Archiv des Autors: Silencer

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Alles was Herr Silencer schreibt ist wichtig, wahr und schön.

Reisetagebuch (8): Il Canneto

Verlängerter Sommer auf Sardinien. Heut ganz unsommerlich und deshalb mit nur wenigen Bildern, aber Tausenden von Tribbles.

Sonntag, 25. September 2023, Gasthof Jannas, bei Orgosolo, Sardinien

Als ich aufwache ist es ganz still.
Das ist gut.

Still ist gut, weil es bedeutet: Es regnet nicht.

Kaum habe ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, beginnt Regen auf das Dach meines Gästezimmers zu trommeln. Ich stehe auf und schaue mißmutig nach draußen. Ja, es regnet. In Strömen.

Ich kleide mich an, dann marschiere ich zum Haupthaus. Das Frühstück ist gut, aber ich halte es kurz und laufe wieder zurück zum Zimmer. Dort packe ich die letzten Sachen in die Koffer.

Okay, ich bin abreisebereit. Statt aber zum Motorrad zu gehen, lege ich mich auf´s Bett. Um 10:00 Uhr sollte ich das Zimmer geräumt haben, und laut Wetterapp hört es um kurz nach 09:00 Uhr auf zu regnen. Das sagt sie in den kurzen Momenten, in denen per GPRS oder so mal Daten reingetropft kommen, denn das WLAN vom Jannas ist tot, das Smartphone hat keinen Empfang und mein eigener 4G-Router sieht auch kein Netz.

Ich lese und gucke immer wieder auf die Uhr, aber um halb Zehn trommelt der Regen immer noch. Ein Blick auf das Satellitenbild zeigt, dass das Unwetter genau über mir ist – UND sich über den gesamten Weg erstreckt, den ich gleich fahren muss.

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Reisetagebuch (7): Jannas

Samstag, 24. September 2022, La Medusa, Porto Pino, Sardinien
„Ich bin nach Deutschland gegangen als ich 21 war, zu meiner Cousine. Die hatte zu der Zeit zwei Restaurants in München. Nach fünf Jahren bin ich dann 1997 hier her zurückgekommen“, erzählt Christina. Das ist die Frau, die so gut deutsch spricht und mir gestern La Medusas Frühstücksraum gezeigt hat. Jetzt sitzen wir an der Bar, trinken Caffé und plaudern. Die anderen Gäste sind noch nicht aufgestanden.

„Das Restaurant hier ist ein Familienunternehmen. Mein Mann Luca und ich machen das meiste, aber die Familie und die Freunde helfen auch. Ach, und wir haben Nachwuchs, ein kleines Mädchen!“

„Habe ich gestern schon gesehen“, sage ich. „Nächste Generation des Restaurants?“ „Falls Sie das möchte, warum nicht?“, lacht Christina. „Danke nochmal“, sage ich. Auch für den Parkplatz“ und deute mit dem Daumen über meine Schulter, wo die Barocca vor der Gästeterasse und in dem kleinen Innenhof steht. „Kein Problem“, sagt Christina.

In dem Moment kommen die ersten Gäste die Treppe herab. „Due Capuccini“, bellt ein grauhaariger Mann und hustet sich dann die Seele aus dem Leib. „Verdammter Reizhusten“, knurrt er im vorbeigehen, „Kein Auge zugetan die Nacht“. Seine Frau wuselt um ihn herum und tut besorgt „Den hast Du jetzt schon seit Wochen, geh doch mal zum Arzt!“ „NIX!“ bellt der Mann, „Ist nur eine Erkältung! Völlig normal um die Jahreszeit!“ und hustet weiter. Tja, da muss er dann wohl durch. DIE Sorte von Reizhusten kenne ich mittlerweile und ja, die bleibt wochenlang. Das ist Post-Corona-Reizhusten. Aber daran glaubt der Mann wohl nicht. Naja, mir egal.


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Die Barocca im Kradblatt

Wer schon immer mal wissen wollte, was die DL650 V-Strom kann und was man ihr besser nicht antun sollte, der kann das natürlich hier im Blog nachlesen.

Oder, ganz kompakt, in Kradblatt 03/23.

Darin erzähle ich ein wenig über meine Erfahrungen mit der Barocca, die nun fast 100.000 km runter hat, wo wir bislang unterwegs waren, was sinnvolles Zubehör sein kann und wovon man besser die Finger lässt.

Kradblatt 03/23 gibt´s kostenlos an guten Motorradpoints im Norden, im Abo und online unter online.Kradblatt.de

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Momentaufnahme: Februar 2023

Herr Silencer im Februar 2023, dieses Mal mit unspassigen Spielen von verrückten Japanern und einem ärgerlichen Drecksfilm von Shah Rukh Khan.

Wetter: Monatsanfang um die Null Grad, tageweise Ausreisser bis auf Minus 5 und dabei Regen plus Gewitter, Sturm und Sonnenschein in einem wilden Mix. Mitte des Monats nachts Minus drei, tagsüber bis zu 13 Grad, teils Sonnenschein, teils Regen. Monatsende mit nachst minus sechs und Schnee wieder deutlich kälter.


Lesen:

Jasper Fforde: The Woman who died a lot (Thursday Next, Band 7) [2013, Kindle]
Thursday Next ist nach dem schlimmen Unfall im Vorgängerband ein körperliches Wrack. Deshalb kehrt sie auch nicht zur Sonderpolizei SpecOps zurück, sondern übernimmt die Leitung der East Wessex Bibliothek – eine Einrichtung, die finanziell, personell und von der Bewaffung so stark aufgestellt ist, wie das Verteidigungsministerium von Wales. In der neuen Position hat sie nicht nur mit Budgetvorgaben zu kämpfen, sondern auch mit der Tatsache, das sie ständig in Androidenkörpern erwacht, die kurz darauf wieder getötet werden. Außerdem: Swindon steht kurz davor, von Gott vernichtet zu werden, ihr Sohn Friday wird einen Mitschüler umbringen und niemand weiß warum, und Töchterchen Jenny existiert weiterhin nicht.

Klingt alles total crazy. Fforde-typisch gibt es hier wieder fantastisches Worldbuilding, in der aber nur laue Charaktere mit aberwitzigen Problemen herumtappen, bis fünf vor zwölf per Deus Ex Machina aufgelöst werden. Dieses Mal nicht mal sonderlich witzig, und das Tempo ist schnarchlangsam. Definitiv der schlechteste Band der siebenteiligen Trilogie.


Hören:


Sehen:

Clarksons Farm, Season 2 [Amazon Prime]
Staffel zwei erzählt die Geschichte weiter, wie Ex-Top Gear-Moderator Jeremy Clarkson seine Farm in Südengland bewirtschaftet, ohne davon wirklich Ahnung zu haben. Seine neueste Idee: Kühe züchten und die, lecker zubereitet, in einem kleinen Farmcafé servieren. Dagegen hat der Ortsrat etwas.

Wieder sehr vergnüglich, die acht kurzen Episoden von Staffel zwei. Die Geschichte mit dem Ortsrat ist ein echtes Drama, das den Bogen zu verfehlter Tory-Politik, dem Versagen der britischen Regierung und zum Brexit aufmacht. Das ist vergnüglich wie betrüblich anzusehen. Die Story hatte ich nach meinem Besuch auf Clarksons Farm aufgeschrieben, jetzt gibt es Bewegtbilder dazu.

Black Panther II: Wakanda Forever [2022, Disney+]
Der Panther ist tot. Das Phantasieland Wakanda trauert, während die Welt hinter seinen Vibratoren her ist. Zu allem Überfluss kommt ein atztekischer Gott um die Ecke und will Afrika unter Wasser setzen.

Ach, ja mei. Die Geschichte ist schon lang und seltsam, und der Bösewicht eine unglaubwürdige Figur. Was den Film rettet ist der fantastische, überwiegend schwarze und weibliche Cast. Angela Basset rockt als Königin alles weg und Dana Guirira als Okoye hat, zusammen mit den anderen Kriegerinnen, die dicksten Eier überhaupt. Funfact: Eine der Elitekriegerinnen, Florence Kasumba, wacht als Tatort-Kommissarin über Göttingen. Watch out, Gesindel!

Bullet Train [2022, BluRay]
Ein Schnellzug rast durch die Nacht, von Tokio nach Kyoto. An Bord: Der vom Pech verfolgte Kriminelle Brad Pitt und mehrere skurrile Charaktere, die anscheinend alle hinter dem gleichen Ziel her. Dann wird es blutig – und lustig.

Tolle Besetzung, tolles Konzept. Was passiert, wenn ein halbes Dutzend Killer, die sich alle nicht kennen, in einem sich immer weiter leerenden Zug durch die Nacht rasen, und alle hinter dem gleichen Ding her sind? Skurrile Situationen, feine Kampfchoreografien und überraschende Einfälle folgen hier Schlag auf Schlag. Wie ein Tarantino-Film, aber schneller und witziger. Sehr toll und schon jetzt für mich ein Anwärter auf „Film des Jahres“, auch wenn dem Ende deutlich anzumerken ist, dass es nachträglich gedreht und angeflanscht wurde.

Zero [2018, BluRay]
Shah Rukh Khan ist von Beruf Sohn. Ungebildet, faul, frech und hinterlistig pöbelt er am liebsten den ganzen Tag rum oder verschleudert das Geld seines Vaters. Trotzdem wird als seine Haupteigenschaft nicht „Kotzbrocken“ benannt, sondern seine Kleinwüchsigkeit. Der nur 1,40m große Arschlochmann trifft auf eine behinderte Wissenschaftlerin, gewinnt ihr Herz, verlässt sie dann aber sofort für eine hübsche Sängerin. Am Ende fliegt er zum Mars.

„Wieviel Unfug kann man in einen Film stopfen?“ Shah Rukh Khan: „Ja“.

Genau wie „Mein Name ist Khan“ ist auch „Zero“ völlig überfrachtet. „Khan“ hatte im Kern ein Ernstes Anliegen, nämlich die gesellschaftliche Diskriminierung Muslimen in den USA nach 09/11 zu zeigen. Verkackt hat der Film es dann, weil man dachte, das reiche nicht, und Shah Rhuk Khan unbedingt seine Figur als stotternden Autisten spielen musste – was ebenso unnütz wie peinlich sowie ärgerlich war.

„Zero“ fährt sowas wieder auf, nur ungleich ekelerregender: Die Kleinwüchsigkeit von Khans Charakter ist lediglich ein Gimmick und ein Vorwand, SRK auf überdimensionierten Möbeln und Motorrollern rumturnen zu lassen. Eine sehbehinderte Figur dient als Comic Relief, das mit einer Taschenlampe durch die Kulissen stolpert. Am Schlimmsten ist aber Anushka Sharmas Rolle. Sie mimt eine unter Zerebralparese leidende Frau, die mit Spasmen im Rollstuhl sitzt und sich zuckend durch den Film grimassiert.

Ich habe ein echtes Problem damit, wenn Behinderungen nur dazu dienen, um völlig belanglose, schlecht geschriebene und unsympathische Charaktere vermeintlich interessanter zu machen. Dazu kommt: Die Darstellungen in „Zero“ sind schlecht gespielt und völlig übertrieben. Ein Film zum Fremdschämen, dessen grundsätzlich schon miese Geschichte wirr und schlecht erzählt ist. Einzig Katrina Kaif spielt hier großartig, aber das reisst es nicht raus. Der unsägliche Streifen ist zum Glück und zu Recht an den Kinokassen getankt.

Jab Thak Hai Jaan – So lange ich lebe [2012, DVD]
Shah Ruhk Khan ist ein wortkarger Major der indischen Armee. Ohne Schutzanzug und scheinbar ohne Furcht hat er schon fast einhundert Bomben entschärft. Eine junge Journalistin interessiert sich für die Geschichte des „Mannes, der nicht sterben kann“, wie er bewundernd von seinen Kollegen genannt wird. Tatsächlich schafft sie es, Kontakt zu dem Einzelgänger aufzunehmen. Sie lernt einen Mann kennen, der seit dem Verlust seiner großen Liebe innerlich tot ist.

„So lange ich lebe“ spielt in einer Liga mit „Om Shanti Om“ und ist einer der besten Bollywoodfilme, die es nach Europa geschafft haben. Dabei helfen nicht nur die tolle Geschichte und schöne Bilder, sondern auch der Schauplatz: Ein Großteil des Filmes spielt in London. Dazu kommt der wahnsinnig tolle, weibliche Cast: Katrina Kaif als britische Meera ist grandios, und Anushka Sharama als Journalistin sprüht geradezu vor guter Laune.

Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr [2021, Prime Video]
Alter Mann steigt in John O´Groats, im nördlichsten Nordzipfel von Schottland, in einen Bus. Sein Ziel: Lands End in Cornwall, im südlichsten Zipfel Südenglands. Unterwegs trifft er Leute, und Stück für Stück wird enthüllt, warum er sich auf diese Reise machte.

Mit dem Bus durch die Landschaften von Schottland und England! Und zwar ziemlich genau die Strecke, die ich im vergangenen Jahr mit dem Mopped gefahren bin! Tolle Landschaft, skurrile Leute! Das könnte ein nettes Road Movie sein!

Tja, ist es aber leider nicht. Das liegt vor allem am Drehbuch. Die Figur des alten Mannes wächst einem nie wirklich ans Herz, dazu erfährt man zu wenig über ihn. Sein Verhalten ist erratisch, und der Grund seiner Reise wird als großes Geheimnis präsentiert. Als Zuschauer hat man das allerdings nach 20 Minuten erraten, der Film geheimnisst dann aber noch eineinhalb Stunden weiter, ehe zwei Minuten vor Ende alles in Pastellfarben aufgelöst wird. Durch diese Geheimnistuerei geht nicht nur die Plotstruktur ziemlich flöten, auch die zweite Hauptfigur wird als grundunsympathisch eingeführt, obwohl sie das Empathiezentrum des Films sein müsste. Das der Film ab der Hälfte dann gerne noch „Forrest Gump Light“ wäre, macht es nicht besser.

Der 65jährige Timothy Spall („Wurmschwanz“ aus den Harry-Potter-Filmen) spielt den ca. 95jährigen Hauptcharakter unter einer erstaunlich schlechten Maske völlig inkonsistent. Vermutlich liegt das an der Regie, denn Spall kann eigentlich so richtig was.

Der Deutsche Titel ist übrigens völlig wurstig. Der Film heißt eigentlich „Der letzte Bus“, was viel mehr Sinn ergibt und eine ganz andere Dramatik impliziert. Aber die deutschen Verantwortlichen sind geistig wohl immer noch bei bei Titeln wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ – aber der ist von 2010 und war auch damals schon sperrig und schlecht.

Von daher: Schöne Idee, handwerklich aber so schlecht umgesetzt, dass der Film keinen Spaß macht und völlig belanglos bleibt. Nicht mal schöne schottische Landschaft gibt es in annähernd ausreichender Menge zu sehen.


Spielen:

Death Stranding – Director´s Cut [2019, PS5]
Ein kataklystisches Ereignis hat dafür gesorgt, das sich die Welt der Lebenden und der Toten miteinander vermischen. „Der Tod ist in der Welt gestrandet“, sagen die wenigen Menschen, die die Katastrophe überlebt haben, und verstecken sich in unterirdischen Bauten.

Da mit dem Ereignis auch jegliche Kommunikation zusammengebrochen ist, hockt da nun jeder für sich in seinem Bunker, ohne Kontakt zur Außenwelt. Die einzige Verbindung zwischen den Bunkern sind sogenannte Träger, die Waren zu Fuß hin- und hertragen. So ein Träger ist Sam. Zu Fuß stapft er durch ein Amerika, das aussieht wie Island, und beliefert Bunker mit Paketen und Netzwerkausrüstung. Das finale Ziel: Von Ost nach West über den gesamten Kontinent zu wandern und die versprengten Siedlungen mit einem Netzwerk zu verbinden. Dagegen haben aber Gespenster, verrücktgewordene Postboten und sinistre Maskenträger etwas.

Vor „Death Stranding“ habe ich mich lange gedrückt. Zum einen wurde es auch in der Fachpresse als „DHL-Simulator“ beschrieben, denn die Kernmechanik besteht darin, die Spielfigur ohne zu stolpern durch unebenes Terrain zu steuern und Pakete auszuliefern. Wie unterhaltsam kann das schon sein?

Zum anderen ist es ein Spiel von Hideo Kojima. Der gilt vielen als Gott des Gamedesigns, als einer der letzten Grand Auteurs der Industrie. Ich halte ihn für einen durchgeknallten Spinner, dessen Machwerke vollgestopft sind mit Hirnfürzen, die an der Grenze zur Unspielbarkeit wandeln. Quasi ein David Lynch der Spieleindustrie. Ohne einen ordentlichen Producer, der einfach mal sagt wann es genug ist, stopft der Japaner seine Games einfach endlos mit seltsamen Zeugs voll, bis es einen vor Cringe schaudern lässt.

So ist nicht nur die Grundprämisse von „Death Stranding“, das ein Paketbote zu Fuß die letzte Hoffnung der Menschheit ist, völlig Kuckuck. Nein, der Paketbote muss auch einen einen Fötus in einer Flasche um den Hals tragen, um Gespenster sehen zu können. Er muss sich gegen wahnsinnig gewordene Briefträger wehren. Seine Mutter ist auch die Präsidentin der USA. Seine Schwester ist gleichzeitig irgendwie auch seine Frau. Mads Mikkelsen sein Vater. Und er selbst sein eigens Baby. Ach ja, und Granaten werden aus Sams Badewasser oder seinen Urin gemacht, Gewehrpatronen und Seile aus seinem Blut.

Falls das nicht schon hirnzersetzend genug ist: Es wird immer nur noch schlimmer. Die wenigen Charaktere, denen man beim Pakete austragen begegnet, tragen Namen wie Deadman, Heartman oder Die-Hard-Man. Wenn Regen fällt vergeht die Zeit schneller und verdirbt die Ausrüstung, und einer der Charaktere fällt alle 21 Minuten mit Herzinfarkt um, was Unterhaltungen mit ihm schwierig macht.

Bei so geballtem Quark hilft es dann auch wenig, das der Cast so hochkarätig ist. Sam-der-Briefträger wird gespielt von Norman „Walking Dead“ Reedus, Guillermo del Toro gibt den seltsamen Wissenschaftler, Léa Sedoux ist als Femme Fatale Fragile mit dabei und Mads Mikkelsen als Bösewicht. Diese Figuren gucken immer mal wieder vorbei, in erster Linie um Exposition zu dumpen, dann ist man als Spieler wieder allein in Island mit seiner Paketauslieferung.

In den ersten Stunden zieht einen die ungewöhnliche Spielmechanik durchaus mit, bei der man versucht über Wiesen und Berge zu laufen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Dann interessiert einen für eine gewisse Zeit die Story, denn „Death Stranding“ ist gerade wegen seiner Absurdität wie ein Autounfall, von dem man wissen möchte, wie schlimm es am Ende wirklich wird.

Das Dranbleiben macht einem das Spiel aber nicht leicht, denn das Spieldesign ist teils unter aller Kanone. Das fängt bei ultra-komplizierten und in nanogröße beschrifteten Menüs an, in denen man permanent rumfummeln muss und deren User Experience wirkt, als habe Kojima nie auch nur ein Playstation Game von Nahem gesehen. Alles ist hier anders als es die Konsolenkonventionen vorgeben, und das funktioniert richtig schlecht. Auch nach 40 Spielstunden hatte ich noch nicht den Knopf zum verlassen der Menus verinnerlicht.

Das geht bei der Steuerung weiter, die einen ein ums andere Mal ins Gamepad beißen lässt, weil die Spielfigur sich oft bewegt, also ob sie in Teer feststeckt – was sie häufig sogar wörtlich tut. Sie bewegt sich auch dann eigenwillig, wenn man sich plötzlich auf Schlachtfeldern im ersten Weltkrieg wiederfindet (fragen sie nicht) und das Spiel plötzlich ein Shooter sein will – was hinten und vorne nicht funktioniert, teils weil alles zu träge ist, teils aufgrund von Bugs. In schnellen Feuergefechten ruft nämlich die Taste für die Waffenauswahl reproduzierbar das verkehrte Menu auf. Statt schnell das Gewehr nachzuladen beginnt die Spielfigur dann damit, sich gemütlich Sandalen anzuziehen, und statt zwischen Granaten und Raketenwerfern kann man plötzlich zwischen verschiedenen Sonnenbrillen wählen.

So watet man dann in Zeitlupe durch Teer und versucht die Sandalen wieder auszuziehen, währen ein Weltraumwal (fragen sie nicht) mit Glibber auf einen schießt und unser Briefträger alle zwei Sekunden sämtliche Ausrüstung aus seinem Rucksack verliert, weil er mal wieder gestolpert ist.

Kommt man mal zum Schuss, stellt man schnell fest, das selbst der Mega-Quadruple-Raketenwerfer nahezu wirkungslos ist, oder dass das Sturmgewehr schon wieder zu Staub zerfallen ist, weil es zu viel Zeitregen abbekommen hat. Und zu allem Überfluss schreit auch noch die ganze Zeit dieses verdammte Baby, das man in der Flasche um den Hals trägt. Da ist man dann fast froh, wenn diese Sequenzen hinter sich hat, und das Gameplay sich wieder darauf beschränkt, das unser Postbote im Regen einen Berg herunterfällt.

Nichts davon macht Spaß.

Richtig schlimm ist das Pacing. Nach einem überholpert schnellem Start latscht man in der Welt rum und liefert Pakete aus, während die Geschichte praktisch nicht vorankommt. Nach rund 40 Stunden passiert dann aus dem Nichts ein Megashowdown gegen den Schurken – aber dann ist das Spiel nicht vorbei.

Wie ein Gast, der länger bleibt als er willkommen ist, setzt „Death Stranding“ dann weiter und weiter einen drauf. Nach dem Megakampf kommt ein Showdown mit Schleicheinlagen, der megafrustrierend ist. Keine Ahnung, was Kojima sich gedacht hat, aber mit einer untauglichen Mechanik gegen einen Feind anzuschlecihen, der mit Röntgenblick ausgestattet ist und sich alle paar Sekunden woanders hinteleportiert – wie kann sowas Spaß machen? Aber das ist natürlich nicht das Ende, denn auf diesen spielerischen Müll folgt ein Faustkampf und DANN!! beginnt erst die eigentliche Handlung.

Weil für die wohl kaum noch Zeit war, findet die zum Großteil über Funksprüche statt, während man durch den Regen latscht. Das Finale zieht sich dann auch noch ewig, bis hinein in die sechs(!) Abspannsequenzen und danach gibt es noch einen Kurzfilm. Wirklich, die letzten acht Spielstunden wollte ich wirklich nur noch, dass es vorbei und stöhnte jedes Mal laut, wenn das Spiel mit weiterem Quatsch um die Ecke kam. Schlimm, echt ganz schlimm.

Ganz, ganz selten hat das Spiel seine Momente, etwa in Situationen, wenn man gerade mal wieder allein durch die Landschaft latscht und dann die Kamera ein wenig rauszoomt und ein trauriger Song gespielt wird. Das vermittelt gut die Einsamkeit des Charakters – wird aber gleich wieder durch absurden Quatsch gebrochen, weil man z.B. seine eigene tote Mutter auf dem Rücken trägt, die in 5 Minuten explodiert, wenn man sich nicht beeilt.

Nett ist auch der Einfall, dass nach Durchwandern eines Gebiets Dinge, die andere Spieler gebaut haben, in der eigenen Spielwelt auftauchen. Das reicht von Hilfsmitteln wie Brücken oder Leitern bis hin zu Ausrüstung, mit der andere Spieler helfen. Man kann sogar mit fremden und stets unsichtbaren Mitspielern gemeinsam Straßen oder Seilbahnen bauen und so das Island-Amerika gemeinsam erschließen. Das ist nice, aufgrund ständiger Ressourcenknappheit oder Mangels Transportmöglichkeiten geht das aber nur im Endgame richtig voran, oder wenn man zwanzigtausend optionale Aufträge durchführt und ein Bierfaß über die Alpen trägt und sowas.

Freude am Bauen kann man schon vor dem Endgame haben, aber das will das Spiel nicht – spätestens in Kapitel 13 setzt unangekündigt ein Dauerregen ein, der nahezu alles, was man bis dahin gebaut hat, zerstört. Hat man also den Leerlauf der vorangegangenen Kapitel genutzt und einfach Spaß am Koop-Bauen gehabt, wird das kommentarlos vernichtet.

„Death Stranding“ ist ein weiteres, echtes Kojima-Werk, ganz ohne Zweifel. In meinen Augen bedeutet das: Eine Wundertüte voller Hirnfürze, die einen mehr ärgern als staunen lassen und die viel, viel zu lange geht.


Machen:
– Sperrmüllentrümpelung


Neues Spielzeug:
– Lagerregale, und ein Hochbeet. Der Sommer wird toll.


Ding des Monats:
Das Kleine Gelbe AutoTM – das jetzt auch einen Baumschlag überlebt hat.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Reisetagebuch (6): Nora

Tour mit der V-Strom nach und durch Sardinien. Heute mit Nora, und ich erhalte eine Einladung an die Universität von Cagliari.

Freitag, 23. September 2022, La Medusa, Porto Pino, Sardinien
Luftig leicht wird das Frühstück in „La Medusa“ präsentiert. Ein Nebenraum im Erdgeschoss des Restaurants ist völlig offen, nur leichte Organzagardinen schweben federleicht im Morgenwind, der vom Meer hereinstreicht.

Während ich mich noch wundere woher ich weiß, was Organza ist, spricht mich eine junge Frau an. Sie bereitet hinter der Außenbar des Restaurants Caffé zu, hat tiefschwarze Haare und Augen, die so Dunkelbraun sind, das sie auch fast schwarz aussehen. „Un Momento“, sagt sie, „Ich zeige Ihnen alles. Sprechen sie deutsch?“ Ich nicke, und dann legt sie auf deutsch los und erklärt mir wo der Joghurt steht und sowas.

„Wo haben sie so gut Deutsch gelernt?“, frage ich verblüfft. Sie lacht. „In München. Und in Frankfurt. Und Münster. Und Emden.“ „Meine Güte, sie kennen ja ganz Deutschland!“, rufe ich verblüfft und frage „Arbeit?“. Sie nickt. „Lassen Sie uns aber bitte jetzt weiter italienisch sprechen“, sage ich, „ich spreche das sehr schlecht und möchte es lernen“. „Okay“, sagt sie und lächelt.

Das Frühstück auf der Terrasse fühlt sich fast an wie in einem Luxusressort. Um mich herum wehen diese Gardinen, der Wind rauscht leicht in den Palmen und mir geht es einfach gut. Dafür bräuchte es nicht mal diese seltsamen Malereien an der Wand von La Medusa:

Das Rezept für Glück:
100 Gramm Gelassenheit
300 Gramm der Achtung
ein Würfelchen Fantasie
ein _____ Umsicht
ein Glas Frohsinn
drei Esslöffel Geduld
Intelligenz nach Belieben
sorgfältig mischen und in der Form aufgehen lassen

JA WIEVIEL UMSICHT SOLL MAN DENN NUN NEHMEN?!? STEHT DA NICHT!! Ich kann so nicht arbeiten!
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Reisetagebuch (5): La Medusa

Ein verlängerter Sommer auf Sardinien. Heute mit einem Studium in Mülltrennung, einem penetranten Germersheimer und Schwertfisch.

Donnerstag, 22. September 2022, Gli Ulivi, La Ciaccia, Sardinien
Überall juckt es. Schon um kurz vor Sieben halte ich es nicht mehr aus, schlurfe ins Bad und beglotze meinen nackten Körper im Spiegel.

Hände. Arme. Beine. Füße. Bauch. Rücken. Überall sind Stiche.

In den vergangen Tagen haben mich jede Nacht Viecher zerstochen – trotz des guten „Ballistol Stichfrei“, das ich auf Reisen immer dabei habe, und das mir bislang Viechzeug zuverlässig vom Hals gehalten hat. Aber gegen diese Minimücken hilft das gar nicht. Was die Midges in Schottland nicht geschafft haben, das holen die Viecher hier nach: Ich sehe aus, als hätten Stechmücken eine Party auf mir gefeiert.

Seufzend mache ich mich fertig, dann packe ich meine Sachen und fege das Apartment aus. Heute ist der letzte Tag auf „Gli Ulivi“, und ein Schild an der Tür weist darauf hin, dass man die Bude bitte ordentlich hinterlassen und auch den Müll rausbringen soll, sonst zieht man sich den Zorn von Mariella und eine Rechnung über die Putzkosten in Höhe von 30 Euro zu.

Mülltrennung ist gar nicht so einfach. Auf dem Parkplatz vor dem Haus steht ein rundes Dutzend Mülltonnen in sechs verschiedenen Farben. Dazu gibt es ein Schild, was die Mülltrennung erläutert.

Nur: An den Tonnen steht teilweise was ganz anders. Laut Schild sollte Kunststoffabfall nur in die blaue Tonne, aber in die schwarze kann der laut Beschriftung auch. Die grüne Tonne ist für Glass, ausser der, an der „Papier“ steht, was eigentlich in die Weiße Tonne soll, die aber voller Strauchschnitt ist, den ich eher in der braunen Tonne für trockenen Biomüll („secco“)vermutet hätte. Nicht zu verwechseln mit der braunen Tonne mit dem feuchten Biomüll („humido“) oder der braunen Tonne, in die nur Glas soll. Die gelben Tonnen erschließen sich mir gar nicht, in einer ist Glas und in der anderen Teile eines alten Wäscheständers. Ist das vielleicht die Joker-Tonne?
Tja, Italien – Hier muss man Mülltrennung noch studiert haben!

Als ich die V-Strom startklar mache, fällt mir eine GS mit Dortmunder Kennzeichen auf, die vor dem Gebäude parkt. Auf dem Balkon des kleinen Appartements, was zum Meer hinausgeht, sitzt ein junges Paar in der Morgensonne und genießt einen Kaffee.

Ich klettere über die linke Fußraste in den Sattel, dann lasse ich den Motor an und steuere die Suzuki vom Parkplatz und hinaus auf die Straße.

Zunächst geht es nach Westen, an der Nordküste entlang. Hinter Porto Pino, einem bekannten Fährhafen, führt der Weg dann nach Süden und damit auf die Stadt Alghero zu.

Alghero ist nach Sassari die einzige größere Stadt im Nordwesten der Insel. Die V-Strom rollt die palmengesäumte Uferstraße entlang, die erst an einem kilometerlangen, weißen Sandstrand und dann an einem sehr großen Yachthafen vorbeiführt.


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Sperrmüll 1927

Ich mag es nicht, zu viele Dinge zu besitzen. Angesammeltes und unbenutztes Zeug nimmt Platz in Wohnung und Keller weg, und es engt mich gefühlt auch mental ein. Jeder Gegenstand, den man besitzt, trägt ein Stück der eigenen Seele in sich. Ist die Seele auf zu viel Zeugs verteilt, bleibt für einen selbst zu wenig übrig.

Nachdem ich in diesem Jahr gemerkt habe, das ein 16:9-Bild auf einem 4:3 Fernseher mittlerweile doch SEHR klein ist, war klar: Den alten Röhrenfernseher brauche ich nicht mal mehr, um das eine Mal im Jahr „Dschungelcamp“ zu gucken, der kann jetzt nach 26 Jahren wirklich weg. Auch, wenn die Fritzbox dann einen anderen Standort braucht.

Folgerichtig Sperrmüll bestellt. Warnung auf der Website der Entsorgungsbetriebe: Achtung, Termin kann drei Monate dauern. Okay, April oder Mai passt mir, da habe ich noch nichts vor. Dann der Bescheid: Wir holen ihren Kram übermorgen. WTF? Drei Tage statt drei Monate Wartezeit? Respekt! Also schnell ausmisten.

Was kann noch weg? Ah, ja! Der 90er Jahre Vitrinenschrank, den mir die Nachbarin beim Einzug aufgedrängt hat, und gegen den ich mich nicht genug gewehrt habe. Zwölf Jahre sind als Zeitraum, den man ein ungewolltes Geschenk aus Höflichkeit behält, wohl genug.

Sonst noch was? Die Dachbox vom Auto vielleicht? Schade drum, aber nimmt viel Platz weg, will niemand haben und um ehrlich zu sein, habe ich die seit 14 Jahren nicht mehr benutzt. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich die wirklich nochmal brauche? Die Zeit, wo ich mit drei, vier Personen im Auto auf Zelturlaub gefahren bin, sind lange vorbei.

Die Alufelgen vom Kleinen Gelben AutoTM können auch weg. Die sind zwar in Ordnung und sehen geil aus, aber das Auto wird nie wieder Sommerreifen bekommen. Okay, und hier noch ein Stuhl und dort ein alter Computer und mein erster „Ingo“-Küchentisch, ein altes Windschild für die ZZR und eines für die Suzuki, eine Kühlbox mit schleifendem Lüfter, ein Reisekleiderschrank und der 13 Jahre alte N90-Helm, und das war es dann.

Oh, Moment! Ich könnte eigentlich mal diese Ecke in der Garage ausmisten! Schränkchen samt Inhalt und der Plunder in der Ecke sind noch von den Vermietern, das kann wirklich mal weg, das braucht nie wieder jemand.

Wieviel Plunder ist denn das in der Ecke? Ach, nur ein paar Holzteilchen, das geht sicher schnell.

Damit nahm dann das Elend seinen Lauf. Wie eine angestochene Eiterbeule quoll ZEUG aus allen Ecken der Garage, in Summe war ich das halbe Wochenende mit Kramen und Sortieren beschäftigt.

Man glaubt es ja echt nicht, was da alles angesammelt war: Alte Ölkanister. Lösungsmittelbehälter. Abschnitte von Holzbalken. Holzleisten. Kurze Bretter. Lange Bretter. Metalleisten. Bleche, angeschnitten. Metallplatten, mehrere Millimeter dick. Türschlösser, der Größe nach von Kirchentüren. Betonplatten. Reste von Marmorplatten, die bestimmt nicht in diesem Haus verbaut sind. Wackersteine.

Hinter der alten Hobelbank ging es weiter. Spanplatten aus alten Möbeln. Mehr Holzleisten. Dachrinnenhalter. Hufeisen. Eine zwei Meter lange Tischplatte(?), oben aus Metall, im Unterbau aus Presspappe. Unausgepackte Blätter für eine Kreissäge, die es hier im Haus nicht gibt.

Wirklich erstaunlich, was hier alles gelagert war. Aber auch kein Wunder, das knuffige Vermieterehepaar war Jahrgang 1927, Kriegsgeneration, da musste ALLES aufgehoben werden – man wusste ja nie, wann man es mal braucht.

Das ist auch der Grund, warum hier krumme, weil gebrauchte Nägel und benutzte Schrauben rumlagen, fein säuberlich aus alten Brettern herausgedreht und dann unsortiert in Kisten gekippt. Dazu Dutzende Schalter, ausgebaut aus Nachtischlampen oder vom Kabel abgeschnitten. Gebrauchte Scharniere. Noch ein Hufeisen. Sardinendosendeckelaufroller. Flaschenöffner. Verrostete Sägeblätter. In Summe bestimmt 10 Kilo gammeliges Altmetall.

Zum Glück durfte ich fast alles wegwerfen, nur an einigen Holzböcken (nicht faltbar, nehmen echt viel Raum ein, werden demnächst auseinandergeschraubt) hing noch das Herz eines Erben. Erinnerungsstücke an den Großvater.

Nachdem ich mich einmal durch Keller und Garage gearbeitet hatte, war eine krasse Menge an Müll zusammengekommen. Sieht auf dem Bild alles ordentlich aus, weil es gut gestellt ist, aber welche Menge an Holz-Kleinteilen sich darunter verbirgt, ahnt man kaum. Und nichts, kein Teil davon war in meinen Augen noch brauchbar.

Am schwersten war es, die vier Meter langen Eichenbretter raus zu schleppen. Die dienten vermutlich zum Gerüstbau beim Bau des Hauses, in den 70ern.

Sie wieder rein zu schleppen war noch schwerer, denn zwischenzeitlich kam ein Nachbar vorbei und wies darauf hin, dass die Dinger für Sperrmüll zu lang seien und man sie auch nicht einfach fix zersägen könnte, weil sie mit Betonschleier überzogen seien und der eine Motorsäge stumpf machen würde. Da hat er wohl recht, der Nachbar.

Tja, nunja. Bleiben die halt noch ein wenig hier liegen, und die Holzböcke halt auch. Aber wenigstens wurde der ganze andere Krempel rückstandslos abgeholt. Die Müllwerker sind meine persönlichen Helden, dank denen sind nun Wohnung, Garage und Keller zumindest etwas leerer – und mein Kopf fühlt sich auch wieder freier an.

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Reisetagebuch (4): Lost Place 486L MEDCOM 4C

CC BY SA, Wikimedia, Nutzer Tschubby Ortseintragung von mir.


Mittwoch, 21. September 2022
Der zweite Tag in „Gli Ulivi“, dem kleinen Appartement am Nordwestzipfel von Sardinien. Gestern habe ich mir einen Tag Auszeit gegönnt, aber heute liege ich nicht den ganzen Tag im Bett herum. Um kurz vor 10 Uhr sitze ich schon auf der V-Strom und bin von Castelsardo aus Richtung Nordosten unterwegs.

Wenige Kilometer hinter Valledoria fahre ich an eine kleinen Tankstelle mit nur einer Zapfsäule. Der alte Benzinao kommt angeschlurft, bleibt auf Distanz, guckt skeptisch und fragt „Fai da te?“ Selbstbedienung?

„Con servizio, per favore“, sage ich, und er grinst. Ich mag den Service an italienischen Tankstellen und nutze den, wann immer ich kann. Aus zwei Gründen: Die neun Cent mehr pro Liter, die der Tankservice kostet, machen mich nicht arm, aber der Mann – der schon Mitte 70 sein muss – freut sich über das Zubrot. Zweitens: Ich muss mich nicht mit diesen unsäglichen Automaten rumschlagen, die nie richtig gut funktionieren und meistens keine Kreditkarten nehmen.

Bonus: Benziniaos (und Benzinaias, von denen gibt es viele!) sind von Natur aus Plaudertaschen und geben oft ungefragt nützliche Tips von sich. Sie warnen vor gesperrten Straßen, geben Infos zum Wetter oder weisen auf Radrennen >:-( hin.

Dieser hier macht das nicht, der fragt nur, wie mir Sardinien gefällt und ob wir in Deutschland wohl keinen Tankservice haben. Als er hört, das es das bei uns nicht gibt und deswegen viele Deutsche in Italien total in Panik geraten, wenn sie an die „Servizio“-Säule fahren und plötzlich jemand an ihrem Auto rumfummelt, zieht er die Augenbrauen hoch und sagt: „Warum kennt man das bei Euch nicht? Ist doch bequem, gerade für alte Leute“. Tja. Wie übersetzt man „Weil die meisten Leute Geiz für Geil halten“?

Nach dem kurzen Tankstopp geht es weiter, über eine gut asphaltierte Straße, die sich mal in engen, mal in weit ausholenden Kurven am Rand eines bewaldeten Tals entlang zieht.


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Baumfall

Es gibt so richtige Scheißtage. Auf dem Weg zur Arbeit wird man dreimal fast überfahren, alle drehen am Rad und in Summe klappt nichts. So Tage, wo man besser gar nicht erst aufgestanden wäre.

Bei mir war so ein Tag der Mittwoch vergangene Woche. Weil der Tag sich so flegelhaft gab, beschloss ich früh Feierabend zu machen. Beim Verlassen des Firmengebäudes nieselte es und war windig. Bei der Fahrt den Berg nach Mumpfelhausen hinauf wurde das Kleine Gelbe AutoTM von Windböen durchgeschüttelt, und Regen klatschte auf die Scheiben.

Die Straße über den Berg führt durch einen Wald, und hier wurde es schlagartig dunkel und begann so heftig zu stürmen, wie ich es hier noch nie erlebt habe. Laub und kleine Zweige wehten über die Straße, und der Regen viel nicht mehr von oben nach unten, sondern von links nach rechts. Der Wagen vor mir schlich nur noch dahin. Anstatt Gas zu geben und möglich schnell aus dem kurzen Waldstück rauszukommen, wurde er immer langsamer.

Mittlerweile war es so dunkel wie mitten in der Nacht, und der Sturm wirklich so schlimm, dass ich bei mir dachte: „Scheiße, das wird jetzt echt gefährlich“ – und in dem Moment knallte es, und der Wagen wurde durchgeschüttelt sich. Irgend etwas hatte den Seat Leon getroffen „Uh, ob das wohl eine Beule geben wird?“, dachte ich noch so bei mir. Und dann schaute ich in den Rückspiegel und merkte, dass die Heckscheibe fehlte. Ein Blick in den Seitenspiegel zeigte, dass das Heck des Autos komisch aussah, und alle Fahrzeuge hinter mir an der Stelle anhielten, wo etwas mein Auto getroffen hatte.

Warnblinker an, anhalten. Tür gegen den Sturm aufstemmen, zurücklaufen, auf die Kolonne der wartenden Fahrzeuge zu. Das vorderste Auto war ein großes SUV. Durch die Regenschleier sah ich in dessen Scheinwerferlicht einen Radfahrer. Der hatte sein Rad in den Graben gelegt und schleifte gerade im strömenden Regen einen meterlangen und beindicken Ast von der Straße. Unter den Augen des SUV-Fahrers. Als ich auf hundert Meter ran war, hatte der tapfere Radfahrer es geschafft und freie Bahn für die dicken Autos geschaffen. Ansonsten war anscheinend nichts passiert, es war halt nur dieser dicke Ast runtergefallen – und der hatte mein gelbes Auto getroffen.

Ich lief zurück zu meinem Wagen. Shit. Der Ast war nicht nur in die Heckscheibe gefallen, sondern hatte das gelbe Auto in der linken, hinteren Ecke erwischt. Exakt auf Höhe der C-Säule. Das Blech rundrum war eingedrückt, und – Oh shit. Auch die Heckklappe. In dem Moment wurde mir klar, dass das hier schlimmer war als nur eine Beule und eine kaputt Scheibe.

Ich beschloss, sofort zu der freien Werkstatt zu fahren, die sich zuletzt um das gelbe Auto gekümmert hatte. Unterwegs war immer noch Weltuntergang, dunkler Himmel, Sturm und wirklich strömender Regen, der durch das Loch im Heck natürlich direkt ins Innere pladderte.

An der Werkstatt angekommen machte man mir nicht viel Hoffnung. „Reparatur wirtschaftlich unsinnig, vermutlich nicht mal möglich“. Und ob man es nochmal fahrbereit bekäme, also Heckklappe funktionabel und mit neuer Scheibe, daran meldete man gleich Zweifel an. „Ist ein 20 VT, der hat geklebte Spezialteile auf der Scheibe – und ob man eine Scheibe für ein 22 Jahre altes Auto noch irgendwo bekäme sei mal auch zweifelhaft.

Wir verblieben so, dass die Werkstatt erstmal gucken würden, ob es noch Scheiben gäbe. Dann, ob sie Spoiler und Heckleuchte so rausschneiden könnten, das man sie neu montieren könnte. Und schließlich, wenn das geklappt hätte, dann würden sie versuchen die Heckklappe in Form zu hämmern.

Eine Menge Unwägbarkeiten und, ehrlich gesagt, hatte ich keine große Hoffnung. Das war es wohl mit dem Kleinen Gelben AutoTM. Nach 16 gemeinsamen Jahren trennt uns ein Baum. Wenn doch nur der Wagen vor mir ein wenig schneller gefahren wäre. Oder wenn die dumme Tussi mich aus der Einfahrt gelassen hätte, dann wäre ich zwei Minuten eher da lang gefahren und es wäre nichts passiert. Ich war ernsthaft traurig. Klar, ist nur ein Auto und sicher, man muss ja froh sein, dass es nicht mich oder, viel schlimmer, den Radfahrer erwischt hatte.

Am Wochenende dann mal Gebrauchtwagen recherchiert und direkt vom Glauben abgefallen. Kleinwagen gibt es nur noch wenige, und für einen 8 Jahre alten Twingo oder Fiat 500 muss man bei Händlern aktuell ab 8.000 Dublonen auf den Tisch legen. Wahnsinn. Im Moment ist wirklich ein ganz schlechter Zeitpunkt um einen Gebrauchtwagen zu kaufen.

Und heute dann… Ein Anruf der Werkstatt. Es sei nicht schön geworden, aber das KGA sei wieder fahrbereit!

Tja, und so sieht es nun aus. Die einst schön geschwungene Dachlinie endet jetzt im Crinkle-Look, wie Mudder Silencer es nannte. Aber es hat eine Heckscheibe, und einen weiteren Gelbton.

Der Restwert, der vor einem halben Jahr noch auf 3.500 Euro geschätzt wurde, dürfte damit jetzt bei Null liegen. Aber ich freue mich trotzdem. Rund 970 Euro hat der Spaß jetzt gekostet. Die muss ich selbst tragen. Der Waldbesitzer hat keine Schuld an dem Sturm, und eine Kasko hat der Wagen schon lange nicht mehr. Aber sei´s drum, für 970 Euro gibt es aktuell keinen Ersatz, und so kann ich das Kleine Gelbe AutoTM noch 10 Monate fahren. Im Dezember trennt uns dann wahrscheinlich der TÜV, aber bis dahin werden wir noch ein wenig Spaß haben. Denn klar ist: So ein passendes, spaßiges und vor allem gelbes Auto werde ich nie wieder besitzen.

Vorerst geht sie also weiter, die Saga des Kleinen Gelben AutosTM.

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Reisetagebuch (3): Gli Ulivi

Sonntag, 19. September 2022, Mittelmeer, Fähre „Cruise Europa“
Um kurz vor sechs weckt mich meine innere Uhr. Sofort bin ich wach und weiß, wo ich bin: In einer fensterlosen Kabine an Bord der Cruise Europa.

Lange kann es nicht mehr dauern bis die Durchsage zum Räumen der Kabine kommt. Ich tappe in die kleine Nasszelle und mache mich fertig.

In der langen Unterwäsche setze ich mich auf´s Bett und mache einen Covid-Test. Masken und Tests sind in diesen Zeiten ja ein ständiger Begleiter, und noch vor drei Tagen war ich auf einer Tagung mit über 100 Personen. Jegliche Social Events habe ich mir zwar verkniffen, aber man weiß ja nie…

Nach 15 Minuten steht fest: Negativ. Gut, dann waren die Kopfschmerzen gestern in etwas anderem begründet. Vermutlich wirklich zu wenig getrunken.

Um 06:45 bollert ein Crewmitglied des Schiffs mit einem lauten „Buon Giorno!!!“ an die Kabinentüren, zehn Minuten später kommt dann per Lautsprecher die Durchsage zur Räumung der Kabinen. Ich ziehe den Fahreranzug an, greife mir meinen kleinen Tagesrucksack und steige die Treppe zu Deck 11 hoch, um mal zu gucken wie weit wir sind. Als ich die Tür zur Außenterrasse aufstemme, merke ich, wie windig es ist.

Die Sonne geht gerade auf. Es ist schon hell, aber ein roter Schleier liegt immer noch über dem Horizont. Die Küste von Sardinien ist aber noch weit weg. Ich kann mittlerweile ungefähr einschätzen wie schnell so ein Schiff ist, und wir werden noch mehr als eine Stunde brauchen, bis wir Olbia erreichen.

Ja, das wird noch dauern. Ich steige wieder hinab zum Vergnügungsdeck auf Deck 10. Neben Spielhallen und Restaurants gibt es hier auch eine Lounge, und hier auf ein langes Sofa, auf dem ein Stückchen weiter noch ein paar Frauen in Schlafsäcken pennen.

Ich hole DAS BUCH raus und lese, als plötzlich Horst, der H2-Sozialpädagogen-Boomer von gestern, auftaucht und sich neben mich flanscht. Auch er hat in der Lounge geschlafen und beginnt sofort random Dinge zu erzählen, wird aber stiller, als er merkt, das er der einzige Teilnehmer der Konversation ist.

Es dauert noch bin nach 08:30 Uhr, bis das Schiff in den Hafen von Olbia einläuft und im Hafenbecken zu drehen und langsam rückwärts anzulegen beginnt. Ich packe den Kindle weg, dann suche ich auf Deck 8 nach Kabine 8035. Die habe ich mir gemerkt, denn neben der ist eine Tür zum Treppenhaus, das direkt hinab zum Fahrzeugdeck führt. Das ist zu meinem Erstaunen schon offen, und zahlreiche Passagiere laufen zwischen den geparkten Fahrzeugen herum.

Die Motorräder waren tatsächlich nicht abgespannt. Die See war ruhig, da hat sich die Crew wohl einen Lenz gemacht. Grimaldi, ey. Ich habe ja in den vergangenen Jahren mehrere Überfahrten mit Fähren gemacht, und bei keiner Reederei, mit der ich es bislang zu tun hatte, gibt es weniger Service und dafür mehr Chaos und mehr Selbstgefälligkeit bei den Crews.


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Momentaufnahme: Januar 2023

Herr Silencer im Januar 2023

Worte des Monats: Das ist der zweitlängste Januar, den ich je erlebt habe

Wetter: Anfang des Monats die heftigste Hitzewelle seit Beginn der Wetteraufzeichunngen, was um diese Jahreszeit Temperaturen von 13-18 Grad bedeutet. Mitte des Monats scharfe Minustemperaturen um die -8 Grad, auch mal mit ergiebigem Schneefall. Monatsende um den Gefrierpunkt. Ab der zweiten Woche viel Regen, keine Sonne. Trotz des Mistwetters immer noch außergewöhnliche Dürre im Boden.


Lesen:


Hören:


Sehen:

Predestination [2014, Prime]
Jane wird bei einem One-Night-Stand schwanger. Bei der Geburt stellt sich heraus, dass sie ein Hermaphrodit ist. Dann kommt es zu Komplikationen, durch die eine Geschlechtsanpassung vorgenommen werden muss. Aus Jane wird John, und der ist nur von einem Gedanken beseelt: Rache an dem Unbekannten, der zur Hälfte für die Schwangerschaft verantwortlich war. Eines Tages trifft John einen Barkeeper, der sich als Zeitreisender Agent entpuppt, und fragt, ob John bereit ist, in die Vergangenheit zu reisen und den unbekannten Schwängerer zu töten. Zurück im Jahr 1963 verliebt sich John aber in sein jüngeres und weibliches selbst und es kommt zu einem One-Night-Stand – und das ist nur ein Teil des Predestinations-Paradoxes.

Sehr spannender und interessanter Film, der auf der Kurzgeschichte „All You Zombies“ von Robert A. Heinlein basiert. Der Plot ist hirnverknotend komplex – so komplex, das sich Leute die Mühe gemacht haben ihn zu visualisieren:

Wikimedia Johnstoo CC BY SA 4.0

Am Ende ergibt alles einen Sinn – man muss nur akzeptieren, dass eine Person sich selbst gezeugt, ausgetrickst und schließlich getötet hat. Ja, Zeitreisen sind so. „Predestination“ ist ein Sci-Fi Kleinod und mit Ethan Hawk und Sarah Snook toll besetzt.

Der Untergang [2004, Bluray]
April 1945. Die rote Armee steht bereits bei Marzahn, in Berlin Mitte hockt die Führung des 3. Reichs in einem Bunker. Alle wissen, das es vorbei ist und der Krieg verloren, und jeder sucht die Schuld bei anderen. Hitler befiehlt Truppen zu verlegen, die es gar nicht mehr gibt, und ergeht sich dann in Tiraden über Befehlsverweigerung, Karrieregeneräle sind orientierungslos, Göring bereitet einen Putsch vor, Himmler versucht zu den Amerikanern überzulaufen und Göbbels ergeht sich in Wahn und gibt „dem Volk“ die Schuld, das ja immerhin durch Wahl der Nationalsozialisten diesen Weg wollte und nun halt mit den Konsequenzen leben muss.

Ein Bernd-Eichinger-Film, mit 13,5 Millionen der drittteuerste und einer der erfolgreichsten deutsche Filme. Kannte ich bisher nur als Ausschnitt auf Youtube, das berühmte „Hitler rants about…“, wissen schon:

Der Film basiert auf den Arbeiten des Historikers Joachim Fest und den Erinnerungen der Hitler-Sekretärin Traudl Junge, die auch in einem Vorwort und Nachwort zu, äh, Wort kommt. Man habe sich bemüht, möglichst exakt die belegbaren Hergänge zu rekonstruieren und darzustellen und nichts aus dramaturgischen Gründen hinzu zu erfinden. Das mag man ob der teils absurden Situationen kaum glauben, aber Experten (wie Joachim Fest) bescheinigen dem ganzen eine hohe Authentizität. Lediglich kleine Fehler seien im Film , wie die falsche Todesart von Magda Goebels.

Ein düsterer und sehr gelungener Film. Besonders gut: Die Darstellung der historischen Figuren. Bruno Ganz als Hitler leistet ganze Arbeit, Heino Ferch gibt einen sehr guten Albert Speer und Ulrich Matthes hat als Goebbels so einen irrlichternden Wahn im Blick, dass man Angst bekommt. es wird sehr schön herausgearbeitet, das jede dieser Figuren eigene Motivationen und Pläne für ihr Handeln hat, und wie sie damit umgehen, dass das Ende naht.

Was kann man aus dem Film mitnehmen? Faschismus ist kopflos, wenn die zentrale Figur des Kults abhanden kommt. Und: Charaktere wie Goebbels übernehmen nie, auf keinen Fall, Verantwortung für ihr Tun – im Zweifel sind die schuld, die ihn gewählt haben. Krasse Erkenntnisse.

Midsommar [2019, Prime Video]
Eine Gruppe egaler Ami-Studis begleitet ihren Kumpel Pelle Wurstgesicht in seine Heimat Schweden. Warum? Um an einer Sonnenwendfeier in der Kommune, in der er aufgewachsen ist, teilzunehmen. Was als putziges „ach guck, die tragen Blümchen in den Haaren“ beginnt, wird bald zunehmend schräg. Die freundliche Kommune hat nämlich so ihre ganz eigenen Regeln und nutzt die Sonnenwendfeier u.a. dazu, um Inzest zu vermeiden und frisches Blut in die kleine Gemeinschaft zu bekommen.

Alter Schwede (SIC!). Hätte fast nach fünfzehn Minuten ausgemacht, weil langweilig und nervig. Der Anfang besteht wirklich nur aus übersteuertem Rumgeplärre einer endnervigen Else, die man als Zuschauer nicht kennt und ihr folgerichtig keine Empathie entgegenbringen kann.

Nach 30 Minuten findet der Film aber seinen Ton, und ab da wird es interessant. Die ganze Studi-Truppe bleibt ein Sammelsurium von Arschgeigen, für die man keine Sympathie empfindet. Umso schöner, wenn diesen Leuten dann schräge Dinge passieren und man, die sind in „Midsommar“ WIRKLICH schräg. Von drogengetränkten Sexritualen bis hin zu Soylent-Green-artigen Zelebrierungen von altersbedingten Freitoden ist hier alles mit dabei.

Neben dem offensichtlichen und expliziten Grusel fühlt man sich als Zuschauer ab der zweiten Filmhälfte zunehmend Unwohl, weil in der Peripherie kleine Dinge oder Verfremdungen passieren, die man erst unbewusst wahrnimmt und sich dann fragt, ob man das wirklich gerade gesehen hat.

Sehr gruseliger Film, mit schnarchigem Anfang und einem gezogenen Mittelteil, der aber so sein muss, um den Punch am Ende vorzubereiten – und der hinterlässt bleibenden Eindruck. Der Film funktioniert auf vielen, vielen Ebenen und lädt dazu ein, über ihn nachzugrübeln.

Ich bin ein Star, holt mich hier raus! [2023, Staffel 16, RTL]
Sehr feine Staffel mit starken Charakteren. Ausfälle waren Claudia Effenberger, dieser „Ich geb Gas ich will Spaß“-Markus und irgendeine blonde Verena, ziemlich egal auch Dressman Papis Loveday und Cecilia Dingens.

Spaß gemacht haben „Madoooona“-Cosimo und Plakativ-Esoterikerin Jana Pallaske sowie Borderline-Persönlichkeit und Veganerin-Karikatur Tessa Bergmeier.

Überraschend:
1. Lucas Cordalis besitzt keinerlei Humor und keine Persönlichkeit, sondern besteht nur aus Fassade. Frei von Entwicklung oder Spaß spulte er seine Rolle ab, zu der das mantrahaft wiederholte „ich will meinen Vater stolz machen“ gehörte. Von Beruf Sohn zu sein ist schon schlimm genug, Lucas Cordalis ist aber von Beruf Ehemann der Katzenberger und von der Persönlichkeit her Sohn und Schwiegersohn, Aszendent Eigenlobler. Auf´s unsympathischste machte er ständig klar, das er der beste sei und quasi Erbanspruch auf die Krone hätte. Mein Sparkassenvertreter ist unterhaltsamer. Trotzdem kam er ins Finale – gewählt mutmaßlich von der Katzenberger-Armee, ZDF-Zuschauerinnen und, so wird geraunt, von angemieteten Callcentern.
2. Die Entwicklung von Krass-Proll Gigi, ungebildet, dabei aber nicht bösartig und messerscharf analytisch, vom unsympathischen Slacker hin zum groben, aber herzlichen Charakter.

Am Ende gewann Djamila Rowe verdient die Krone. Gestartet als Ersatzkandidatin für Martin Semmelrogge, der Vorstrafenbedingt nicht nach Australien einreisen durfte, überraschte sie ab Tag eins mit einer erstaunlich bescheidenen und ehrlichen Persönlichkeit. Der Satz „Ich fühle mich hier wohl, weil ich mal nicht einsam bin“, war schon ein Schlag in die Magengrube. So etwas hätte man unter dem, von zahllosen Schönheits-OPs völlig verunstaltetem, Äußeren nicht erwartet.

Meine persönliche Favoritin war aber Jolina Mennen. Selten eine so clevere, faire und analytische Person im Dschungelcamp gesehen, ihr hätte ich die Krone auch gegönnt. In Summe hat die 16. Staffel wieder mal bewiesen, dass es einzig von den Charakteren abhängt, ob das „Dschungelcamp“ interessant ist. Die 2023er-Ausgabe war das definitiv, und das über weite Strecken ohne Krawall und Toxizität, sondern geradezu harmonisch. Krawall gab es dafür in der Show danach.

Verwanzt [Theater im OP]
Agnes schlägt sich nach mehreren Schicksalsschlägen als Kellnerin durch und versucht ihren Schmerz mit Drogen zu benebeln. Dann taucht Peter auf, ein obdachloser Veteran. Agnes lässt ihn bei sich wohnen. Die beiden teilen Bett, Drogen und – wie sich bald herausstellt – eine Psychose, die sie in den dunklen und letztlich tödlichen Kaninchenbau von Verschwörungsideologien treibt.

Ein Stück, das im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht. Spätestens, wenn die Protagonisten anfangen sich die Haut vom Körper zu schneiden, kommt man aus dem Schaudern nicht mehr raus. Straff inszeniert, nicht zu lang. Besonders beindruckend: Das Spiel von Lisa Tyroller als Agnes. Wahnsinn.


Spielen:

Return to Monkey Island [2022, Switch]
Irgendwo, tief in der Karibik: Guybrush Threepwood ist mittlerweile Pirat, das Geheimnis von Monkey Island versucht er aber immer noch zu finden. Hinter dem ist auch Geister-Zombiepirat LeChuck her.

Awwwww, Monkey Island! Habe ich, wie so viele, eine lange Geschichte mit. Das erste Spiel, „The Secret of Monkey Island“ habe ich 1990 noch auf dem Amiga gespielt. „Return to Monkey Island“ knüpft unmittelbar an „The Curse of Monkey Island“ an, den zweiten Teil von 1991 (11 Disketten auf dem Amiga!) an, dessen seltsames Ende nun 30 Jahre in der Luft hing. Hat sich das Warten gelohnt? Geht so.

Der Grafikstil ist seltsam, geht aber in Ordnung. Die Musik und die Sprecher sind toll. Die Geschichte ist Monkey-Island-typisch schräg und der Humor definitiv lustig. Die Rätsel sind klassisch Point&Click und schon recht schwer, aber nie unfair oder absurd, und falls man wirklich gar nicht mehr weiter weiß, kann man in dem eingebauten und sehr guten Hint-Book nachschauen. Ich muss zugeben, dass ich das zum Ende hin recht häufig nutzen musste, weil ich zwar die richtige Idee hatte, das Spiel die aber leicht anders umgesetzt haben wollte.

Die Steuerung wurde für Konsolen gemacht und geht sehr gut von der Hand, und Quality-of-Life-Verbesserungen wie eine automatische Anzeige nicht-kombinierbarer Elemente machen das Leben schöner.

Warum dann nur „geht so“? Weil SPOILER
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Weil Ron Gilbert zwar wirklich das Geheimnis von Monkey Island lüftet, dabei aber genau den Move pulled, den man schon aus dem Ende von Teil 2 kennt. Im Endeffekt macht er hier das Bobby-Ewing-„Es-war-alles-nur-ein-Traum“-Trope, angereichert um ein laues „Such Dir selbst aus, was das Geheimnis für DICH war“.

Mir war schon auch klar, dass das Geheimnis nach all der Zeit und Legendenbildung nicht befriedigend gelöst werden kann, aber genau diese Umsetzung hier lässt mich leicht wütend zurück: Der ganze Plot des Spiels steuert auf einen Höhepunkt zu, der dann schlicht nicht kommt! Stattdessen wird kurz vor Schluss ALLES an Narration weggeworfen und das Game einfach beendet.

Nicht nur, dass der Schluss damit abrupt und unbefriedigend ist – ganze Handlungsstränge werden nicht zu einem Ende geführt. Das ist schade, denn es gibt spannende Nebenplots – wie der, das Elaine entdeckt, das Guybrush auf der Suche nach dem Geheimnis immer mehr auf Methoden von LeChuck zurückgreift und skrupelloser wird. Das wird sehr deutlich thematisiert, dann aber nicht aufgelöst werden. Dieses Meta-Meta-Ende ist schlicht verschenktes Potential.
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Sei´s drum. Bis man zu dem Ende kommt, dauert es rund 10 Stunden, und die sind mit unterhaltsamen und sehr lustigem Kram gefüllt. Die Dialoge haben mich mehr als einmal kichern lassen und ich hatte wirklich Spaß mit dem Spiel.


Gris [2018, Switch]
Eine junge Frau fällt und fällt und fällt. Als sie zu sich kommt, findet sie sich in einer schwarz-weißen Schneellandschaft voller zersplitterter Statuen und Bauwerke wieder.

Kraftlos und müde kämpft sie sich Schritt für Schritt vorwärts, immer wieder vor Erschöpfung auf die Knie sinkend. Aber dann macht sie Entdeckungen, die Dinge zusammenfügen, und die Welt beginnt Farben zurückzugewinnen. Mit jeder Farbe schöpft die Spielfigur mehr Kraft, wird agiler und findet am Schluss sogar ihre Stimme wieder.

„Gris“ thematisiert Trauma, Verlust und Depression. Die Art und Weise, wie das getan wird, ist alles andere als subtil. Für die Gefühle in einer Depression findet „Gris“ eine plakative Bildsprache, die in ihrer Wortwörtlichkeit manchmal nicht besonders originell wirkt. Beispiel: Das Gefühl, von der Schwärze einer Depression verschluckt zu werden, wird dann halt genau so dargestellt:

Das mag etwas unoriginell erscheinen, aber es ist konsequent umgesetzt. Es gilt, Dinge aus der Vergangenheit zu überwinden, alte Stärken wieder zu finden, selbst zu heilen, wieder ganz zu werden und am Ende zu lernen, sich selbst wieder zu mögen. Das ist stringent erzählt und vor allem eines: Wunderschön gestaltet!

Sowohl die Hintergründe als auch die wenigen Figuren und die fein animierten Zwischensequenzen wirken allesamt wie Aquarelle, und die einzelnen Level sehen an vielen Stellen wie Gemälde aus. Wirklich, Screenshots von „Gris“ könnte man sich genau so auch an die Wand hängen.

Die Wirkung der Bilder wird durch einen passenden, atmosphärischen Soundtrack unterstützt. Ähnlich elegant wie die Präsentation ist das Gameplay, was eine Mischung aus Erkundung, Hüpfen und dem Lösen von kleinen Rätseln ist. Es kommt fast in Gänze ohne Erläuterungen aus, in der Regel muss man experimentieren, um herauszufinden wie Dinge funktionieren und wie man mit ihnen interagieren kann. Sowohl Rätsel als auch Hüpfpassagen sind immer fair und machbar, lediglich an einer komplexen Hüpfstelle bin ich fast verzweifelt.

„Gris“ ist schon ein paar Jahre alt und findet sich daher für ein Paar Mark Fuffzich in Sales. Wer schöne Bilder mag, findet in „Gris“ ein Spiel, was einen über die Spieldauer von ca. 4 Stunden fast magisch in den Bann zieht. Lebenshilfe sollte man sich davon aber nicht erwarten.

Limbo [2010, Switch]
Ein namenloser junge wacht allein in einem dunklen Wald auf und sucht einen Weg hinaus.

Hat jetzt auch nur 12 Jahre gedauert, bis ich mir „Limbo“ endlich mal angeschaut habe – die Switch bringt mich zu Indie-Titeln. Der kleine Puzzleplattformer „Limbo“ erschien initial 2010 für die XBOX 360 und ist seitdem für nahezu jedes System umgesetzt worden. Das hat einen Grund: Das Spiel ist sehr, sehr eigen.

Die Optik ist ganz auch schwarz und grautöne reduziert, es gibt nur wenige Umgebungsgeräusch und keine Musik.

Vor allem ist Limbo aber: Böse. Die Spielfigur des namenlosen Jungen befindet sich wirklich in einer Art Zwischenhölle, in der er zahlreiche, grausame Tode stirbt. Beim allerkleinsten Fehler wird er aufgespießt, zerdrückt, überrollt, ertränkt, zerstückelt usw., und nicht selten sind andere Kinder für seinen Tod verantwortlich. Creepy und schwierig, umso schöner ist es aber, wenn man dann doch wieder eines der komplexen Umgebungsrätsel gelöst hat und der Junge ein Stückchen weiter gekommen ist. Seltsames Game für zwischendurch, bleibt aber halt auch in Erinnerung.


Machen:
Sorgen, um Gesundheitszustand von Freunden, Kolleginnen und Familie.

Kompensationshandlung: Zu Ikea gefahren und Ivars gekauft. Merke: Bis zu 4 x 226 cm-Seitenteile passen problemlos ins Kleine Gelbe Auto, Holz schrauben macht glücklich und Kiefernduft im Wohnzimmer ist was feines.


Neues Spielzeug:


Ding des Monats: Badwäsche
Jahrelang habe ich mich über schlechte Qualität der Handtücher geärgert, die ich mal hier, mal da im Sonderangebot gekauft habe. Die waren dünn, fühlten sich manchmal nicht gut an, saugten erst nach der hundertsten Wäsche und sahen kurz darauf aus, als hätten sie die Räude.

Dann die Idee: Warum nicht Kram kaufen, wie es in Hotels verwendet wird? Das muss doch gut und langlebig sein! Stellt sich raus: Frotteeware des großen Hotelausstatters Zollner gibt es für wenig Geld. Die Qualität ist, abgesehen von ein Paar Nahtfäden, ausgezeichnet und auf Langlebigkeit ausgelegt, dabei aber echt weich und kuschelig.

Die Dusch- und Handtücher in der Grammatur 520g/m2 sind flauschig, aber nicht ZU dick, sofort saugfähig und insgesamt eine echte Wohltat. Weil´s so schön und echt günstig ist, gab es gleich noch eine Großpackung Waschlappen (Stückpreis 95 Cent) und ein Paar Duschvorleger dazu. Hätte es alles auch in anderen Farben gegeben, aber gerade gefällt mir weiß.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Reisetagebuch (2): Cruise Europa

Eine weitere Transferetappe, aber eine sehr abwechslungsreiche. Außerdem: Warum Steine okay sind.

Sonntag, 18. September 2022, Gasthof Larch, Sterzing, Südtirol

Früh am Morgen dämmere ich aus dem Schlaf heraus, und sofort fällt mir wieder ein, das es in der Nacht schneien sollte.
Draußen rauscht es. Regen? Wind? Zumindest kein Schnee, oder? Schnee rauscht nicht.

„Hey Siri, wie spät ist es?“, schnurchele ich unter der Bettdecke hervor.
„Es ist 06:47 Uhr“, antwortet das iPhone vom Nachttisch. Krass, habe ich lange geschlafen. Fast 10 Stunden. Die Kälte gestern hat Energie gekostet.
„Temperatur?“, frage ich.
„Drei Grad“.
„Hat es geschneit?“
„Tut mir leid, ich sehe „Geschneit“ nicht in Deinen Kontakten“.
Dumme Nuss. Siri ist tageweise echt für nahezu alles zu doof.

Jetzt öffne ich langsam die Augen. Vor den Fenstern ist es hell. Sehr hell. Schneedecke? Schnell taste ich nach der Brille und sage „Hey Siri, Lumos!“
Sofort flammt die LED-Leuchte auf. Siri ist nämlich Harry-Potter Fan. Weiß kaum jemand.

Ich springe über die Klamotten und Motorradkoffer, die auf dem Boden des Hotelzimmer herumliegen, zum Fenster, reiße die Vorhänge auf und blicke auf… eine Steinmauer. Aber nicht auf Schnee.
Kein Schnee! Mir fällt ein Stein vom Herzen.

Offiziell beginnt im Gasthof Larch das Frühstück um 07:30 Uhr, aber als ich um Viertel nach Sieben die Koffer zum Motorrad trage, steppt da schon der Bär. Eine Busladung niederländischer Rentner balgt sich um Kaffee und Brötchen und sitzt schnatternd an großen Tischen zusammen. Drollig.

Weniger drollig: Ich soll an einem Einzeltisch mitten im Speisesaal Platz nehmen. „Nee“, sage ich zu der Gastwirtin. „Wenn es Okay ist, nehme ich mir nur einen Kaffee und setze mich raus. Ich möchte nicht zwischen so vielen Leuten sitzen“. Sie nickt und sagt „Aber nehmen´s sich ruhig was zu essen mit raus!“

Gut, viel Hunger habe ich nicht, aber ein Erdbeerbrötchen kann nicht schaden. Bei drei Grad sitze ich auf der Terrasse und freue mich – nicht nur, dass es nicht geschneit hat, es ist sogar trocken! Glücklich proste ich der Barocca, die geduldig vor dem Eingang wartet, mit dem Kaffeebecher zu.


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Reisetagebuch (1): Knochenkälte

Samstag, 17. September 2022
Kaum acht Wochen ist es her, das ich aus England zurück bin. In der Zwischenzeit ist das Kleine Gelbe AutoTM repariert worden, die V-Strom hat einen Ölwechsel, einen gründlichen Check und die Ventile eingestellt bekommen, und ich war ziemlich beschäftigt. Vermutlich fühlen sich deshalb die zwei Monate seit der letzten Tour schon wieder wie eine Ewigkeit an. Aber nun, nun soll es noch einmal auf eine Motorradtour gehen.

Mitte September, da ist es häufig nochmal richtig warm und sonnig, ein später Sommer. In meiner Vorstellung sah es so aus, das ich in spätsommerlicher Sonne und warmen Temperaturen erst über die A7 fahre, dann über Fernpass und Brenner cruise und danach gemütlich in einem Gasthof in den Alpen einkehre.

Dass diese Vision Wirklichkeit wird, dafür sprach auch alles. Vergangene Woche waren es noch 25 Grad und Sonnenschein. Aber heute… heute ist gefühlt November. Es nieselt, und gerade noch 9 Grad sind es, als ich das Garagentor öffne, hinter dem die V-Strom mit gepackten Koffern steht. Auch der Helm liegt schon bereit.

Ich trage die Regenkombi und die dicken Handschuhe, als ich in den Sattel der Suzuki klettere. Echtes Schietwetter erfordert sowas.

Egal. „Hör auf dir selbst leid zu tun“, schelte ich mich und lenke die Barocca auf die A7, die Deutschland einmal ganz von Norden nach Süden durchzieht.

Anhand der Ortsnamen weiß ich, wie weit ich schon von zu Hause weg bin.
Kassel – 50 km.
Bad Hersfeld – 100 km.
Fulda – 150 km.
Würzburg – 250 km.
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Kategorien: Motorrad, Reisen | 9 Kommentare

Reisetagebuch: Motorradtour UK in 4:48 Minuten

Die gesamte Tour im Sommer 2022: Vierzehn Tage mit der Barocca durch Deutschland, Belgien, Frankreich, England, Wales, Schottland und die Niederlande, ingsesamt 6.338 Kilometer.

Das komplette Reisetagebuch in 13 Teilen:

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Reisetagebuch (13): Borderlands & die Road of Bones

Tour mit der V-Strom durch Frankreich, England, Wales und Schottland. Heute geht´s dort hin, wo der Doktor das Vieh liebte, Genzbeamte drohen die Barocca zu zerlegen, und es gibt zum ersten Mal einen Selfie ohne Helm von mir zu sehen!

Freitag, 15. Juli 2022, Horse & Hound Inn, Bonchester Bridge, Schottland

Das Frühstück im Horse & Hound ist sehr gut. Wirtin Dawn wirbelt zwischen den Tischen herum, bringt Full Scottish Breakfast, schenkt Kaffee nach, bietet HP-Sauce an und ist auch ansonsten super.

Um kurz nach Acht zwänge ich mich durch die starken Brandschutztüren und die engen Treppen des Inns hinunter und trage die Koffer zum Motorrad. Neben der Barocca steht eine 600er Bandit.

Ein älterer Herr nestelt gerade an der schweren Kette herum, mit der die Bandit gesichert ist. Als ich grüße, strahlt er mich an und stellt sich als Johnston vor, „Einfach Johnston, wie Johnson, aber mit einem „t““, sagt er, und dann deutet Johnston mit beiden Armen auf die Motorräder und auf den Pub und reißt dann die Hände in die Luft als wollte er die Welt umarmen und stößt hervor: „IST DAS NICHT GROßARTIG?!“

Ich blicke auf die Motorräder und auf den Pub und auf die Landschaft und weiß, was er meint. Johnston kiekst vor Freude. „Jedes Jahr fahre ich ein paar Tage mit meiner 600er in die Lowlands, und dann in die Highlands, und ich genieße JEDE SEKUNDE“, ruft Johnston und ich grinse ob dieser Lebensfreude und nicke, bis mir fast der Kopf abfällt.

Als ich in den Sattel steige, trage ich bereits die StormChaser-Kombi. Der Himmel ist bedeckt und das Internet sagt, dass es heute nochmal richtig regnen wird. War ja klar. Bislang hatte Glück mit dem Wetter, aber am letzten Tag erwischt es mich dann noch.

Denn das ist er heute, der letzte Tag. Zumindest der letzte in Schottland, denn ein paar Meilen hinter dem Horse & Hound beginnen die Borderlands, und noch ein wenig weiter markiert ein pittoresker Grenzstein den Übergang zwischen Schottland und England. Als ich daneben halte, steht das Vorderteil der Barocca plötzlich in England, das Heck aber noch in Schottland.

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Kategorien: Motorrad, Reisen | 8 Kommentare

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