Reisetagebuch Japan (14): Aravanadi

Reisetagebuch Japan (14): Aravanadi

Das Reisetagebuch in Japan. Heute mit einem neuen Yaris, einer Vulkaninsel und Elektroschocks.

18. Oktober 2024, Nagasaki
Um kurz nach sieben rolle ich aus dem Bett. Mittlerweile ist das meine Standard-Aufstehzeit. Was ist eigentlich aus “lange ausschlafen und relaxen” im Urlaub geworden?, denke ich und muss grinsen. Hey, immerhin ich habe das hier so gewollt – dieser Urlaub dient dazu möglichst viel zu sehen, Land und Leute zu erkunden und vor allem: Zu lernen. Keine Ahnung was, aber wenn man im Bett liegen bleibt, lernt man halt wenig.

Übrigens: Der Albtraum ist weg. Ich habe ja immer wieder geträumt, dass ich in Japan ein Kind anfahre. Das hat mich wochenlang gequält, aber seitdem ich hier wirklich selbst Auto gefahren bin, habe ich davon nie wieder geträumt. Jetzt freue ich mich auch richtig auf´s Autofahren, und heute ist es wieder soweit!

Die Sachen sind schnell gepackt, dann sitze ich noch ein wenig herum. In einem Anfall von geistiger Umnachtung habe ich das Auto erst für 9:00 Uhr gebucht, obwohl die Verleihstation schon um acht aufmacht und ich heute einen sehr sehr langen Weg habe. Zu lang, wie ich jetzt realisiere. Auf die Zeitangaben von Google Maps Routenplanung kann man sich leider in Japan nicht unbedingt verlassen, weil es am Ende doch immer noch langsamer vorangeht, als man ohnehin schon vermutet hat.

Ich werde nicht darum herum kommen die Autobahn zu nehmen. Wenn ich ganz normal Landstraße fahre, werde ich erst nach Sonnenuntergang am Ziel ankommen, und das möchte ich nicht.

Das Frühstück kommt heute mal wieder aus dem Conbini und ist Spam. Nein wirklich, es gibt “Spam Sandwiches”, bei der das prozessierte Frühstücksfleisch mit einer Unterlage aus Reis verbacken ist, und das schmeckt erstaunlicherweise ziemlich gut.

Um 8:30 Uhr nehme ich den Bus, den ich schon nach vier Stationen wieder verlasse. Jetzt bin ich am Bahnhof, und es sind nur noch wenige Schritte bis zur Vermietstation.

Hinter dem Tresen steht eine Angestellte in der Uniform der Vermietung, weiße Bluse und dunkle Anzughose, dazu eine schwarze Weste und eine FFP-Maske. “Nou” steht auf ihrem Namenschild.

“Speak English?”, frage ich und Frau Nou guckt traurig und schüttelt den Kopf. Zum Glück, sowohl für sie als auch für mich, kenne ich mittlerweile den Ablauf der Vermietung und überreiche nacheinander meinen Voucher von Sunnycars, den Reisepass, den Führerschein und dessen amtliche Übersetzung, dafür zeigt sie mir auf Bildchen wie die Stoppschilder aussehen.

Dann legt sie mir verschiedene Formulare vor und fragt einzelne Worte.
“Insurance?”
Ich schüttelte den Kopf und sage “いいえ”, Īe, das heißt nein. Um zu bestätigen, dass sie mich richtig verstanden hat, verschränkt Nou-San die Unterarme vor dem Kopf, das mächtige Zeichen für “Nein”, und legt den Kopf schief. Ich nicke.

Das ganze Prozedere dauert recht lang, viel länger als in Sapporo. Eigentlich hatte ich den Wagen ja erst für 9:00 Uhr bestellt, war aber schon um 8:40 Uhr hier. Und das ist auch gut so, wie sich herausstellt. Es haben nämlich noch mehr Leute für Punkt neun ein Auto bestellt, und auch in Japan ist man fünf Minuten vor der Zeit da. Also ist um 8:55 Uhr der Laden voll, aber da sind Nou-san und ich schon fast durch durch.

Mit wachsender Nervosität sehe ich, wie draußen ein Citroën fertig gemacht wird. Wie kommt man auf die Idee, französische Autos als Mietwagen einzusetzen? Mietwagen müssen doch zuverlässig sein!

“Könnte ich bitte einen Yaris bekommen?”, frage ich. Nou-San schaut in irgendwelchen Akten nach und sagt dann “Eulope Cal”.
“Nein nein nein”, sage ich und das klingt wie “Iie Iie Iie”, also ungefähr wie der Motor eines Citroën, und dazu verkreuze ich die Unterarme vor dem Gesicht und schüttele zur Verstärkung noch den Kopf. “No Europe Car! Yōroppa-sha wa nashi! Yarisu o kudasai”, suche ich meine wenigen Brocken Japanisch zusammen. Nou-San blättert in einem großen Buch, nickt und sagt dann “Yaris”. “Arigatō gozaimasu!”, rufe ich.

Ach, ich brauche ja noch was. “Cardo ETC?”, frage ich.
“ETC!”, ruft sie.
“ETC”, nicke ich. Sie tippt Zahlen in einen Taschenrechner ein und legt mir den vor. 330 steht im Display. Okay, anscheinend kostet die Ausleihe der ETC Karte 330¥.

Nou-San bittet mich mitzukommen, und vor der Vermietstation steht jetzt schon ein weißer Yaris mit laufendem Motor. Wir inspizieren das Auto, finden aber trotz intensiver Suche keinen einzigen Kratzer. Die Kiste ist quasi fabrikneu, gerade mal 5.900 Kilometer hat der runter.

Ich nehme hinter dem Lenkrad Platz und bitte Nou-San, mir den Wagen auf Englisch einzustellen. Sie tut wie gewünscht und schiebt dann noch die ETC-Karte in das Lesegerät neben meinem rechten Knie.

Ein Yaris! Ach, das wird ein Spaß! Ich verabschiede mich von Nou und fahre vorsichtig aus der Mietstation heraus und in den Stadtverkehr von Nagasaki.

Der ist geprägt von roten Ampeln.
VIELEN roten Ampeln.
Vielen roten Ampeln die tatsächlich auch Eeeeeeeeeeeeeewigkeiten rot bleiben. Kein Witz, die Umlaufzeiten liegen hier bei vier bis fünf Minuten. Heidewitzka. Immerhin: Ein guter Teil der Strecke führt unter der Stadt hindurch.

Als der Toyota endlich aus dem Stadtgebiet raus ist und auf die Autobahn fädelt, die ETC-Mautkarte piept und ich sicher bin, in die richtige Richtung zu fahren, will ich dem Yaris das Fahren überlassen und den Tempomaten einstellen – und drücke ins Leere. Ungläubig starre ich auf´s Lenkrad. Dort, wo bei meinem Yaris und dem letzten Mietwagen einen Tempomat und die adaptive Fahrregelung saßen, sind bei diesem Fahrzeug nur Blenden angebracht. Sehr schade, dann können wir uns das Fahren nicht teilen.

Es geht über Land vorbei an grünen Wäldern, die teils an steilen Feldbergen wachsen.

Die Autobahn zieht sich über große Städten weg, in Kilometer langen Tunnels durch Berge und dann sehr gerade nach Süden, quer über die Insel Kyushu. Das hier ist der Kiyushu-Highway, auf dem heute gefühlt jeder zweite Tunnel auf Sicherheit überprüft wird und deshalb auf eine Spur in jede Richtung verengt und die Geschwindigkeit auf Tempo 50 reduziert ist. Da die Tunnels bis zu fünf Kilometer lang sind, zieht sich das.

So langsam zu fahren macht keinen Spaß, zumal die Japaner das Tempolimit größtenteils ignorieren und auf der Autobahn heizen wie die besenkten Säue. Also nicht im Sinne von “200 Km/h schnell”, aber an das Tempolimit in den Tunnels und im Freien an das generelle Limit von 120 hält sich praktisch niemand.

Besonders schlimm sind LKWs. Wenn man mit 50 km/h oder 60 km/h durch so einen Tunnel fährt und einem ein LKW bis auf drei Zentimeter auf die Pelle und der chromblitzende Kühlergrill die ganze Heckscheibe ausfüllt, dann macht das überhaupt keinen Spaß und fühlt sich sehr nach Italien an. Mit dem Unterschied, dass in Italien in Tunnels nicht geblitzt wird. Von Japan weiß ich das nicht.


Nach sechs Stunden und damit anderthalb Stunden später als geplant bin ich endlich im Süden der Insel angekommen. In der Ferne kann ich schon mein heutiges Ziel sehen: Einen großen Vulkan. Das ist der Showa, einer der aktivsten Vulkane Japans. Er hat eine eigene Insel gebildet, die Sakurajima, die Insel der Kirschblüten, genannt wird. Regelmäßig spuckt der Vulkan Asche auf die Stadt Kagoshima, die ihm gegenüber auf der anderen Seite eine Meeresbucht liegt.

Der Yaris zeigt an, dass er noch einen halben Tank und damit für 330 km Sprit hat, aber ich tanke zur Vorsicht trotzdem. Dabei stellt es sich als gar nicht so einfach heraus eine Tankstelle zu finden. Gibt man nämlich in Google Maps das deutsche Wort “Tankstelle” ein, landet man in der Nähe von Düsseldorf. Gibt man “Fuel Station” ein, zeigt Maps etwas in den USA. Ich muss tatsächlich einen Markennamen eingeben, damit er die nächste Tankstelle findet. Wie heißt diese eine Kette gleich noch? Zum Glück fällt es mir ein: Eneos!

Das Tanken an einer kleinen Tankstelle am Rande der Landstraße ist zum Glück wieder schnell und einfach erledigt. Ich muss nur sagen, “Full” und “Cardo”, und dann beginnt der Tankwart den Wagen zu betanken, während ein älterer Mitarbeiter, vielleicht der Vater, rundum die Scheiben sauber gemacht. Ich versuche gar nicht erst, ihm Geld dafür zu geben, das würde er als Beleidigung aufpassen. Genauso wie man kein Trinkgeld in Restaurants gibt.

Mit vollem Tank geht es weiter, auf den Vulkan zu und dann eine Strecke an seiner Flanke entlang.

Die Straße ist steil, aber der Yaris klettert tapfer die Serpentinen hinauf. Lange dauert die Fahrt nicht, dann sind wir an einer Beobachtungsplattform angekommen. Von hier hat man einen schönen Blick auf den Showa, aber auch auf das umliegende Meer und die Stadt Kagoshima.

Ich hatte mir eine Vulkaninsel weniger grün vorgestellt. Eher so steinig und grau, wie Aravanadi, die Vulkaninsel des bösen Barons in “Timm Thaler”.

Nach kurzer Zeit fahre ich weiter, wieder vom Vulkan weg und zur Küste der Sakurajima. Dort gibt es eine kleine Siedlung, und genau in der Mitte steht das Hotel, in dem ich heute übernachte. Das heißt fast wie die Insel: Sakurajima-Rainbow. Ein großes und etwas älteres Haus, das über einen Onsen verfügt. Im Inneren atmet es noch die Grandezza eines Kurhotels aus den 80ern.

Hinter dem Tresen steht ein nervöser junger Mann. “Speak english?” frage ich vorsichtig und er guckt zwar ängstlich, nickt aber tapfer und bringt dann den Checkin hervorragend über die Bühne.

Vom Zimmer bin ich mehr als erstaunt. Es ist gigantisch groß, bietet ein riesiges Badezimmer, das alleine aus drei Räumen besteht und hat ein Panoramafenster, was sich zur See hin öffnet. In wenigen Kilometer Entfernung kann ich die große Stadt sehen, und Fähren tuckern über das Wasser.

Ein Restaurant gibt es hier leider nicht, hat der Rezeptionist gesagt. Zumindest nicht für mich, denn im restauranteigenen Café sind durchaus Menschen, aber nur Japaner.

Nun gut. Dann gehe ich halt etwas spazieren. Das Hotel liegt in der Nähe eines Fähranlegers. Direkt am Wasser gibt es Spazierpfade. Die sind gesäumt von einer Wegbeleuchtung, bei der jede einzelne Lampe einen kleinen Rotor hat – die Dinger werden mit Wind betrieben, der hier sicher reichlich weht!

Die heißen Vulkanquellen sind in holzgefasste Rinnen kanalisiert. Man kann sich auf einer Bank niederlassen, die Füße ins heiße Wasser stecken und dabei auf die See gucken.

In einem Visitor-Center kann man allerlei Andenken kaufen. Nach kurzem Überlegen nehme ich ein Stück Vulkanschlacke vom Showa und ein simples Küchentuch mit Sakura-Druck mit. (Das ist leider so simpel, dass der Stoff nicht mal umnäht ist und sich bei der ersten Wäsche in der Maschine auflösen wird. Anscheinend ein Einweg-Tuch aus Stoff).
((Nachtrag. Snoeksen klärt auf: Das sich auflösende Handtuch ist ein Tenugui https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tenugui , ein Multifunktiontuch, bei dem ausfransen zum Programm gehört. Danke!))

Gegenüber dem Hotel liegt ein Supermarkt. Hier gibt es vor allem Fisch zu kaufen, aber nach einigem Suchen finde ich auch eine Gemüseplatte mit Kimchi und fermentierten Gürkchen sowie fertige Kartoffelpuffer und ein seltsames Getränk… Was ist das?!

Nilz Water? Was soll das sein? Ich richte den Google Übersetzer auf die Flaschen und bekomme mitten im Laden einen Lachanfall. “Calpis Wasser Asahis süße und saure Brüste quellen über” steht da. Ich kriege mich nicht mehr ein. Das muss ich natürlich kaufen. Später werde ich feststellen, dass das einfach wie ein beliebiger isotonischer Drink schmeckt, wie das japanische Poca Sweat oder Vergleichbares in Deutschland.

Zurück im Hotel decke ich mein Tattoo ab und kleide mich in einen Yukata. Steht mir!

Ein endlos langer Gang führt über eine überdachte Brücke bis hinüber ins Nebengebäude, wo der Onsen ist.
Schlipp-Schlapp-schlipp-schlapp machen die seltsamen Kunstlederschlappen, die ich an den Füßen trage. Die Schlappen sind viel zu weit, ich muss die Zehen vorne reinkrallen und bei jedem Schritt aufpassen, dass sich sie nicht verliere. Das Laufen darin ist eine Qual.

Vor dem Onsen hängt eine Tafel mit mehreren Farben und einer… Zeitskala? Der Tag ist eingeteilt in blau, rot und gelb.

Ist das hier am Ende ein gemischter Onsen? Und das hier sind die Zeiten, wo Männer oder Frauen rein dürfen? Das wäre jetzt doof, denn der rote Balken, der “für Frauen” bedeuten kann, zieht sich bis 22:30 Uhr hin, erst dann beginnt blau, was traditionell für Männer steht. Ich gucke trotzdem mal hienein. An der Tür hängen noch mehr Schilder, und um ein Schild sind rosafarbene Girlanden geschwungen. Ist hier wirklich gerade Mädelszeit? Nein, so komme ich nicht weiter. Ich brauche eine Übersetzung.

Ich schlipp-schlappe den endlos langen Gang zurück bis zu meinem Hotelzimmer und hole das Handy. Schlipp-Schlapp wieder zum Onsen.
Übersetzung: Die blauen und roten Segmente stehen tatsächlich für die Auslastung des Onsen, rot sind die Zeiten, wo viel los ist. Na gut.

Nach einem Wechsel der Schlappen (die für den Onsen sind auch nicht besser) betrete ich den Vorraum des Onsen, an dessen Wand eine Kasse und eine Bar sind. Das hier ist wohl ein öffentlicher Onsen, in dem die meisten Eintritt zahlen müssen. Ich werde von einer älteren Barkeeperin begrüßt, die auch die Kasse macht und leider auch kein Wort englisch spricht. Als sie meine nach Orientierung suchenden Blicke bemerkt, fragt sie “Onsen?”, und ich stammele etwas von wegen, dass ich Gast vom Hotel sei, woraufhin sie mich einfach durchwinkt.

Ich betrete die Umkleidekabine und will meine Wertsachen in einem der Schließfächer einschließen. Das klappt aber leider nicht, die Tür will sich einfach nicht schließen lassen. Was mache ich denn nur falsch? An der Seite des Türschlosses ist ein kleines Hebelchen, aber ich verstehe nicht, wie das Ganze funktioniert.

Schließlich wende ich mich an einen alten Mann und sage “Summimasen”, Entschuldigung, und gestikuliere ratlose in Richtung Schließfach. Er guckt und grinst und sagt dann “Money”. Ach! Jetzt sehe ich auch den kleinen Geldschlitz neben der Tür! Ich kenne das nur so, dass die Schließfächer im Onsen kostenlos sind. Ich trete einen Schritt zurück. Ja, für Dumme steht es sogar dran: 100 Yen sind einzuwerfen, das steht auf einem riesigen Schild über den Fächern.

Geld habe ich natürlich nicht dabei. Ach Mensch. Also packe ich wieder meine Sachen, verlasse unter dem ruhigen Blick der Bardame den Onsen, wechsele von Onsen-Schlappen in Hotel-Schlappen, steige wieder drei Treppen hoch und schlipp-schlappe zum vierten Mal den endlos langen Gang zurück ins Hotelzimmer, wo ich eine 100-Yen-Münze aus der Jeanstasche fummele, dann schlipp-schlappe ich zurück ins Onsen-Gebäude, wechsele die Schlappen, laufe wieder an der Bardame vorbei und werfe die Münze in die Tür ein.
JETZT lässt sie sich abschließen. So, noch schnell die Klamotten in einen Korb und los geht´s.

Nackt betrete ich den Onsen, seife mich ordentlich ab und gehe dann in die Badezone. Ich trage tatsächlich meine Brille, auch wenn die schnell beschlägt. So kann ich sehen, dass der Onsen auf einer Seite große Fenster hat, die vom Boden bis zur Decke reichen und auf das Meer hinausschauen. Es gibt drei Badebecken. Das Wasser im ersten Becken ist dunkel und schimmert in öligen Regenbogenfarben. Kurz steige ich hinein, finde das ölige Wasser aber unangenehm und auch zu heiß. Daneben ist ein Becken mit klarem Wasser, das ein klein wenig kühler ist.

Vor allem gibt es am zweiten Becken ein winziges Fenster in der großen Glasfläche. Das Fensterchen ist auf Kopfhöhe und geöffnet. Sehr angenehm, im warmen Wasser zu sitzen, während von draußen frische Luft hineinkommt. Wobei frische Luft relativ ist, wir haben auch auf Sakurajima 90 % Luftfeuchtigkeit und über 30 Grad, aber im Vergleich zum Onsen-Inneren ist die Luft erfrischend.

Ein älterer Herr steigt ins Becken und setzt sich mir gegenüber vor einer Wand des Onsen. Dort ist eine weiße Matte angebracht. Er schließt die Augen und guckt konzentriert, was ich zum Anlass nehme zu vermuten, dass an der weißen Matte irgendeine Art von Massagedüsen sind.

Als der Mann das Becken verlassen hat, gleite ich hinüber zu seinem Sitzplatz und probiere die aus. URGH! Alter Schwede was ist DAS DENN? Das tut ja richtig weh! Also, das sind schon Massagedinger, aber da kommt kein Wasser raus.

Im Gegenteil, es handelt sich um Elektroden, und das Ding verteilt Stromschläge. Mit etwas Abstand ist das ein leichtes Kribbeln, aber wenn man sich direkt davor wanzt, wie ich das gerade gemacht habe, wird das sehr schnell sehr unangenehm. Ich ziehe mich wieder zurück in die Ecke mit dem Fenster und schaue aus selbigen. Draußen geht langsam die Sonne unter und färbt den Himmel rot.

Seit 14 Tagen bin ich in Japan und jetzt, genau in diesem Moment, während ich in diesem Onsen sitze und den Sonnenuntergang beobachte, wirkt wieder alles fremd und gleichzeitig vertraut, weil ich ja irgendwie mittlerweile ganz gut zurecht komme. Das löst das Gefühl aus, tatsächlich angekommen zu sein. Mental weiß ich natürlich wo ich bin, aber jetzt begreift es auch der Körper, auf einer emotionalen Ebene. Die Erkenntnis kommt als Gefühl und ganz plötzlich, und strömt durch jede Faser bis auch die letzte Zelle durchdrungen ist und sich mein ganzes Ich absolut bewusst ist: Ich bin in Japan.

Ich bin ganz im Hier und im Jetzt und genieße diesen Moment und bin dankbar dafür, dass ich hier sein darf.

Mit dem neuen Bewusstsein wo ich mich befinde mache ich noch einen Nachtspaziergang. Die Stadt Kagoshima leuchtet am anderen Ende des der Bucht, der volle Mond steht über dem Vulkan. Es sind noch 30° und in den Gebüschen und Hecken. zirpen eine Vielzahl von Grillen, auch solche, wie sie noch nie gehört habe.

Tour des Tages: Von Nagasaki einmal über die Insel Kyushu nach Sakurajima, 435 Kilometer.

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