Wie jedes Jahr gab´s auch heuer, wie wir Österreicher sagen, wieder eine CeBit. Die war in diesem Jahr ganz besonders, aus mehreren Gründen. Zum einen: Das Wetter. Es gibt einen feststehenden Ausdruck für depressionsauslösenden Grauhimmel in Tateinheit mir scharfen Wind, der einen Nieselregen in jede Ritze drückt: CeBitwetter. In diesem Jahr war kein Cebitwetter, sondern… Sonnenschein? Das Messegelände in Hannover, das sonst den rauen Charme eines sibirischen Gulags verströmt, glich plötzlich einem relaxten Campus. Seltsam.

Der zweite Grund: Vor einigen Jahren lag die CeBIT am Boden und zuckte nur noch, jetzt war die gefühlte Stimmung unter den Ausstellern wesentlich besser. Die Dichte der jovialen Anzugsträger mit Guttenberg-Gedächtnis-Gesicht war extrem hoch, ein Zeichen, dass die Branche wieder dicke Eier vor sich her trägt. Wie das kommt? Nun, vor zwei Jahren gab es ja diese Snowden-Enthüllung, dass wir alle durch die Geheimdienste über das Internet überwacht werden.
Das man damit durchkommen kann ohne Folgen befürchten zu müssen, beflügelt auf der CeBIT einen Großteil der Aussteller, nach dem Motto: Wenn man DAMIT durchkommt, dann kann man die Leute mit allem verarschen! Und so sah die CeBIT 2015 dann auch aus.

Hier kann man das Handwerk lernen: Vom Meister himself, the one and only Karsten Maschmeyer, …Versicherungsverkäufer.

Um richtiger IT-Manager zu werden, kann man sich ein Stück weiter das letzte Bißchen Hirn kauterisieren und den passenden Anzug verpassen lassen.

SAP verhöhnt alle, die schonmal mit seiner Software zu tun hatten – wenn die Software wirklich simpel wäre, würden keine SAP-Berater mit fünfstelligen Tageshonoraren benötigt. Und vielleicht gäbe es Quelle noch.

Davon träumt die Branche: Alle Daten, von jedem, immer und überall, BIIIIG DATA!!!! Man kann die Erektion mancher Firmen förmlich spüren.

BIG…. DATA… SCANNER…
manche Firmen klingen wie
Zombie… HIIIIRN…

Das Customer-Briefing Center der Telekom: Hier wird Kunden gesagt, was sie denken und kaufen sollen.
Was kann Deutschland nicht? Internet. Was kann Deutschland? Industrie. Nur Folgerichtig hat sich unsere Bundesregierung den Bullshit von der „Industrie 4.0“ aus dem Hinten gezogen, das Wort in den Raum geworfen und guckt nun, was die Firmen daraus machen. Die üblichen Verdächtigen stürzten sich darauf wie Hunde auf den Knochen. Ganz vorn dabei: Prof. Scheer, der in diesem Jahr sogar behauptet, Industrie 4.0 quasi erfunden zu haben. Das aktuelle Prospekt schleudert dann auch wieder eine Unmenge Buzzwords in den Raum und guckt mal, was kleben bleibt.

Adaptive Logistics & Supply Chains mit Smart Analytics und Agile Planning dank collaborative Product & service Engineering. Die Worte lassen sich in beliebiger Reihenfolge mixen.
Manche Leute übertreiben es beim Buzzwordmixen auch, das fällt aber in der euphorischen Goldgräberstimmung kaum auf. Oder was soll „Smartes Wasser“ sein?

Bei Bullshit immer mit dabei: Telekom, SAP und Fraunhofer. Gemeinsam machen sie das „Digitale Wirtschaftswunder“ mit „Industrie 4.0“. Wie das aussieht weiß die Marketingabteilung noch nicht, aber die Farbe steht bestimmt schon fest.



Gegen Regenwetter aus der Cloud: Wirtschaftswunderregenschirme.

Natürlich ist Sicherheit ein Riesenthema, und weil die Geheimdienste alle super verarschen und die Politik so fein mitmacht, lässt sich auch die Wirtschaft nicht lumpen und lügt allen ins Gesicht. Man kann das eigentlich nur noch ironisch interpretieren und lauschen, ob man hinter den Kulissen der Stände Gelächter hört.
Damit liegen sie auf einer Linie mit den Bundes- und Landesbehörden. DIE schützen! Und produzieren Sicherheit! Und Vertrauen!

Und wie machen Sie das? Na, durch schärfere Kontrollen und stärkere Überwachung natürlich!

Der Niedersächsische Verfassungsschutz wirbt mit Zeilen, die wie Hohn klingen. Oder warum setzen die den Satz „Uns liegt ihr Know-How-Schutz am Herzen“ in Anführungszeichen? Egal, darunter präsentieren sie die Palette ihrer Dienstleistungen, u.a. Wirtschaftsspionage:

Natürlich will die Landespolizei dabei mitmachen und hat schonmal Dienstwagen bestellt, damit sie auf Streetview Cyberpatrouille fahren können:

Natürlich gab es auch die kleinen und großen Facepalms. In der Reihenfolge der Schlimmigkeit:
Klassische Facepalms:
Kleine und mittlere Aussteller, die viel Aufwand in Standbau und Anreise gesteckt haben, und dann wie die Affen hinter ihren Smartphones oder Notebooks hocken oder die Messehostessen angraben, aber sich keinen Deut um das Publikum kümmern.

Du bissja nen lecker Mäddsche, ne?


Mittelgroße Facepalms
1. Unternehmen, die ernsthaft fragen (und vermutlich machen) was ihre Kunden wollen:

2. Blackberry: Zuckt noch ein wenig. Kann sich nur noch einen halben Gemeinschaftsstand leisten, umklammert aber in seinen fast erkalteten Fingern störrisch das Schild mit der Aufschrift „Ich binne nicht tot“

Riesenfacepalms:
1. Das Bundesministerium für Transport, Bewegung und Verkehrssicherheit (oder so ähnlich) kann so viel mit IT anfangen, dass sie in ihrer Verzweiflung eine alte Lara Croft Figur aufgestellt haben, die sie hinterm GameStop aus dem Sperrmüll gefischt haben. Inhaltlicher Bezug? Nicht gegeben.

2. Der Stand des Landes Niedersachsen. Da arbeiten wir Niedersachsen JAHRELANG an der Behauptung, mehr zu können als nur Schafe zu ficken, und DANN DAS!

Der Stand des Landes Niedersachsen: Mein Gott, er ist voller Schafe. Alles VOLLER SCHAFE, die nichtmal von elektrischen Androiden träumen.
3. Hippies, die in der Workshophalle Holz beiteln, Stoff batiken und Ikonen malen. Und warum? UM DIE WIRTSCHAFT ZU RETTEN. Am Rand der Halle stehen SAP-Berater und lachen sie aus.

Nein, das sind mit die Russen lieber. Die präsentieren ganz offen und ehrlich was sie im Programm haben: DROGEN.

Man sollte zuerst den Stand der Russischen Föderation in Hall 9 aufsuchen. Eine kurze Probe der angebotenen Waren macht den Rest des Besuchs erträglicher.
Für gute Stimmung sorgt auch die Nachricht, dass wieder ein paar Chinesen verhaftet wurden, die gute, europäische Produkte plagiiert haben und dafür von der Cyberpolizei verhaftet und von Netzwerkausrüstern mit neunschwänzigen Kabelpeitschen gefoltert wurden. Geschieht denen Recht, das geistige Eigentum will respektiert werden! Ideen anderer klauen, das würde die CeBIT NIE MACHEN!!

Alles was zählt: Saufen bis die Lutzi qualmt.
Na, egal. Ich kann sowieso nicht auf die Standparties. Für mich war das ein langer und aufschlußreicher Cebit-Tag, aber jetzt geht es nach Hause. Warum springt das Auto nicht an? Oh scheiße, jemand hat den Motor geklaut.

Seitdem Booth-Babes politisch nicht mehr korrekt sind, ist das hier das meistfotografierte Model der Messe: Tesla Model S.
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