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Category: Historisches

Von Top Gun bis Astronaut: Motorradoutfits 1991-2022

Von Top Gun bis Astronaut: Motorradoutfits 1991-2022

Neulich ein uraltes Kleidungsstück in der Hand gehabt und dann mal so drüber nachgedacht, mit was für Klamotten ich schon durch die Gegend gefahren bin. Hat sich ja durchaus einiges getan in Sachen Motorradbekleidung seit Beginn meiner Zweiradkarriere. Moped fahre ich zwar erst seit 1991, aber eigentlich fängt die Geschichte schon früher an…

 

 

1986: Top Gun

Muss Mitte der 80er gewesen sein, als es bei C&A in Würzburg diese Kunstleder-Fliegerjacke mit abnehmbarem Lammfell-Kragen aus Polyester gab. Ich war ungefähr 10 Jahre alt und ein riesiger “Top Gun”-Fan und sofort in das Ding verliebt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren mir Klamotten völlig egal gewesen, aber diese Jacke, die wollte ich unbedingt haben. Zu meinem eigenen Erstaunen hatte meine exzessive Bettelei Erfolg und meine Eltern bewilligten das seltsame Kleidungsstück.

Später verschwand der Fellkragen und Anfang der 90er wurde die Jacke mit Aufnähern aus dem “California Depot”, einem Military-Surplus-Laden, in Richtung “Maverick” gepimpt. Natürlich würde ich mich heute dafür schämen. Aber hey, ich war irgendwas zwischen 10 und 16 und fand Aufnäher cool, die ich heute als kriegsverherrlichend ablehnen würde.


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Reisetagebuch Motorradtour Ost (1): Die finstere Seite des Ettersbergs

Reisetagebuch Motorradtour Ost (1): Die finstere Seite des Ettersbergs

Herr Silencer startet zu einer, äh, Motorradtour. Nur leider ohne Motorrad. Dabei stößt er auf sehr finstere Geschichten und gewinnt dadurch für seine Verhältnisse erstaunliche Erkenntnisse. Vorsicht, langer Text, der zudem noch schlechte Laune macht. Menschen, die von zu vielen Buchstaben getriggert werden, seien hiermit gewarnt.

15. Juni 2020
So richtig Urlaub mit mehrwöchiger Motorradreise fällt in diesem Jahr leider aus. Coronabedingt, warum auch sonst. Aber wenigstens eine kurze Tour in Deutschland will ich stattdessen machen. Ein Paar Tage mit der Kawasaki ZZR 600 nach Ostdeutschland, da kenne ich so viel noch nicht.

Das Motorrad steht schon gepackt unten in der Garage, aber ich sitze mit miesepetrigem Gesicht am Schreibtisch im Arbeitszimmer und starre aus dem Fenster.
Draußen reget es Bindfäden.

Wochenlang war es trocken und sonnig und JETZT, wo ich eine Woche Urlaub habe, da gibt es “ergiebigen Landregen, stellenweise auch Starkregen” mit 50 Litern pro Quadratmeter, und das soll über Tage so gehen. Mir macht Wetter auf Motorradreisen nicht viel, aber diese Scheiße hier, eine Woche lang?

Ich überlege mehrere Stunden und starre dabei abwechselnd in den Regen und auf die Wettervorhersage, aber es wird nicht besser. Schließlich storniere ich einige der geplanten Unterkünfte und hinunter in die Garage, die in den Berg unter dem Haus eingelassen ist wie Höhle. Darin steht die silberglänzende ZZR neben der schwarzen V-Strom.

Beide Maschinen sind frisch gewartet, sauber geputzt und haben noch nagelneue Reifen, denn in diesem seltsamen Jahr waren sie bislang kaum ein paar Kilometer auf der Straße.

Mit der Hand fahre ich an der polierten Seite der Kawasaki entlang, blicke nach draußen in den pladdernden Regen und sage schließlich “Nicht heute”, als ich eine Entscheidung gefällt habe. Ich klinke die Seitenkoffer aus, trage sie ein Mal um die Ecke und wuchte sie in den Kofferraum des Autos. Statt also mit dem Motorrad mehrere Tage durch die Gegend zu kurven, fahre ich nun mit dem Auto von Göttingen aus 150 Kilometer nach Südwesten.

Der Weg führt bei Duderstadt über die ehemalige deutsch/deutsche Grenze, dann durch das erzkatholische Eichsfeld, und dann südlich vom Harz durch grüne Getreidefelder bis in eine Region, in der ganz geballt Orte mit bekannten Namen liegen wie Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar und Jena. Willkommen in Thüringen, dem Bundesland mit den wenigsten COVID-19-Infektionen.

Starkregen lässt sich im Auto, so die erste Erkenntnis der Fahrt, viel angenehmer ignorieren als auf dem Motorrad.

Auch 30 Jahre nach der Wende gibt es hier noch überall Straßen mit Kopfsteinpflaster. Das Kleine Gelbe AutoTM hat ein Sportfahrwerk, und ich werde erst ordentlich durchgeschüttelt und dann klappert irgendein Blech im Unterboden, dass sich abvibriert hat. Die Straßen sind für Trabbis gemacht, nicht für spanische Autos.

Mitten in Thüringen habe ich mir einen schönen Bauernhof gesucht, wo ich einer Knechtkate übernachte und mir zwei Tage lang Weimar angucken kann.

Weimar, das ist die Stadt von Bauhaus, der kantigen Architektur- und Designphilosophie. Deshalb gibt es hier auch ein großes Museum dafür, aber das hat natürlich gerade dann Ruhetag, wenn ich es besuchen will. Ruhetag am Dienstag ist eher ungewöhnlich.

Immerhin steht hier der zweitgrößte Stuhl, den ich je gesehen habe.

Weimar ist auch die Stadt dieser beiden Herren: Goethe und Schiller.

Die Beiden grüßen an jeder Ecke. Also, an WIRKLICH jeder Ecke.

Wirklich, Goethe und Schiller sind überall. Bis zum Erbrechen. In fast jeder der schmucken Gassen in der Innenstadt befindet sich irgendwas mit Goethe und/oder Schiller Bezug, und sei er noch so konstruiert. Aber egal, Weimars Altstadt ist wirklich hübsch.

Das Essen ist auch toll. Man isst hier, natürlich, Thüringer Bratwurst oder Thüringer Brät mit Bratkartoffeln.

Zum Nachtisch gibt es dann aber wieder Goethe und Schiller.

Wenn nicht gerade Goethe & Schiller vermarktet werden, dann geht es bestimmt um den Philosophen Herder. Ich muss gestehen: Das interessiert mich alles nicht die Bohne. Ich habe da keinen Bezug zu, wie zum gesamten klassischen Bildungskanon.

Die Sprache des “Dichterfürsten” verstehe ich kaum, die Themen gehen mir ab. Ich gehöre nicht dem Bildungsbürgertum an, und von dem ist Weimar die Welthauptstadt.

Goethe, Schiller, Kulturstadt. Jaja, das stimmt ja auch. Vor ein paar hundert Jahren war Weimar die Kultur- und Bildungsstadt von Weltruf. Im 17. Jahrhhundert wirkten hier die Cranachs, im 18. Jahrhundert Bach, im 19. unter anderem Franz Liszt, Richard Strauß, oder Friedrich Nietzsche. Das Weimar eine Stadt der Hochkultur war, war auch der Grund, dass hier nach dem ersten Weltkrieg die Weimarer Republik ausgerufen wurde. Darauf ist man in Weimar heute noch stolz.

Weimars Geschichte hat aber noch eine andere Seite, und die ist sehr finster. Sie ist zugleich ein Lehrstück dafür, wie das Bürgertum mit Faschismus umgeht, ihn lebt und eher bereit ist, mit einer Lebenslüge zu leben, als sich damit auseinander zu setzen. Diese Geschichte kann uns viel über unsere eigene Gegenwart verraten.

Um mehr darüber zu erfahren, setze ich mich in das klappernde Kleine Gelbe AutoTM und fahre von Weimar aus zehn Kilometer nach Norden. Hier liegt der große Ettersberg, mit 480 Metern die höchste Erhebung im Thüringer Becken. Die Südseite ist dicht bewaldet, auf der Westseite schmiegen sich Felder an die Bergflanken. Mitte Juni sind die bedeckt sind mit grünem Getreide und manchmal mit schon gelben Feldern mit ganz viel Mohnblumen darin. Schön sieht das aus.


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Mein erster MP3-Player: RIO PMP300

Mein erster MP3-Player: RIO PMP300

“Du kommst sofort hier her! Und überleg Dir unterwegs schon mal, wie Du die Verstärkeranlage und ungefähr 30 Bose-Lautsprecher bezahlen wirst, die sind nämlich alle durch”, brüllte der Supervisor in den Hörer, dann legte er auf.

Mit einem Schlag war ich hellwach. Ich war um 06:00 Uhr morgens erst ins Bett gegangen, nun zeigte die Uhr kurz nach 9. Ja, wir hatten in der Nachtschicht und nach Geschäftsschluss das normalerweise laufende Dummradio abgeklemmt und stattdessen eigene Musik über den Verstärker laufen lassen. Ist doch viel angenehmer in den kurzen Stunden der Nacht, zwischen 1 und 4 Uhr, was Fetziges zu hören und nicht so Milchbubimusik, bei der man gleich einschläft. Als ich den Laden verlassen hatte war noch alles gut gewesen, und nun sollte die ganze Soundanlage kaputt sein?

War sie natürlich nicht. Wie sich herausstellte, hatte die Kollegin aus der Frühschicht auch eigene Musik hören wollen, aber dann am Verstärker was verkehrt umgestöpselt. Jetzt klemmte das Radio am Mikro-In-Eingang, deshalb knarzte und rauschte alles. War mit einem Handgriff behoben, hatte aber zur Folge, dass der wutschnaubende Supervisor uns eine Erklärung unterschreiben ließ, in der wir uns verpflichteten, keine privaten CD-Player mehr an die Soundanlage im Geschäft anzuschließen.

Die Anweisung befolgte ich gerne, denn der altersschwache Discman war mir eh inzwischen zu doof. Stattdessen klemmte ich in den folgenden Nachtschichten ein anderes Gerät an den Verstärker, das nicht verboten worden war Vermutlich, weil der Supervisor nicht mal wußte, dass es sowas gab: Einen MP3-Player, einen der ersten seiner Art.

Inspiriert von Rüdigers Beitrag im Thatblog (und weil ich ihn gerade beim Aufräumen wiedergefunden habe), zeige ich ihn hier: Den RIO PMP 300 von Diamond, einen der ersten MP3-Player überhaupt.
Den muss ich gebraucht gekauft haben, wie und woher und für wieviel weiß ich nicht mehr. Auch das wann ist mir nicht ganz klar, vermutlich habe ich ihn irgendwann 1999 oder 2000 gebraucht gekauft. Und ich habe ihn geliebt.

Der RIO war ungefähr so groß wie eine Zigarettenschachtel, nur etwas flacher und leichter. Auf seiner Vorderseite hat er ein Steuerkreuz für Play, Pause und Skip. Dazu die Funktionen, die man wirklich immer braucht, als echte Knöpfe, also Repeat one/all, Shuffle und die Lautstärketasten. Das lässt sich exzellent und blind bedienen, nur die silberne Farbe vom Steuerkreuz rubbelte sich im Lauf der Zeit ab.

Auf der Oberseite hatte der Player Einstellmöglichkeiten für unnütze Funktionen. Was “menu” machte weiß niemand so genau, “EQ” waren TonPresets, die aber alle gleich klangen, und “Intro” benutze niemand, da skippte man einfach.

Der RIO wurde mit einer normalen 1,5 V Mignon-Batterie betrieben. Das war ganz praktisch, aber das federgetriebene Batteriefach war eine notorische Schwachstelle. Passte man nicht auf, brach man schnell die Scharniere ab. Passte man auf, und die Klappe blieb dran, sorgte die Federspannung im Laufe der Zeit dafür, dass das umliegende Gehäuse wegbröckelte.

Im Auslieferungszustand hatte der RIO 32MB Speicher (Ja, MEGABYTE!). In dem konnte er MP3-Dateien mit bis zu 128KB/s speichern. Klingt nicht nach viel, aber da ich den Player hauptsächlich am Autoradio betrieb, reichte auch eine Auflösung von 64 Kb/s. In 32MB passten dann rund 20 Songs, mehr als auf eine CD.

Über eine papierdünne Smartmedia-Karte konnte die Speicherkapazität auf 64 MB erweitert werden, dann passten fast 3 CDs in den Speicher des Rios.

Links: Smartmediakarte von 1998 mit 32 Megabyte Speicher. Mitte: SD-Karte von 2008 mit 8 Gigabyte. Rechts: Mikro-SD-Karte von 2016 mit 128 GB.

Die Musik kam über eine proprietäre Software vom PC auf den Player. Zur Übertragung gab es einen Dongle, der in den Parallelport des Rechners gesteckt wurde und mittels einen proprietären Kabels mit dem Rio verbunden wurde. Man bedenke: Im Jahr 2000 waren USB-Ports noch nicht weit verbreitet, und bei Der Veröffentlichung des RIOs im Jahr 1998 gab es die praktisch gar nicht.

Datenanschluss an der linken Seite des Geräts.

Auf der Rückseite gab es eine Metallkrone, in die ein Gürtelclip eingeschraubt werden konnte. Der fiel aber immer ab, genauso wie bei manchen Nutzern das Steuerkreuz an der Vorderseite. Ich hatte deshalb eine schicke Ledertasche für den RIO. Stabil, unkaputtbar und mir Staufächern für weiterer Smartmediakarten.

Mein RIO tut sogar noch. Batterie rein, Kopfhörer dran und schon erklingt Evanescences “Bring me to Life” vom Album “Fallen” von 2003. So lange habe ich den RIO also mindestens in Benutzung gehabt. Der Ton ist auch heute noch sehr gut, mit ordentlich Wumms.

War schon ein schönes Gerät, der RIO. Handlich, robust, sympathisch. Leider siechte er recht bald vor sich hin. Die Software zur Übertragung der Musikstücke wurde von Diamond irgendwann nicht mehr gepflegt. Es gab dann zwar eine Open-Source-Alternative, die war aber nicht gut. Dann verbreitete sich rasend schnell USB, und Flashspeicher wurde günstiger, so dass schlanke MP3-Player mit USB-Anschluss und mehr Speicher zum Standard wurden.

So einen Stickplayer hatte ich dann auch, und da ich wenig Musik höre sogar sehr lange. Erst 2008 wurde der Billig-MP3-Player von einem iPod-Touch abgelöst. Als die Rechner dann ihre Parallelports verloren, war der RIO gar nicht mehr nutzbar und wanderte in die Schublade.

Aber bis dahin hatte er mir viele, viele Nachtschichten mit guter Musik erträglich gemacht. Bei mindestens zwei Gelegenheiten sogar in Anwesenheit des Supervisors, der das gar nicht merkte, denn der kleine Rio klemmte unsichtbar auf der Rückseite des Verstärkers.

Der 4.000 DMark-Laptop

Der 4.000 DMark-Laptop

Damals, in den Neunzigern: Als Student wollte ich unbedingt einen Laptop haben. Das Problem dabei: Die Dinger waren unanständig teuer. Bei Vobis oder Compaq musste man mindestens 3.000 D-Mark lassen, was nach heutigem Stand etwa 3.000 Euro entspricht. Dafür bekam man aber keinen Luxusartikel, sondern schlecht verarbeitete, knarzende und klappernde Einstiegsmodelle, meist mit hoffnungslos veralteten 486er-Prozessoren und Plasmabildschirmen oder Schwarz-Weiß-Displays. Alternativ gab es knarzende und klappernde Kisten mit Desktopprozessoren der Pentium-Klasse. Die Dinger rauchten den Akku weg wie nichts Gutes und wurden zum Teil sofort so heiß, dass an Arbeit auf dem Schoß nicht zu denken war. Das war ähnlich wie beim Kochen: Nach 5 Minuten die Eier hartgekocht, nach 8 Minuten das Würstchen geplatzt. Laptops, das waren Geräte, die das Versprechen, das sie in ihren Namen trugen, nicht erfüllten. Also blieb ein tragbarer Rechner ein unerfüllter Traum.

Erst im Jahr 2000 war es soweit: Ich hatte in Nachtschichten bei McDonalds genug Geld zusammengearbeitet um mir ein Laptop leisten zu können, UND es gab endlich ein attraktives Angebot: Ein Gericom “Webboy”. 14,1 Zoll Farbbildschirm, Celeron 800 Prozessor, 128 MB Ram, Diskettenlaufwerk, eingebautes Modem und – ein DVD-Laufwerk!! Eines der ersten seiner Art in so einem Gerät! Den dabeiliegenden Film (“Der Sturm” mit dem Clooney George) konnte man vergessen, aber hey, DVD! Das war die Zukunft!

Wochenlang strich ich in den örtlichen Karstadt-Filiale um das Gerät herum, das dort in einer Vitrine ausgestellt war. Und dann hielt ich es nicht mehr aus, hob drei Mal hintereinander Geld ab und zahlte dann die 3.999,00 Mark in Bar. Was für ein seltsames Gefühl das war – ich hatte mir gerade einen Traum erfüllt, aber quasi ein schlechtes Gewissen, weil ich alle Ersparnisse auf ein Mal auf den Kopf gehauen hatte.

Die Freude über das neue Gerät bekam dann auch schnell Dämpfer. Natürlich knarzte und klapperte auch das Gericom, aber das hatte ich erwartet. Was mich nervte: Alles sah so aus als wäre es schonmal ausgepackt gewesen, und die Treiber-CD war handgebrannt und mit Filzstift beschriftet. Ich hatte die Karstadt-Verkäufer im Verdacht das Gerät mal übers Wochenende “ausgeliehen” zu haben um eine DVD gucken zu können. Erst Jahre später fand ich raus, dass die österreichische Firma Gericom ihre Geräte (die sie aus Taiwan bezogen und in Österreich nur umlabelten) tatsächlich so schlampig verpackte.

Egal. Ich hatte ein Laptop. Mit allem Drum und Dran:

Diskettenlaufwerk und Infrarot-Port! Auf der anderen Seite war das DVD-Laufwerk und ein PCMCIA-Slot.

Sogar mit Touchpad! Aus heutiger Sicht natürlich winzig, aber besser als die damals übliche Steuerung per Joynuppel.

Nach wenigen Wochen fing der Lüfter an mahlende Geräusche zu machen. Aber nun, hört man ja nur wenn man nicht laute Musik hört.
Und als ich dann endlich einen USB-Stick hatte, stellte ich fest, dass der USB-Port einen Wackelkontackt hatte. Aber nun, wer nutzt schon USB? Alle gängigen Peripheriegeräte kamen an den parallelen oder seriellen Port.

Reichhaltige Anschlüsse, bis hin zum Modem. USB brauchte dagegen niemand, gab es kein Zubehör für.

Besonders doof war aber, dass das Gerät mit Windows me, also der Milleniumsversion, ausgeliefert wurde. Das war die anerkannt schlechteste Version von Windows die es jemals gab, man konnte keine drei Klicks machen ohne das alles mit einem Bluescreen abstürzte. Das wusste auch Microsoft, und wenige Monate später, Anfang 2001, kam Windows XP raus. Ein rocksolid Betriebssystem, aber da das Webboy leider für Windows me designed und mit 128 MB zu wenig Hauptspeicher hatte, lief XP darauf nur im Schneckentempo – zumal der Speicher noch aufgeteilt werden musste. Im BIOS konnte man in den Shared Memory aufteilen in “was darf das Betriebssystem haben” und “was darf die Grafikkarte nutzen”. Mit dem Aufstieg von Windows XP verfiel der Preis des Webboys. Drei Monate nachdem ich es gekauft hatte, kostete es 1.000 D-Mark weniger.

In der Rückschau hört sich das nicht nach einer Erfolgsgeschichte an, und doch hat mich das Webboy sechs Jahre begleitet. Es war kein gutes Gerät, aber in vielen Bereichen besser und günstiger als alles, was man damals kaufen konnte. Die Verarbeitungsqualität, das Zusammenspiel der Komponenten – das war damals generell alles unterirdisch, tragbare Rechner für Consumer waren ein Nischenmarkt. Das Webboy öffnete den ein wenig und bot ordentliche Leitung für, im Vergleich, wenig Geld. Ich habe es nie geliebt, aber ich habe es oft genossen es zu benutzen – weil es sich so nach Zukunft anfühlte. Es war sogar eines der ersten Geräte, die an der Uni mit einer PCMCIA-Karte (das damals gängige Format für Laptop-Peripherie) in das erste, experimentelle WLAN durfte. Von den WLAN-Karten hatte das Rechenzentrum nur wenige, und ich durfte 12 Wochen eine Orinoco Gold ausleihen! In der Bibliothek sitzen und Kabellos ins Internet, DAS war so hip, dass es keiner verstand. Und unterwegs kam ich auch überall ins Netz, denn das Gericom liess sich an jeden Telefonanschluss anstöpseln. Tatsächlich war es mit knapp 5 Kilo so leicht, dass ich es überall mit hinnehmen konnte. Per Infrarot liess sich sogar ein Mobiltelefon andocken und als Modem nutzen, aber aufgrund der horrenden Verbindungskosten habe ich das nie wirklich genutzt.

Bis 2006 nutzte ich das Gericom, dann wurde es von dienstlichen MacBook Pro abgelöst. Ab da wurde es nur noch von der Freundin zum schauen von DVDs geguckt, und das tat funktionierte zuverlässig bis 2008. Dann verschwand das Gericom erst im Schrank, dann aus der Wohnung, dann aus dem Sinn.

Heute nun habe ich das Webboy im Keller wiedergefunden. Der Akku wurde schon vor langer Zeit entsorgt, das Gerät selbst lagerte aber noch in einer Notebooktasche. Eingestöpselt, angeschaltet, und schon ertönte das mahlende Geräusch der Lüfter.

Nach dem Einstellen der BIOS-Uhr startete erst ein Bootloader mit der Auswahl zwischen Windows me und XP. Letzteres meldet prompt, nach 11 Jahren inaktivität: “Es befinden sich Datein auf dem Desktop, die sie lange nicht mehr verwendet haben”. Ja, wohl wahr.

Anscheinend habe ich zuletzt Grim Fandango auf dem Gerät gespielt.

Hatte ich ebenso vergessen wie die Tatsache, dass das Webboy mit seinem einen, kaputten USB-Port nahezu jeden Datenräger beim zweiten Kopiervorgang zerstört…

…und dann abstürzt.

Schade. Da ist noch meine erste, selbstgeschriebene HTML-Seite drauf. Mit möglichst vielen animierten GIFs und grünem Text auf schwarzem Grund, wie man das damals so machte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der erste Weltkrieg

Der erste Weltkrieg

Soldaten in den Dolomiten, ca. 1917.

Es ist schon merkwürdig. In meiner gesamten Schulzeit habe ich nicht ein Mal was über den ersten Weltkrieg gelernt, außer, das es ihn gab und irgendwas mit einem Kronprinz in Sarajevo. Das Steckenpferd des Geschichtslehrers war die französische Revolution, weswegen die gleich zwei Jahre am Stück durchgenommen wurde. Damit dauerte der Unterricht darüber länger als die Revolution selbst.
Dabei wäre das Thema in der Schule so wichtig gewesen, denn Ereignisse, die nicht mehr aufgrund persönlicher Erlebnisse in den Familien weitererzählt werden, verschwinden aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschen. Was schlimm ist, denn es ist so wichtig aus den Ereignissen der Vergangenheit zu lernen. Gerade jetzt.

Denn es war der erste Weltkrieg, der auch der große Krieg genannt wird, der unsere Welt bis heute prägt hat wie kaum ein anderes Ereignis der jüngeren Zeit. Zu seinem Ausbruch haben viele Faktoren geführt, die wichtigsten waren aber sicherlich Protektionismus und Nationalismus in Tateinheit mit massiver Fehleinschätzung der Lage und einer fürchterlichen Naivität und Glauben an die eigene Überlegenheit der Machthaber.

Das sind genau die Faktoren, die uns aktuell wieder überall begegnen – in den Trump-USA sogar in Personen, die sich ausdrücklich Belehrungen aus Geschichtsbüchern verbitten. Dabei kann man gerade aus der Entstehung des ersten Weltkriegs bittere Lehren ziehen. Und das ist auch passiert, nur geraten die in Vergessenheit. Heute scheren wieder Länder aus Staatenbünden aus und suchen bilaterale Abkommen, Protektionismus wird hochgehalten und auf andere Staaten verächtlich herabgesehen. Genau wie vor 100 Jahren.

Es war die Zeit der Belle Epoque. Frieden und relativer Wohlstand herrschten in Kerneuropa. Städte wie Paris, London und Berlin waren vibrierende Zentren des Lebens. Der technische Fortschritt und die gute Wirtschaftslage sorgten für Euphorie bei den Menschen. Jahr für Jahr brachte die Technologie neue Wunder hervor: Schnellzüge! Autos! Telefone! Elektrisches Licht! Kriege betrachtete man in solch optimistischen und zivilisierten Zeiten als Relikt der Vergangenheit.

Es gab aber Menschen, die dieser Vergangenheit anhingen. Die ihre eigenen Länder wieder groß machen wollten, und die in den Friedensjahren eine zunehmend krawallige Rhetorik an den Tag legten, um protektionistische Ideen in die Welt zu bringen: Die Militärs, insbesondere die aus den Reihen der Monarchien.

Deutschland liebäugelte mit der Übernahme des französischen Elsass-Lothringens. Österreichs Monarchie brauchte mal wieder einen neuen Krieg, um demokratische Bemühungen einzugrenzen. Selbst die Türkei, die als “kranker Mann am Bosporus” galt, weil sie in einen failed State schlitterte, wollte Stärke durch militärische Präsenz zeigen. Während die Bevölkerung also in Frieden und Zukunftsgläubigkeit lebten, warteten die Generalstäbe auf eine Gelegenheit zum Krieg.

Die bot sich, als ein Attentat auf den österreichischen Kronprinzen verübt wurde. Das Attentat wurde quasi als Terrorakt angesehen, als Angriff auf Österreich, und dessen Bündnispartner – allen voran Deutschland – standen Gewehr bei Fuß um sich gegen Agressionen aller Art zu wehren und Rache zu üben.

Deutschland übte die Vorwärtsverteidigung und griff Frankreich an. Ein Spaziergang, so dachte man. Die feigen Franzosen würden beim Anblick der Deutschen quasi vor Angst fliehen, und man würde nach Paris einfach durchmarschieren. Das erzählten sich die Soldaten, die sich mit einem Lachen verabschiedeten und mit einer Blume im Gewehrlauf in den Krieg zogen, um es dem Franzmann mal richtig zu zeigen. Danach sollte es nach Osten gehen, der Russe wollte es ja schließlich auch besorgt bekommen. Vielleicht kein Spaß, aber eine notwendige Unannehmlichkeit, würde sicher nicht lange dauern.

Oh, wie sie sich irrten. Die Franzosen leisteten nicht nur heftigen Widerstand, sondern nun aktivierten sich überall bi- oder trilaterale Bündnisse, was zu Mehrfrontenkriegen führte. Auch die Kolonien der Bündnispartner wurden überall auf der Welt in den Krieg verwickelt. Innerhalb eines Jahres brannte der Globus, in nahezu jedem Land der Erde wurde gekämpft.

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Die Barbari-Karte

Die Barbari-Karte

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Von manchen Personen findet man immer wieder Spuren in der Geschichte, auch wenn sie selbst gar nicht berühmt sind. Die Namen werden kurz erwähnt, verschwinden, tauchen an anderer Stelle wieder auf. Solche Personen scheinen keine bedeutende Rolle zu spielen, aber sie sind bei bedeutenden Anlässen zugegen oder lösen sie sogar erst aus. Diese Personen stehen nicht im Rampenlicht der Bühne der Geschichte, sondern etwas versteckt in den Kulissen. Sie sind Mentoren oder Schüler oder Kollegen, die tragende Nebenrollen spielen und Katalysatoren sein können.

Eine dieser Figuren ist Jacopo de´ Barbari. Er wurde in den 1460er Jahren in Venedig geboren und war Kupferstecher. So weit, so egal, auch zu seiner Zeit.

Interessant ist aber sein Arbeitsleben. Im Jahr 1500 reiste Barbari nach Norden und arbeitete in Deutschland als Hofmaler. Die Renaissance war in vollem Gang, und er wurde bekannt mit perspektivisch korrekten und fast fotorealistischen Bildern. Seine Arbeit hinterliess Spuren, und er prägte Menschen.

Am königlichen Hof zu Nürnberg traf Barbari auf einen jungen Mann, der ihn sofort sehr bewunderte und versuchte ihm nachzueifern. Der Name des jungen Mannes war Albrecht Dürer, aus ihm wurde später der bekannteste deutsche Maler der Renaissance. Ein anderer Fan Barbaris war Hans von Kulmbach, der ebenfalls später ein bedeutender Grafiker wurde.

Später war Jacopo de Barbari Hofmaler in Sachsen. Sein Nachfolger in dem Job wurde ein gewisser Lucas Cranach der Ältere.

Das bekannteste Werk Barbaris ist aber kein Gemälde, sondern eine Karte. Im Jahr 1498 setzte er sich hin und gravierte einen dreidimensionalen Stadtplan von Venedig. Diese Karte ist ein Meisterwerk. Sie ist perspektivisch korrekt und unfassbar detailliert – jedes einzelne Haus der Stadt ist auf dem Plan maßstabsgetreu wiedergegeben. Da sich in Venedig selten etwas ändert, ist der Plan auch heute noch in weiten Teilen korrekt.

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Der Markusplatz mit dem Dogenpalast und der Kirche.
Der Markusplatz mit dem Dogenpalast und der Kirche.
Wahnsinn: Auf der Barbari-Karte ist das Gebäude eingezeichnet, in dem ich 512 Jahre später übernachtet habe. Ok, vielleicht ist es nicht das selbe Haus, aber zumindest steht es am gleichen Fleck.
Wahnsinn: Auf der Barbari-Karte ist das Gebäude eingezeichnet, in dem ich 512 Jahre später übernachtet habe. Ok, vielleicht ist es nicht das selbe Haus, aber zumindest steht es am gleichen Fleck.
Die Karte selbst ist riesig: 140 mal 280 Zentimeter, zusammengesetzt aus sechs hölzernen Druckplatten. Die wurden 300 Jahre lang verwendet, heute sind sie im Museo Correr am Markusplatz in Venedig ausgestellt.

Ich finde die Barbari-Karte fasziniered. Irgendwann hatte ich die in einem Buchgesehen und mich voll in sie reinverliebt. Bei meinem ersten Besuch in Venedig hatte ich das Glück eine Reproduktion in einem Geschäft für Künstlerbedarf ergattern zu können. Nicht in Originalgröße, aber immerhin fast einen Meter breit und einen halben Meter hoch. Schon deshalb war es schwierig, die Karte unverknickt im Rucksack über die Alpen zu bringen. Seitdem verreise ich nur noch mit einer Dokumentenrolle im Gepäck.

Gibt es heute noch im gleichen Geschäft zu kaufen: Künstlerladen neben dem Hard Rock Café.
Gibt es heute noch im gleichen Geschäft zu kaufen: Künstlerladen neben dem Hard Rock Café.
Wieder zu Hause nahm ich mir vor, das schöne Stück zu Rahmen und an die Wand zu hängen. Leider kam dann schnell die Ernüchterung: Rahmen in der Größe sind Maßanfertigungen, und ein Geschäft hier vor Ort schrieb was von 200 bis 300 Euro in den Kostenvoranschlag. Irgendwann, sagte ich mir, wenn ich mal zu viel Geld hätte, würde ich einen Rahmen für die schöne Karte machen lassen.

Leider kam der Tag nie. Seit 2012 lag die Barbari-Karte im Regal. Fünf Jahre lang fiel regelmäßig mein sehnsüchtiger Blick darauf. Wie gerne hätte ich die an der Wand gehabt!

Dann stolperte ich dieser Tage über ein glattgestreamtes Hipster-StartUp-Onlinedings mit dem komischen Namen www.perfekte-bilderrahmen.de

Auf der schicken Website kann man sich einfach einen Wunschrahmen zusammenklicken, eine Schreinerei in Merseburg stellt den dann her und versendet ihn, das ganze für überaus kleines Geld. Der Trick, um die Kosten gering zu halten: Statt echtem Glas verwenden die dicke Acrylfolie. Das ist mir sehr recht, denn dadurch ist der Rahmen federleicht und hält sogar an meinen maroden Rigips-Wänden.

Nun hat sie endlich einen Platz an der Wand, die Barbari-Karte, und Jacopo de´ Barbari hat eine weitere Spur in der Geschichte hinterlassen – meiner Geschichte.

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Ghostbusters 3 kostenlos ansehen

Ghostbusters 3 kostenlos ansehen

(Ja, sorry für die SEO-Überschrift.)

In Kürze kommt “Ghostbusters – Answer the Call” in die Kinos. Ein Reboot des ersten Films, der mit leichten Variationen einfach neu verfilmt wurde. Eine der Variationen ist, das nun alle Ghostbusters weiblich sind. Das Gejaule der Fanboys über diese Entscheidung war so laut, dass es bei der Bekanntgabe eine Erschütterung in der Macht auslöste. Ich finde es cool. Ich sehe generell lieber Frauen als Männer an, deshalb kommt mir das entgegen.

Der Zeitpunkt kurz vor dem Kinostart ist günstig um mal darauf hinzuweisen, dass es einen “echten” Ghostbusters III gibt. Keinen Reboot, sondern die Fortsetzung von Ghostbusters II von 1989. Der der Original Cast spielt mit (inkl. Bill Murray! Und Harold Ramis!) und das Drehbuch stammt von den Originalautoren.

Die Geschichte spielt 1991, zwei Jahre nach Ghostbusters II, und greift die Ereignisse der ersten beiden Filme auf. Die Geisterjäger sind nun offiziell von der Stadt New York bestellt und kümmern sich – in Zusammenarbeit mit Walter Peck, dem Ex-Umweltinspektor – um rauhbatzige Geister in der Stadt.

Merkwürdige Ereignisse in einem Museum und ein Hinweis von Alyssa Milano bringen die Geisterjäger darauf, dass Ivan Shandor (der Architekt des Gozer-Gebäzudes aus Teil 1) auch ein Netz von Tunneln unter der Stadt gebaut hat, das ectoplasmischen Schleim und seine Wirkung kanalisiert. Die Ghostbusters legen das Netzwerk lahm, ziehen damit allerdings den Zorn von Shandors Geist auf sich, der daraufhin ein riesiges Mausoleum im Central Park erscheinen lässt, die Toten erweckt, die Geisterlagereinheit sprengt und die Stadt ins Chaos stürzt.

Tatsächlich ist die Geschichte spannend erzählt, verbindet die Ereignisse aus den ersten beiden Kinofilmen und bringt alles zu einem sinnvollen Ende.

Warum die Story niemand kennt? Weil sie 2009 nicht ins Kino kam, sondern als Videospiel erschien.

In dem begleitet der Spieler als neuer Mitarbeiter die Geistertruppe und erlebt so die Geschichte mittendrin. Das klappt erstaunlich gut, das Geisterjagen mit zwirbelnden Protonenstrahlen ist spaßig, und es ist cool, Orte aus den Filmen zu besuchen. Außerdem strotzt das spielt vor liebevollen Details und schönen Gags. So erfährt man u.a. auch, dass es den Ghostbusters nie gelang, den allerersten Geist, den aus der Bibliothek, selbst zu fangen. Das erledigt man dann mal als Spieler.

Die gute Nachricht ist nun: Jemand hat das Vidospiel zu einem Film zusammengschnitten. Jetzt kann man sich also ganz entspannt zurücklehnen und Ghostbusters III gucken. Ohne den Adrenalinrausch, den man beim Spielen erlebt, verliert das Ganze zwar etwas, aber die Story kann man so auch genießen.
Ist eine nette Überbrückung bis die Geisterjägerinnen ins Kino kommen.

Hier ist der Film:

Abgrundbeleuchtung (3): Schuhe kaufen II

Abgrundbeleuchtung (3): Schuhe kaufen II

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“Lieblingsschuhe sind so eine Sache, auch bei Männern, sie werden gepflegt und wenn die ersten Alterserscheinungen auftreten, schaut man wohlwollend darüber hinweg. Dann kommt irgendwann der Punkt, wo sie keinen näheren Blick mehr standhalten, aber mann ist noch nicht soweit. Und dann wird es nur noch peinlich.”

Rüdiger, Thatblog.de

Oh, Rüdiger hat ja so recht. Meine Lieblingsschuhe sind die auf dem Bild oben. Trekkinghalbschuhe von Bama, waren vor drei Jahren ein gigantischer Glücksgriff (sieht man davon ab, dass ich sie zuerst in der verkehrten Größe gekauft habe und damit doppelt bezahlt habe). Leder,leicht, bequem, stabil und mit funktionierender Klimamembran, was bei Bama nicht selbstverständlich ist. Die graue, mit braun abgesetzte Farbe ist nicht der Brüller, aber immerhin sind sie dezent und nicht bunt. Schuhe für jedes Wetter, jede Jahreszeit und jede Gelegenheit. Egal ob Städtetour, Motorradfahrt oder Bergwanderung: Die Bamas haben es weggesteckt. Tausende von Kilometern bin ich darin gelaufem. Dabei sahen sie so dezent aus, dass ich sie auch im Alltag ständig trug.

Als die ersten Auflösungserscheinungen auftraten, passierte das in Form aufgeribbelter Nähte. Nichts, was mein persönlicher Q und Ausrüstungshersteller nicht wieder hinbekommen hätte. Insgesamt waren sie bestimmt 4 oder 5 Mal bei Meister Neda, der hochkonzentriert und mit der Zunge in den Mundwinkeln Reparaturen vornahm.

Vor zwei Wochen begannen der linke Schuh plötzlich zu zischen, und meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Die Sohle, deren Profil u.a. in den Straßen von Florenz, Rom, Barcelona und London abgelaufen wurde, hat einen Riss. Das ist definitiv irreparabel.

Also hieß es: Neue Schuhe kaufen. Vorzugsweise wieder ein fester Halbschuh, mit Membran, in Größe 41. Und weil ich immer nur ein paar Schuhe mit auf Reisen nehme, bitte wieder möglichst Dezent. Ich mag es, wenn die Schuhe zwar funktional sind, dabei aber so unauffällig, dass ich damit Notfall auch in die Oper käme.

Nun gab es zwei Probleme: 1. Ich mag es nicht, Schuhe zu kaufen. 2. Der deutsche Einzelhandel, wieder mal

Es stellte sich nämlich als schlicht unmöglich heraus, in Götham Trekking- oder Hikinghalbschuhe mit Membran und in gedeckter Farbe zum Preis von um die 100 Euro in Größe 41 zu kaufen. In zwei Wochen der Suche führte mich meine Odysee…

  • …in den Trekkingladen, der NUR Schuhe in den Größen 37/38 und 45-56 verkaufte. Quasi Rudis Resterampe.
  • …in einem Sport- und Bergwanderladen, der was leidlich ansprechendes rumstehen hatte, in dem das Personal aber lieber Stundenlang quatschend in der Ecke stand und auch auf Anfrage nicht behilflich sein wollte. Sowas toleriere ich nicht mehr, da gehe ich einfach.
  • …in einem Karstadt-Instore, dessen Aushilfsverkäuferin sich meine Anforderungen genau anhörte, um sie dann zu ignorieren und Glattlederhalbschuhe mit glatter Ledersohle zu empfehlen. Ich suche zivilisierte Wanderschuhe, sie empfiehlt Tanzschuhe.
  • …vor einer Reno-Filiale (die Bama verkaufen). Reingehen konnte ich leider nicht, wegen Umbau sind die frür vier Wochen geschlossen. Die Reno-Website wiederum ist so kaputt, dass ich nichtmal sehen kann, ob die gerade was ansprechendes im Programm haben.
  • …in einem Nobelschuhgeschäft, dass mir allen Ernstes und trotz vorher geäußerter Preisvorstellung Schuhe aus Yakleder für 260,- Euro verkaufen wollte. Immerhin: Die passten super.
  • …in einem Schuhgeschäft, in dem die Verkäuferin fragte, was eine Membran sein und was ich damit wolle. Sie hätte keine Schuhe damit, aber sie könnte mal gucken, ob man die als Zubehör extra bestellen könnte.
  • …in dem Schuhgeschäft mit dem Nummerngirl, das bei Zalando bestellt.
  • …in vielen, vielen Schuhgeschäften in denen es nur quietschbunten Scheiß gab. Vermutlich wollen Schuhdesigner ausprobieren, mit welchen Hässlichkeiten Menschen wohl noch rumzulaufen bereit sind.
  • Während dieser kleinen Odysee habe ich ernsthaft das Gefühl, dass in Schuh- und Klamottenläden mehrheitlich nummernhörige Kundenvergrämerinnen arbeiten.

    Am Ende hatte ich dank Internet meine Suche auf zwei Modelle des Herstellers Ecco eingegrenzt. Die konnte ich sogar in einem Eccoladen vor Ort anprobieren, vor den Augen einer Verkäuferin, die die meiste Zeit glotzend in der Gegend stand und sich im “Verkaufsgespräch” sichtlich keine Mühe gab. “Nä, wenn die jetzt nicht passen wird das auch nix mehr, die weiten sich nicht”, oder “Nä, in Schwarz und Größe 7 kann ich die nicht bestellen”. Trotzdem habe ich dort ein Paar “Xpedition II” gekauft. Für 13 Euro mehr als im Internet, DENN ICH WILL JA DEN LOKALEN EINZELHANDEL UNTERSTÜTZEN. Wollen mal hoffen, dass sich die Eccos noch ein wenig einlaufen und das Zwicken an der Ferse und der Druck auf dem Spann im Laufe der Zeit nachlässt. Ach, ich werde nie mehr solche Schuhe finden wie meine Bamas. Ich weiß es.

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    Obwohl. Ich glaube, die Bamas haben anfangs auch gedrückt. Von daher könnte das Nicht-Passen das Zeichen für den Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Oder dafür, dass ich aus schlichtem Unwillen, noch länger nach Schuhen zu suchen, gerade 125 Euro zum Fenster rausgeworfen habe.

    Abgrundbeleuchtung (1): Mauve
    Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe Kaufen I
    Abgrundbeleuchtung (3): Schuhe kaufen II

    Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe kaufen

    Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe kaufen

    Nicht viel besser als bei der Mauveerkundung läuft es beim Kauf von Schuhen.

    Ich will einfach nur robuste Halbschuhe, vorzugsweise mit Klimamembran, in gedeckter Farbe, Größe 41. Kein quietschbunter Bergsteigermist, sondern Schuhe, die für Städtetouren tauglich sind und mit denen ich auch ins Theater gehen kann, die aber auch mal eine Wanderung im Gelände aushalten. Je nach Hersteller sind das dann bessere Sneaker oder was aus dem Hiking- oder Trekkingsegment.

    Nachdem ich ein Dutzend Geschäfte in drei Orten abgeklappert hatte, kenne ich das Angebot auf dem Markt besser als die meisten Verkäufer/-innen. Zusammen mit ein wenig Internetrecherche weiß ich bereits, dass für mich nur eines von zwei Modellen eines bestimmten Herstellerin Frage kommen – so schlecht ist die Auswahl gerade. Im Internet bestellen wäre schell und einfach, aber nun, lokale Wirtschaft unterstützen und so, wissen schon. Und Zalando darf man nun schon mal gar nicht unterstützen, großer Konzern, Samwer-Brüder, usw.

    Also ab in den größten Schuhladen von Götham City, der laut Website zumindest den Hersteller der Schuhe von Interesse führt.”Guten Tag, ich hätte gerne Mal die Modelle “Xpedtion II” und “Light III” von Ecco gesehen”, spreche ich eine eine lächelnde, mittelalte Dame in mauvefarbenem Kleid* an.

    Sie starrt mich groß an, mit eingefrorenem Lächeln. Gut, damit habe ich gerechnet, man kann nicht voraussetzen, dass das Personal alle Modellnamen im Kopf hat.

    “Das sind so Trekkinghalbschuhe, von Ecco”, versuchte ich zu erklären.
    Jetzt kommt wieder Bewegung in die Mimik der Verkäuferin. Die Mundwinkel sacken gen Fußboden, wodurch sie ein wenig wie ein Merkel aussieht.

    “Mit diesen Fantasienamen der Hersteller können wir hier nichts anfangen”, sagt sie spitz, “Für uns sind Schuhe nur unter der Nummer des Systems bekannt”. Sie spricht das System fast ehrfürchtig aus.
    “Ja, OK”, sage ich, “Die Nummer in Ihrer Warenwirtschaft kenne ich jetzt nicht, wenn Sie mir einfach zeigen wie die Eccos stehen, ich erkenne die Modelle dann schon”.

    “Wenn sie die Nummer kennen würden, würde ihnen das auch nichts nützen. Das ist ja eine andere Nummer als die vom Hersteller”, sagt die Verkäuferin und sieht mich schräg an, “Oder von Karstadt. Es kommen ja oft Leute, die wollen die Nummer von einem Schuh wissen und den dann bei Karstadt kaufen. Dabei hat Karstadt ja ganz andere Nummern.”
    “Äh, die Nummer ist mir eigentlich egal, ich will doch nur….”, entgegnete ich ein wenig hilflos, in vollem Gewahr, das unter der explodierten Dauerwelle wohl gerade etwas ausgehakt. Ich blicke mich im Laden um und gehe ein paar Schritte auf eine Präsentationsfläche zu. Die Verkäuferin trippelt mir hinterher.

    “Unsere Nummern sind auch anders als die vom Internet, Wenn sie die bei Google eingeben, kommt da nichts”, sagt die Verkäuferin, und fast schwingt sowas wie Stolz in ihrer Stimme mit. “Und unsere Nummern sind anders als von anderen Schuhgeschäften.”
    “Ja….” “
    Nur innerhalb UNSERES Unternehmens und des Systems sind die Nummern die selben.”
    “Aha.”
    “Wissen Sie, hier habe ich im System für einen Schuh die gleiche Nummer wie unsere Filiale am Kornmarkt”
    “Aha”
    Sie legt den Kopf schief und scheit zu überlegen. “Und wie in der Filiale in Hannover. Wo immer sie hingehen in unsere Filialen, immer die gleichen Nummern.”
    “Aha”
    “Und wie…”
    “Ich bin mir sicher das SIE die schönstem Nummern haben”, unterbreche ich diese Monty Pythoneske Vorstellung der Dauerwelle, “Wo sind denn jetzt Herrenschuhe in 41?”.
    “Wenn Sie die Nummer haben wollten, kann ich ihnen die geben, aber die wird ihnen halt nichts nützen!”, sagt die Verkäuferin, jetzt leicht wütend wegen meines offensichtlichen Nummernfetischismus, den sie so gar nicht versteht.

    Mir reicht es jetzt. Ich drehe den Spieß um und spiele auch ein Zahlenspiel.
    “Außer in der Filiale am Kornmarkt”
    “Was?”
    “Sie sagten, die Nummer nütze mir nichts. Aber in der Filiale am Kornmarkt, da gilt die Nummer auch, weil die auch DAS SYSTEM haben”.
    “Ja.”
    “Und in der Filiale in Hannover gilt die doch auch?”
    “Ja,aber…”
    “Ach wissen sie”, sage ich, “Ich habe es mir überlegt. Extra nach Hannover fahren ist mir jetzt zu anstrengend. Schönen Tag noch.”

    Wir schütteln beide den Kopf und gehen in unterschiedliche Richtungen davon. Im Rausgehen sehe ich, wie Ware geliefert wird. Darunter mehrere große Kartons von…. ZALANDO!
    Oh. Mein. Gott.

    Der deutsche Einzelhandel. Steigert jetzt sogar den Umsatz der erklärten Konkurrenz, gegen die sie sich eigentlich durch Service, Fachberatung und Präsenz zur Wehr setzen müssten.

    Abgrundbeleuchtung (1): Mauve
    Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe Kaufen I
    Abgrundbeleuchtung (3): Schuhe kaufen II

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    * Zumindest war es wage Violett. Mit einem Schuß Curry abgesetzt. Hey, wenn man Fremdworte schon kennt, muss man se auch benutzen.

    Abgrundbeleuchtung (1): Mauve

    Abgrundbeleuchtung (1): Mauve

    Zwei Herzen schlagen, ach, in meiner Brust. Das eine kann Kleidung und Schuhe kaufen nicht leiden und versucht diesen Vorgang auf ein Minimum zu reduzieren , deshalb juckt der Klickfinger stets in Richtung Internetbestellung. Das andere Herz möchte gerne den lokalen Einzelhandel unterstützen, weil hey, das hier ist meine Stadt und unsere Arbeitsplätze und es ist nicht gut, wenn man die kleinen Geschäfte aktiv kaputt macht, indem man alles nur noch über Internet macht.

    In Götham City gibt es 8.342 Schuhläden. Da mich Schuhe nicht interessieren, überblendet mein Hirn die Info “Hier ist ein Schuhladen” mit einem grauen Rauschen. Ich nehme die gar nicht war. Es ist, als hätte ich einen zuschaltbaren blinden Fleck, der Schuhläden einfach aus meinem Sichtfeld entfernt. Das gleiche passiert mit Modeläden, Drogerien und Kaffeeshops, weswegen die meisten Innenstädte durch meine Augen gähnend leer sind. Wenn ich dann den blinden Fleck ausschalte, weil ich halt Schuhe oder was anderes brauche, dann bin ich immer wieder überrascht, was es nicht alles für Geschäfte gibt. Noch überraschter bin ich aber davon, was in diesen Geschäften für Leuten arbeiten.

    Ich brauchte nicht nur Schuhe, sondern auch ein neues Hemd. Als ungern-Kleidungskaufer kenne ich meine Größen ganz exakt, immerhin will ich schnell wieder aus dem Geschäft raus. Was ich nicht kannte war der Farbton “Mauve” meines bevorzugten Hemdenherstellers, und den wollte ich mir im Einzelhandel mal angucken. So nahm das Drama seinen Lauf.

    “Guten Tag, ich würde in der Herbstkollektion der Luxor-Hemden gerne mal den Farbton Mauve sehen”, spreche ich die Verkäuferin an, eine Frau in den Vierzigern, im schwarzen Kostüm und glatten, zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren.
    “Die Luxor gibt es nur in Modern Fit oder Comfort”, flötet Sie zurück.
    “Genau. Hätte ich gerne Mal in Mauve gesehen”, antworte ich, etwas lauter, in der Annahme, dass sie mich vorher nicht richtig verstanden hat. In Ihrem Blick liegt plötzlich Unsicherheit.
    “Wir, äh, gehen da nur nach Produktnummern und von den Herstellern bekommen wir nur Codes, so Zahlen halt.”
    Ich gucke sie verständnislos an. Sagt die Frau mir gerade, dass sie nicht weiß, was Mauve ist? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es auch nicht, deshalb bin ich ja hier, im Fachgeschäft. Nunja, zumindest in der Herrenabteilung von Karstadt. Ich habe eine diffuse Vorstellung eines Violetttons im Hinterkopf, aber vielleicht ist das nur wegen der lautmalerischen Nähe von Mauve zu Malve. Aber hey, MEIN Job ist es ja auch nicht, jeden Tag Kleidung in tollen Farben zu verkaufen. Wenn er es aber wäre, dann wüsste ich schon was ein Mauve ist.

    “Ah, hier, das hier könnte Mauve sein”, sagt die Verkäuferin und zieht ein x-beliebiges Hemd aus einem Fach, das gerade in Reichweite ist.
    “Nein”, sage ich, “ich weiß zwar nicht wie Mauve aussieht, aber DAS ist Limette”. “Ja. Oder Curry”, kichert die Blonde, guckt sich dann suchend um und verschwindet, als sie nichts anderes Mauve-Verdächtiges entdecken kann, mit den Worten “Ich frage aber mal die Kollegin, Momentchen” in der Auslage.

    Als sie nach drei Minuten wiederkommt, habe ich schon was gefunden, was Mauve sein könnte. Ein Violett, halt.
    Die Blonde sagt nun sehr ernst: “Die Kollegin guckt jetzt mal. Mauve ist ja… so ein Grauton. Davon gibt´s ja mehrere.”
    “Mauve ist mit Sicherheit KEIN Grauton”, sage ich. Langsam finde ich das hier nicht mehr witzig. Soll sie halt sagen, wenn sie nicht weiß was das ist, aber mich nicht verarschen.
    “Ham wa nicht”, schrillt es plötzlich durch die Abteilung. Die Kollegin oder Vorgesetzte der Blonden kommt auf uns zugesteuert.
    “Wir ham keine Namen für die Farbtöne. Bei uns geht das nur nach Nummern. Kennense die Nummer von dem Farbton?”, fragt die Schrille. “Was?!”, entfährt es mir, “Ich will doch nur wissen wie der Farbton Mauve aussieht – ob das jetzt ein Gelb oder ein Violett oder sonstwas ist!”. “Nein”, sagt die Schrille, “Ohne Nummer können wir Ihnen nicht helfen.”

    Im Weggehen ruft mir die Blonde mit einem vorwurfsvollen Unterton hinterher: “Sagen sie mal… haben Sie kein Internet, dass sie Mauve mal googeln können?”

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Mauve
    http://de.wikipedia.org/wiki/Mauve

    Abgrundbeleuchtung (1): Mauve
    Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe Kaufen I
    Abgrundbeleuchtung (3): Schuhe kaufen II