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Author: Silencer

Momentaufnahme: Dezember 2024

Momentaufnahme: Dezember 2024

Herr Silencer im Dezember 2024

“Non puoi piacere a tutti. Non sei una lasagna.”
(“Du kannst nicht von allen gemocht werden. Du bist keine Lasagne.” – Personaltip einer Buffona.)

Wetter: Zwischen 0 und 5 Grad und Nieselregen, es wird den ganzen Monat kaum hell, geschweige denn, dass die Sonne schiene. Regnerische Weihnachten. Letzte Monatswoche frostig-nasse -3 Grad.


Lesen:

Chris Broad: Abroad in Japan
2013 kommt der junge Brite Chris Broad nach Japan. Er soll japanische Lehrkräfte beim Englischunterricht unterstützen. Doof: Er spricht kein japanisch und die japanischen Englischlehrer kaum Englisch.

Chris Broad ist einer der erfolgreichsten Japan-Youtuber und hat mittlerweile eine eigene Bar in Shibuya. Die trägt den Namen “Lost” – und das Buch macht deutlich, wie “Lost” sich Broad in den ersten Jahren in Japan gefühlt hat, und wie er es dann plötzlich schaffte, Dauergast im nationalen Fernsehen zu werden. Faszinierend zu lesen, wie er sich durchgeschlagen hat und Stück für Stück erst die Sprache gelernt und dann das Land zu seinem zuhause gemacht hat.

Sehr lebendig und lustig geschrieben, und nebenbei erfährt man, warum die meisten Japaner kein oder nur schlechtes Englisch sprechen. Allzu tiefe Einblicke in die Gesellschaft oder die Geschichte Japans sollte man aber nicht erwarten. Das Buch ist nach hinten raus reine Nabelschau, ein Behind-the-Scenes des Youtube-Channels.


Hören:


Sehen:

The Penguin [Prime, Kaufoption]
Nach dem Tod von Gangsterboss Carmine Falcone (zu besichtigen im 2022er Kinofilm “The Batman”) herrscht in Gothams Unterwelt ein Machtvakuum. Der kleine Gangster Oswald “The Penguin” Cobb beobachtet genau, wie sich neue Konstellation und Allianzen bilden und alte Feindschaften gären. Als er jedoch im Affekt einen der neuen Bosse umbringt dämmert ihm: Er könnte auch einfach selbst der neue Unterweltkönig von Gotham werden!

Sehr geschickt geschrieben: Egal wie clever sich der Pinguin auch anstellt, seine Feinde und Freunde durchschauen ihn – und TROTZDEM schafft er es, sich aus Situationen herauszulavieren. Die Geschichte ist sehr wendungsreich und spannend. Wie gut das Ding geschrieben ist, merkt man an der Verteilung seiner eigenen Sympathien. Als Zuschauer sympathisiert man anfangs mit dem Underdog Cobblepot, wenige Folgen später schlägt das um und man ist auf der Seite seiner Gegenspielerin. Erfrischend: Diese Serie hält einen nicht für doof. Sie erklärt nicht alles drei Mal, bis es auch die Leute verstanden haben, die nebenbei die ganze Zeit am Handy rumspielen.

Colin Farrell besitzt ja nur die beiden Gesichtsausdrücke “schlimme Verstopfung” und “grimmig”. Unter der enormen und sehr guten Maske des Pinguins erkennt man ihn nicht, und das macht sein Spiel erstaunlicherweise viel besser! Sein Overacting wird durch pfundweise Latex auf ein subtiles Spiel herabgedämpft. Witzig, dass man ihn erst unter einer Ganzkörperprothese verstecken muss, um eine gute Leistung aus ihm herauszubekommen. Oder anders: Interessant, dass man den Schönling Farrell erst in einen hässlichen Gnom verwandeln muss, um ihm ordentliches Schauspiel zu entlocken.


Spielen:

Indiana Jones und der große Kreis [XBOX Series X]
Zwischen “Raiders” und “Last Crusade”: Ein sehr großer Mann bricht ins Marshall College ein und stiehlt die Mumie einer ägyptischen Katze. Die hatte Dr. Henry Jones, Jr. erst vor kurzem in Ägypten ausgebuddelt. Da er seine Katze zurück will, nimmt er die Ermittlungen auf. Eine erste Spur führt in den Vatikan, der 1937 von Mussolinis Schwarzhemden besetzt ist.

Yay, ein Indiana Jones Spiel!
Urgh, ein Indiana-Jones-Spiel aus der Ego-Perspektive?
Yay, es ist von Machine Games!
Urgh, es ist nur für die XBOX?

Wechselbad der Gefühle bei der ersten Ankündigung. Aber: Machine Games haben mit “Wolfenstein” schon bewiesen, dass sie Ego-Perspektive können UND gute Geschichten erzählen wollen. Deshalb hatte ich mir auch nach der Ankündigung, “Great Circle” sei ein XBOX-Exclusive, eine gebrauchte XBOX Series zugelegt. Ja, nur für dieses Spiel. (Später stellte sich dann raus, dass das Game auch für die PS5 kommen wird. Seufz.).

Bereut habe ich den Kauf der Series X nicht. Das neue Indy-Game läuft darauf auch mit dem automatisch geladenen High-Texture-Zusatzpaket perfekt und ruckelfrei, selbst in den großen und detailreichen Arealen.

Das Gameplay besteht aus Erkundung, Rätseln und gelegentlichem Faustkampf. Wie in den Filmen ist Dr. Jones allerdings kein guter Kämpfer – und der Griff zu einer Schusswaffe bedeutet meist Insta-Death. Erstaunlicherweise macht mir das eher langsame Vorgehen hier einen Heidenspaß, zumal fast Erkundungsmission durch eine sehr coole Actionsequenz (häufig in Cutscenes) belohnt wird. Langweilig wird es ohnehin nie, zwischen zwei der großen Hubwelten finden sich kleine Level, die linear ablaufen und die ein Actionfeuerwerk abhalten, das einen wirklich staunen lässt.

Auch wenn die Story um die verschwundene Katze erstmal simpel klingt: Der Plot, der sich nach und nach auftut, steht dem von “Raiders” in nichts nach. Wirklich, “Great Circle” ist sehr gut geschrieben und die Handlung deutlich besser als die der letzten beiden Kinofilme. Mehr noch: Das Spiel ist auch besser inszeniert als die Filme mit Harrison “Kein Bock” Ford. Alle Szenen sind Motion Captured, Kameraführung und Beleuchtung hat man sich von Spielberg und “Raiders” abgeguckt, und das Gespür für situativen Humor stammt eindeutig aus “Crusade”.

Sehr toll: Die Spielfigur sieht in Cutscenes wirklich exakt so aus wie der junge Harrison Ford und spielt so, wie er es in “Raiders” getan hat, inklusive des schiefen Grinsens und der manchmal irrlichternden Augen. Gesprochen und gespielt wird der Charakter von Troy Baker (“The Last of us”), der Harrison Fords gelangweilten Tonfall zwar etwas nasal, aber doch ziemlich gut imitiert.

In Summe: Auch, wenn ich noch nicht ganz durch bin, ist “Indiana Jones and the Great Circle” das beste Indy-Spiel seit “Fate of Atlantis” (und das ist 32 Jahre her!) – und mein Spiel des Jahres. Das Ding macht wirklich Freude.

Batman: Arkham Origins [2013, XBOX 360 Game auf XBOX Series X]
Weihnachtsabend in Gotham: Gangsterboss Roman Sionis befreit Kriminelle aus dem Gefängnis Black Gate und setzt ein Kopfgeld in Millionenhöhe aus. Das Ziel: Ein Gerücht. Denn ob es den schrecklichen Fledermausmann, der angeblich seit einem Jahr Verbrechern das Leben schwer macht, wirklich gibt, weiß man noch nicht sicher.

Im Laufe der Nacht stellt sich raus: Ja, den Batman gibt es wirklich. Der muss sich nicht nur den Profikillern erwehren – etwas anderes und viel Schlimmeres passiert in den Schatten.

Nachdem ich mich im vergangenen Monat in “Arkham Shadow” selbst durch Black Gate geprügelt habe, hatte ich Lust auf mehr Arkham-Universe. “Origins” kam 2013 als Prequel zu “Arkham Asylum” und “Arkham City” heraus, war aber damals von einem anderen Entwicklerstudio gemacht worden.

Ich mochte das nicht und urteilte damals: “Warner Bros. Montreal Studio kloppen irgendeinen Scheiß aus den vorhandenen Figuren und Assets zusammen. Da passen dann auch schlecht designte Rätsel, unfassbar dämliche Speicherpunkte, nicht funktionierende Schnellreisefunktion und einbrechende Frameraten ins Bild: Anscheinend hat dieses Game nie jemand Probegespielt.”

Keine Ahnung, was mich damals so in Rage versetzt hat. Ja, natürlich sind die Assets recycelt und manche Rätsel nicht gut, das erklärt aber nicht diesen Rant. Vermutlich war die PS3-Version einfach schlimm buggy. Die XBOX 360-Fassung jedenfalls läuft, 10 Jahre nach Release, perfekt und ohne merkliche Bugs.

“Origins” recycelt tatsächlich die komplette Stadt vom Vorgängerspiel “Arkham City”, aber durch das winterliche Setting fühlt sich Gotham hier ganz anders an. Schnee weht durch die nächtlichen Straßen, überall hängen Lichterketten und Weihnachtsdeko steht an jeder Ecke.

Die Story ist zwar simpel, der Plot bietet aber etliche Twists und ist teils wirklich sehr, sehr clever geschrieben. Den Höhepunkt der Schreibkunst ist die spielbare Szene nachdem der Joker das erste Mal auf Batman getroffen ist und im Gefängnis laut über ihre Dualität sinniert. Dank des geschickt geschriebenen Monologs denkt die anwesende Psychologin Harleen Quinzel aber, er flirte mit ihr. Hier wird eine gigantische Text-Bild-Scherer aufgemacht, wobei der Text absolut Doppeldeutig ist. Ganz, ganz großes Writing.

Auch im Kontext der anderen Spiele ergibt “Origins” viel Sinn. Der Batman, den wir hier sehen, ist wütender, unbeherrschter und viel brutaler als in den späteren Jahren. Er verweigert jegliche Hilfe, misstraut Commissioner Gordon und legt sich sogar mit Alfred an. Dadurch wird hier ein Grundstein für eine Charakterentwicklung gelegt, die in “Arkham Knight” ihren Abschluss findet. Darin vertrauen dann die Figuren einander und sind eng verbunden, während in “Origins” Misstrauen und Spannungen den Umgang prägen.

“Origins” macht Spaß, ist clever und ein gutes Arkham-Spiel. Woher kommt dann der Ruf als dummes und hässliches Stiefkind der Reihe? Eigentlich ist der unverdient, begründet ist er in einem Mangel an Innovation im Vergleich zu den Vorgängern und einer verhunzten Open World. Nach wenigen Spielstunden ist nämlich die Map von oben bis unten zugeschissen mit Hunderten von Nebenaufgaben. Completionists macht das nervös, aber wer das ignorieren kann, bekommt eine spannende und wendungsreiche Kampagne mit deutlich mehr als 12 Stunden Umfang.

Like a Dragon: Infinite Wealth [2024 PS5]
Ichiban Kasuga sucht seine Mudder – auf Hawaii. Dummerweise sind auch alle Gangs, Verbrechersyndikate und Geheimdienste der Insel und Japans hinter ihr her.

Interessanter Fish-out-of-Water-Ansatz des Yakuza-Epos mit viel frischem Wind. ZU viel frischem Wind.

Von allem ist hier zu viel drin, selbst nach 20 Spielstunden kommt das Game immer noch mit neuen Mechaniken und Features um die Ecke, und mein Kopf explodierte bald vor Dingen, die man machen kann/wissen muss/die storyrelevant sind.

Die Open World ist riesig und umfasst Honolulu, den Tokyoter Stadtteil Kamurocho und die Stadt Yokohama sowie mehreren Inseln. Die Schauplätze sind vollgestopft mit allen möglichen Arten von Aktivitäten: Neben Golf und Baseball und diversen alten SEGA-Games, die sich an Automaten spielen lassen, findet sich sogar ein komplettes Pokemon-Game und ein Aufbauspiel a la “Animal Crossing”. Wer will, kann MONATE in der Spielewelt von “Infinite Wealth” verbringen und diese Spiele spielen, ohne dabei in der Story des Hauptspiels auch nur einen Schritt vorwärts zu kommen.

Hat man verdaut, was einem das Game alles an den Kopf schmeißt und einigermaßen rausgefunden, was wirklich storyreleveant ist und was nicht, gibt es immer noch genug zu tun: Die Spielcharaktere müssen Jobs lernen, Geld beschaffen, Ausrüstung kaufen und jede Figur selbst muss auch leveln. Das gleitet häufig wieder in Grind ab, dieses Mal allerdings nicht ganz so lieblos wie im Vorgänger. Im Gegensatz zu dem hat sich auch das rundenbasierte Kampfsystem verbessert, das nun wesentlich mehr Bewegungsfreiheit und Kombos erlaubt und wirklich viel Spaß macht, auch im zweitausendsten Kampf noch. Der Plot ist wieder spannend und toll inszeniert, auch wenn die Story ziemlich dünn ist.

Ändert aber nichts daran, dass sich das Spiel gerade zu Anfang sehr nach Arbeit anfühlt. Das war auch der Grund, weshalb ich es nach dem Kauf im Januar 2024 angespielt, aber nach 20 Stunden keine Lust mehr hatte und es erst Anfang November wieder angefangen habe.

Erst ab einer gewissen Schwelle, wenn man weiß was man alles NICHT machen muss, welchen Summs man ignorieren kann und wenn die Story endlich Fahrt aufnimmt, wird es besser – ab dem Moment schwankte ich permanent zwischen ehrfürchtigem “Ohgott ich möchte, dass dieses Game nie endet” und angepisstem “Oh nein NICHT NOCH ein Abend lang Fleißaufgaben und Levelgrind”! Die “Arbeit” macht man irgendwann sogar zwei Mal, weil man mit zwei Partys und insgesamt zehn Charakteren unterwegs ist. Um die Hauptstory zu erleben, muss man rund 80 Stunden einplanen. Mit allen Nebenaufgaben, Animal Crossing und Pokemon liegt man vermutlich eher bei 120 bis 150 Stunden.

“Yakuza 8” also seeeeehr lange sehr unterhaltsam, aber alles andere als das perfekte Game, als das die Fachpresse es anpreist. Vermutlich hat das Spiel nur so hohe Bewertungen bekommen, weil die Tester ob des unfassbaren Umfangs entnervt aufgegeben haben. “Komm, nimm die 90er-Wertung, aber lass uns in Ruhe!”

Was ich mir vom nächsten “Like a Dragon” aber wünsche: Keinen Kazuma Kiryu mehr. Der Hauptcharakter der alten “Yakuza” Spiele hat sechs Serienteile plus diverse Spin-Offs und Prequels getragen, ist in der “Like a Dragon”-Welt offiziell schon seit drei Spielen tot, hat schon zwei Mal die Fackel weitergereicht und erhält hier zum gefühlt x-ten Mal seinen Schwanengesang. Ja, die Figur ist eine Legende, und es war nett ihn nochmal zu sehen, was für einen Eindruck er auf andere Charaktere früherer Spiele hinterlassen hat, aber jetzt lasst ihn verdammt nochmal endlich in Ruhe sterben. Passiert vermutlich nicht, denn eine der zweifelhaftesten Aussagen des Spiels ist: Man muss es nur wollen, dann besiegt man auch Krebs.


Machen:


Neues Spielzeug:

Ein CTEK CS One Batterieladegerät. Das Ding ist zu gleichen Teilen cool und eine Unverschämtheit.
Cool: Man kann es nicht verpolen. Es lädt vollautomatisch und ermittelt dafür alleine die richtigen Einstellungen. Es lädt alle Batterietypen (AGM, CCA, Lithium-Ionen). Es besitzt Rekonditionierungs- und Wiederbelebungsprogramme. Es kann als 12V-Stromquelle genutzt werden, z.B. um während eines Batteriewechsels die Fahrzeugssysteme am Laufen zu halten.

Unverschämt: Es besitzt keine Taste. Um Funktionen wie die Rekonditionierung oder Konstantstrom zu nutzen, muss man sich per App mit der Cloud des Herstellers verbinden, sich dort einen Account anlegen, sich einloggen und dann per Bluetooth auf das Gerät gehen. Ich HASSE Geräte, die nur mit Cloudanbindung funktionieren. Zumal man hier dauernd wieder ausgeloggt wird.

Auch unverschämt: Das Gerät ist arschteuer (um die 150 Euro, auch wenn es jetzt im Sale wesentlich günstiger war) und TROTZDEM muss man Dinge wie einen Gummischutz oder ein Anschlusskabel für Peripherie Extra kaufen. Und: Die neuen Stecker sind der letzte Mist (es gibt keine Entriegelung, einmal eingerastet muss man die Nasen mit Kraft auseinanderreißen).

Ich habe es jetzt trotz der Unverschämtheiten behalten. Die V-Strom hat schon eine Dose dafür bekommen und wird nun über den Winter ab und an darüber mit Strom versorgt.


Ding des Monats:

Gummistiefel. Wollte ich mir in Anbetracht steigender Anzahl von Katastrophen, Garteneinsätzen und der Kombination (katastrophale Garteneinsätze) eh mal zulegen. Nach dem erneuten Wasserrohrbruch, während dem ich wieder auf nassen Socken durch die Gegend geflitzt bin, jetzt also Dunlop Purofort + S5 in schwarz. Neoprengefüttert, ölbeständig, Durchtrittschutz, Stahlkappe. Die nächste Katastrophe kann kommen.

Trotzdem seltsames Gefühl. Mein letztes Paar Gummistiefel war knallgelb und hatte noch Entchen auf der Seite. Da war ich fünf.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

Reisetagebuch Japan (4): I found Lost

Reisetagebuch Japan (4): I found Lost

Reise durch Japan. Heute entdecke ich prähistorische Astronauten und bin an Orten aus Persona 5 und Tokyo Ghost Wire. Außerdem: Warum man Influencern kein Wort glauben sollte.

Sonntag, 06. Oktober 2024, Tokyo
Ich schlafe lange, zumindest im Vergleich zu den vergangenen Tagen. Erst um 09:00 Uhr schrecke ich aus dem Schlaf hoch, schwer atmend und voller Panik. Es braucht einen Moment bis ich begreife, dass alles in Ordnung ist. Das war nur wieder dieser fürchterliche Traum.

In dem fahre ich mit einem Auto durch ein japanisches Dorf. Plötzlich kommt zwischen parkenden Autos ein kleines Kind hervorgelaufen. Ich sehe das noch aus den Augenwinkeln, aber es ist schon zu spät. Der Traum ist so realistisch, dass ich selbst nach dem Aufwachen noch das dumpfe Geräusch im Ohr habe, als der Kopf des Kindes gegen das Fahrzeug prallt.

Diesen fürchterlichen Traum habe ich immer mal wieder. Begonnen hat das vor ein Paar Wochen, seitdem ich sicher weiß, dass ich in Japan Auto fahren werden. Im Linksverkehr. In einem Fahrzeug, in dem alles verkehrt herum ist. Ich schüttele den Kopf, um ihn frei zu bekommen. Die Erinnerung an den Traum verfliegt, aber für ein Paar Minuten bleibt das schreckliche Gefühl der Schuld, gerade ein Kind getötet zu haben. Ich tappe ich ins Badezimmer und halte den Kopf unter kaltes Wasser.

Um halb Zehn verlasse ich das blaue Haus und wandere durch die Straßen, die noch sonntäglich ruhig sind. Ein Gebäude in der Nachbarschaft fällt mir besonders ins Auge. Es hat eine vorgesetzte Zierfront aus Metall, und die ist in einem Muster angeordnet, das irgendwie aussieht wie… ineinandergreifende Reißverschlusszähne? Ich muss laut lachen, als ich sehe, dass das ein Gebäude von YKK ist, dem weltgrößten Produzenten von Reißverschlüssen.

Von Akihabara aus fahre ich zwei Stationen nach Norden und steige in Ueno wieder aus. Wenn man die kleine Straße neben dem Bahnhof, in der ich in der ersten Nacht angekommen bin, nach Norden wandert und dann links abbiegt, kommt man in den Ueno Park. Der ist wie ein Kreuz angeordnet, mit einer langen und einer kurzen Achse. An der kurzen liegt der Zoo, aber der interessiert mich heute morgen nicht.

Neben dem Zoo liegt auch das Kunstmuseum, aber von dem weiß ich noch nichts. Leider. Ich bin heute morgen hier wegen dem palastähnlichen Gebäude im Norden.

Das ist das Japanische Nationalmuseum. Noch ist nicht allzuviel los, und an einem Automaten kann ich mir mit der Kreditkarte ein Eintrittsticket ziehen.

Das Gebäude ist wirklich riesig. Schon die Treppenhäuser sind gigantisch, und die Ausstellungsräume sind hoch und weit und gesäumt von Glasvitrinen.

“Nachdem über Generationen China nachgeahmt wurde, begann Japan im 10. Jahrhundert unter Führung von Adligen am kaiserlichen Hof seine eigene kulturelle Identität zu entwickeln”, lese ich auf einem Schild m ersten Saal.
Und weiter: “Die Werke, die sie schufen – neue Formen der Literatur, Poesie, Kalligraphie, Malerei und elegant verzierte Alltagsgegenstände – wurden zu Grundsteinen japanischer Kultur. Die verschiedenen Kunstformen waren eng miteinander verbunden, wobei Literatur eine zentrale Rolle spielte. Zuvor schrieben Adelige stets in Chinesisch, aber die Entstehung einer neuen Schriftsprache, der Kana, verhalf japanischer Literatur zur Blüte”.

Okay, krass – wenn alle Kunstformen quasi gleichzeitig rebootet wurden, erklärt das einiges. Zum Beispiel, warum sich bestimmte Elemente überall wiederfinden – in Gemälden, auf Kimonos, auf Waffen und Rüstungen, auf Raumteilern. All diese Gegenstände finden sich in den Vitrinen. Viele sind hunderte von Jahren alt und sehen doch trotzdem noch aus, als seien sie gestern erst geschaffen worden.


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Reisetagebuch Japan (3): Blade Runner

Reisetagebuch Japan (3): Blade Runner

Taumeln durch Tokyo. Heute bekomme ich erst kalte Füße, dann Blutdruck durch Software- und Innenraumdesign aus der Hölle.

Samstag, 05. Oktober 2024, Akihabara, Tokyo
Heute fällt mir das Aufstehen leichter, auch wenn der Wecker eine hanebüchen unchristliche Zeit verkündet: Es ist 06:30 Uhr!

Schon wenige Minuten später laufe ich durch die stillen Straßen des Wohnviertels, in dem sich das blaue Haus befindet.

Es ist mit 25 Grad immer noch warm, aber heute morgen nieselt es. Warm und feucht, das fühlt sich sehr, sehr unangenehm an. Zum Glück werde ich nichtmal richtig nass, denn wenige hundert Meter entfernt ist der Eingang zur Untergrundbahn. Von dort komme ich trocken bis in den Bahnhof Akihabara. Auch dort ist noch wenig los.

Am Boden liegt ein junger Mann. Partyleiche von letzter Nacht?

Für die Zugfahrt kann ich noch nicht meinen JR Railpass nutzen. Der aktiviert sich erst in… Datums-check… fünf Tagen.

Um ein Ticket muss ich mich aber trotzdem nicht kümmern, denn ich habe eine Suica-Karte. Das ist eine IC Card, eine Bezahlkarte, die für alles Mögliche genutzt werden kann: Einkaufen in Conbinis, Kartentelefone, an Automaten und auch und vor allem für den ÖPNV. Suicas sind prepaid und waren früher echte Kunststoffkarten, was den Vorteil der Anonymität mit sich brachte. So eine physische Karte habe ich tatsächlich auch im Portemonnaie stecken, aber nur als Reserve und weil da ein Pinguin aufgedruckt ist.

Heute nutze ich eine virtuelle Suica. Die steckt in meinem Telefon. Als das iPhone gemerkt hat, dass ich in Japan bin, hat es von sich aus die Einrichtung einer virtuellen Suica angeboten. Möglich wäre auch eine “Pasmo” oder eine “Icocoa” gewesen oder eine der anderen IC-Karten, die es in Japan gibt. Die Karten sind regional unterschiedlich verbreitet und theoretisch interoperabel, aber ich gehe auf Nummer sicher und verwende in Tokyo die Suica, die hier halt auch ihren Ursprung hat. Die virtuelle Karte im Handy hat den Vorteil, dass sie direkt mit Apple Pay verknüpft ist, was wiederum an einer Kreditkarte hängt. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Im Endeffekt bedeutet das, dass ich zum Aufladen von Guthaben auf die Suica nur zwei mal auf den Bildschirm tippen muss. Bei den physischen Plastikkarten musste man immer erst einen funktionierenden Automaten suchen und da Münzgeld einwerfen.

Während der Zugfahrt lade ich nochmal zusätzliche 5.000 Yen, rund 30 Euro, auf die Karte. Die werde ich in den folgenden Wochen sicher verbrauchen.

Mit der Teihin-Tohoku-Linie geht es bis zum Bahnhof Shimbashi, südlich des Stadtzentrums. Hier verlasse ich den Bahnhof und suche nach der gleichnamigen U-Bahn-Station, die einige hundert Meter entfernt ist. Auf dem Bahnhofvorplatz steht eine Dampflok!

So, mal gucken was hier fährt. Das ist nämlich der Grund, warum ich so früh unterwegs bin. Mir ist nicht ganz klar, wie ich an mein Ziel komme.

Zu meinem eigenen Erstaunen finde ich sofort die richtige Linie. Auf Google Maps kann ich verfolgen, wie sich die vollautomatische Bahn der Yurikamome-Linie von Shimbashi langsam in Richtung Hafen bewegt. Da will ich hin!

Die Bahn dreht eine weite Pirouette über dem Wasser, bis sie sich bis auf das Niveau der Rainbow-Bridge geschraubt hat. Die verbindet das Festland mit einigen künstlichen Inseln, die man in der Bucht von Tokio aufgeschüttet hat.

Auf den Inseln stehen Gebäude herum, die direkt aus aus dem Film “Blade Runner” stammen könnten. Hier das Fernsehgebäude des Fuji-Television Network:

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Vergnaddelt

Vergnaddelt

“Na, Herr Yarisverkäufer, wie sieht´s aus? War die hintere Bremse wieder vergniestert?”

“Hörnsemirbloßauf! Die war nicht nur vergniestert, die ist total vergnaddelt. Hamwa schon von hinten gesehen, dass da der Grind suppt. Da gehnwa jetzt kein Risiko mehr ein, wir tauschen beide Bremsen hinten komplett aus”

– “Vergnistert, vergnaddelt, gesuppt” – Ich freue mich immer, wenn ich mir Fachterminologie aneignen kann.

Immerhin, mit dem Austausch der Bremsen auf Kosten des Händlers kann ich gut leben. Bis die Ersatzteile da sind, fahre ich allerdings mit der suppenden Bremse durch die Gegend, die mittlerweile ja nach Tagesform quietscht, pengt oder krcccht. Schön ist anders.

Bisher mit dem Yaris:

Reisetagebuch Japan (2): Narr in einer kalten Mondnacht

Reisetagebuch Japan (2): Narr in einer kalten Mondnacht

Reisetagebuch Japan. Heute mit musizierenden Fröschen, der schrecklichen Maman und ganz viel Crunky.

04. Oktober 2023, Akihabara, Tokyo
Gegen 19:30 Uhr bin ich hellwach und putzmunter.

Was doppelt doof ist, denn 19:30 Uhr ist es jetzt in Europa. Tokyo lieg von Deutschland aus sieben Stunden in der Zukunft, hier ist es erst 2:30 Uhr. Schräg. Vor drei Stunden habe ich erst die Augen zugemacht. Anscheinend ist mein Körper noch im Alarmmodus – kurze Tiefschlafphase, dann wieder auf Einsatzbereitschaft. Mit Jetlag habe ich bislang nie Probleme gehabt, vermutlich kommt das von der langen Wachphase am Vortrag und der ganzen Aufregung.

Ich lese ein wenig und versuche wieder einzuschlafen, aber das will nicht richtig gelingen. Erst als gegen sieben Uhr Ortszeit der Wecker klingelt, bin ich gerade wieder im Tiefschlaf und werde danach überhaupt nicht mehr wach. Dammit.

Gegen 7:45 Uhr habe ich es endlich geschafft aus dem Bett zu fallen und notdürftig in Hemd und in Hemd und Hose zu steigen. Schlaftrunken verlasse ich das “Akino” und laufe die Straße runter bis zum Eingang der U-Bahn. Der Stadtteil Akihabara ist als Homebase wirklich gut geeignet. Neben der Metro, an der sich mehrere große Linien kreuzen, hat er auch einen großen Bahnhof. Ich bin ja schon einmal in Japan gewesen. Vor fünf Jahren, 2019. Damals habe ich Tokyo schon kennen lernen dürfen, zumindest winzige Teile davon.

Irgendwie hat diese Stadt und das Land mich dann nicht mehr losgelassen – gerade im vergangenen Jahr hing ich ständig dem Gedanken nach, Japan und seine Kultur und seinen Alltag besser kennen lernen zu wollen. Bei jedem Videogame, das in Tokyo spielte, und jedem japanischen Film träumte ich mich wieder hier hin zurück. Zumindest so lange, bis der Flug gebucht war, dann war das Interesse schlagartig weg.

Heute morgen spüre ich aber wieder, was Japan für mich so interessant macht. Hier geht man einfach anders an Dinge ran als in Westeuropa. Gleiche Problemstellungen, völlig andere Lösungen. Das ist Ausdruck einer ganz anderen Denkweise – einer, bei der nicht das Individuum und dessen Freiheit den absoluten Vorrang hat, sondern das Wohl der Allgemeinheit im Vordergrund steht. Eines der Paradigmen der Spieltheorie sagt: “Wenn jeder seine Situation zu verbessern sucht, verschlechtert er oft die Situation für alle”. Auch bekannt als Rollkoffertheorem. Ein Rollkoffer ist für eine einzelne Person eine Verbesserung, aber wenn alle Rollkoffer benutzen, ist kein Durchkommen mehr.

Meine Schwester fragte mich mal, wie mich ein Land faszinieren kann, in dem es so dermaßen viele Regeln gibt. Sie hat natürlich Recht. Die japanische Gesellschaft kennt Tausende von Regeln. Wenn man nicht hier aufgewachsen ist, dann ist es unmöglich die zu kennen. Aber es gibt eine oberste Direktive, und wenn man sich an die hält, macht man schon ganz viel richtig.

Sie lautet: “Geh anderen Leuten nicht auf den Sack”. Verhalte Dich so, dass Du andere nicht störst.

Davon leitet sich alles andere ab: Telefoniere nicht in der Öffentlichkeit. Rede nicht laut im Zug. Benutz kein aufdringliches Aftershave. Spuck nicht auf den Boden. Sei höflich. “Geh anderen nicht auf den Sack” ist eine Regel, die ich überaus gut finde und unterstütze. Da sich hier alle daran halten – mit Ausnahme der amerikanischen und chinesischen Touristen – ist der Aufenthalt in Japan für mich sehr, sehr angenehm.

Jetzt, als ich durch die Straßen laufe und die Schilder an den Geschäften sehe, die ich immerhin zur Hälfte lesen kann, kribbelt in mir wieder ein wenig die Vorfreude im Magen. Die Vorfreude darauf, Fremdes und die japanische Art zu Denken kennen zu lernen. Ach ja, und einfach mal ein paar Wochen von der Arbeit weg zu sein, das ist auch gut.

Das U-Bahn System in Tokyo ist einfach, die Linien sind farblich codiert und die Stationen sind nummeriert und am Bahnsteig steht genau, wohin die Bahn fährt. Mit meinem drei-Tages-Ticket, dass ich gestern zusammen mit dem Skyliner-Ticket abgeholt habe, laufe ich einfach durch eine der Schranken. Die Zug der Hibayi-Line bringt mich bis in den Stadteil Minato, wo unter anderem die noblen Roppongi Hills liegen – gläserne Türme voller Luxusboutiquen und Schönheitskliniken.

Minato ist im Kern ein Businessviertel, aber halt so groß wie eine ganze Stadt. Hier sitzen die ganzen großen Konzerne: Honda, Mitsubishi, NEC, Nikon, Softbank, Sony, Fuijitsu usw. usf..

“FREUDE by BMW” verkündet ein Schild. Aha. Filialen deutscher Luxusautomarken finden sich hier also auch. Warum auch nicht, Japan und Deutschland sind sich sehr ähnlich – beide hinken bei der Digitalisierung hinterher, beide setzen noch viel auf Verbrenner.


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Agathe 2024/25

Agathe 2024/25


Agathe ist wieder da! Immer noch als Mini-Version, aber immerhin: Das, was da keck aus dem Blumentopf lugt, sieht schon wieder mehr wie die alte Agathe aus und nicht wie die mickrige Adele im vergangenen Jahr.

Wir erinnern uns: Agathe, das war ein gigantischer Weihnachtskaktus, den der Vormieter hier in der Wohnung zurückgelassen hatte. Jahrelang sah Agathe das ganze Jahr über aus wie knotiges Gemüse aus dem Weltall, bis sie dann im November anfing, sich in einen rosafarbenen Wasserfall zu verwandeln.

Dann kam ich auf die grandiose Idee, sie nach über 10 Jahren mal von ihrem Mitbewohner, dem teuflichen Drachenbaum, zu befreien. Das ging so gründlich schief, das nur kleine Teile von Agathe zu retten waren. Diese mickrigen Reste bekamen dann auch noch Nachtfrost ab, und mehr tot als lebendig siechte Agathe in einem Topf mit einem japanischen Maulbeerbaum dahin:

Diese WG war keine gute Idee. Anders als in der Beschreibung angegeben braucht der Maulbeerbaum enorme Mengen Wasser. Agathe nicht. Deshalb nahm ich sie im Sommer aus dem großen Bodentopf und steckte sie in einen eigenen. Den mag sie, seitdem wächst sie wieder ordentlich und blüht jetzt auch wieder schön:


(Pinguin for Size)

Gut, sie blüht gerade nur auf einer Seite, aber irgendwas ist ja immer.

Bis Agathe so groß ist wie früher…

…wird es noch etwas dauern, aber sie ist auf dem richtigen Weg.

Frühere Agathes:
Agathe Adele 2023/24
Die dicke Agathe 2022/23
Die dicke Agathe 2021
Die dicke Agathe 2020
Die dicke Agathe 2019
Die dicke Agathe 2018
Die dicke Agathe 2017

Reisetagebuch Japan 2024 (1): Kein Bock

Reisetagebuch Japan 2024 (1): Kein Bock

Wie kann man keine Lust haben nach Japan zu reisen? Das Reisetagebuch beginnt mit einem sehr stolperndem Start – und mit einem Klassiker: Ich sperre mich irgendwo ein und komme nicht mehr raus. Die Tour findet ohne eigenes Motorrad statt, deshalb erscheint nur dieser Teil im Motorrad-Blog-Reddit. Als Hinweis, quasi. Jeden Samstag erscheint ein neuer Teil des Reisetagebuchs, dafür gibt es aber keinen Reddit-Eintrag mehr.

November 2023 bis August 2024

Kein Bock.

Ich habe einfach. Keine. Lust.

Keine Motivation, in irgendeiner Art diese Reise vorzubereiten.

Und das mir!

Ich bin normalerweise der, der großen Spaß daran hat, jedes Detail einer Reise im Vorfeld auszuknobeln. Allein schon deswegen, um möglichst viel rauszuholen und keine Zeit zu verschwenden.

Und nun? Habe ich die größte und längste Tour meines bisherigen Lebens vor mir, und ich habe keinen Bock mich darum zu kümmern.

Bereits im November 2023 buchte ich einen Flug nach Japan für den Oktober 2024, und legte ganz enthusiastisch eine Planungstabelle und kramte die Reiseführer wieder raus und dann… hatte ich keine Lust die zu lesen. Andere Dinge waren wichtiger, und nach der Arbeit war ich einfach zu müde um mir Dinge auszudenken. Wintermüdigkeit, dachte ich im Dezember 2023.

Auch im folgenden Januar und Februar und März hatte ich keine Lust auf Reisevorbereitungen. Das machte mich aber nicht nervös oder unzufrieden – irgendwann, da war ich mir sicher, würde die richtige Zeit kommen, und mit ihr die Motivation, und dann ginge bestimmt alles ganz schnell und wie von selbst.

Spoiler: Tat es nicht.

Statt mich um darum zu kümmern was ich einen Monat lang in Japan tun wollen würde, sehnte ich mich nach Besuchen auf gewissen italienischen Bergfarmen und klöppelte an einem neuen Moped herum. Das musste natürlich im April und Mai auch gefahren werden.

Im Juni saß ich auf dem Balkon, die aufgeschlagenen Reiseführer auf dem Schoß, und träumte mit offenen Augen vor mich hin.
Im Juli stand dann eine kurze Fahrt nach Italien an, und im August schrieb ich lieber darüber als mich um Japan zu kümmern.

Was hatte ich in der Zwischenzeit hinbekommen? Nicht viel. Immerhin hatte ich eine Idee gehabt: Japan ist ja ganz schön groß und besteht aus tausenden Inseln, aber es gibt ein “Festland” aus vier großen Hauptinseln. Die strecken sich über fast 2.000 Kilometer, und ich wollte, so die Idee, vom nördlichsten Punkt bis zum südlichsten reisen.

Eine durchaus interessante Reise. Hier sieht man, wie groß Japan ist. Die nördlichste Insel liegt auf Höhe von Deutschland, das Südkap der Hauptinseln schon in Nordafrika. Eine Tour vom mitteleuropäischen Herbst bis nach Ägypten.

Die Fortbewegung? By any Means, also mit jedem Verkehrsmittel was in Frage käme.

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Momentaufnahme: November 2024

Momentaufnahme: November 2024

Herr Silencer im November 2024

“MAN BEKOMMT KEIN GELD WIEDER WENN MAN EXTRA LANGSAM AM BLITZER VORBEIFÄHRT!”

Wetter: Anfang des Monats sind die Bäume kahl und es ist neblig, einstellig kalt und viel Regen. Ab Monatsmitte weniger Regen, mehr Frost. Monatsende um die 5 Grad und trocken.


Lesen:


Jeremy Clarkson: home to Roost
Mehr Anekdoten von Clarksons Farm. Zusammengefasst sind hier seine Sunday Times-Kolumnen der letzten 12 Monate. Wie üblich unterhaltsam, aber erzkonservativ.


Hören:


Sehen:

The Sunlit Night [Prime]
Das Leben der amerikanischen Kunststudentin Frances ist ein Traum: Erfolgreich auf ein Stipendium beworben, Model-Freund, eine liebevolle Familie. Bis zu dem Moment wo sich die Eltern scheiden lassen, ihr Freund Schluss macht und sich das “Stipendium” als etwas superabsurdes herausstellt: Frances soll einem knurrigen Künstler dabei helfen, seine Scheune gelb zu streichen und damit zum Kunstwerk zu machen. Die Scheune steht in einem Fjord. In Norwegen.

“Das ist mein Freund. In seinen blonden Beinhaaren verfängt sich Dreck. Ich hasse seine Schultern” – mit solchen Beschreibungen der Ich-Erzählerin fällt dieser Film direkt in die Tür, und dafür möchte man ihn sofort lieben. Leider wird sehr schnell deutlich: Der Film besteht nur aus seltsam-bemühten Momentaufnahmen, die ziemlich Random aneinandergeklebt sind. Vermutlich wäre der Streifen gerne “Amelié in Norwegen”, leider ist er das nicht mal im Ansatz. Das die Schauspieler nicht miteinander spielen hilft nicht wirklich, selbst Gillian Anderson und Zach Galifinikakis stehen ziemlich ratlos in der Gegen herum. Schade.

Despicible Me 4 [2024, JAL]
Ex-Bösewicht Gru macht sich einen neuen Feind. Dummerweise ist der ein Superschurke und hat es nun auf Grus Familie abgesehen. Die geht in Zeugenschutzprogramm – aber wie unauffällig kann eine Familie aus einem Ex-Bösewicht, einer EX-Agentin. drei ADHS-Kindern und eintausend Minions schon sein?

Ich mag die “Ich, einfach unverbesserlich”-Filme sehr gerne. Die sind nämlich in vielen Szenen inszeniert wie die alten “Nackte Kanone”-Streifen: Im Vordergrund wird ernst durchgespielt, während im Hintergrund das Chaos tobt und Running Gags bis zum get no durchgezogen werden. Blink and you missed it. Das passiert auch hier wieder und ist hoch vergnüglich, täuscht aber nicht über die vorhersehbare Story hinweg. Auch ärgerlich: Die Super-Minions sind ein Element, das im Film so gar nicht funktioniert und sehr offensichtlich nur wegen Merch-Verkäufen drin ist. Oder das ist die Vorbereitung für ein weiteres Minions-SpinOff, aber dafür ist es eigentlich zu scheissig gemacht.

Fly me to the Moon [2024, JAL]
Kennedy hat verkündet, dass man bis zum Ende der Dekade auf dem Mond gewesen sein will. Nun ist schon 1968, viel Zeit bleibt nicht mehr bis zum Ende des Jahrzehnts, und daher arbeitet Channing Tatum sehr ernsthaft am Weltraumprogramm der NASA.

Was er braucht: Mehr Geld und mehr Leute.
Was er nicht braucht: Die PR-Tussi Scarlett Johansson, die das Mondprojekt dem Kongress und der Bevölkerung “verkaufen” und so finanzieren soll.

Allerdings ist sie dabei sehr erfolgreich, bald sprudelt Geld aus Werbedeals und Amerika ist im Weltraumfieber. Dann kommen die Bedenken: Was, wenn die Mondlandung fehl schlägt? Fällt Amerika dann nicht in eine kollektive Depression, und die Russen lachen sich ins Fäustchen? Wäre es nicht besser, man ginge auf Nummer sicher und inszenierte die Mondlandung gleich im Studio, um sie live im TV übertragen zu können?

Seltsamer Film. Wirkt ein wenig als habe er ADHS. Vergnüglich, ohne Frage, aber irgendwie unfokussiert und sprunghaft. Keine Storyline konzentriert sich, alles wirkt sehr zusammengemischt. Als wäre sie für Leute, die beim schauen permanent auf´s Handy gucken und nur die Hälfte mitbekommen – geschrieben VON Leuten, die beim Machen des Films die Hälfte der Zeit auf´s Handy geguckt haben. “Ey, was wäre wenn die Johansson nicht nur eine PR-Tussi wäre, sondern auch eine Trickbetrügerin?” “Könnte sie nicht auch noch Piratin sein?” “Tolle Idee!!”

Leider taugen auch die Darsteller nicht als Klebstoff für dieses Konstrukt. Channing Tatum und Scarlett Johansson sind zwar ausnehmend schöne Menschen, haben aber überhaupt kein Charisma – Folgerichtig entwickeln diese Teflon-Schauspieler auch zusammen keinerlei Chemie.

Letztlich ist “Fly me to the Moon” eine unterhaltsame Nummernrevue mit schönen Menschen in schönen Kulissen, aber herzlos und ohne Charme und echten Witz. Nicht mal als Dokudrama taugt er, denn der Stoff ist frei erfunden – was Verschwörungsmystiker natürlich nicht glauben.

Deadpool & Wolverine [2024, JAL]
Deadpool gräbt Wolverine aus und macht mit ihm gemeinsam das Marvel-Multiverse unsicher.

Wie Meta kann ein Film sein? Deadpool & Wolverine: JA!!!!!

Was hier an Dekonstruktion aufgefahren wird ist beachtlich, sehr unterhaltsam und äußerst blutig. Dabei funktioniert der Film weniger als die Vorgänger über Pipi-Kaka-Witze als vielmehr Style over Substance. Die vielen Cameos und Insidergags haben mich echt staunen lassen. Auch wenn der Plot Banane ist, spürt man hier an jeder Ecke die Liebe zum Material. Für Fans von Marvel – und für solche, die schon immer mal sehen wollten, wie klassische Marvel-Figuren und Timelines übern Deister gehen.


Spielen:

Batman: Shadow of Arkham [2024, Meta Quest 3S]
Zwischen “Batman: Arkham Origins” und “Arkham Asylum”: Gotham brennt. Brandstifter sind die Anhänger des Kultführers “Rat King”. Über den weiß man nichts, und seine Anhänger schweigen eisern. Batman beschließt sich in Verkleidung unter die Kultisten zu mischen, und lässt sich in das legendäre “Black Gate”-Gefängnis sperren.

Woah. Ich bin amtlich beeindruckt. “Shadow of Arkham” orientiert sich stark an “Arkham Asylum”: Mit Black Gate gibt es einen ähnlich gestalteten, räumlich begrenzten Schauplatz, der aber viel Abwechselung bietet. Beeindruckend ist vor allem die gelungene Übertragung in die virtuelle Realität. Als Kleinkrimineller “Matches” Malone läuft man durch das Gefängnis und belauscht Insassen, als Batman gleitet man über die Gassen Gothams, löst Rätsel und prügelt sich durch Gegnerhorden.

Nahezu jedes Gameplay-Element der Arkham Reihe wurde hier umgesetzt. Es gibt das Freewlow-Kampfsystem, es gibt die Predator-Passagen, in denen man lautlos und aus den Schatten heraus Feinde ausschalten muss, und es gibt die Detektivsicht, die beim Rätseln hilft – aber all das aus der Ego-Perspektive, dreidimensional und mitten im Raum! Und alles funktioniert nahezu reibungslos und flüssig. Freilich artet das in Sport aus, wenn man während der Kämpfe minutenlang Luftboxereien austrägt – aber wenn ich nach einer Massenkeilerei schwer atmend mitten in meinem Wohnzimmer stehe, um mich herum die bewusstlosen Körper der Ratten-Kultisten, dann ist die Immersion wirklich immens. Und der Muskelkater am nächsten Tag ist real, nicht virtuell.


Machen:

– Den Yaris ein ums andere Mal in die Werkstatt bringen.
– Mir den Arsch abarbeiten.


Neues Spielzeug:

Eine VR-Brille, eine Meta Quest 3S. Ich sage es nicht gerne, aber ich bin echt beeindruckt: Facebook hat hier viel richtig macht. Die Entwicklungssprünge bei VR und AR in den ergangenen Jahren waren doch erheblich. So braucht es mittlerweile kein Kamerasetup mehr, keine UV-Strahler und keinen leistungsstarken Rechner, an den ein schweres Headset mit pixeliger Auflösung angeschlossen wird. Bei der Quest 3S ist alles integriert – aufsetzen und loslegen. Anwendungen schweben frei im Raum und lassen sich mit den Händen bedienen, ähnlich wie in “Minority Report”. Wer es präziser braucht, kann kleine Controller in die Hand nehmen und die virtuelle Umgebung mit kleinen Sticks und Tasten steuern. Über ein Client-Programm ist es möglich den Inhalt des eigenen Rechners frei im Raum schweben zu lassen und daran zu arbeiten – ein Notebook bekommt so z.B. ein riesiges (und für andere unsichtbares!) Display.

Youtube oder Prime laufen auf der Quest, und das Ergebnis ist beeindruckend: Plötzlich schwebt ein riesiger Kinobildschirm im eigenen Wohnzimmer oder in einer virtuellen Umgebung. Mehr Apps und Games gibt es im Meta-eigenen Store. Die Spiele sind dabei beeindruckend: Der Klassiker “Beat Saber” läuft super, technisch und spielerisch haben hier aber “Arkham Shadow” (s.o.) oder “Assassins Creed Nexus” die Nase vorn. Deren Grafik bewegt sich ca. auf dem Niveau einer XBOX 360, aber das tut dem Spaß keinen Abbruch, eben weil alles flüssig läuft und man mitten drin ist.

Die Meta Quest 3S teilt sich die technische Basis des bessern Modells Quest 3, spart sich aber einen LIDAR-Sensor und setzt auf ein altes Optiksystem aus Fresnell-Linsen. Die erzeugen in sehr dunklen oder sehr hellen, monotonen Umgebungen einen leichten Halo-Effekt, in Games oder Filmen fällt der aber nicht auf. Der fehlende Radar-Sensor ist gar nicht zu bemerken, der wird durch bessere Kameras und Software kompensiert. Toll ist die dynamische Soundberechnung, die durch die im Brillenband verbauten Minilautsprecher ausgegeben wird. Tonquellen lassen sich präzise im virtuellen Raum orten und verändern den Klang und die Lautstärke, wenn man sich ihnen nähert. Das trägt wesentlich zur Immersion bei.

Eigentlich macht die Meta 3S all das, das die Apple Vision Pro auch tut. Vielleicht nicht in derselben Qualität, aber dafür kostet sie nur 329 Euro, nicht 4.000. Für mich noch wichtiger: Man kann die Quest 3S mit Brille nutzen. Das ist gut, denn so kann auch ich das Headset nutzen – anders als die Apple Vision Pro, denn unter der ist keine Brille möglich, und optische Einsätze mit 12 Dioptrien gibt es nicht.

Investieren sollte man als Brillenträger unter der Quest 3S dann allerdings in einen Linsenschutz, z.B. von VR Optiker – sonst kann es sein, das die Brille die Linse im Headset verkratzt. Auch sinnvoll: Eine Kopfhalterung aus dem Zubehörhandel, denn der Standard-Strappen taugt nicht für wilde Sessions a la “Shadow of Arkham” (s.o.).

Alles in allem das perfekte Headset für den Einstieg in VR und AR, wenn man bereit ist, sich in das Ökosystem von Facebook zu begeben.


Ding des Monats:


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

Nen halben Baum

Nen halben Baum

Ich: „Hallo Herr Gebrauchtwagenverkäufer, bei dem Yaris, den ich bei Ihnen gekauft habe, da fällt dauernd der Radarsensor aus. Der sei verschmutzt, ist er aber nicht.”

Verkäufer: “Ja im Moment ist halt auch manchmal so Nebel und Feuchtigkeit und so, da kann das schon mal… warum lachen Sie denn?”

Ich: “Weil ich neulich einen Yaris durch einen fu-cki-ng echten MONSUN gefahren habe und selbst der hat nicht wegen Radarausfall rumgeheult”

Verkäufer: “Ja dann müssmer den halt austauschen”

Ich: “Ich weiß, dass der Wagen zu einer Lieferung gehörte, bei dem die Radarsensoren nicht korrekt initialisiert waren. Da gab es damals eine Anweisung das nachzuholen.”

Verkäufer: “Stimmt. Das Update wurde nie gemacht. Na, dann holen wir das nach!”

Drei Tage später. Werkstatttermin, Softwareupdate, erste Fahrt vom Hof runter, Ding-Dong, Radarsensor ausgefallen.

Ich: „Hallo Herr Gebrauchtwagenverkäufer, der Yaris ist immer noch traurig und heult rum.”

Verkäufer: “Ja aber anne Software tuts nicht liegen! Dann müssen wir den mal angucken!”

Zwei Wochen später. Nächster Werkstatttermin.

Verkäufer: “Also sie glaum das nich! Nen halben Baum hamwa zwischen Stoßfänger und Radarsensor rausgeprokelt!”

Und tatsächlich: Das war ein gut 10 cm langes Stück Borke. Da kann das Auto natürlich nicht durchgucken.

Wollen wir mal hoffen, dass es das war. Ich wäre ja froh, wenn das die simple Ursache ist und nicht ein obskurer Elektrolurch, den niemand findet.

Bleibt noch die jetzt schleifende Bremse und das Quieken im Motor, das zwar superdezent ist, aber nach einem lockeren Riemen klingt. Will mal stark hoffen, dass die Werkstatt das auch noch in den Griff bekommt. Der Yaris ist zwar erst drei Jahre alt, hat aber 80.000 Km runter – quietschen darf der, kaputt sein nicht.

Witzig: Im Autohaus den neuen Besitzer des Legendären Gelben AutosTM getroffen. “Den habe ich wieder schön gemacht! Repariert und neu lackiert! Fahre ich jeden Tag! So ein tolles Auto!” – nach wie vor sehr tröstlich, das Eleonore in so guten Händen ist.

Vergniestert

Vergniestert

Ich: „Hallo Herr Gebrauchtwagenverkäufer, bei dem Yaris, den ich bei Ihnen gekauft habe, da hängt die hintere rechte Bremse“

Verkäufer: „Das kann nicht sein“

Ich: „Doch, die hängt. Wenn die Feststellbremse drin war, muss sich Wagen regelrecht dagegen stemmen, bis sie sich mit einem Knall löst“

Verkäufer: „Das liegt an der Luftfeuchtigkeit. Da quellen die Beläge ein wenig“

Ich: “Das war aber auch schon im August so.”

Verkäufer: “Da hat´s auch mal geregnet.”

Ich: „Also, ich bin die letzten Wochen verschiedene Yarisse gefahren. Einen davon durch einen Monsun und durch tropischen Regenwald bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit, und auch der hat das nicht gemacht.“

Verkäufer: „Trotzdem, kann nicht sein. Na, wir guggen trotzdem mal. Aber ich sag ihnen gleich, die Bremsbeläge, die quellen.“

Zwei Tage später:

Verkäufer: “Also Herr Silencer ich muss ihnen sagen: Die hintere rechte Bremse, ne? Total vergniestert! Sowatt hab´ ich in 30 Jahren noch nicht gesehen! Die war so vergniestert, das glauben´se nicht! Kein Wunder, dass die sich nicht mehr gelöst hat!”

Vergniestert.
Soso. Muss ein Fachbegriff aus der Automobilwelt sein.