Archiv des Autors: Silencer

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Alles was Herr Silencer schreibt ist wichtig, wahr und schön.

Reisetagebuch (11): Mega Andrea

Verlängerter Sommer auf Sardinien. Heute werde ich von GS-Fahrern gedemütigt.

Freitag, 05. Oktober 2023
Uaaaargh habe ich schlecht geschlafen. Ständig habe ich mich hin- und hergeworfen, und ab 4:00 Uhr war an Schlaf gar nicht mehr zu denken. Das lag wohl daran, dass ich mich gestern Abend an dem leckeren Essen heillos überfressen habe, ein überfüllter Magen schläft schwer.

Zudem ist es auch viel zu warm in der Nurgahe, und mit der Luft stimmt was nicht, mein Hals kratzt und mir läuft die Nase wie verrückt.

Läuft hier die Heizung? Nein, anscheinend haben wirklich die riesigen Steine, aus denen diese Unterkunft besteht, viel Sommerwärme gespeichert. die sie nun abgeben.

Außerhalb des Steinhäuschens ist es jedenfalls frisch, einstellige Temperaturen zaubern Kondenswasserperlen auf die Barocca, die in der Morgensonne wartet.

Um 8:30 Uhr gibt es Frühstück, was natürlich wieder viel zu viel und viel zu groß ist. Neben Obst, Käse, Schinken und Süßkram gibt es auch noch Spiegelei und Antipasti undundund…

Nett ist der Joghurt, der hier um die Ecke von einer kleinen Käserei hergestellt wird. Über die Kuh im Logo könnte ich mich beömmeln!

Margherite winkt und hält den Hund fest, als ich die V-Strom durch die Auffahrt steuere, dieses Mal ohne aufzusetzen.

Als das Motorrad auf der Straße ist, frage ich mich: Was mache ich heute eigentlich den ganzen Tag? Die Fähre fährt erst in 11 Stunden. Die Abfahrtszeit wurde leider kurzfristig von 16:00 auf 21:00 Uhr gelegt, und ich habe gar keinen Plan für den Tag.

Erstmal dödele ich jetzt in gemütlichem Tempo die Kurvenstrecke wieder zurück, auf der ich mir gestern dieses unerquickliche Rennen gegen die Zeit geliefert habe.

An deren Ende liegt die Zufahrt zum Monte Limbara, und aus purer Langeweile fahre ich noch einmal das Kurvenmassaker dort hinauf und bis zur ehemaligen Nato-Basis.

Vor deren Tor stehen aber schon zwei Autos, die Basis hat also schon Besuch. Nee, dann drehe ich lieber wieder um – ist eh´zu kalt hier oben, gerade mal vier Grad sind es heute morgen.

In Tempio Pausana finde ich einen LÜDL. Scheint mein verborgenes Talent zu sein: Egal wo ich unterwegs bin, stets finde ich einen der blau-gelben Discounter. Dort kaufe ich Wasser und Verpflegung für die nächsten zwei Tage, dann weiß ich wieder nicht, was ich machen soll. Irgendwo hinsetzen und lesen? Aber wo?

Wo habe ich einen ruhigen, schönen Ort, wo ich den Tag verbringen kann? Da fällt mir doch glatt der Strand bei Gli Ulivi ein, und so bin ich kurze Zeit später noch einmal in La Ciaccia.

Zwei Querstraßen von Gli Ulivi entfernt gibt es eine Zufahrt zum Strand. Dort steht ein Restaurant und eine Fischerhütte und ein Bootshaus, außerdem gibt es eine Reihe von Motorradparkplätzen, die der letzten Woche noch nie belegt waren, und direkt daneben eine schattige Sitzgelegenheit.


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Kategorien: Motorrad, Reisen | 4 Kommentare

Momentaufnahme: März 2023

Herr Silencer im März 2023

Wann ist dieser Winter ENDLICH vorbei?!

Wetter: Bis Mitte des Monats durchwachsen kalt und bedeckt, dann noch einmal Wintereinbruch: Schnee und Eis kehren für Tage zurück. Ein paar Mal scheint die Sonne, und dann hüpfen die Temperaturen auch in den zweistelligen Bereich, aber meist bleibt es grau und irgendwo zwischen Gefrierpunkt und 8 Grad. Auch die Natur bleibt im Tiefschlaf, der Frühling kommt lange nicht voran. Zwischendurch hüpfen die Temperaturen kurz hoch, am Monatsende gibt es aber wieder Schneeregen und Null Grad und alles alles ist bäh.


Lesen:


Hören:


Sehen:

Twin Peaks, Season 3 [2017, DVD]
„In 25 Jahren können sie mich wieder sprechen“, sagte Laura Palmer 1992 zu Agent Dale Cooper. Der kam nie mehr aus dem Roten Raum heraus. Wer stattdessen nach Twin Peaks zurückkehrte war Bob, der Killergeist, der in Coopers Körper steckte.

25 Jahre später geschehen in den ganzen USA grauenvolle Morde. FBI-Direktor David Lynch stochert in den Fällen herum und stellt fest: Die Spur führt zurück nach Twin Peaks.

Cooler Move, wirklich 25 Echtzeit-Jahre später eine DER Serien der 90er fortzusetzen. Twin Peaks war damals ein Fernsehereignis, das man so noch nicht gesehen hatte. Die Frage, wer Laura Palmer tötete, spielte am Ende fast keine Rolle mehr. Die Serie lebte von bizarren Charakteren, fantastischen Bildern, surrealen Szenen und der hypnotischen Musik. „Twin Peaks“ brach 1990 und 1992 alle Sehgewohnheiten und gilt als eine der einflussreichsten Serien aller Zeiten. Sowas lässt sich nicht wiederholen, deshalb bietet Twin Peaks in der 2017er Fassung nicht „more of the same“, sondern viel, viel Neues mit den bekannten Darstellern.

Dazu gehören grausame Verstümmelungen und blutige Morde genauso wie geradezu psychedelische Folgen, die quasi ab Minuten eins Kunst aus allen Poren strömen, aber sich konventionellen Sehgewohnheiten verschließen.

Ich habe mit solchem Artsy-Fartsy-Kram normalerweise nicht mehr viel Geduld und mache das aus, weil ich es nicht ertrage. Aber hier ist das Surreale so irre inszeniert und ergibt im Rahmen der Handlung so unbedingt Sinn, dass ich richtig viel Freude daran hatte und alle Folgen am Stück weggebinged habe (während ich nebenbei Persona spielte, dazu unten mehr). Selbst Folge 8, die ein für sich stehender Fiebertraum ist, hat mich in ihren Sog gezogen.

Lediglich das Ende der Serie ist beim ersten Schauen enttäuschend und vermittelt etwas wirr die Botschaft „Das Böse gewinnt immer, aber das Gute gibt niemals auf“. Das steht aber wiederum im Einklang mit dem Mantra „Das Gute stirbt oder wird getötet“ aus Staffel 1 und der Sekundärliteratur („Das geheime Tagebuch der Laura Palmer“).

Aber bis zu diesem seltsamen Ende kann man 17 1/2 Episoden Twin Peaks genießen, mit fast allen (gut gealterten!) Darstellern von damals, einem interessanten Plot und einer Fortsetzung, die sich einer eindeutigen Auslegung entzieht.

Triangle of Sadness [2022, Bluray]
Eine Hyper-Luxus-Yachtreise für Superreiche und Influencer: Man schwelgt in Dekadenz und Instagram-Kulissen, lässt sich die Wünsche von den Augen ablesen und lebt seine Kinks aus. Dann kommt es zu einem Unfall, die Yacht sinkt und die wenigen Überlebenden retten sich auf eine einsame Insel. Dort stellen sie fest, das Influencer-Skills nicht zum Überleben taugen, und die einzig fähige Person – eine Putzfrau – zettelt ein Herr der Fliegen-Szenario an.

Wenn man die Beschreibung so liest, kann das eigentlich nur ein geiler Film sein, oder? Gesellschaftskritik! Verlogene Influencerbande wird vorgeführt! Superreiche finden sich plötzlich ganz unten wieder! Eat the Rich!!

Tja, dachte ich auch, und habe die BluRay blind gekauft – und mich selten so darüber geärgert, dass ich Geld zum Fenster rausgeworfen habe! Seine tollen Ideen verkackt Regisseur Ruben Östland hier auf jedem Meter. Der Film ist mit seiner Laufzeit von 150 Minuten mindestens eine Stunde zu lang und von vorne bis hinten angefüllt mit langweiligem Quark.

Eeeeeeewig lang darf man sich erst unzusammenhängende Szenen aus dem Alltag von Models angucken, die eine schlechte Zoolander-Parodie sein könnten. Dann guckt man stundenlang einem völlig belanglosen Influencer-Pärchen dabei zu, wie es sich gegenseitig anödet, bevor es endlich auf die Yacht geht.

Auf der springen erstaunlicherweise Iris Berben und Sunnyi Melles herum, haben da aber auch nicht wirklich was zu tun. Und wenn das Boot der Reichen endlich, nach drei Vierteln der Laufzeit, untergeht, beginnt mitnichten ein „Eat the Rich“-Szenario, sondern nun dümpelt der Film halt an einem Strand statt auf einer Yacht herum. Statt bitterböse und pointiert geht es hier belanglos und verschwurbelt zu, nichts ist relevant, keine Figur hat einen Charakter.

Das tut beim Ansehen umso mehr weh, weil das Ding wirklich Potential gehabt hätte. Aber das wird links und rechts eimerweise liegengelassen, und das angeklebte, offene Ende ist erkennbar nur drangestückelt worden, damit der Streifen sich als „Kunst“ rausreden und um eine Aussage drücken kann.

Das muss der Regisseur vielleicht noch lernen: Gute Kunst hat eine Aussage und eine Haltung und ergeht sich nicht in Beliebigkeit. „Triangle“ ist weder lustig noch bissig oder kritisch oder gar dramatisch – er ist belanglose Zeitverschwendung.


The Woman King [2022, Amazon Video]
Westafrika, 1823: Die Elitegruppe der Agojie verteidigt das Königreich Dahome. Das Besondere: Alle Mitglieder sind weiblich. Ihre Anführerin will den Sklavenhändlern Einhalt gebieten, die ganze Dörfer überfallen und die Einwohner verschleppen. Sie träumt davon, dass es eines Tages eine weibliche Königin in Dahome geben wird – eine Woman King.

Vergesst „Black Panther“! „The Woman King“ frisst den Marvel-Flick zum Frühstück. Die „Dora Milaje“-Kriegerinnen aus dem fiktiven Wakanda? Deren Vorlage waren die Agojie, die es wirklich gab.

„Woman King“ haut in der Tat richtig rein, sowohl emotional als auch was die Action angeht.

Das liegt vor allem an dem unglaublichen Cast: Viola Davis (Amanda Waller aus „Suicide Squad“) als Generalin beherrscht jede Szene, in der sie auftritt, und strahlt gleichzeitig Kraft wie Einsamkeit aus. Ihr zur Seite stehen starke Frauen wie Lashana Lynch (007 aus „No time to Die“), Adrienne Warren („Tina Turner“) oder Sheila Atim, die beeindruckend spielt. Das liegt aber auch daran, wie die Szenen gefilmt sind, insbesondere während der Kämpfe. Hier gibt es kein CGI-verseuchtes Kameragewackel mit 12 Schnitten in drei Sekunden, hier hält die Kamera drauf und zeigt beeindruckende Kampfchoreografien, in denen erkennbar viel Arbeit steckt und die häufig erstaunlich blutig und grausam sind.

Die Geschichte selbst hat leider einige Stellen, an der sie sehr rührselig wird – wenn die toughe Generalin etwa davon träumt, das ihr Volk zukünftig ausschließlich von der Herstellung von Palmöl lebt und von der Idee binnen zwei Sekunden den amtierenden König überzeugt, oder wenn sie in einer Auszubildenden ihre Tochter zu erkennen glaubt. So einen Rosamunde-Pilcher-Quark hat der Film eigentlich nicht nötig, und Szenen wie diese brechen die Suspension of Disbelief.

Das ist besonders schade, weil es die dringend braucht, denn so romantisch die Story um die schwarzen Kriegerinnen auch sein mag: Sie ist nicht vollständig wahr. Zwar gab es wirklich ein Frauenregiment in Dahome, dem heutigen Benin, aber die Geschichte des Films ist frei erfunden. Das spielt aber keine Rolle, denn „Woman King“ funktioniert als Action-Film und Historien-Drama, fesselt in nahezu jeder Szene und ist ein wirklich beeindruckender Film.


Spielen:

Ori and the Blind Forest [2015, Switch]
Ori ist ein kleiner Baumgeist, der kurz nach seiner Geburt in einem Sturm verschütt geht. Ohne ihn stirbt der Wald, und er muss irgendwie wieder nach Hause zu seinem Mutterbaum.

Hüpfspiel. Wunderschöne Grafik, knuffig inszeniert, tolle Musik. Leider ist es aber SO SCHEISSEND SCHWER, dass ich nicht über die zweite Map hinausgekommen bin.

Der kleine Waldgeist hält nämlich zu Beginn nichts aus und stirbt sogar nach der Berührung einer Heckenrose. Dazu kommt: Ori steuert wie ein besoffener Seemann. Dank Sprungkurven und Beschleunigungsverhalten waren die superkniffligen Sprungpassagen, mit denen das Spiel ab Minute eins aufwartet, so frustrierend, dass ich es nach dem 124. Versuch eine bestimmte Stelle zu überwinden wutentbrannt gelöscht habe. Ein superputziges Spiel, was mich zu Wutausbrüchen gebracht hat.

Persona 3 Portable [2006, 2023, Switch]
Jede Nacht, Punkt Mitternacht, beginnt die dunkle Stunde. Die verbirgt sich in der Lücke zwischen zwei Sekunden, zwischen 00:00:00 und 00:00:01. Die wenigsten Menschen nehmen sie wahr, aber einige Auserwählte erleben die dunkle Stunde bei vollem Bewusstsein. Was sie dort sehen, ist ein Albtraum: Schattenwesen wandeln auf der Erde und rauben Menschen die Seele. Zentrum dieses Schattenreichs ist ein bizarrer Turm, der hunderte Stockwerke in den Nachthimmel wächst. Eine Gruppe Schüler:innen macht sich auf, den Turm zu erklimmen und vielleicht die Schatten zu besiegen. Sie finden: Den Tod.

Alter Schwede, das ist ja FINSTER. Ich bin über „Persona 5“ von 2016 zu der Reihe gekommen, das war stylisch und deep. Dann habe ich „Persona 4“ auf der PS Vita nachgeholt, das wirkte fröhlich und poppig, hatte aber als Kern eine Gruselgeschichte mit Serienmörder-Setting. Das ist aber alles nichts gegen den finsteren Shit von Persona 3!

Das beginnt damit, das die Jugendlichen, um ihre „Persona“ genannten Kampfkräfte zu aktivieren, symbolisch Suizid begehen müssen, indem sie sich eine Pistole an den Kopf halten und abdrücken.

Das geht weiter über die Darstellung der „dunklen Stunde“, während der alle normalen Menschen zu Särgen werden und endet mit der Feststellung, dass uns allen der Tod innewohnt, und der unausweichlich ist.

Der Tod selbst tritt sogar auf und stellt uns vor eine Wahl: Nach zwei Dritteln der Spielzeit bietet er an, sich zu ergeben. Das Spiel meint es damit sogar ernst, wer die Option wählt, springt sofort und kampflos zum Abspann – erlebt aber so natürlich nicht das „wahre“ Ende. Das eröffnet sich erst nach zähen 80 bis 90 Stunden, und das New game Plus-Intro ist gleich nochmal finsterer. Jede düstere Teenagerfantasie wird hier bildhaft umgesetzt. „Memento Mori“, sei Dir deiner Sterblichkeit bewusst.

Sich um die komplette Spielzeit zu bringen wäre schade, denn der serientypische Mix aus Schulalltag, Freizeitaktivitäten und rundenbasierten Kämpfen funktioniert hier schon fast genauso gut wie in den späteren Spielen. Die Betonung liegt aber auf fast, denn in P3 sind die Charaktere noch schlecht ausgearbeitet, die Social Links öde, und das Pacing und Balancing hat man in späteren Serienteilen viel besser hinbekommen.

So habe ich nervig viel Zeit damit verbracht, im dunklen Turm Erfahrungspunkte zu grinden und immer den gleichen Monstern auf´s Dach zu hauen. Viel Abwechselung gibt es da nach hinten raus nicht, die 264(!) Stockwerke des Turms sind zufallsgeneriert und die Monster in jedem Abschnitt immer die gleichen.

Der Grind ist aber nötig, weil man sonst gegen die alle zehn Stockwerke auftauchenden Zwischenbosse oder die alle 30 Tage auftauchenden Storybosse keine Chance hat. Unschön und kompliziert auch das Verschmelzungssystem, bei dem man aus gefangenen Monstern neue erschafft, die dann für einen kämpfen. Das ist in P3P überkomplex und funktioniert schlecht, weil eigentlich optional scheinende Quests nötig sind, um die stärksten Viecher zu bauen – so habe ich Stunden damit verbracht einen starken Charakter zu schmieden, nur um kurz vor Ende zu merken, dass ich am Anfang des Spiels einen Besen oder so hätte finden müssen. Das ist Quatsch und frustrierend.

Nicht berauschend ist auch die Präsentation. Auf der Switch gibt es lediglich Persona 3 Portable, das seine Herkunft vom Nintendo DS nicht verhehlen kann. Diese Version des Spiels ist zwar balancierter und fairer als die UR-Version auf der PS2 und bietet zwei wählbare Protagonisten, es gibt weder 3D-Oberwelten noch Zwischensequenzen, und die Geschichte und Dialoge werdem nur über immer gleiche Standbilder erzählt. Ist aber Wurst, wer Bewegtbild möchte, guckt sich einfach „Persona 3 – The Anime“ auf Netflix an, da gibt es die ganze Story in drei 90-Minuten-Filmen. Die sind übrigens auch düsterer Shit, mehr Emo und Goth geht kaum.

Ich hatte in den vergangenen Monaten auf jeden Fall viel und seeeeehr lange Spaß (93 Stunden) an Persona 3, das sich auf der Switch auch schön zwischendurch spielen lässt. Notiz an mich selbst: Das optimale Team sind MC als Damagedealer, Akihiko und Aigis als Support für Buffs/Debuffs und Yukari als Heilerin. Für Endgegner sollte man ein Level um die 82 haben.


Machen:
– TÜV für die Moppeds.
– Sache mit Vaddern regeln
– Probefahrt mit einem anderen Auto. Resultat: Das kleine Gelbe quittiert spontan den Dienst.


Neues Spielzeug:
– Pflanzen! Echter Jasmin, ein Erdbeerbaum, Honigbeeren, Feigen, Kiwi, japanische Maulbeere und eine Passionsblume.


Ding des Monats:


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Reisetagebuch (10): Il Nuraghe del Lago Coghinas

Verlängerter Sommer auf Sardinien. Heute: Noch mehr Rumlungerei, ein Canyon und eine Übernachtung in einer Steinzeitbehausung.

Samstag, 01. Oktober 2022
Heute heißt es Abschied nehmen vom Bungalow und La Pineta. Es ist noch kaum richtig hell – so gegen halb acht – als ich die Koffer packe, mich dann nochmal sorgfältig umsehe, ob ich auch ja nichts vergessen habe, und dann den kleinen Bungalow auf dem Campingplatz verlasse. Die Barocca steht in der Morgensonne, als ich in den Sattel klettere. Das war es dann mit dieser deutschen Exklave, ab jetzt sind wir wieder in Italien.

Die V-Strom brummelt erwartunsgvoll vor sich hin, fast als würde sie sich freuen, nach den fünf Tagen, die ich mehr oder weniger schlafend oder lesend am Strand verbracht habe, endlich wieder Asphalt unter die Räder zu bekommen.

Es geht wieder die SS125 hoch, die hier in die Berge führt, genau den gleichen Weg, den ich schon vor einer Woche zum Jannas gefahren bin. Außer mir sind schon mehrere Rotten deutscher Motorradfahrer unterwegs, und das mit meist Höchstgeschwindigkeit. Ich fahre zügig, werde aber zwei Mal davon überrascht, das der Rückspiegel eben noch leer war, aber plötzlich etwas hinter oder neben mir knattert.

Ich lasse die älteren Herrschaften auf ihren großhubigen GSen und KTMs gerne vorbei, denn so wie die hier um die Kurven fetzen, wäre mir das viel zu risikoreich. Hinter jeder Kurve können Steine auf der Straße liegen, oder eine Ziege, oder – wie Suse erzählte – ein deutsches Wohnmobil querstehen, weil der Fahrer es plötzlich für eine gute Idee hielt, auf der nicht einsehbaren Bergstraße zu wenden.

Ich KÖNNTE auch gar nicht die ganze Zeit so schnell fahren. So viel Konzentration hat niemand, lange Strecken mit so halsbrecherischer Geschwindigkeit zu fahren.

Aber gut, die knatternden Piloten sind halt auch nicht den ganzen Tag unterwegs. Ich habe es ja auf dem Campingplatz mitbekommen: Die schwingen sich unmittelbar nach der senilen Bettflucht auf ihre Kisten, heizen wie die Geisteskranken einmal die Bergstraße hoch, trinken oben einen Caffé, knattern mit allem was sie haben wieder zurück und sind nach zwei Stunden wieder zu Hause, um sich den Rest des Tages darüber zu unterhalten wie doll sie geknattert sind.

Heute Morgen sind alte Männer auf Moppeds oder Steine und Ziegen auf der Fahrbahn noch mein kleinstes Problem. In den Bergen stürmt es so, dass es mir wirklich zwei mal das Motorrad weghaut. Beim ersten Mal erfasst eine Windböe so plötzlich und mit solcher Kraft die Maschine, das mir der Lenker um ein Haar aus den Händen rutscht. Ich packe fester zu, und trotzdem legt es die Suzuki fast auf die Seite, als es zum zweiten Mal passiert. Dabei wird die Maschine auf die andere Straßenseite gedrückt – gut, dass hier gerade niemand ist.


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Frühling! Saisonstart 2023

Höret und preiset das Frühlingswiesel! Das Frühlingswiesel sorgt dafür, dass auch in diesem Jahr wieder Frühling ist! Hiermit verkündet es den Beginn der Motorradsaison! Der Winter war lang und kalt und dunkel, aber nun macht das Wiesel Frühling und gutes Wetter, dass es nur so kracht! Passt auf Eure morschen Knochen auf, fahrt vorsichtig und huldigt dem Frühlingswiesel!

Allerdings könnte sich das faule Wieseltier gerne ein wenig mehr anstrengen. Es ist immer noch kalt, die Natur im Tiefschlaf und Schneefall scheint stets näher als Sonnenschein.

Trotzdem habe ich gestern die beiden Damen aus ihrem Winterschlaf geweckt. Der Grund: Beide brauchen eine Hauptuntersuchung, gerade sind die Temperaturen knapp zweistellig und in etwas mehr als 10 Tagen fluten wieder die Saisonkennzeichenfahrer die Prüfstationen hier vor Ort. Also Batterien eingebaut und… nix ging.

Echt, ich HASSE es die Motorräder auszuwintern und das erste mal zu starten. Die ZZR, deren Vergaser leer sind, orgelt immer so lange rum, bis ihre Batterie wieder nahezu leer ist, erst dann lässt sich sich dazu herab, hustend und spotzend anzuspringen. Deshalb klemme ich immer gleich noch eine zweite dran. (Notiz an mich selbst für´s nächste Jahr: Auch den Choke wirklich komplett aufziehen.)

Irgendwann lief sie dann, und wird sich hoffentlich ab jetzt nicht mehr so Divenmäßig zickig geben.

Die V-Strom hat eine Einspritzanlage und ist daher pflegeleichter. Einfach auf den Starter drücken, läuft. Normalerweise. Dieses Mal sprang sie an, lief 30 Sekunden und ging dann einfach aus – und wollte nicht wieder anspringen.

Ich konnte die Benzinpumpe hören, die ordentlich nachlieferte, aber die Kiste wollte zunächst nicht wieder anspringen und öttelte und orgelte rum, als hätte sie sich das von der ZZR abgeguckt. Erst nach einer endlosen Minuten kam sie wieder, schüttelte sich und rappelte, lief dann aber.

Damit sind die Renaissance und die Barocca wieder am start, und ab morgen gibt´s dann neue Plaketten.

Saisonstart heißt auch: Nach einem halben Jahr Pause muss man sich als Fahrer erst wieder an die Physik eines Moppeds gewöhnen. Langsam rantasten, nicht gleich auf der letzten Rille heizen.

Für Autofahrer bedeutet das: Augen doppelt offen halten. Zweiräder sind wieder unterwegs, und mit ihrem Fehlverhalten ist zu rechnen – die Schergen sind zum Teil noch so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass man doppelt aufpassen muss. Achja, und blinken, blinken ist auch gut. Das gilt für alle.

Ich wünsche allen eine unfallfreie Saison!

Ich starte mit folgenden Kilometerständen in ein Jahr, das hoffentlich nicht so seltsam weitergeht, wie es begonnen hat.

Kawasaki ZZR600 Renaissance: 95.067
Suzuki DL650 V-Strom Barocca: 95.007

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Reisetagebuch (9): La Pineta

Verlängerter Sommer auf Sardinien. Heute treffe ich eine bekannte Riderin, schlage Purzelbäume, verliere meine Brille und es gibt – Esel!

Montag, 26. September 2022, Il Canneto, Arborea, Sardinien

Als ich aufwache, ist es ganz still.
Still ist gut- dann regnet es wenigstens nicht, denke ich und lächele im Halbschlaf. Wenige Minuten später rauscht es auf dem Dach meines Hotelzimmers.

Regen.
Viel. Regen.

Ich seufze und stehe langsam auf. Im Gastsaal des Il Canneto ist die Bedienung von gestern Abend schon unterwegs. Gerade schaut sie mißmutig aus einem der großen Fenster. „Wetter ist ein bisschen schlecht, was?“, sage ich.

„Ein Bisschen? Bisschen viel, würde ich sagen“, grollt sie und stellt mir dann ein Cornetto und einen Doppio hin.

Ich lasse mir Zeit beim Packen, dann winde ich mich in die Regenklamotten. Als ich das Motorrad abreisebereit mache, regnet es gerade nicht. Man freut sich ja auch über Kleinigkeiten.

Ich versuche mich in die wasserdichten Handschuhe zu pfriemeln, aber die sind von der gestrigen Regenetappe noch so mit Wasser vollgesogen, das ich sie nicht über die Finger bekomme. Okay, dann ziehe ich eben die leichten Sommerhandschuhe an und schlüpfe mit denen in die „Schweinepfoten“, die dreifingerigen Regenüberhandschuhe. Tatsächlich setzt schon wieder der Regen ein, als ich losfahre.

Anna rechnet einen Kurs, der sehr ähnlich zu dem gestern ist – Nach Nordosten, in die Berge und bis Nuoro, was nördlich von Orgosolo liegt, dann wieder etwas nach Südosten bis nach Bari Sardo.

Ach man. Das heißt: Ich fahre zum guten Teil die selbe Quälstrecke wie gestern, nur mit ein paar langweiligen Abschnitten mehr dazwischen. „Zeig mir mal das Wetterradar“, sage ich mehr zu mir selbst als zu Anna und tippe auf dem Bildschirm des Zumos herum.

Anna kann sich Wetterdaten aus dem Netz holen und die auf die Strecke umrechnen (nach dem Motto: Da, wo Du um 14:00 Uhr sein wirst, wird folgendes Wetter sein) oder eine Projektion der aktuellen Wetterlage auf eine Karte legen.

Wunder der Technik, und zudem noch zuverlässig. Und ach, es gibt zwei Regengebiete. Eines von meinem jetzigen Standpunkt nach Nordwesten bis zum meinem heutigen Ziel, ein zweites von dort bis in den Südosten. Sprich: Genau auf meiner Route. Das macht doch so keinen Spaß!

Die nächste Tankstelle ist südlich vom Il Canneto, und als ich die Straße durch die Felder nach Arborea fahre und in den Rückspiegeln das Regengebiet im Norden sehe, durch das ich später durch muss, denke ich plötzlich: Warum eigentlich?

Warum soll ich mir diesen Mist noch einmal antun? Das macht doch keinen Spaß zu Fahren, und laut Anzeige ist der Regen in den Bergen fast so stark wie gestern.


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Familiäre Dialoge – XVIII-

Achtung: Früher waren die familiären Dialoge mal lustig, weil sie sich um einen Menschen mit seltsamen Ansichten und einem viel zu großen Ego drehten. Mittlerweile sind sie tragisch und Zeugnis einer fortschreitenden Erkrankung eines 81-jährigen. Trotzdem möchte ich mich später daran erinnern, und schreibe sie deshalb hier auf.

Januar 2023, am Telefon:
Vaddern: „Sohn! Stell Dir das mal vor, diese Verbrecher von der Stadt haben mir eine Rechnung geschickt! Ich soll im Jahr 20 Kubikmeter Wasser verbrauchen! Ich glaub mein Schwein pfeift!“

Ich: „Da warst Du aber sparsam“.

Vater: „Was heißt denn da sparsam! Das sind 20.000 Liter Wasser!! Wo soll ich die denn verbrauchen?!“

Ich: „Kochen, Wäsche waschen, Duschen, Toilette…“

Vater: „Ich koche nicht und Wäsche wasche ich auch nicht mehr! Ich brauche nur Mittags Wasser für meinen Kaffee und Abends für die fünf Minuten Terrine, nach meinen Berechnungen brauche ich nicht mehr als 5 Liter am Tag, das macht bei 365 Tagen ca. 1.500 Liter!“

Ich: „Vater, ich mache hier die Abrechnungen für sechs Mietwohnungen. Pro Person verbrauchen die im Monat zwei bis vier Kubikmeter. Da bist Du mit deinen 20 Kubikmetern im ganzen Jahr noch sparsam!“

Vater (In Rage): „Woher wollen die Verbrecher von der Stadt überhaupt wissen, was ich verbrauche?! Kommt ja keiner mehr zum Ablesen! Die raten das doch! Ich glaube es hackt“

Ich: „Weil ich im letzten Dezember bei Dir Wasser und Strom abgelesen und den Stadtwerken das mitgeteilt habe.“

Vater: „Das wüsste ich ja wohl!“

Ich: „Hast Du vielleicht vergessen. Genau wie die Tatsache, das wir exakt dieses Telefonat vor einer Woche schon einmal geführt haben, Wort für Wort.“

Vater: „…“

Vater: „Aber wenn Du Wasser abgelesen hast, warum hast Du denen Märchen erzählt! Ich brauche doch nur eine Tasse Wasser für den Kaffee und für die Fünf-Minuten-Terrine, das sind keine 5 Liter am Tag, das sind bei 365 Tagen…“

Februar 2023:
Vater (wütend und mental völlig klar): „Lügen stehen da drin! Dieser Gutachter hat da nur Lügen reingeschrieben! Ich brauche nur so einen Notfallknopf, falls ich mal falle und nicht mehr hochkomme, und der schreibt, ich bräuchte eine Betreuung! Unverschämtheit!“

Ich: „Vater, guck Dich doch mal um! In diesem Haus ist seit mindestens 15 Jahren kein Handschlag mehr gemacht worden! Die Fenster sind schlecht…“

Vater (aufbrausen): „WAS SOLL DAS DENN HEIßEN DIE FENSTER SIND SCHLECHT?!? Die sind von 1938! Für 85 Jahre sind die in gutem Zustand!“

Ich: „Aber sie sind teils gesprungen oder aus dem Rahmen gefallen! Der Garten ist ein Urwald, der Zaun zur Straße ist von Büschen zerdrückt worden, und aus dem Dach des Hauses wächst ein Baum! Vom Inneren will ich gar nicht anfangen, Deine „Besorgungen“, die Du jeden Tag im Billigmarkt machst, packst Du nicht mal aus, die türmen sich meterhoch in jedem Raum! Jeden Tag fährst Du los und kaufst genau das gleiche, was Du am Vortrag schon besorgt hast!“

Vater: „Na und? Ich brauche Vorräte!“

Ich: „Aber Du gibst hier Geld aus, das Du nicht hast! Für Dinge, die Du nicht brauchst! Hier, ein Kinderschlitten! Da, ein rosa Flokati! Warum kaufst Du sowas? Was passiert, wenn das Heizöl aus ist? Dann sitzt Du im Kalten, weil Du Dein Geld für Killefit ausgegeben hast!“

Vater: „Geld muss mir die Bank geben, ich bin da seit 60 Jahren Kunde! Wie stellen die sich das auch sonst vor, die können mich ja schlecht verhungern lassen!“

Ich: „Naja, verhungern wirst Du sobald nicht, der ganze Hausflur und das Auto liegen voller Lebensmittel…“

Vater: „Da hat der Gutachter auch gelogen! Hat da reingeschrieben, der Hausflur läge voller verschimmelter Lebensmittel!“

Ich: „Und wo ist das gelogen?“

Vater: „Hier schimmelt nichts! Hier, guck!“ (zeigt auf vier Einkaufstaschen und einen Eimer, in dem Backwaren und Katzenfutter durcheinanderliegen) „Das sind Croissants! Die werden nur trocken, aber die schimmeln nicht!“

Ich: „Und was ist mit den Ostereiern da? Die stehen mindestens seit Januar 2022 auf dem Herd, da habe ich sie zumindest das erste Mal gesehen!“

Vater (stolz): „Aber die schimmeln nicht!“

Ich: „Stopfst Du da gerade Käse in die Flurgarderobe?!“

Vater: „Na wohin soll ich den denn sonst tun, denk´ doch mal nach!“

Anfang März 2023, am Telefon:
Vaddern: „Stell Dir das mal vor, Öl ist aus! Gestern war es mit einem mal kalt! Nicht mal ein Jahr hat der Tank gehalten!“

Ich: „Habe ich Dir vorhergesagt. Ich habe Dich inständig gebeten die Heizung runter zu stellen und Öl zu sparen. Aber Du hast mich ausgelacht und das ganze große Haus, mit seinen Fenstern von 1938, auf 25 Grad hochgeheizt. Und immer, wenn Dir zu warm war, hast du einen Ventilator angemacht.“

Vater: „Ja, wie gesagt, jetzt ist wieder warm!“

Ich: „Weil Du mit Strom heizt, richtig? Du sitzt da jetzt vor drei Heizlüftern, oder?“

Vater: „Quatsch! Wie kommst Du denn auf sowas?“

Ich: „Na Gottseidank, die Stromkosten…“

Vater: „Ist nur EIN Heizlüfter. Und ein Ölradiator!“

Ich: „Vater! Du kannst diese Geräte jetzt nicht tagelang laufen lassen, die Stromkosten ruinieren Dich! Zieh bitte mal einen dicken Pulli an und mummel Dich in eine Decke, bis die Öllieferung da ist!“

Vater: „Dicker Pulli! Bah! Brauch ich nicht!“

Ich: „Wieso?“

Vater: „Weil ich hier EINEN RADIATOR UND EINEN HEIZLÜFTER HABE! Hier ist total warm! Du hörst nie zu, oder? Wenn ich einen Pullover anziehe, schwitze ich mich doch tot!“

Mitte März 2023, am Telefon:
Vaddern: „Sohn! Stell Dir das mal vor, diese Verbrecher von der Stadt haben mir eine Rechnung geschickt! Ich soll im Jahr 20 Kubikmeter Wasser verbrauchen! Ich glaub mein Schwein pfeift!“

Ich: „Da warst Du aber sparsam“.

Vater: „Was heißt denn da sparsam! Das sind 20.000 Liter Wasser!! Wo soll ich denn das verbrauchen?!“

Ich: „Kochen, Wäsche waschen, duschen, Toilette…“

Vater: „Du bist ein technischer Witzbold! Das stimmt doch nicht! Duschen tue ich nicht, wie denn auch, in der Badewanne stehen ja die Vogelhäuschen. Und die Toilette funktioniert schon seit dem Herbst nicht mehr!“

Ich: „Was? WIE BITTE?“

Vater: „Ja, die ist verstopft, irgendwie. Aber ich habe da einen Eimer, und wenn der voll ist, kippe ich den in den Wald.“

Ich (mit geschlossenen Augen geistig „OMG OMG“ murmelnd): „Du denkst dran, dass Mittwoch die Richterin zum Termin kommt? Die Anhörung? Wegen der Betreuung?“

Vater: „Der erzähle ich gleich mal, das Der Gutachter lügt! Und Du auch! Könnt ihr was erleben! Ich sage der, das ich nur diesen Notfallknopf brauche, für wenn ich mal stürze, der Weg in den Wald ist tückisch bei Regen! Besonders, wenn man einen Eimer trägt!“

Mein Vater war noch nie ein normaler Mensch, aber jetzt geht es echt im Zeitraffer bergab. Erstaunlicherweise nimmt er den geistigen Abbau bei anderen Personen seines Alters messerscharf wahr, nur bei sich selbst erkennt er das nicht. Er hält sich für Kerngesund, hat aber in Wahrheit keinen einzigen Bereich seines Lebens noch im Griff. Was mich jetzt in eine unangenehme Situation bringt. Mal gucken, wie wir da durchkommen.

Frühere Familiäre Dialoge:

Auto kaputt Dialog
Nicht-ans-Telefon-geh-Dialog
Dialog zum 80sten
Impfdialog
Hämischer Dialog
Corona-Dialog
Weihnachtsdialog
Straßenverkehrsordnungsdialog
Kraftfahrzeugbundesamt-Wettererklärdialog
Kostenloskulturdialog
Poststornierungsdialog
Nötigungsdialog
Tantenmonolog
Mehr Dialog
Noch ein Dialog
Nächtlicher Dialog
Spontaner Dialog
Anderer Dialog
Noch ein anderer Dialog

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Reisetagebuch (8): Il Canneto

Verlängerter Sommer auf Sardinien. Heut ganz unsommerlich und deshalb mit nur wenigen Bildern, aber Tausenden von Tribbles.

Sonntag, 25. September 2023, Gasthof Jannas, bei Orgosolo, Sardinien

Als ich aufwache ist es ganz still.
Das ist gut.

Still ist gut, weil es bedeutet: Es regnet nicht.

Kaum habe ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, beginnt Regen auf das Dach meines Gästezimmers zu trommeln. Ich stehe auf und schaue mißmutig nach draußen. Ja, es regnet. In Strömen.

Ich kleide mich an, dann marschiere ich zum Haupthaus. Das Frühstück ist gut, aber ich halte es kurz und laufe wieder zurück zum Zimmer. Dort packe ich die letzten Sachen in die Koffer.

Okay, ich bin abreisebereit. Statt aber zum Motorrad zu gehen, lege ich mich auf´s Bett. Um 10:00 Uhr sollte ich das Zimmer geräumt haben, und laut Wetterapp hört es um kurz nach 09:00 Uhr auf zu regnen. Das sagt sie in den kurzen Momenten, in denen per GPRS oder so mal Daten reingetropft kommen, denn das WLAN vom Jannas ist tot, das Smartphone hat keinen Empfang und mein eigener 4G-Router sieht auch kein Netz.

Ich lese und gucke immer wieder auf die Uhr, aber um halb Zehn trommelt der Regen immer noch. Ein Blick auf das Satellitenbild zeigt, dass das Unwetter genau über mir ist – UND sich über den gesamten Weg erstreckt, den ich gleich fahren muss.

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Reisetagebuch (7): Jannas

Samstag, 24. September 2022, La Medusa, Porto Pino, Sardinien
„Ich bin nach Deutschland gegangen als ich 21 war, zu meiner Cousine. Die hatte zu der Zeit zwei Restaurants in München. Nach fünf Jahren bin ich dann 1997 hier her zurückgekommen“, erzählt Christina. Das ist die Frau, die so gut deutsch spricht und mir gestern La Medusas Frühstücksraum gezeigt hat. Jetzt sitzen wir an der Bar, trinken Caffé und plaudern. Die anderen Gäste sind noch nicht aufgestanden.

„Das Restaurant hier ist ein Familienunternehmen. Mein Mann Luca und ich machen das meiste, aber die Familie und die Freunde helfen auch. Ach, und wir haben Nachwuchs, ein kleines Mädchen!“

„Habe ich gestern schon gesehen“, sage ich. „Nächste Generation des Restaurants?“ „Falls Sie das möchte, warum nicht?“, lacht Christina. „Danke nochmal“, sage ich. Auch für den Parkplatz“ und deute mit dem Daumen über meine Schulter, wo die Barocca vor der Gästeterasse und in dem kleinen Innenhof steht. „Kein Problem“, sagt Christina.

In dem Moment kommen die ersten Gäste die Treppe herab. „Due Capuccini“, bellt ein grauhaariger Mann und hustet sich dann die Seele aus dem Leib. „Verdammter Reizhusten“, knurrt er im vorbeigehen, „Kein Auge zugetan die Nacht“. Seine Frau wuselt um ihn herum und tut besorgt „Den hast Du jetzt schon seit Wochen, geh doch mal zum Arzt!“ „NIX!“ bellt der Mann, „Ist nur eine Erkältung! Völlig normal um die Jahreszeit!“ und hustet weiter. Tja, da muss er dann wohl durch. DIE Sorte von Reizhusten kenne ich mittlerweile und ja, die bleibt wochenlang. Das ist Post-Corona-Reizhusten. Aber daran glaubt der Mann wohl nicht. Naja, mir egal.


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Die Barocca im Kradblatt

Wer schon immer mal wissen wollte, was die DL650 V-Strom kann und was man ihr besser nicht antun sollte, der kann das natürlich hier im Blog nachlesen.

Oder, ganz kompakt, in Kradblatt 03/23.

Darin erzähle ich ein wenig über meine Erfahrungen mit der Barocca, die nun fast 100.000 km runter hat, wo wir bislang unterwegs waren, was sinnvolles Zubehör sein kann und wovon man besser die Finger lässt.

Kradblatt 03/23 gibt´s kostenlos an guten Motorradpoints im Norden, im Abo und online unter online.Kradblatt.de

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Momentaufnahme: Februar 2023

Herr Silencer im Februar 2023, dieses Mal mit unspassigen Spielen von verrückten Japanern und einem ärgerlichen Drecksfilm von Shah Rukh Khan.

Wetter: Monatsanfang um die Null Grad, tageweise Ausreisser bis auf Minus 5 und dabei Regen plus Gewitter, Sturm und Sonnenschein in einem wilden Mix. Mitte des Monats nachts Minus drei, tagsüber bis zu 13 Grad, teils Sonnenschein, teils Regen. Monatsende mit nachst minus sechs und Schnee wieder deutlich kälter.


Lesen:

Jasper Fforde: The Woman who died a lot (Thursday Next, Band 7) [2013, Kindle]
Thursday Next ist nach dem schlimmen Unfall im Vorgängerband ein körperliches Wrack. Deshalb kehrt sie auch nicht zur Sonderpolizei SpecOps zurück, sondern übernimmt die Leitung der East Wessex Bibliothek – eine Einrichtung, die finanziell, personell und von der Bewaffung so stark aufgestellt ist, wie das Verteidigungsministerium von Wales. In der neuen Position hat sie nicht nur mit Budgetvorgaben zu kämpfen, sondern auch mit der Tatsache, das sie ständig in Androidenkörpern erwacht, die kurz darauf wieder getötet werden. Außerdem: Swindon steht kurz davor, von Gott vernichtet zu werden, ihr Sohn Friday wird einen Mitschüler umbringen und niemand weiß warum, und Töchterchen Jenny existiert weiterhin nicht.

Klingt alles total crazy. Fforde-typisch gibt es hier wieder fantastisches Worldbuilding, in der aber nur laue Charaktere mit aberwitzigen Problemen herumtappen, bis fünf vor zwölf per Deus Ex Machina aufgelöst werden. Dieses Mal nicht mal sonderlich witzig, und das Tempo ist schnarchlangsam. Definitiv der schlechteste Band der siebenteiligen Trilogie.


Hören:


Sehen:

Clarksons Farm, Season 2 [Amazon Prime]
Staffel zwei erzählt die Geschichte weiter, wie Ex-Top Gear-Moderator Jeremy Clarkson seine Farm in Südengland bewirtschaftet, ohne davon wirklich Ahnung zu haben. Seine neueste Idee: Kühe züchten und die, lecker zubereitet, in einem kleinen Farmcafé servieren. Dagegen hat der Ortsrat etwas.

Wieder sehr vergnüglich, die acht kurzen Episoden von Staffel zwei. Die Geschichte mit dem Ortsrat ist ein echtes Drama, das den Bogen zu verfehlter Tory-Politik, dem Versagen der britischen Regierung und zum Brexit aufmacht. Das ist vergnüglich wie betrüblich anzusehen. Die Story hatte ich nach meinem Besuch auf Clarksons Farm aufgeschrieben, jetzt gibt es Bewegtbilder dazu.

Black Panther II: Wakanda Forever [2022, Disney+]
Der Panther ist tot. Das Phantasieland Wakanda trauert, während die Welt hinter seinen Vibratoren her ist. Zu allem Überfluss kommt ein atztekischer Gott um die Ecke und will Afrika unter Wasser setzen.

Ach, ja mei. Die Geschichte ist schon lang und seltsam, und der Bösewicht eine unglaubwürdige Figur. Was den Film rettet ist der fantastische, überwiegend schwarze und weibliche Cast. Angela Basset rockt als Königin alles weg und Dana Guirira als Okoye hat, zusammen mit den anderen Kriegerinnen, die dicksten Eier überhaupt. Funfact: Eine der Elitekriegerinnen, Florence Kasumba, wacht als Tatort-Kommissarin über Göttingen. Watch out, Gesindel!

Bullet Train [2022, BluRay]
Ein Schnellzug rast durch die Nacht, von Tokio nach Kyoto. An Bord: Der vom Pech verfolgte Kriminelle Brad Pitt und mehrere skurrile Charaktere, die anscheinend alle hinter dem gleichen Ziel her. Dann wird es blutig – und lustig.

Tolle Besetzung, tolles Konzept. Was passiert, wenn ein halbes Dutzend Killer, die sich alle nicht kennen, in einem sich immer weiter leerenden Zug durch die Nacht rasen, und alle hinter dem gleichen Ding her sind? Skurrile Situationen, feine Kampfchoreografien und überraschende Einfälle folgen hier Schlag auf Schlag. Wie ein Tarantino-Film, aber schneller und witziger. Sehr toll und schon jetzt für mich ein Anwärter auf „Film des Jahres“, auch wenn dem Ende deutlich anzumerken ist, dass es nachträglich gedreht und angeflanscht wurde.

Zero [2018, BluRay]
Shah Rukh Khan ist von Beruf Sohn. Ungebildet, faul, frech und hinterlistig pöbelt er am liebsten den ganzen Tag rum oder verschleudert das Geld seines Vaters. Trotzdem wird als seine Haupteigenschaft nicht „Kotzbrocken“ benannt, sondern seine Kleinwüchsigkeit. Der nur 1,40m große Arschlochmann trifft auf eine behinderte Wissenschaftlerin, gewinnt ihr Herz, verlässt sie dann aber sofort für eine hübsche Sängerin. Am Ende fliegt er zum Mars.

„Wieviel Unfug kann man in einen Film stopfen?“ Shah Rukh Khan: „Ja“.

Genau wie „Mein Name ist Khan“ ist auch „Zero“ völlig überfrachtet. „Khan“ hatte im Kern ein Ernstes Anliegen, nämlich die gesellschaftliche Diskriminierung Muslimen in den USA nach 09/11 zu zeigen. Verkackt hat der Film es dann, weil man dachte, das reiche nicht, und Shah Rhuk Khan unbedingt seine Figur als stotternden Autisten spielen musste – was ebenso unnütz wie peinlich sowie ärgerlich war.

„Zero“ fährt sowas wieder auf, nur ungleich ekelerregender: Die Kleinwüchsigkeit von Khans Charakter ist lediglich ein Gimmick und ein Vorwand, SRK auf überdimensionierten Möbeln und Motorrollern rumturnen zu lassen. Eine sehbehinderte Figur dient als Comic Relief, das mit einer Taschenlampe durch die Kulissen stolpert. Am Schlimmsten ist aber Anushka Sharmas Rolle. Sie mimt eine unter Zerebralparese leidende Frau, die mit Spasmen im Rollstuhl sitzt und sich zuckend durch den Film grimassiert.

Ich habe ein echtes Problem damit, wenn Behinderungen nur dazu dienen, um völlig belanglose, schlecht geschriebene und unsympathische Charaktere vermeintlich interessanter zu machen. Dazu kommt: Die Darstellungen in „Zero“ sind schlecht gespielt und völlig übertrieben. Ein Film zum Fremdschämen, dessen grundsätzlich schon miese Geschichte wirr und schlecht erzählt ist. Einzig Katrina Kaif spielt hier großartig, aber das reisst es nicht raus. Der unsägliche Streifen ist zum Glück und zu Recht an den Kinokassen getankt.

Jab Thak Hai Jaan – So lange ich lebe [2012, DVD]
Shah Ruhk Khan ist ein wortkarger Major der indischen Armee. Ohne Schutzanzug und scheinbar ohne Furcht hat er schon fast einhundert Bomben entschärft. Eine junge Journalistin interessiert sich für die Geschichte des „Mannes, der nicht sterben kann“, wie er bewundernd von seinen Kollegen genannt wird. Tatsächlich schafft sie es, Kontakt zu dem Einzelgänger aufzunehmen. Sie lernt einen Mann kennen, der seit dem Verlust seiner großen Liebe innerlich tot ist.

„So lange ich lebe“ spielt in einer Liga mit „Om Shanti Om“ und ist einer der besten Bollywoodfilme, die es nach Europa geschafft haben. Dabei helfen nicht nur die tolle Geschichte und schöne Bilder, sondern auch der Schauplatz: Ein Großteil des Filmes spielt in London. Dazu kommt der wahnsinnig tolle, weibliche Cast: Katrina Kaif als britische Meera ist grandios, und Anushka Sharama als Journalistin sprüht geradezu vor guter Laune.

Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr [2021, Prime Video]
Alter Mann steigt in John O´Groats, im nördlichsten Nordzipfel von Schottland, in einen Bus. Sein Ziel: Lands End in Cornwall, im südlichsten Zipfel Südenglands. Unterwegs trifft er Leute, und Stück für Stück wird enthüllt, warum er sich auf diese Reise machte.

Mit dem Bus durch die Landschaften von Schottland und England! Und zwar ziemlich genau die Strecke, die ich im vergangenen Jahr mit dem Mopped gefahren bin! Tolle Landschaft, skurrile Leute! Das könnte ein nettes Road Movie sein!

Tja, ist es aber leider nicht. Das liegt vor allem am Drehbuch. Die Figur des alten Mannes wächst einem nie wirklich ans Herz, dazu erfährt man zu wenig über ihn. Sein Verhalten ist erratisch, und der Grund seiner Reise wird als großes Geheimnis präsentiert. Als Zuschauer hat man das allerdings nach 20 Minuten erraten, der Film geheimnisst dann aber noch eineinhalb Stunden weiter, ehe zwei Minuten vor Ende alles in Pastellfarben aufgelöst wird. Durch diese Geheimnistuerei geht nicht nur die Plotstruktur ziemlich flöten, auch die zweite Hauptfigur wird als grundunsympathisch eingeführt, obwohl sie das Empathiezentrum des Films sein müsste. Das der Film ab der Hälfte dann gerne noch „Forrest Gump Light“ wäre, macht es nicht besser.

Der 65jährige Timothy Spall („Wurmschwanz“ aus den Harry-Potter-Filmen) spielt den ca. 95jährigen Hauptcharakter unter einer erstaunlich schlechten Maske völlig inkonsistent. Vermutlich liegt das an der Regie, denn Spall kann eigentlich so richtig was.

Der Deutsche Titel ist übrigens völlig wurstig. Der Film heißt eigentlich „Der letzte Bus“, was viel mehr Sinn ergibt und eine ganz andere Dramatik impliziert. Aber die deutschen Verantwortlichen sind geistig wohl immer noch bei bei Titeln wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ – aber der ist von 2010 und war auch damals schon sperrig und schlecht.

Von daher: Schöne Idee, handwerklich aber so schlecht umgesetzt, dass der Film keinen Spaß macht und völlig belanglos bleibt. Nicht mal schöne schottische Landschaft gibt es in annähernd ausreichender Menge zu sehen.


Spielen:

Death Stranding – Director´s Cut [2019, PS5]
Ein kataklystisches Ereignis hat dafür gesorgt, das sich die Welt der Lebenden und der Toten miteinander vermischen. „Der Tod ist in der Welt gestrandet“, sagen die wenigen Menschen, die die Katastrophe überlebt haben, und verstecken sich in unterirdischen Bauten.

Da mit dem Ereignis auch jegliche Kommunikation zusammengebrochen ist, hockt da nun jeder für sich in seinem Bunker, ohne Kontakt zur Außenwelt. Die einzige Verbindung zwischen den Bunkern sind sogenannte Träger, die Waren zu Fuß hin- und hertragen. So ein Träger ist Sam. Zu Fuß stapft er durch ein Amerika, das aussieht wie Island, und beliefert Bunker mit Paketen und Netzwerkausrüstung. Das finale Ziel: Von Ost nach West über den gesamten Kontinent zu wandern und die versprengten Siedlungen mit einem Netzwerk zu verbinden. Dagegen haben aber Gespenster, verrücktgewordene Postboten und sinistre Maskenträger etwas.

Vor „Death Stranding“ habe ich mich lange gedrückt. Zum einen wurde es auch in der Fachpresse als „DHL-Simulator“ beschrieben, denn die Kernmechanik besteht darin, die Spielfigur ohne zu stolpern durch unebenes Terrain zu steuern und Pakete auszuliefern. Wie unterhaltsam kann das schon sein?

Zum anderen ist es ein Spiel von Hideo Kojima. Der gilt vielen als Gott des Gamedesigns, als einer der letzten Grand Auteurs der Industrie. Ich halte ihn für einen durchgeknallten Spinner, dessen Machwerke vollgestopft sind mit Hirnfürzen, die an der Grenze zur Unspielbarkeit wandeln. Quasi ein David Lynch der Spieleindustrie. Ohne einen ordentlichen Producer, der einfach mal sagt wann es genug ist, stopft der Japaner seine Games einfach endlos mit seltsamen Zeugs voll, bis es einen vor Cringe schaudern lässt.

So ist nicht nur die Grundprämisse von „Death Stranding“, das ein Paketbote zu Fuß die letzte Hoffnung der Menschheit ist, völlig Kuckuck. Nein, der Paketbote muss auch einen einen Fötus in einer Flasche um den Hals tragen, um Gespenster sehen zu können. Er muss sich gegen wahnsinnig gewordene Briefträger wehren. Seine Mutter ist auch die Präsidentin der USA. Seine Schwester ist gleichzeitig irgendwie auch seine Frau. Mads Mikkelsen sein Vater. Und er selbst sein eigens Baby. Ach ja, und Granaten werden aus Sams Badewasser oder seinen Urin gemacht, Gewehrpatronen und Seile aus seinem Blut.

Falls das nicht schon hirnzersetzend genug ist: Es wird immer nur noch schlimmer. Die wenigen Charaktere, denen man beim Pakete austragen begegnet, tragen Namen wie Deadman, Heartman oder Die-Hard-Man. Wenn Regen fällt vergeht die Zeit schneller und verdirbt die Ausrüstung, und einer der Charaktere fällt alle 21 Minuten mit Herzinfarkt um, was Unterhaltungen mit ihm schwierig macht.

Bei so geballtem Quark hilft es dann auch wenig, das der Cast so hochkarätig ist. Sam-der-Briefträger wird gespielt von Norman „Walking Dead“ Reedus, Guillermo del Toro gibt den seltsamen Wissenschaftler, Léa Sedoux ist als Femme Fatale Fragile mit dabei und Mads Mikkelsen als Bösewicht. Diese Figuren gucken immer mal wieder vorbei, in erster Linie um Exposition zu dumpen, dann ist man als Spieler wieder allein in Island mit seiner Paketauslieferung.

In den ersten Stunden zieht einen die ungewöhnliche Spielmechanik durchaus mit, bei der man versucht über Wiesen und Berge zu laufen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Dann interessiert einen für eine gewisse Zeit die Story, denn „Death Stranding“ ist gerade wegen seiner Absurdität wie ein Autounfall, von dem man wissen möchte, wie schlimm es am Ende wirklich wird.

Das Dranbleiben macht einem das Spiel aber nicht leicht, denn das Spieldesign ist teils unter aller Kanone. Das fängt bei ultra-komplizierten und in nanogröße beschrifteten Menüs an, in denen man permanent rumfummeln muss und deren User Experience wirkt, als habe Kojima nie auch nur ein Playstation Game von Nahem gesehen. Alles ist hier anders als es die Konsolenkonventionen vorgeben, und das funktioniert richtig schlecht. Auch nach 40 Spielstunden hatte ich noch nicht den Knopf zum verlassen der Menus verinnerlicht.

Das geht bei der Steuerung weiter, die einen ein ums andere Mal ins Gamepad beißen lässt, weil die Spielfigur sich oft bewegt, also ob sie in Teer feststeckt – was sie häufig sogar wörtlich tut. Sie bewegt sich auch dann eigenwillig, wenn man sich plötzlich auf Schlachtfeldern im ersten Weltkrieg wiederfindet (fragen sie nicht) und das Spiel plötzlich ein Shooter sein will – was hinten und vorne nicht funktioniert, teils weil alles zu träge ist, teils aufgrund von Bugs. In schnellen Feuergefechten ruft nämlich die Taste für die Waffenauswahl reproduzierbar das verkehrte Menu auf. Statt schnell das Gewehr nachzuladen beginnt die Spielfigur dann damit, sich gemütlich Sandalen anzuziehen, und statt zwischen Granaten und Raketenwerfern kann man plötzlich zwischen verschiedenen Sonnenbrillen wählen.

So watet man dann in Zeitlupe durch Teer und versucht die Sandalen wieder auszuziehen, währen ein Weltraumwal (fragen sie nicht) mit Glibber auf einen schießt und unser Briefträger alle zwei Sekunden sämtliche Ausrüstung aus seinem Rucksack verliert, weil er mal wieder gestolpert ist.

Kommt man mal zum Schuss, stellt man schnell fest, das selbst der Mega-Quadruple-Raketenwerfer nahezu wirkungslos ist, oder dass das Sturmgewehr schon wieder zu Staub zerfallen ist, weil es zu viel Zeitregen abbekommen hat. Und zu allem Überfluss schreit auch noch die ganze Zeit dieses verdammte Baby, das man in der Flasche um den Hals trägt. Da ist man dann fast froh, wenn diese Sequenzen hinter sich hat, und das Gameplay sich wieder darauf beschränkt, das unser Postbote im Regen einen Berg herunterfällt.

Nichts davon macht Spaß.

Richtig schlimm ist das Pacing. Nach einem überholpert schnellem Start latscht man in der Welt rum und liefert Pakete aus, während die Geschichte praktisch nicht vorankommt. Nach rund 40 Stunden passiert dann aus dem Nichts ein Megashowdown gegen den Schurken – aber dann ist das Spiel nicht vorbei.

Wie ein Gast, der länger bleibt als er willkommen ist, setzt „Death Stranding“ dann weiter und weiter einen drauf. Nach dem Megakampf kommt ein Showdown mit Schleicheinlagen, der megafrustrierend ist. Keine Ahnung, was Kojima sich gedacht hat, aber mit einer untauglichen Mechanik gegen einen Feind anzuschlecihen, der mit Röntgenblick ausgestattet ist und sich alle paar Sekunden woanders hinteleportiert – wie kann sowas Spaß machen? Aber das ist natürlich nicht das Ende, denn auf diesen spielerischen Müll folgt ein Faustkampf und DANN!! beginnt erst die eigentliche Handlung.

Weil für die wohl kaum noch Zeit war, findet die zum Großteil über Funksprüche statt, während man durch den Regen latscht. Das Finale zieht sich dann auch noch ewig, bis hinein in die sechs(!) Abspannsequenzen und danach gibt es noch einen Kurzfilm. Wirklich, die letzten acht Spielstunden wollte ich wirklich nur noch, dass es vorbei und stöhnte jedes Mal laut, wenn das Spiel mit weiterem Quatsch um die Ecke kam. Schlimm, echt ganz schlimm.

Ganz, ganz selten hat das Spiel seine Momente, etwa in Situationen, wenn man gerade mal wieder allein durch die Landschaft latscht und dann die Kamera ein wenig rauszoomt und ein trauriger Song gespielt wird. Das vermittelt gut die Einsamkeit des Charakters – wird aber gleich wieder durch absurden Quatsch gebrochen, weil man z.B. seine eigene tote Mutter auf dem Rücken trägt, die in 5 Minuten explodiert, wenn man sich nicht beeilt.

Nett ist auch der Einfall, dass nach Durchwandern eines Gebiets Dinge, die andere Spieler gebaut haben, in der eigenen Spielwelt auftauchen. Das reicht von Hilfsmitteln wie Brücken oder Leitern bis hin zu Ausrüstung, mit der andere Spieler helfen. Man kann sogar mit fremden und stets unsichtbaren Mitspielern gemeinsam Straßen oder Seilbahnen bauen und so das Island-Amerika gemeinsam erschließen. Das ist nice, aufgrund ständiger Ressourcenknappheit oder Mangels Transportmöglichkeiten geht das aber nur im Endgame richtig voran, oder wenn man zwanzigtausend optionale Aufträge durchführt und ein Bierfaß über die Alpen trägt und sowas.

Freude am Bauen kann man schon vor dem Endgame haben, aber das will das Spiel nicht – spätestens in Kapitel 13 setzt unangekündigt ein Dauerregen ein, der nahezu alles, was man bis dahin gebaut hat, zerstört. Hat man also den Leerlauf der vorangegangenen Kapitel genutzt und einfach Spaß am Koop-Bauen gehabt, wird das kommentarlos vernichtet.

„Death Stranding“ ist ein weiteres, echtes Kojima-Werk, ganz ohne Zweifel. In meinen Augen bedeutet das: Eine Wundertüte voller Hirnfürze, die einen mehr ärgern als staunen lassen und die viel, viel zu lange geht.


Machen:
– Sperrmüllentrümpelung


Neues Spielzeug:
– Lagerregale, und ein Hochbeet. Der Sommer wird toll.


Ding des Monats:
Das Kleine Gelbe AutoTM – das jetzt auch einen Baumschlag überlebt hat.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Reisetagebuch (6): Nora

Tour mit der V-Strom nach und durch Sardinien. Heute mit Nora, und ich erhalte eine Einladung an die Universität von Cagliari.

Freitag, 23. September 2022, La Medusa, Porto Pino, Sardinien
Luftig leicht wird das Frühstück in „La Medusa“ präsentiert. Ein Nebenraum im Erdgeschoss des Restaurants ist völlig offen, nur leichte Organzagardinen schweben federleicht im Morgenwind, der vom Meer hereinstreicht.

Während ich mich noch wundere woher ich weiß, was Organza ist, spricht mich eine junge Frau an. Sie bereitet hinter der Außenbar des Restaurants Caffé zu, hat tiefschwarze Haare und Augen, die so Dunkelbraun sind, das sie auch fast schwarz aussehen. „Un Momento“, sagt sie, „Ich zeige Ihnen alles. Sprechen sie deutsch?“ Ich nicke, und dann legt sie auf deutsch los und erklärt mir wo der Joghurt steht und sowas.

„Wo haben sie so gut Deutsch gelernt?“, frage ich verblüfft. Sie lacht. „In München. Und in Frankfurt. Und Münster. Und Emden.“ „Meine Güte, sie kennen ja ganz Deutschland!“, rufe ich verblüfft und frage „Arbeit?“. Sie nickt. „Lassen Sie uns aber bitte jetzt weiter italienisch sprechen“, sage ich, „ich spreche das sehr schlecht und möchte es lernen“. „Okay“, sagt sie und lächelt.

Das Frühstück auf der Terrasse fühlt sich fast an wie in einem Luxusressort. Um mich herum wehen diese Gardinen, der Wind rauscht leicht in den Palmen und mir geht es einfach gut. Dafür bräuchte es nicht mal diese seltsamen Malereien an der Wand von La Medusa:

Das Rezept für Glück:
100 Gramm Gelassenheit
300 Gramm der Achtung
ein Würfelchen Fantasie
ein _____ Umsicht
ein Glas Frohsinn
drei Esslöffel Geduld
Intelligenz nach Belieben
sorgfältig mischen und in der Form aufgehen lassen

JA WIEVIEL UMSICHT SOLL MAN DENN NUN NEHMEN?!? STEHT DA NICHT!! Ich kann so nicht arbeiten!
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Reisetagebuch (5): La Medusa

Ein verlängerter Sommer auf Sardinien. Heute mit einem Studium in Mülltrennung, einem penetranten Germersheimer und Schwertfisch.

Donnerstag, 22. September 2022, Gli Ulivi, La Ciaccia, Sardinien
Überall juckt es. Schon um kurz vor Sieben halte ich es nicht mehr aus, schlurfe ins Bad und beglotze meinen nackten Körper im Spiegel.

Hände. Arme. Beine. Füße. Bauch. Rücken. Überall sind Stiche.

In den vergangen Tagen haben mich jede Nacht Viecher zerstochen – trotz des guten „Ballistol Stichfrei“, das ich auf Reisen immer dabei habe, und das mir bislang Viechzeug zuverlässig vom Hals gehalten hat. Aber gegen diese Minimücken hilft das gar nicht. Was die Midges in Schottland nicht geschafft haben, das holen die Viecher hier nach: Ich sehe aus, als hätten Stechmücken eine Party auf mir gefeiert.

Seufzend mache ich mich fertig, dann packe ich meine Sachen und fege das Apartment aus. Heute ist der letzte Tag auf „Gli Ulivi“, und ein Schild an der Tür weist darauf hin, dass man die Bude bitte ordentlich hinterlassen und auch den Müll rausbringen soll, sonst zieht man sich den Zorn von Mariella und eine Rechnung über die Putzkosten in Höhe von 30 Euro zu.

Mülltrennung ist gar nicht so einfach. Auf dem Parkplatz vor dem Haus steht ein rundes Dutzend Mülltonnen in sechs verschiedenen Farben. Dazu gibt es ein Schild, was die Mülltrennung erläutert.

Nur: An den Tonnen steht teilweise was ganz anders. Laut Schild sollte Kunststoffabfall nur in die blaue Tonne, aber in die schwarze kann der laut Beschriftung auch. Die grüne Tonne ist für Glass, ausser der, an der „Papier“ steht, was eigentlich in die Weiße Tonne soll, die aber voller Strauchschnitt ist, den ich eher in der braunen Tonne für trockenen Biomüll („secco“)vermutet hätte. Nicht zu verwechseln mit der braunen Tonne mit dem feuchten Biomüll („humido“) oder der braunen Tonne, in die nur Glas soll. Die gelben Tonnen erschließen sich mir gar nicht, in einer ist Glas und in der anderen Teile eines alten Wäscheständers. Ist das vielleicht die Joker-Tonne?
Tja, Italien – Hier muss man Mülltrennung noch studiert haben!

Als ich die V-Strom startklar mache, fällt mir eine GS mit Dortmunder Kennzeichen auf, die vor dem Gebäude parkt. Auf dem Balkon des kleinen Appartements, was zum Meer hinausgeht, sitzt ein junges Paar in der Morgensonne und genießt einen Kaffee.

Ich klettere über die linke Fußraste in den Sattel, dann lasse ich den Motor an und steuere die Suzuki vom Parkplatz und hinaus auf die Straße.

Zunächst geht es nach Westen, an der Nordküste entlang. Hinter Porto Pino, einem bekannten Fährhafen, führt der Weg dann nach Süden und damit auf die Stadt Alghero zu.

Alghero ist nach Sassari die einzige größere Stadt im Nordwesten der Insel. Die V-Strom rollt die palmengesäumte Uferstraße entlang, die erst an einem kilometerlangen, weißen Sandstrand und dann an einem sehr großen Yachthafen vorbeiführt.


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Sperrmüll 1927

Ich mag es nicht, zu viele Dinge zu besitzen. Angesammeltes und unbenutztes Zeug nimmt Platz in Wohnung und Keller weg, und es engt mich gefühlt auch mental ein. Jeder Gegenstand, den man besitzt, trägt ein Stück der eigenen Seele in sich. Ist die Seele auf zu viel Zeugs verteilt, bleibt für einen selbst zu wenig übrig.

Nachdem ich in diesem Jahr gemerkt habe, das ein 16:9-Bild auf einem 4:3 Fernseher mittlerweile doch SEHR klein ist, war klar: Den alten Röhrenfernseher brauche ich nicht mal mehr, um das eine Mal im Jahr „Dschungelcamp“ zu gucken, der kann jetzt nach 26 Jahren wirklich weg. Auch, wenn die Fritzbox dann einen anderen Standort braucht.

Folgerichtig Sperrmüll bestellt. Warnung auf der Website der Entsorgungsbetriebe: Achtung, Termin kann drei Monate dauern. Okay, April oder Mai passt mir, da habe ich noch nichts vor. Dann der Bescheid: Wir holen ihren Kram übermorgen. WTF? Drei Tage statt drei Monate Wartezeit? Respekt! Also schnell ausmisten.

Was kann noch weg? Ah, ja! Der 90er Jahre Vitrinenschrank, den mir die Nachbarin beim Einzug aufgedrängt hat, und gegen den ich mich nicht genug gewehrt habe. Zwölf Jahre sind als Zeitraum, den man ein ungewolltes Geschenk aus Höflichkeit behält, wohl genug.

Sonst noch was? Die Dachbox vom Auto vielleicht? Schade drum, aber nimmt viel Platz weg, will niemand haben und um ehrlich zu sein, habe ich die seit 14 Jahren nicht mehr benutzt. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich die wirklich nochmal brauche? Die Zeit, wo ich mit drei, vier Personen im Auto auf Zelturlaub gefahren bin, sind lange vorbei.

Die Alufelgen vom Kleinen Gelben AutoTM können auch weg. Die sind zwar in Ordnung und sehen geil aus, aber das Auto wird nie wieder Sommerreifen bekommen. Okay, und hier noch ein Stuhl und dort ein alter Computer und mein erster „Ingo“-Küchentisch, ein altes Windschild für die ZZR und eines für die Suzuki, eine Kühlbox mit schleifendem Lüfter, ein Reisekleiderschrank und der 13 Jahre alte N90-Helm, und das war es dann.

Oh, Moment! Ich könnte eigentlich mal diese Ecke in der Garage ausmisten! Schränkchen samt Inhalt und der Plunder in der Ecke sind noch von den Vermietern, das kann wirklich mal weg, das braucht nie wieder jemand.

Wieviel Plunder ist denn das in der Ecke? Ach, nur ein paar Holzteilchen, das geht sicher schnell.

Damit nahm dann das Elend seinen Lauf. Wie eine angestochene Eiterbeule quoll ZEUG aus allen Ecken der Garage, in Summe war ich das halbe Wochenende mit Kramen und Sortieren beschäftigt.

Man glaubt es ja echt nicht, was da alles angesammelt war: Alte Ölkanister. Lösungsmittelbehälter. Abschnitte von Holzbalken. Holzleisten. Kurze Bretter. Lange Bretter. Metalleisten. Bleche, angeschnitten. Metallplatten, mehrere Millimeter dick. Türschlösser, der Größe nach von Kirchentüren. Betonplatten. Reste von Marmorplatten, die bestimmt nicht in diesem Haus verbaut sind. Wackersteine.

Hinter der alten Hobelbank ging es weiter. Spanplatten aus alten Möbeln. Mehr Holzleisten. Dachrinnenhalter. Hufeisen. Eine zwei Meter lange Tischplatte(?), oben aus Metall, im Unterbau aus Presspappe. Unausgepackte Blätter für eine Kreissäge, die es hier im Haus nicht gibt.

Wirklich erstaunlich, was hier alles gelagert war. Aber auch kein Wunder, das knuffige Vermieterehepaar war Jahrgang 1927, Kriegsgeneration, da musste ALLES aufgehoben werden – man wusste ja nie, wann man es mal braucht.

Das ist auch der Grund, warum hier krumme, weil gebrauchte Nägel und benutzte Schrauben rumlagen, fein säuberlich aus alten Brettern herausgedreht und dann unsortiert in Kisten gekippt. Dazu Dutzende Schalter, ausgebaut aus Nachtischlampen oder vom Kabel abgeschnitten. Gebrauchte Scharniere. Noch ein Hufeisen. Sardinendosendeckelaufroller. Flaschenöffner. Verrostete Sägeblätter. In Summe bestimmt 10 Kilo gammeliges Altmetall.

Zum Glück durfte ich fast alles wegwerfen, nur an einigen Holzböcken (nicht faltbar, nehmen echt viel Raum ein, werden demnächst auseinandergeschraubt) hing noch das Herz eines Erben. Erinnerungsstücke an den Großvater.

Nachdem ich mich einmal durch Keller und Garage gearbeitet hatte, war eine krasse Menge an Müll zusammengekommen. Sieht auf dem Bild alles ordentlich aus, weil es gut gestellt ist, aber welche Menge an Holz-Kleinteilen sich darunter verbirgt, ahnt man kaum. Und nichts, kein Teil davon war in meinen Augen noch brauchbar.

Am schwersten war es, die vier Meter langen Eichenbretter raus zu schleppen. Die dienten vermutlich zum Gerüstbau beim Bau des Hauses, in den 70ern.

Sie wieder rein zu schleppen war noch schwerer, denn zwischenzeitlich kam ein Nachbar vorbei und wies darauf hin, dass die Dinger für Sperrmüll zu lang seien und man sie auch nicht einfach fix zersägen könnte, weil sie mit Betonschleier überzogen seien und der eine Motorsäge stumpf machen würde. Da hat er wohl recht, der Nachbar.

Tja, nunja. Bleiben die halt noch ein wenig hier liegen, und die Holzböcke halt auch. Aber wenigstens wurde der ganze andere Krempel rückstandslos abgeholt. Die Müllwerker sind meine persönlichen Helden, dank denen sind nun Wohnung, Garage und Keller zumindest etwas leerer – und mein Kopf fühlt sich auch wieder freier an.

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Reisetagebuch (4): Lost Place 486L MEDCOM 4C

CC BY SA, Wikimedia, Nutzer Tschubby Ortseintragung von mir.


Mittwoch, 21. September 2022
Der zweite Tag in „Gli Ulivi“, dem kleinen Appartement am Nordwestzipfel von Sardinien. Gestern habe ich mir einen Tag Auszeit gegönnt, aber heute liege ich nicht den ganzen Tag im Bett herum. Um kurz vor 10 Uhr sitze ich schon auf der V-Strom und bin von Castelsardo aus Richtung Nordosten unterwegs.

Wenige Kilometer hinter Valledoria fahre ich an eine kleinen Tankstelle mit nur einer Zapfsäule. Der alte Benzinao kommt angeschlurft, bleibt auf Distanz, guckt skeptisch und fragt „Fai da te?“ Selbstbedienung?

„Con servizio, per favore“, sage ich, und er grinst. Ich mag den Service an italienischen Tankstellen und nutze den, wann immer ich kann. Aus zwei Gründen: Die neun Cent mehr pro Liter, die der Tankservice kostet, machen mich nicht arm, aber der Mann – der schon Mitte 70 sein muss – freut sich über das Zubrot. Zweitens: Ich muss mich nicht mit diesen unsäglichen Automaten rumschlagen, die nie richtig gut funktionieren und meistens keine Kreditkarten nehmen.

Bonus: Benziniaos (und Benzinaias, von denen gibt es viele!) sind von Natur aus Plaudertaschen und geben oft ungefragt nützliche Tips von sich. Sie warnen vor gesperrten Straßen, geben Infos zum Wetter oder weisen auf Radrennen >:-( hin.

Dieser hier macht das nicht, der fragt nur, wie mir Sardinien gefällt und ob wir in Deutschland wohl keinen Tankservice haben. Als er hört, das es das bei uns nicht gibt und deswegen viele Deutsche in Italien total in Panik geraten, wenn sie an die „Servizio“-Säule fahren und plötzlich jemand an ihrem Auto rumfummelt, zieht er die Augenbrauen hoch und sagt: „Warum kennt man das bei Euch nicht? Ist doch bequem, gerade für alte Leute“. Tja. Wie übersetzt man „Weil die meisten Leute Geiz für Geil halten“?

Nach dem kurzen Tankstopp geht es weiter, über eine gut asphaltierte Straße, die sich mal in engen, mal in weit ausholenden Kurven am Rand eines bewaldeten Tals entlang zieht.


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Kategorien: Motorrad, Reisen | 4 Kommentare

Baumfall

Es gibt so richtige Scheißtage. Auf dem Weg zur Arbeit wird man dreimal fast überfahren, alle drehen am Rad und in Summe klappt nichts. So Tage, wo man besser gar nicht erst aufgestanden wäre.

Bei mir war so ein Tag der Mittwoch vergangene Woche. Weil der Tag sich so flegelhaft gab, beschloss ich früh Feierabend zu machen. Beim Verlassen des Firmengebäudes nieselte es und war windig. Bei der Fahrt den Berg nach Mumpfelhausen hinauf wurde das Kleine Gelbe AutoTM von Windböen durchgeschüttelt, und Regen klatschte auf die Scheiben.

Die Straße über den Berg führt durch einen Wald, und hier wurde es schlagartig dunkel und begann so heftig zu stürmen, wie ich es hier noch nie erlebt habe. Laub und kleine Zweige wehten über die Straße, und der Regen viel nicht mehr von oben nach unten, sondern von links nach rechts. Der Wagen vor mir schlich nur noch dahin. Anstatt Gas zu geben und möglich schnell aus dem kurzen Waldstück rauszukommen, wurde er immer langsamer.

Mittlerweile war es so dunkel wie mitten in der Nacht, und der Sturm wirklich so schlimm, dass ich bei mir dachte: „Scheiße, das wird jetzt echt gefährlich“ – und in dem Moment knallte es, und der Wagen wurde durchgeschüttelt sich. Irgend etwas hatte den Seat Leon getroffen „Uh, ob das wohl eine Beule geben wird?“, dachte ich noch so bei mir. Und dann schaute ich in den Rückspiegel und merkte, dass die Heckscheibe fehlte. Ein Blick in den Seitenspiegel zeigte, dass das Heck des Autos komisch aussah, und alle Fahrzeuge hinter mir an der Stelle anhielten, wo etwas mein Auto getroffen hatte.

Warnblinker an, anhalten. Tür gegen den Sturm aufstemmen, zurücklaufen, auf die Kolonne der wartenden Fahrzeuge zu. Das vorderste Auto war ein großes SUV. Durch die Regenschleier sah ich in dessen Scheinwerferlicht einen Radfahrer. Der hatte sein Rad in den Graben gelegt und schleifte gerade im strömenden Regen einen meterlangen und beindicken Ast von der Straße. Unter den Augen des SUV-Fahrers. Als ich auf hundert Meter ran war, hatte der tapfere Radfahrer es geschafft und freie Bahn für die dicken Autos geschaffen. Ansonsten war anscheinend nichts passiert, es war halt nur dieser dicke Ast runtergefallen – und der hatte mein gelbes Auto getroffen.

Ich lief zurück zu meinem Wagen. Shit. Der Ast war nicht nur in die Heckscheibe gefallen, sondern hatte das gelbe Auto in der linken, hinteren Ecke erwischt. Exakt auf Höhe der C-Säule. Das Blech rundrum war eingedrückt, und – Oh shit. Auch die Heckklappe. In dem Moment wurde mir klar, dass das hier schlimmer war als nur eine Beule und eine kaputt Scheibe.

Ich beschloss, sofort zu der freien Werkstatt zu fahren, die sich zuletzt um das gelbe Auto gekümmert hatte. Unterwegs war immer noch Weltuntergang, dunkler Himmel, Sturm und wirklich strömender Regen, der durch das Loch im Heck natürlich direkt ins Innere pladderte.

An der Werkstatt angekommen machte man mir nicht viel Hoffnung. „Reparatur wirtschaftlich unsinnig, vermutlich nicht mal möglich“. Und ob man es nochmal fahrbereit bekäme, also Heckklappe funktionabel und mit neuer Scheibe, daran meldete man gleich Zweifel an. „Ist ein 20 VT, der hat geklebte Spezialteile auf der Scheibe – und ob man eine Scheibe für ein 22 Jahre altes Auto noch irgendwo bekäme sei mal auch zweifelhaft.

Wir verblieben so, dass die Werkstatt erstmal gucken würden, ob es noch Scheiben gäbe. Dann, ob sie Spoiler und Heckleuchte so rausschneiden könnten, das man sie neu montieren könnte. Und schließlich, wenn das geklappt hätte, dann würden sie versuchen die Heckklappe in Form zu hämmern.

Eine Menge Unwägbarkeiten und, ehrlich gesagt, hatte ich keine große Hoffnung. Das war es wohl mit dem Kleinen Gelben AutoTM. Nach 16 gemeinsamen Jahren trennt uns ein Baum. Wenn doch nur der Wagen vor mir ein wenig schneller gefahren wäre. Oder wenn die dumme Tussi mich aus der Einfahrt gelassen hätte, dann wäre ich zwei Minuten eher da lang gefahren und es wäre nichts passiert. Ich war ernsthaft traurig. Klar, ist nur ein Auto und sicher, man muss ja froh sein, dass es nicht mich oder, viel schlimmer, den Radfahrer erwischt hatte.

Am Wochenende dann mal Gebrauchtwagen recherchiert und direkt vom Glauben abgefallen. Kleinwagen gibt es nur noch wenige, und für einen 8 Jahre alten Twingo oder Fiat 500 muss man bei Händlern aktuell ab 8.000 Dublonen auf den Tisch legen. Wahnsinn. Im Moment ist wirklich ein ganz schlechter Zeitpunkt um einen Gebrauchtwagen zu kaufen.

Und heute dann… Ein Anruf der Werkstatt. Es sei nicht schön geworden, aber das KGA sei wieder fahrbereit!

Tja, und so sieht es nun aus. Die einst schön geschwungene Dachlinie endet jetzt im Crinkle-Look, wie Mudder Silencer es nannte. Aber es hat eine Heckscheibe, und einen weiteren Gelbton.

Der Restwert, der vor einem halben Jahr noch auf 3.500 Euro geschätzt wurde, dürfte damit jetzt bei Null liegen. Aber ich freue mich trotzdem. Rund 970 Euro hat der Spaß jetzt gekostet. Die muss ich selbst tragen. Der Waldbesitzer hat keine Schuld an dem Sturm, und eine Kasko hat der Wagen schon lange nicht mehr. Aber sei´s drum, für 970 Euro gibt es aktuell keinen Ersatz, und so kann ich das Kleine Gelbe AutoTM noch 10 Monate fahren. Im Dezember trennt uns dann wahrscheinlich der TÜV, aber bis dahin werden wir noch ein wenig Spaß haben. Denn klar ist: So ein passendes, spaßiges und vor allem gelbes Auto werde ich nie wieder besitzen.

Vorerst geht sie also weiter, die Saga des Kleinen Gelben AutosTM.

Kategorien: Gnadenloses Leben, kleines gelbes Auto | 5 Kommentare

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