Enduro Experience im Mammutpark

Enduro Experience im Mammutpark

“Mammutpark” – das klingt nach der Flauschversion eines Dinoparks für die ganz Kleinen. Tatsächlich hoppeln auch Kinder durch den Park. Wörtlich, wie ich am Ostermontag merke, als ein kleines Kind in einem Häschenkostüm an mir vorbei hüpft, in der einen Hand ein Körbchen, an der anderen seine Oma.

Die Oma grüßt freundlich. Sie ist es wohl gewohnt, dass hier Gruppen von schlammverschmierten Fahrzeugen vor einem Instuktor rumstehen.

Der “Freizeitpark Mammut” heißt nämlich nicht so, weil hier Urviecher gestreichelt werden können, sondern weil er so groß ist.
130 Hektar, das ist schon mal eine Ansage.

Das Gelände ist eine ehemaliger Truppenübungsplatz bei Stadtoldenorf, der seit einigen Jahren einem Niederländer gehört.

Der neue Besitzer hat aus dem Gelände einen Offroadpark gemacht, inkl. Gastronomie und Campingplatz. So steht Ommas Wohnwagen neben Offroadfahrzeugen aller Art, von Quads über Klassiker aus DDR-Beständen wie Ladas und Roburs, Mercedes G-Klassen und Jeeps, Landrovern und Pickups wie dem F150 bis hin zu Gefährten die aussehen, als würden die Besitzer hier für den dritten Weltkrieg üben – ein Eindruck, der bei einem speziellen Fahrzeug mit Habsburg-Adler noch verstärkt wird.

Ich gucke dem Kind im Häschenkostüm und seiner Oma aus dem Sattel meiner geliehenen BMW F900 hinterher, dann konzentriere ich mich wieder auf das, was der Instruktor gerade erzählt. Ein Pächter des Geländes ist nämlich das Unternehmen “Enduro Experience”, das in einem ehemaligen Kasernengebäude in Stadtoldendorf sitzt und Ein- oder Mehrtageskurse Offroadkurse für Motorräder anbietet.

Da ist alles mit dabei, von Anfängerkursen (auf Wunsch auch reine Frauengruppen) bis hin zu Profitraininings. Davon bin ich natürlich weit entfernt – ich bin hier für ein eintägiges Training auf Level 1. Als absoluter Anfänger soll ich hier lernen, wie man eine Reiseenduro auf losem Untergrund bewegt.

Denn das ist genau die Situation, in die ich auf Touren immer wieder gerate, auch wenn ich es gar nicht will: Plötzlich ist der Asphalt zu Ende, dann hört der Schotter auf, und dann kommt der Matsch oder eine Piste aus faustgroßen Steinen. Schotter zu fahren macht mir nichts, aber alles andere ist mir unheimlich, und deshalb bin ich heute mit dabei.

Vor dem Start: Da hat er noch gut Lachen und die GS ist noch sauber.

Witzigerweise stand sogar eine Maschine für Ali bereit. Der dann aber nicht auftauchte bzw. sich als Frau entpuppte.

Gleich die erste Ausfahrt, vom Kasernengebäude auf den Besprechungsplatz, hat mich mehrfach laut “Scheiße” schreien lassen. Vergangene Nacht hat es stark geregnet, und um 09:00 Uhr hängt nicht nur der Frühnebel noch schwer über den gerade aufblühenden Wiesen und Wäldern des Weserberglands, nein, die Feldwege haben sich auch in Schlammpisten verwandelt.

Ohne Einweisung, mit einem Motorrad das ich nicht kenne, in klobigen Endurostiefeln und vor allem IM STEHEN muss ich die F900 GS durch Schlamm, eine tiefe Pfütze, Spurrillen und ausgewaschene Steinabschnitte steuern. Das macht mir keine Freude, und ich muss mich vor Aufregung daran erinnern zu atmen. Aber nun, ich bin ja nicht zum Spaß hier.

Immer wieder bricht das Hinterrad aus und ich merke schnell, dass es wichtig ist, mit der Kupplung zu arbeiten um nicht zu schnell zu werden ohne Grip zu verlieren. Ich bin heilfroh, als ich die erste Runde hinbekommen habe, ohne mich lang zu legen. Den anderen in der acht-Personen-Gruppe geht es kaum anders – bis auf ein Ehepaar, das mit eigenen Transalps übt und schon zum zweiten Mal dabei ist, sind wir alle absolute Anfänger und dementsprechend aufgeregt.

Das nimmt aber Stück für Stück ab. Der Instruktor erklärt genau, wie man auf den Fußrasten zu stehen hat, wann man sich nach vorne lehnt (beim Beschleunigen) und wann nach hinten (beim Bremsen), dass man immer je zwei Finger an Gas und an Bremse haben soll.

Auf einem kleinen Übungsplatz folgen dann freies Fahren auf einem festgelegten (und für 8 Motorräder gleichzeitig recht engen) Parcours, danach Brems- und Beschleunigungsübungen. Im Stehen und bei ca. 12 km/h um enge Kurven zu manövrieren ist wirklich nicht ohne, klappt bei mir aber erstaunlich schnell.

Was mich überrascht: Noch viel mehr als auf der Straße hängt hier alles von der Blickführung ab. Guckt man hier verkehrt, hat man verloren und fährt in die Buttnick statt um die Kurve. Und: Man soll tatsächlich nur die Vorderradbremse nutzen, zumindest dann, wenn die ABS hat.

Richtig gucken, mit den Schleifpunkten an Kupplung und Bremse Geschwindigkeit und Stabilität beeinflussen – das bekomme ich gut hin.

Was ich am Nachmittag, nach einem leckeren Essen im Dorf, dann nicht mehr gut hinbekomme, ist die Gewichtsverlagerung. Jetzt steht langsames Fahren durch eine enge Kurve aus Pylonen an. Dabei wird das Motorrad wirklich mit dem Lenker gelenkt, aber nicht, wie auf der Straße, durch einen paradoxen Lenkimpuls, sondern wirklich wie ein Fahrrad: Ich schlage den Lenker in die Richtung ein, in die ich möchte, drücke die Innenseite des Motorrads nach unten und gehe gleichzeitig mit dem Körper nach Außen, bis mein Gewicht auf der Fußraste wirkt, die am Außenrand der Kurve ist.

Bei der Übung, die auch die letztes des Tages ist, machen mir mehrere Dinge zu schaffen – die Kurve ist sehr eng, ich muss an viele Dinge gleichzeitig denken und GLEICHZEITIG auf die anderen Teilnehmer:innen achten, die teils außen und teils gegenläufig um die Pylone herumkurven weil sie nicht Innen fahren möchten, teils quer fahren, weil sie eine lange Runde über einen anderen Teil des Platzes gedreht haben. Bei so vielen Moving Targets macht aber selbst meine Konzentration irgendwann schlapp. Ich kriege das hin, aber nicht gut – da fehlt noch einiges an Übung. Die gäbe es bei einem Zwei-Tages-Kurs am nächsten Tag, aber für diesen Kurs ist heute Schluss.

Er endet mit einer Ausfahrt ins Gelände. Unter den Augen eines jungen Mannes, der mit einem dicken Grinsen im Gesicht und seiner ganzen Familie in seinem Mercedes-SUV einen Berg hinunterkraucht, fährt unsere Gruppe über Stein- und Matschwege die VIEL anspruchsvoller sind als der erste Weg, der mich am Morgen nach Luft schnappen ließ. Solche Strecken fahren wir mittlerweile alle souverän, die Abschlussprüfung ist dann noch die Fahrt durch eine Schlammpfütze – immerhin braucht es ja noch ein Heldenfoto.

Zu meinem eignen Erstaunen beende ich den Tag, ohne auch nur ein Mal gestürzt zu sein. Ich bin nich mal übermäßig erschöpft und kann auch der Abschlussbesprechung noch gut folgen.

In Summe muss ich sagen: Doch, das hat was gebracht. Ich bin sicherer auf losem Untergrund und habe etliche Dinge gelernt, die ich auch auf der Straße anwenden werde oder sogar ohnehin schon gemacht habe – jetzt weiß ich aber auch warum.

Bis auf die Tatsache, dass es recht unübersichtlich wird, wenn alle gleichzeitig kreuz und quer auf einem recht kleinen Kurs herumflitzen, gibt es wenig zu meckern. Der Instruktor war gut, das Gelände passend, die Übungen prima. Viel besser als meine Erfahrung im Enduro-Park in Hechlingen, die so scheiße war, dass sie mich auf Jahre verschreckt hat.

Die geliehene BMW und die geliehenen Touratech-Stiefel waren in sehr gutem Zustand, beide Unternehmen sponsoren die Trainings. Leihmaschine ist aus mehreren Gründen sehr gut: Nicht nur, dass man seine eigene Maschine nicht gefährdet und verschleißt (bei Stürzen oder auch weil die Kupplung bis zum gehtnichtmehr schleifen muss), man muss sich auch nicht um Spiegel An- und Abbau, Luftdruck und – ganz wichtig! – ums Saubermachen kümmern.

Billig ist der Spaß natürlich nicht – der Eintageskurs kostet 270,00 Euro, dazu kommen 100,00 Euro für eine Leihmaschine (von Tenere 700 über F800 GS, F900 GS bis hin zur BMW R 1300 GS Adventure) und noch einmal 20,00 Euro für Stiefel. Immerhin, Mittagessen beim Griechen ist inklusive. Und am Ende gibt es noch eine Urkunde und ein T-Shirt.

Lohnt sich also, ich habe für mich viel mitgenommen. Nächstes Ziel: Der Zwei-Tages-Kurs.
Aber nicht mehr in diesem Jahr.


Sidenote: Für meine allererste Mohawk-Kombi und den N104 war es das jetzt. Die Kombi hat mich seit 2011 begleitet, der Helm seit 2016. Das war jetzt ihr letztes kleines Abenteuer. Ihnen für treue Dienste dankend, werden sie jetzt dem Recycling zugeführt.

9 Gedanken zu „Enduro Experience im Mammutpark

    1. Doch, schon. Ich habe versucht, die korrekte Beschreibung zu finden, dass ich bereits vor Deinem Beitrag gebucht hatte, aber erst später dran sein werde. Anscheinend auf Kosten der Verständlichkeit 😬
      Also: Ich fahre noch hin und hab Bock drauf!

  1. In Gedanken bin ich auch beim Kurs mitgefahren.
    Daß man die eigene Maschine nicht malätrieren muß ist ja klasse.
    Das Erlernte ist absolut nützlich, wie schnell gerät man bei einer Reise auf
    offroadigerem Untergrund und ist dadurch sicherer.
    Mein Kurs war, zu Hause Unfallwunden lecken.

  2. Sehr schön – aber so ein einzelner Tag ist natürlich wirklich nur ein Reinschnuppern.
    Wichtig: probiere die Übungen auch mit deiner Maschine aus. Es muss nicht zwingend Gelände sein, das enge Gekurve, die Grundpositionen im Stehen u.ä. geht auch auf Asphalt.

    Ich hab schon min. 10 Einsteiger-Offroadtrainings bei unterschiedlichen Veranstaltern gemacht und JEDES bringt einem mehr Sicherheit 😊

    1. Kann ich nur bestätigen. Ich war beim Enduro Action Team und beim Enduropark Wesendorf, beides mehrfach. Zawr bin ich kein offr road-Freak und wollte nur lernen, mich bei Schotterstrassen ordentlich zu bewegen, aber habe dann doch ein paar Enduro-Wandertouren in Spanien und Portugal mitgemacht. Kann ich nur empfehlen.

      Grus
      Lupo

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