Heute passiert nichts, und für morgen gibt es keine Hoffnung

Heute passiert nichts, und für morgen gibt es keine Hoffnung

Heute Nacht sind Präsidentschaftswahlen in den USA. Diverse Medien bieten “Wahlnächte” mit Umfragen und Livetickern und -schalten und atemlosen Whatnot. Kann man sich alles sparen, denn: Heute passiert nichts. Das Wahlergebnis wird nicht heute Nacht feststehen und auch nicht morgen früh. Vielleicht dauert es bis Januar, bis eine Entscheidung gefällt ist.

Was heute passieren wird: Gegen Mitternacht US-Zeit (also ca. 8:00 Uhr morgen früh bei uns) wird Trump nach Hochrechnungen und ersten Auszählungen in einigen der wahlentscheidenden Bundesstaaten vorne liegen. Daraufhin wird er seinen Wahlsieg verkünden und ins Bett gehen.

Doof: Zu diesem Zeitpunkt sind noch lange nicht alle Stimmen ausgezählt. Vor allen Dingen nicht alle Stimmen für Harris. Wähler:innen der Demokraten nutzen nämlich gerne die Briefwahl, und in etlichen der Staaten wurde das Wahlrecht durch die Republikanische Partei so geändert, dass Briefwahlstimmen erst nach den Stimmen aus den Wahllokalen gezählt werden.

Was dann am nächsten Morgen passiert: Entweder Trumps Sieg wurden in den Einzelstaaten bestätigt ODER durch die Auszählung der Briefwahlstimmen liegt nun Harris vorne. In letzterem Fall werden die Republikaner “Wahlbetrug” schreien und es wird erneute Auszählungen geben. In einigen Staaten wurden die Prozeduren für Neuauszählungen von den Republikanern dermaßen kompliziert gestaltet, dass sie sich über Wochen hinziehen können. Allein die lange Nachzählzeit eröffnet dann die Möglichkeit, “Irregularities” zu vermuten, Klagen zu starten und letztlich die Entscheidung über die Wahl den Gerichten zu überlassen. In letzter Instanz dem Supreme Court, in dem mehrheitlich Trump-Gefolgsleute sitzen.

Ebenso kann der republikanische Senat die Anerkennung des Wahlergebnisses verweigern und die Entscheidung dem Kongress überlassen. Bei dem dann folgenden Wahlprozedere würden die Republikaner aktuell gewinnen, weil sie die Mehrheit der Einzelstaaten haben. Es wird übrigens vermutet, dass Trump die Vorbereitungen auf dieses Szenario meinte, als er von “Unserem kleinen Geheimnis” zwischen ihm und dem Führer des Kongresses sprach.

Mit anderen Worten: Die Republikaner erringen schon lange (schon seit dem Jahr 2000) nicht mehr die Mehrheit der Wahlstimmen in den USA, aber bislang hat ihnen das Wahlsystem in die Hände gespielt. In den letzten Jahren haben sie daran gearbeitet, dass es nun fast völlig egal ist wie die Bevölkerung abstimmt, sie gewinnen trotzdem.

Die Folgen mag man sich nicht ausmalen. Gewinnt Trump, beginnt der Austausch des Beamtenapparats gegen Trump-Getreue und der Staat wird mit Hilfe von Milizen wir den “Proud Boys” ethnische Säuberungen durchführen. Die USA werden ein faschistischer Staat, der auch seine Funktion als Schutzmacht gegenüber Europa oder Taiwan nicht mehr ausüben wird.

Verliert Trump trotz aller Manipulationen und Klagen, werden seine Anhänger mit Waffengewalt “ihr Land zurückholen”.

So oder so, ich sehe keinen Grund zur Hoffnung. Die Zukunft ist düster, aber heute Nacht wird sie nicht entschieden.
Falls ich mich irre, würde ich mich sehr freuen.

[Nachtrag: Ging doch sehr schnell mit der Entscheidung. Trump ist Präsident. Fast mit einem Erdrutschsieg. Dann haben es die Amerikaner nicht anders gewollt und verdient – Vollgas zurück in die 1950er und in den Faschismus.]

8 Gedanken zu „Heute passiert nichts, und für morgen gibt es keine Hoffnung

  1. Mi, 06.11.24, 12:26 Uhr: Tja, die Nummer scheint jetzt doch eindeutig und durch zu sein… Ich habe Anfang Oktober an einer (sehr empfehlenswerten) Führung in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen teilgenommen und anschließend gedacht: Ok, an Realgrusel reicht mir das fürs Jahr 2024.
    Schön wärs gewesen…

  2. Nun… es ging schneller als gedacht. Und auch in Deutschland werden wir nicht bis zum 15. Januar warten. Ein aufgeregter Tag mit vielen Selbstdarstellern dies- und jenseits des Teichs. „Her mit dem Popcorn!“ würde ich rufen, wenn’s nicht so brandgefährlich wäre.

  3. Ich habe den Wahltag und Abend in Kalifornien verbracht und entgegen sonstiger Gewohnheiten Alkohol getrunken, um das Ergebnis ertragen zu können. Es ist und bleibt unbegreiflich (zumindest für real denkende Menschen).

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