Im November 2015 begeben sich Modnerd und Silencer auf Reisen. Das Besondere: Modnerd hat keinen blassen Schimmer wohin es geht oder was ihn erwartet. Kontrollverlust und Überraschungen sind das Konzept dieser Reise. Dies sind die Tagebücher der beiden. Am neunten Tag der Reise wird Athen erkundet.
Sonntag, 08. November 2015, Athen
Athen hat bis 5 Uhr morgens Party gemacht, und das merkt man auch. Als Modnerd und ich auf der Suche nach einem Kaffee durch Monastiraki stolpern, sehen wir die Reste der Nacht: Die Straßen sind von Müll übersät, und in den Gossen vor den Bars liegen Berge von Eiswürfeln und schmelzen langsam in der Morgensonne.
Von unserem Stadtteil aus ist es nicht weit bis zur Akropolis, und obwohl der Berg erstaunlich hoch ist, ist der Weg dahin angenehm unanstrengend. Anstrengender sind die ganzen Touristengruppen, die bereits um kurz nach 9 Uhr hier unterwegs sind: 15 Busladungen zählen wir, darunter Deutsche, Italiener und jede Menge Japaner.
Die Akropolis liegt auf der Spitze des Bergs und blickt auf Athen und das Umland hinab. Ist auch logisch. Der Begriff “Akropolis” bezeichnet ganz allgemein eine Wehranlage auf einem Berg, nicht nur hier in Athen. Hier in Athen ist allerdings die bekannteste Akropolis, weil die Gebäude und Tempel noch so gut in Ordnung waren. Zumindest bis die Engländer kamen, aber dazu später mehr.
Im November 2015 begeben sich Modnerd und Silencer auf eine Reise. Das Besondere: Modnerd hat keinen blassen Schimmer wohin es geht oder was ihn erwartet. Kontrollverlust und Überraschungen sind das Konzept dieser Reise. Dies sind die Tagebücher der beiden. Am sechsten Tag könnten sie überfallen werden, es geht ins Kloster und über die lange Ebene. .
Donnerstag, 5. November 2015, Ioannina, Griechenland
Es ist bitterkalt an diesem Novembermorgen. Das Thermometer zeigt 2 Grad minus, und der See von Ioannina liegt unter klammem Nebel. Bloss weg hier!
Modnerd scheucht den kleinen Toyota über eine Autobahn Richtung Westen. Die Schnellstraße ist nicht so spektakulär wie die alte Bergstraße, die sich parallel dazu über die Berge windet und auf die ich immer wieder sehnsüchtige Blicke werfe. Aber das Bergabenteuer habe ich mir abgeschminkt, das kostet viel zu viel Zeit, denn die alte Straße ist kurvig bis zum Abwinken, und es kann passieren, dass man lange hinter einem Mauleselgespann herzuckeln muss. Wie ich gleich lernen werden, können aber auch auf einer griechischen Autobahn merkwürdige Dinge passieren.
Fast allein zieht der Toyota über den Asphalt, als plötzlich ein blau uniformierter Mann am Straßenrand steht und wild signalisiert anzuhalten. Dabei springt er uns fast vor den Wagen. Ich halte den Uniformierten für einen Polizisten und rufe Modnerd zu “halt an!”, worauf er den Wagen auf den Seitenstreifen lenkt und stoppt. Im Rückspiegel sehe ich wie der Uniformierte auf uns zugelaufen kommt. Auf dem Seitenstreifen steht schon ein LKW und davor ein weiterer Wagen, ein kleines rotes Auto. Ich hatte angenommen, dass die ebenfalls von dem Polizisten angehalten worden sind. Aber wo ist der Streifenwagen?
Plötzlich wird mir klar, dass es sich bei dem Uniformträger um einen Mitarbeiter einer Pannenhilfe handeln muss. Er kommt zum Fahrerfenster und fragt etwas auf griechisch. Englisch kann er nicht, aber anhand seiner Gesten wird klar, dass er… einen Wagenheber will? Welcher Pannendienst hat denn keinen Wagenheber dabei?
Im Rückspiegel sehe ich drei Frauen, die auf unseren Wagen zugelaufen kommen. Offensichtlich gehören die zu dem kleinen roten Auto, das vermutlich gerade nicht mehr weiterfahren will. Ich steige aus, gehe um den Wagen herum und öffne den Kofferraum. In dem liegt unser Gepäck, das ich rausräume, dann wühle ich ein wenig im Kofferraum des Toyotas herum. Kein Wagenheber zu sehen. Außerdem wird mir die Situation unheimlich. Mittlerweile stehen zwei Pannenhelfer und drei schnatternde Frauen um uns und unser Gepäck an der Straße herum. Wir kommen hier nicht einfach schnell weg, und einer der Pannenhelfer beginnt selbst im Kofferraum rumzuwühlen. Was ist das hier für eine Nummer?
Als amtliches Endergebnis wird festgestellt, dass auch wir keinen Wagenheber an Bord haben. Modnerd und ich verabschieden uns und fahren schnell weiter. Als wir in sichererEntfernung sind bemerkt Modnerd ganz richtig: “Das war einer der ältesten Tricks überhaupt. Leute zum Anhalten bringen, sie das Gepäck aus dem Kofferraum holen lassen… da hätte gerade sonstwas passieren können.” Ich schweige betreten. Er hat vollkommen recht. Das ist mir erst aufgegangen, als es schon zu spät gewesen wäre. Wieder was gelernt.
Modnerds Tagebuch, 24. Oktober 2015 Noch eine Woche, oder sieben Tage. Dann ist dort… Nebel. In meinem Kopf trenne ich gerade in die Zeit vor dem Nebel und jene nach dem Nebel. Bis zum kommenden Samstag habe ich Termine und Vorhaben und auch ab dem Samstag zwei Wochen später ist mein Kalender – beruflich wie privat – extrem voll. Dazwischen ist nur eine graue Masse.
Ich hatte nicht erwartet, wie absurd das ist. Zeit und Termine sind in meinem Kopf etwas sehr grafisches. Da gibt es Farben und Flächen und ich kann stets sehr genau sagen, wie das was vor liegt, geprägt ist. Ich weiß – ohne nachzusehen – ob die Wochenenden verplant sind, wieviele Abende noch frei sind und ob entspanne Arbeitswochen oder stressige Zeiten vor mir liegen. Durch meinen Kopf wabern einzelne Objekte und Vorhaben, alles ist strukturiert und definiert.
Und jetzt ist da dieser Nebel. Ein Nichts, fast wie das Nichts in der Unendlichen Geschichte, und mein Kopf nennt es Urlaub. Normalerweise fasse ich dieses Urlaub jedoch auch wieder in Bilder und Formen. Da gibt es mögliche Routen, Entfernungen, Hotels, die ich besuchen will. Ich lese den Wetterbericht der Region die ich bereise, freue mich auf Orte, die ich im Reiseführer oder auf Webseiten gesehen habe und kann es kaum erwarten, zu gesehenen Fotos die Realität zu erleben.
Aber nun: Nichts von alledem. Ich habe es so gewollt und ich freue mich absolut darauf, nur ist es anders, als alles was ich je erlebt habe. Es ist ein Nichts und es fühlt sich so an, als würde ich mit verbundenen Augen in ein Wunderland geführt.
Ich muss gestehen, dass ich nicht darüber nachgedacht habe, welche Gefühle die Reise wohl auslösen würde. Dass sie dies tun würde, war klar und genau deswegen will ich das machen. Aber komischerweise scheint es mir unwichtig gewesen zu sein, was genau ich fühlen würde. Diesen Aspekt habe ich in Gedanken nicht durchgespielt, was mich gerade ziemlich erstaunt.
Die sehr stressigen Wochen der letzten Zeit und das was nach dem Überraschungsurlaub kommen wird konturieren dieses Nichts auf besondere Art und Weise. Da ich auch direkt vor dem Start der Reise kaum Zeit hatte, mir Gedanken zur Überraschungsreise zu machen, wird das nebelwatteartige Nichts noch größer und gewaltiger, weil es auf einmal sehr überraschend kommt. Aber genau so wollte ich es. Die maximale Überraschung.
Ich falle den Nebelwolken entgegen, hoffe dass sich darunter etwas wundervolles offenbart und ein Ende ein Sprungtuch zum Landen vorbereitet ist.
Modnerds Tagebuch, 25. Oktober 2015 Heute morgen war es kalt in Deutschland, kalt beim Aufstehen und mein Reflex war, zu checken, wie die Temperatur da sein wird, wo ich in einer Woche sein werde. Natürlich konnte ich das nicht, aber es war klar: Mein Unterbewusstsein hat nun gerafft, dass eine Reise ansteht.
Silencers Tagebuch, 27. Oktober 2015
Ich betreibe Reisplanungen in zwei Dokumenten: Eine Tabelle, in der die Etappen der Reise untereinander aufgeführt sind, und in der Entfernungen, Kosten und andere Details eingetragen sind. Das ist die Struktur einer Reise. Das zweite Dokument ist ein Textdokument, in dem für jeden einzelnen Tag eine ungefähre Zeitplanung, mögliche Sehenswürdigkeiten u.ä. festgehalten sind. Für jeden Tag, an dem ich eines der Dokumente bearbeite, gibt es eine neue Version davon. Im Laufe der letzten Wochen sind 28 neue Versionen der Tagesplanung entstanden. Aber was dabei rausgekommen ist, kann sich sehen lassen.