoch und schmeiße das Wetterradar des Zumo an. “Unsicherer Straßenzustand”, das kann um diese Jahreszeit und in dieser Region nur zwei Dinge bedeuten: Starkregen oder Hagel. Und der Hagel in der Nähe der Küste kommt als Gradine, faustgroße Eisbrocken. So etwas will ich nicht erleben müssen!
Muss ich zum Glück auch nicht. Das Wetterradar zeigt nichts, und als ich an die Stelle komme, wo der “unsichere Straßenzustand” sein soll, ist da – nichts.
Gut so.
Cesena – Ravenna – Venedig – Treviso.
Über elf Stunden sitze ich jetzt schon im Sattel. Der ist wirklich erstaunlich gut gepolstert, stelle ich fest. Ich habe nicht das Gefühl, das mir der Arsch abfällt. Nachteil an dem Seriensattel: Die Nähte sind nicht wasserdicht. Bei Regen saugt er sich mit Wasser voll. Da hat Suzuki echt an der verkehrten Stelle gespart. Aber gut, heute ist Regen auch kein Problem.
Dann, endlich, rollt die V-Strom in den Vorgarten der Villa Maria Luigia.
Ich bin froh, wieder hier zu sein. Seit zwölf Jahren komme ich jedes Jahr hierher, zwischendurch halten wir Kontakt per Instagram und Signal oder ganz klassisch per Post.
Ich will die V-Strom neben einem Pavillion einparken, als Birba, der Haushund angesprungen kommt. Gefolgt von Sara, der Hausherrin. “Fahr mal gleich unter das Dach, heute Nacht gibt es Gewitter”, ruft sie und räumt Tische und Stühle aus dem Weg. So bekommt die Suzuki einen überdachten VIP-Platz für die Nacht.
Die Begrüßung passiert ohne Körperkontakt. “Sono sporco, sudato e la mia giacca fuma”, warne ich vor, Ich bin dreckig, verschwitzt und meine Jacke stinkt. Sara zieht die Augenbrauen hoch und winkt vorsichtig und aus drei Schritten Entfernung. Alter, ist das heiß hier. Aber nicht die trockene Hitze, wie in Umbrien und den Abruzzen. Hier ist die Luft heiß und feucht und so schwer, dass sie kaum in die Lunge will. Als würde man Suppe atmen.
“Ist das das selbe Motorrad wie sonst?”, fragt Sara. “Nein, nagelneu”, sage ich und grinse. Immerhin war sie es, die mir in den vergangenen Jahren immer wieder beiläufig empfohlen hat, ein neues zu kaufen.
Sara nickt anerkennend und bewundert die Suzuki, die sich exakt diesen Moment aussucht, um mit einem Fauchen heiße Luft aus allen Verkleidungsöffnungen zu pusten. Sara weicht erschrocken zurück und murmelt “Entschuldigung”, während Sohn Paolo, gerade Sieben geworden, freudig lacht. Ich drehe der V-Strom die Zündung ab, und der Lüfter erstirbt.
“Ho un regalo per lui, posso regalare?”, frage ich. Ich habe ihm etwas mitgebracht, darf ich es schenken?
Keine Geschenke an Kinder ohne Zustimmung der Mutter.
“Musst Du aber nicht”, sagt Sara.
“Möchte ich aber gerne”, sage ich und krame ein, in buntes Geschenkpapier eingewickeltes, Päckchen aus dem Seitenkoffer, das da schon seit 3.500 Kilometern drin ist.
Dann gehe ich auf ein Knie, um auf Augenhöhe mit dem Jungen zu sein und sage “Ho trovato qualcosa in Germania. In un mercatino delle pulci. Forse ti piacerà.” Ich habe in Deutschland was auf dem Flohmarkt gefunden. Vielleicht magst Du das.
Paolo guckt groß und nimmt das Geschenk mit beiden Händen entgegen und bedankt sich höflich. Statt es zu öffnen fragt er, ob er bei meinem Gepäck helfen kann. Ich bedanke mich für das Angebot und muss gleichzeitig schmunzeln, ist doch jeder Koffer des Motorrads fast so groß wie er selbst, die trage ich lieber allein.
Einen Lüfter, wie das Motorrad, hätte ich jetzt auch gerne. Es ist erstaunlich, aus irgendeinem Grund kann mein Körper das Wasser nicht mehr halten. Nicht in der Blase, sondern in der Haut. Ich beginne zu schwitzen, dass es nicht mehr feierlich ist. Vielleicht liegt es an der Hitze, die hier, in der Nähe zur Küste, tropisch feucht ist. Vielleicht bin ich einfach völlig überhitzt. Was immer es ist: Schweiß drückt aus jeder Pore und läuft mir in Bächen über das Gesicht.
“Möchtest Du einen Caffé oder etwas anderes?”, fragt Hausherr Francesco nach einer freundlichen Begrüßung, ebenfalls aus der Distanz.
“Solo una doccia”, sage ich, nur eine Dusche. Der Schweiß fließt mir so übers Gesicht, dass ich nicht mehr aus den Augen gucken kann. Was ist denn hier bloß los?
“Oder Wasser? Du musst viel trinken bei der Hitze!”, versucht es Francesco noch einmal.
“DUSCHE”, sage ich, wische den Zimmerschlüssel vom Tresen der Caffébar und verschwinde mit einem “Ci Vediamo”, wir sehen uns.
Im Zimmer angekommen reiße ich mir die Klamotten vom Leib und stelle mich sofort unter die Dusche. Während lauwarmes Wasser über meinen Körper läuft, schwitzt der weiter. Ich kann kalte Duschen nicht ausstehen, aber jetzt drehe ich das Wasser auf kalt und spüre trotzdem, wie ich weiter schwitze. Wie Magma im Meer glüht mein Körper unter Wasser weiter.
Irgendwann halte ich es nicht mehr aus, trete aus der Dusche und trockne mich ab. Was nicht möglich ist. So sehr ich auch mit dem Handtuch rummache, ich werde nicht trocken. Ich schwitze immer noch, so viel und so heftig, das eine gerade abgetrocknete Stelle sofort wieder klatschnass ist. Was ist denn hier kaputt? Ich stelle mich wieder in die Duschkabine und drehe das Wasser erneut auf.
Nach der zweiten Dusche mache ich die Klimananlage des Zimmers an, lege ein zweites Badelaken auf´s Bett und mich darauf und schließe die Augen. Vielleicht hilft ein Moment in Ruhe, den völlig durchgedrehten Kreislauf runter zu bringen.
Tut es nicht, nach wenigen Minuten bin ich wieder schweißbedeckt und steige erneut unter die Dusche.
Danach reicht es mir. Schweißausbrüche hin oder her, mittlerweile ist es halb neun und ich verhungere. Ich kleide mich an. Im Spiegel sehe ich, dass das schwarze Hemd nicht sofort durchfeuchtet. Das ist gut genug. Ich schnappe mir den Kindle und begebe mich ins Restaurant im Erdgeschoss.
Im Eingang spielt Paolo auf dem Fußboden. Ecto-1, die Playmobilversion davon, ist wieder im Einsatz. Das passt, ich habe ihm Figuren dazu geschenkt – die alten Version von Spengler, Stanz, Venkmean und Zeddemore, dazu Gespenster und Zombies und ein Skelett und ein Ghostbusters-Aufnäher. “Danke für die Figuren”, ruft Paolo und strahlt.
“Ai trovato il segreto del fantasma?”, frage ich und verwende damit ein Wort, das Paolo mir vergangenes Jahr beigebracht hat, Hast Du schon das Geheimnis des Gespensts entdeckt?.
Paolo strahlt “Ja! Es leuchtet im Dunkeln!!”
Schlauer Junge.
Die Küche der Villa Maria hat sich über die Jahre entwickelt. Von gut und schlicht, aber mit einer gewissen Raffinesse ist man heute bei Haute Cuisine mit dem Anspruch “Egal was wir tun, es ist immer etwas Besonderes.” So sind Tagliatelle mit Käse eigentlich nichts besonderes. Mit Käse gefüllte Tagliatelle aber schon!
Ebenso das saftige, schottische Fleisch mit schwarzem Salz und Francescos Spezial-Bratkartoffeln.
Mein Körper hat sich zwischenzeitlich wieder einen bekommen, und schwitzt überhaupt nicht mehr.
Paolo kommt an den Tisch und sagt schüchtern “Ich habe ein Geschenk für Dich”. Er überreicht mir ein Bild. Es zeigt das Motorrad und mich bei der Ankunft. Gut getroffen!
Familie
Ich bin gerührt und bedanke mich ausgiebig. Dann lege ich es – damit bloß nichts damit passiert – auf einen Stuhl und denke “Vergiss das aber nachher bloß nicht”.
Zum Nachtisch gibt es ein exotisches Törtchen mit frischen Mango und Orangen und Kokosschnitzen.
Woah, herrlich. Jetzt bin ich aber auch echt reif für´s Bett.
Auf dem Weg ins Zimmer stoppe ich kurz an Sara und Francescos Tisch, an dem sie gemeinsam sitzen, wenn im Restaurant nichts los ist. Wir unterhalte uns noch ein wenig über dieses und jenes, die letzte Urlaubsreise der Familie und wie es ums Wetter bestellt ist.
“Du sprichst besser, lernst Du wieder?”, fragt Sara.
“Ich spreche besser?”, sage ich mit hochgezogenen Augenbrauen und grinse schief. “Conosco una rossa che sostiene il contrario, devi dirle che!” Ich kenne eine gewisse Rothaarige, die das Gegenteil behauptet. Der musst du das erzählen!
Aber es stimmt, egal ob bei Mauro und Anna oder hier, Worte und Sätze finden jetzt flüssig ihren Weg über die Zunge. Als ich vorhin etwas über die Vergangenheit erzählt habe, habe ich sogar das Imperfetto korrekt verwendet. Warum auch immer ich auf der Fischfarm nur rumstottere und wenig verstehe: Das kann nicht an mir liegen. Sondern bestimmt an der Luft oder so. Bergluft kann ja auf Dauer nicht gesund sein.
Abgesehen davon: Sara hat recht. Ich habe tatsächlich nach dem vergangenen Herbst wieder angefangen, italienisch an der Volkshochschule zu lernen.
“Ho una insegnante nuova. Una giovane palermitana. Mi fa leggere Geronimo Stilton”, sage ich. Ich habe eine neue Lehrerin, eine junge Frau aus Palermo. Bei ihr muss ich “Geronimo Stilton” lesen, die Abenteuer eines Mäusejournalisten. Kinderbücher. Italienische Kinder lieben die. Sind aber auch niedlich. Zuletzt habe ich “Geronimo Stilton und das Lächeln der Mausa Lisa” am Wickel gehabt.
“Geronimo Stilton??”, sagt Sara ungläubig und Francesco lacht. “Warum nicht? Das sind Kinderbücher”, sagt er. “Paolo hat auch welche. Die sind gut zum Lernen, weil sie so leicht zu lesen sind.”
“Nicht für Deutsche”, sage ich. “Die Geschichten sind voller Redewendungen, Metaphern und Geräusche. Toll zum Vorlesen, aber als Deutscher muss ich jedes dritte Wort nachschlagen. Aber nicht mal die Onlineübersetzer kennen Redewendungen wie “Quatto come un ratto””. Das bedeutet Mucksmäuschenstill.
“Die Geronimo-Bücher gibt es für unterschiedliche Altersgruppen. Da ist das Sprachniveau unterschiedlich. Was liest Du?”
“Junior”, sage ich, was so um die acht bis zehn Jahre als empfohlenes Lesealter liegen muss, und Sara und Francesco schmunzeln still in sich hinein.
Ich verabschiede mich gerade zur Nacht, da zupft es an meinem Hosenbein. Paolo guckt mich von unten mit großen Augen an. “Du hast Dein Bild vergessen”, sagt er und hält es mir hin.
Ich schäme mich in Grund und Boden.
Tortour des Tages: Mit allen Irrungen und Wirrungen 647 Kilometer in elfeinhalb Stunden.
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