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Kategorie: Impressionen

Impressionen eines Wochenendes (36): The Mystery of Banksy

Impressionen eines Wochenendes (36): The Mystery of Banksy

“Ich empfehle Dir die Banksy-Ausstellung in Hannover. Läuft aber nur noch bis… Sonntag” hatte John gesagt. Das war vor drei Tagen. John ist Vietnamkriegsveteran und vielseitig interessiert, nur sein Timing ist häufig schlecht. Tatsächlich waren aber noch ein paar Karten zu bekommen, aber nur für Samstag Abend. Banksy mag jeder.

Also in die Bahn gesprungen, nach Hannover geeiert und dort das Gebäude von Kaufhof aufgesucht. Da ist heute kein Kaufhof mehr drin, die weitläufigen Etagen sind jetzt unter dem Namen “AufHof” ein Raum für Begegnungen, zur Präsentation von ehrenamtlichen Organisationen und Ausstellungsfläche. Eine gute Idee, das Benko-Signa-Gebäude mitten in der Innenstadt vom Spekulationsobjekt zum Ort der Kunst zu machen.

Eine der Etagen wird gerade für die Ausstellung “The Mystery of Banksy – A Genius Mind” genutzt.

Schon der Fahrstuhl zur Ausstellungsetage ist geschmückt mit Banksy-Motiven:

Bilder des Streetart-Künstlers hängen in Rahmen an Wänden, gegenständliche Werke wie Skulpturen oder Installationen wie das “Walled off Hotel” oder “The Elephant in the Room” sind detailgetreu nachgebaut. Das funktioniert hervorragend – auch in Replikas und dieser Umgebung sind die Werke des Bristolers verstörend, weil sie immer wieder bekannte Motive in den Kontext von Kapitalismus- und Kriegskritik setzen.

Die Ausstellung ist übrigens nicht von Banksy. Getreu dem Banksy-Motto “Copyright is for Losers” machen hier andere mit seinen Werken Kasse. Das hinterlässt einen schalen Nachgeschmack, denn Banksys Arbeit ist durchgehend Kapitalismuskritisch. Das ausgerechnet seine Werke Spekulationsobjekte sind und mit ihnen der große Reibach gemacht wird, ist bitter.

Der Künstler muss es mittlerweile gewohnt sein – wo immer ein neuer Banksy auftaucht, dauert es manchmal nur Minuten, bis LKW vorfahren und ganz Hauswände gestohlen werden.

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Impressionen eines Wochenendes (35): Erlebnis Zoo Hannover

Impressionen eines Wochenendes (35): Erlebnis Zoo Hannover

Am Samstag um kurz nach acht mit dem Zug nach Hannover gefahren und dort zum Zoo marschiert. Das ist der modernste, den ich kenne – hier gibt es keine Käfige mehr, die Tiere sind in großen Arealen untergebracht, die ihren natürlichen Lebensräumen nachempfunden sind.

Die afrikanischen Tiere haben sich zum Großteil in ihre warmen Rückzugshäuser verkrümelt, aber den Nashörnern und den Löwen gefiel die frische Morgenluft.


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Impressionen eines Wochenendes (34): Die verrückte Kirche

Impressionen eines Wochenendes (34): Die verrückte Kirche

Wenn man zum Sonnenaufgang um 05:00 Uhr aufsteht und gleich losfährt, dann kann man eine ausgedehnte Motorradtour machen und bereits wieder zu Hause sein, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer erst so langsam mit Frühstücken fertig sind.

So früh am Morgen sind die Straßen noch leer. In der Nacht hat es ein wenig geregnet, und wo die Sonne hinscheint, beginnen Wiesen und Asphalt zu dampfen. Gegen die Sonne zu fahren macht keinen Spaß, manchmal gleicht es einem Blindflug. Aber ich kann ja so langsam fahren wie ich möchte, ich bin ja allein unterwegs.

Im Harz bietet sich immer noch das Bild der vergangenen Jahre. Ganze Täler voller toter Bäume, Ergebnis von Klimawandel und Borkenkäfer.

Das tote Holz bleibt auch so liegen, das ist das Konzept des Naturparks. Bislang zumindest, denn die Tourismusbranche protestiert heftig und möchte die toten Wälder am Liebsten vor den Besuchern verstecken.

Auch die Besitzer von Wäldern am Rande des Naturparks maulen. Argument ist hier immer: Das Totholz ist das Las Vegas für Borkenkäfer, und von dort aus fressen sie sich durchs Umland.

Die Naturparkleitung lässt sich davon bislang nicht unter Druck setzen und experimentiert sehr gelassen mit südeuropäischen Laubbäumen. Den Fehler, nochmal das ganze Mittelgebirge mit Fichten vollzustellen, den will man nicht nochmal begehen.

Es ist recht klar zu erkennen, woher die Namen der Orte im Harz kommen. Sorge. Elend. Tanne.
Mein Weg führt nach Stiege. Hier steht seit Neuestem eine Stabkirche am Ortsrand.

Hölzerne Kirchen dieser Art findet man viel in Skandinavien, und für die Region hier sind sie auch nicht außergewöhnlich. Aber diese Kirche hier ist wirklich interessant, denn auch wenn sie erst seit 4 Wochen hier steht, ist sie doch schon 115 Jahre alt.

Einige Kilometer von Stiege entfernt schlängelt sich eine Schmalspurbahn durch das Selketal.

Ich lasse die V-Strom stehen und folge einer alten Straße in den Wald hinein. Nach kurzer Zeit finden sich Zeichen, das es hier einmal Bauten gab.

Tatsächlich ist das hier das Gelände eines ehemaligen Lungensanatoriums, dem Albrechtshaus. Um das Jahr 1900 herum hatte jede gute Krankenkasse so ein Lufterholungsheim im Harz. In Wernigerode sind noch schmiedeeiserne Hallen erhalten, wo Mitglieder der AOK sich zum Atmen reinsetzten. DAs Albrechtshaus gehörte der Landesversicherungsanstalt Braunschweig, bis 1993 wurde es als Lungen- und Tuberkulose-Klinik genutzt. 2013 wurde es Opfer eines warmen Abrisses, seitdem verfällt der große Gebäudekomplex, hier das Pförtnerhaus.

Wo Gebäude verfallen gibt es Vandalismus, und der traf auch die Stabkirche, die auf dem Gelände des Sanatoriums stand. Genau hier:

Dass immer wieder die Buntglasfenster der kleinen Kirche eingeworfen und Graffiti hinterlassen wurde, missfiel den Einwohner:innen von Stiege. Gemeinsam sammelten sie für den Erhalt der Kirche, aber irgendwann wurde klar: An ihrer einsamen Position im Wald wird sich die Kirche nicht schützen lassen. Also sammelte man noch mehr Gelder, und nach 6 Jahren war es soweit: Die Kirche wurde transloziert, also an ihrer Stelle im Wald Stück für Stück abgebaut und am Rand von Stiege wieder neu errichtet.

Dort ist sie seit neuestem jeden Sonntag von 13:00 bis 16:00 Uhr für Besichtigungen geöffnet.

Dreizehn Uhr, da wird jede Straße hier im Harz von Motorengebrumm erfüllt und ich schon lange wieder zu Hause sein. Aber erst einmal genieße ich es, den Asphalt für mich allein zu haben und von den Bergen Sachsen-Anhalts über die Kornfelder Thüringens wieder zurück nach Niedersachsen zu fahren.

Tour des Tages: Rund 220 Kilometer.
Tour des Tages: Rund 220 Kilometer.

Frühere Wochenendeindrücke

Impressionen eines Wochenendes (33): Hamburg und das verfluchte Kind

Impressionen eines Wochenendes (33): Hamburg und das verfluchte Kind

“…und wenn das Ding nach Hamburg kommt, werde ich mich um Karten bemühen!” – so endete die, immer noch wahre, Rezension von “The Cursed Child” , dem offiziellen achten Teil von “Harry Potter”. Gibt es nicht als Buch oder Film, nur als Theaterstück. Ursprünglich nur in London, aber 2020 sollte es nach Hamburg kommen, und im März 2019 kaufte ich zwei der ersten Tausend Karten dafür.

Pandemiebedingt wurde der Besuch dann drei Mal verschoben, aber nun sollte es endlich soweit sein – und ich Doof suchte mir ausgerechnet das Wochenende aus, an dem Hamburg von Touristen völlig überlaufen würde, das des Hafengeburtstags.

Aber Glückes Geschick: Der fiel aus, und so konnte ich erst das Miniaturwunderland mit den neuen Abschnitten Italien, Provence und Südamerika angucken, dann die Elbphilharmoine besuchen und schließlich mit Frau Zimt fein essen gehen.

Am Samstag dann “Das verwunschene Kind”, so der deutsche Titel, angeguckt. Immer mit dabei: Mudder Silencer. Das passte, denn meine Mudder ist nicht nur cool drauf und riesiger Harry Potter-Fan, es war auch noch das Muddertagswochenende (was ich aber genauso vergessen hatte wie den Hafengeburtstag).

Das Theaterstück, was zur Hälfte Zaubershow ist, wird in zwei Sessions a drei Stunden aufgeführt. Dazwischen sind zwei Stunden Pause, und während der Sessions wird alle 90 Minuten für 20 Minuten unterbrochen.

Die Umsetzung ist super und steht der in London in nichts nach. Lediglich der quiekende Hauptdarsteller nervt etwas, und das Theater, das auf dem Gelände eines Großmarkts ist mit nichts drum rum als LKW-Parkplätzen, stinkt gegen das magische Backsteingebäude in der Shaftesbury Ave gewaltig ab. Ansonsten unbedingt empfehlenswert, auch wenn die tagesfüllende Unterhaltung schon bei den Karten mit zwei- bis dreihundert Euro zu Buche schlägt, und die Preise der Gastronomie sind eine Frechheit.

Übrigens: Im MiWuLa und in dem mit 1.500 Personen vollbesetzten Mehr!-Theater trug kaum jemand eine Maske. Meine Corona-Warn-App rappelt heute noch jeden Tag.


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Impressionen eines Wochenendes (32): Lieblos (ADAC Intensivtraining 2022)

Impressionen eines Wochenendes (32): Lieblos (ADAC Intensivtraining 2022)

“Und, wo bist Du an Ostern?” – Die Frage hörte man vor dem Wochenende ständig. Klar, Corona ist per Dekret beendet, warum soll man Ostern zu Hause hocken? Folgerichtig fröhnte man auf bundesdeutschen Autobahnen der beliebten Tradition des Osterstaus. Ich setzte eine andere Tradition fort: Den Ostersonntag im Kreis fahren und mich dabei anschreien lassen.

Wobei, ganz so schlimm war es nicht. Zwanzig Kilometer Luftlinie von Hanau entfernt liegt der Ort Gründau-Lieblos, und der sieht es so aus, wie der Name vermuten lässt. Etwas außerhalb von Lieblos ist nichts, außer einem Golfplatz und grünen Feldern, weshalb der ADAC da sein Fahrsicherheitszentrum für Hessen und Thüringen hingebaut hat.

So ungefähr alle zwei Jahre gucken ein paar Freunde und ich da mal vorbei und fahren unter den kritischen Augen eines Instruktors wechselnder Güte im Kreis und üben Extremsituationen. Wieder und wieder. Bis es einem zum Hals raushängt. Am Ende fährt man nach acht Stunden vom Platz und ist völlig erschöpft, hat aber über sich und sein Motorrad wieder ein wenig mehr gelernt und beides besser im Griff.

Dieses Mal gab es mal wieder ein Intensivtraining. Die Abstufung beim ADAC ist: Basistraining, Intensivtraining, Perfektionstraining. Das Intensivtraining hat mehr Praxisanteile und bietet mehr Gelegenheit zum Üben als die anderen, deshalb eignet sich das gut, um nach der Winterpause wieder rein zu kommen. Unter den elf Teilnehmenden waren dieses Mal zwei Frauen, an Fahrzeugen waren neben meiner Suzuki eine 650er Honda (einzige Maschine ohne ABS), eine Yamaha und eine Harley. Der komplette Rest waren BMWs, darunter 2 GS. In anderen Gruppen war es noch krasser – Deutschland, BMW-Land.

Das Training bestand aus verschiedenen Modulen:

Warmfahren durch einen Slalomparcours:

  • im Sitzen
  • im Stehen
  • je ein Bein über Sitzbank
  • dieses Mal nicht, aber sonst immer: Im Stehen beide Beine auf je einer Seite

Dann eine Lektion über langsam Fahren durch konstantes Gasgeben, dabei Fuß auf der Bremse, mit der Kupplung spielen. Dadurch stabilisiert sich die Maschine bei extrem langsamer Fahrt. Lebensretter, wenn vor einem ein Bus oder SUV durch die Serpentinen kriecht.

Mit dieser Technik dann:

  • geradeaus fahren
  • Wenden mit extrem kleinen Wendekreis
  • kleine Achten durch einen Pylonenparkour fahren

Danach: Verschiedene Kurventechniken und eine Lektion über den paradoxen Lenkimpuls, der neuerdings bzw. bei diesem Trainer “musste am Lenker schieben” heißt. Nunja.

Mit diesem neu erworbenen Wissen ging es an Ausweichübungen, zunächst ohne zu bremsen und ohne auszukuppeln.

Nächste Lektion: Blockiert ein Vorderrad bei heftigem, superkurzem Bremsen? Stellt sich raus: Ja, auch bei Maschinen mit ABS, zumindest im ersten Sekundenbruchteil. Also progressives Bremsen bis ins ABS hinein üben, bei Gefahrenbremsungen geradeaus von wechselnden Geschwindigkeiten bis auf Null. Erst nur Vorderradbremse, dann beide Bremsen, dann nur Hinterrad. Danach bremsen und ausweichen, dann Gefahrenbremsung auf nasser Fahrbahn. Zum Abschluss die Belehrung: Bremsweg aus Tempo 30 um die 5 Meter, Reaktionszeit eine Sekunde, bei Tempo 50 signifikant weiter, bei Tempo 70 bis zu 70 Metern.

Nach einer kleinen Pause ging dann die Sonne unter, und im Dunkeln wurden Schräglagen auf der Kreisbahn geübt. Anders als noch 2019 bekam ich die V-Strom dieses Mal nicht bis zum Aufsetzen runtergedrückt, was aber gut ist – damals war sie tiefergelegt, und das “Krunsch”-Geräusch beim Aufsetzen kam viel zu früh. Jetzt steht die Lady wieder auf hohen Beinen, und damit haben wir beide in Kurven mehr Freiheit.

Letzte Lektion unter einem vollen Mond:  Bremsen und ausweichen, ausweichen in Kurven, bremsen in Kurven bei Schräglage. Um 22:45 Uhr endete das Ganze mit der Ausgabe der Teilnahmebescheinigungen, die bei manchen Versicherungen eine Beitragsreduktion ermöglichen. Ich war ganz froh, als das Nachtraining endete. Meine Konzentration war am Ende, und mittlerweile war es wieder einstellig kalt geworden.

Was ich beim Training gelernt habe:

  • Ich kann mittlerweile nahezu alles, was da gefordert wird. Und ich kann es gut und aus dem Handgelenk, und das erstaunt mich ein wenig. Als ich mit dieser Art Training angefangen habe, war ich unsicher und habe viel falsch gemacht. Damit bin ich auch ganz offen umgegangen. Umso mehr freut es mich, dass mit Fleiß und Übung eine deutliche Besserung meines fahrerischen Könnens zu bemerken ist, im Alltag und auch auf dem Trainingsplatz. Deswegen wurde ich tatsächlich auch gar nicht angebrüllt. Wenn der Trainer mich wirklich mal für Feedback rangewunken hat, dann war das in mehr als der Hälfte der Fälle für – Lob! Ich war erstaunt.
  • Blickführung ist bei mir immer noch ein Thema, aber nicht mehr beim Kurvenfahren, sondern beim Bremsen. Tatsächlich habe ich die Hälfte der Zeit auf die Streckenpylone geglotzt, weil ich wissen wollte, was die V-Strom an Bremsleistung auf den Asphalt bringt. Stellt sich raus: Wenig. Ich wusste, dass die Bremsen schwammig sind, aber gerade im Vergleich zu den mitfahrenden BMWs ist die Bremsleistung der Suzuki sehr meh. Für die Straße ist sie Ok, aber für Extremsituationen… Hm.
  • Wie es GS-Fahrer schaffen zu nerven, Teil 847: Wenn der Instruktor sagt “Gibt es noch Fragen” und dann der GS-Fahrer mit 2.000 Kilometer Jahresleistung in acht verschiedenen Varianten wissen will, warum seine 1250er das geilste Motorrad auf der ganzen, weiten Welt ist und was eigentlich Leute machen, die keine haben.
  • Meine neuen Klamotten taugen für Dauerfahrten um die 10 Grad oder leicht drunter, das wird dieses Jahr noch wichtig.
  • Ich liebe meine V-Strom. Die passt wie ein Handschuh, ich habe sie absolut im Griff und kann sie souverän und sehr sicher bewegen.
Frisst 1.200er GS-en zum Frühstück: V-Strom 650.

Am Ostermontag verabschiedete ich mich noch von Ludwig Anton von Witzighausen, einem westsibirischen Laika. Diese Hunde sind mit den Huskys verwandet, aber anders als diese nicht als Lasttiere, sondern speziell auf Jagd hin gezüchtet und werden in ihrer Heimat zum Kampf gegen Bären eingesetzt. Ludwig hat die Barocca vor dem Gasthof in Mömbris bewacht und gegen Bären verteidigt.

Dann ging es über Bundesstraßen wieder nach Hause, wo die V-Strom und ich eintrafen, bevor die  Osterstaufestivitäten zum Höhepunkt aufliefen.

Zusammengefasst: Ein anstrengendes Wochenende, aber auch ein sehr schönes. Mal gucken, was sich nächstes Jahr so anbietet – vielleicht nach dem Fiasko in Hechlingen doch nochmal ein Endurotraining?

Alte Trainings, soweit das Blog und ich mich dran erinnern:
2019 Intensivtraining in Gründau (erstmals mit der V-Strom)
2016 Perfektionstraining in Gründau
2014 Intensivtraining in Gründau
2013 Endurotraining in Hechlingen
2012 Kurventraining B bei ps-motorradtraining.de
2012 ADAC Basistraining in Malsfeld
2012 Kurventraining A bei ps-motorradtraining.de
2012 Bei-jeder-Witterung-stattfindendes-ADAC-Training-das-wegen-Witterung-ausfiel

Andere Wochenendimpressionen

Impressionen eines Wochenendes (31): Dorfromantik

Impressionen eines Wochenendes (31): Dorfromantik

Das Dorf liegt in einem sanften Tal, zu einer Seite umgeben von Wald, zu der anderen von Feldern. Da wohne ich jetzt seit 10 Jahren, habe mir aber nie die Zeit genommen, mal eine Runde über die Berge direkt vor meiner Haustür zu drehen. Das ist echt eine Schande, denn die Bergseite mit dem Wald liegt 100 Meter von meinem Haus weg, die andere Seite mit den Feldern 10 Minuten zu Fuß.

Es brauchte also erst eine Pandemie, damit ich vor die Tür gehe. Das Dorf selbst ist ja ohnehin knuffig. Es besteht zum Großteil aus liebevoll gepflegten Fachwerkhäusern. Lediglich an einem Hügel am Ortsrand haben sich völlig überzogenene 80er-Jahre Villen breitgemacht, mit klotzigen Glasfronten und schrägen Dächern. Aber die prägen das Ortsbild nicht. Aktuell prägt eher kitschige Deko das Dorfbild.


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Impressionen eines Wochenendes (30): Wenn der Clown vom Hochseil fällt

Impressionen eines Wochenendes (30): Wenn der Clown vom Hochseil fällt

Sonntag/Sonne/warm.
ZZR/Eichsfeldhighway/Harz.

Kurz vor Braunlage meldet sich Anna in meinem Ohr. “Jetzt abbiegen”, sagt das Navi. Ich soll von der Bundesstraße 27 links abbiegen auf den Zubringer zur B4. Nichts leichter als das.

Aus der Gegenrichtung kommt ein Skoda. Er blinkt rechts, will also auch auf den Zubringer. Fahre ich zuerst, muss er dann im Kreuzungsbereich warten. Einfach.

Ich komme aus Südwesten und will links rum. Der Skoda kommt aus Nordosten und will rechts rum.

Die Kreuzung ist groß und übersichtlich und außer uns beiden kein anderes Fahrzeug in Sicht. Ich fahre also links rum und behalte während des Abbiegens den Skoda aus den Augenwinkeln im Blick. Ja, der wird langsamer. Huch, da schießt ein Motorrad am Skoda vorbei. Wo kam das her?

Egal, denke ich und ziehe um die Kurve und nehme wieder den Skoda ins Visier, den ich wegen des Motorrads für einen Moment aus den Augen gelassen habe. Normalerweise lasse ich nicht den Blick von Autos an Einmündungen. Entsetzt sehe ich, dass der viel näher ist als er sein dürfte, nur wenige Meter von mir entfernt, – und er beschleunigt, genau auf mich zu!

“Der hat mich nicht gesehen”, begreife ich schlagartig, als die Motorhaube des Wagens schon so nah ist, dass ich sie gefühlt mit ausgestrecktem Arm berühren kann. Der Zusammenstoß ist unvermeidlich, der Skoda wird die ZZR in einem 45 Grad Winkel treffen. Wir haben sicher beide so um die 30, 40 km/h drauf. Genug für ernste Konsequenzen.

Ich greife in die Vorderradbremse und latsche gleichzeitig auf das Bremspedal für das Hinterrad. Ausweichen ist nicht mehr, ich gucke nur noch stur nach vorn und konzentriere mich auf´s Bremsen. Die ZZR federt vorne tief ein, aber es ist zu spät: Ich kann den Wagen weniger als einen Meter entfernt von mir sehen. Gleich kracht es. Oder hat es schon gekracht?

Dann passiert etwas ganz Seltsames.

Das Hinterrad ist beim harten Bremsen blockiert und rutscht nun weg. In der Rutschbewegung legt sich die ZZR leicht auf die Seite und dreht sich dabei nach rechts und damit aus der Bahn des Skodas heraus, bis sie parallel zur Bewegungsrichtung des Wagens ist.

In dem Moment mache ich die Hinterradbremse wieder auf. Das Hinterrad bekommt wieder Haftung und die Maschine richtet sich auf, als es “Wummp” macht und ich die Berührung des Autos spüre. Aber es ist kein harter Einschlag, auf den ich jetzt eingestellt bin. Stattdessen spüre ich die leichteste aller Berührungen an meinem rechten Fuß. Geradezu zart, als wenn ganz kurz mit der Hand die Außenseite meines Stiefels berührt, so fühlt sich das an.

Dann ist der Moment vorüber, der Skoda zieht an mir vorbei. Ich fange das Motorrad ab und stehe pumpend mitten auf der auf der Zufahrt. Der Skoda fährt Schlangenlinien, dann hält er an. Ich fahre hinter das Auto und stelle den Motor ab. Ein weißhaariger Mann von bestimmt 80 Jahren steigt aus, dann eine kleine Frau im selben Alter. “Haben sie mich nicht gesehen?”, frage ich.

“Erst zu spät”, sagt der Mann sichtlich zerknirscht, “Ist Ihnen was passiert?”. Ich gucke meinen Fuß an. Er ist noch dran. Es war wirklich nur eine sanfte Berührung.

Dann gucke ich das Motorrad an. Sieht aus wie immer.

Alles wie immer.

“Ich habe sie nicht mal gesehen, ich habe nur gerade den Wumms gehört und die Berührung gemerkt”, sagt er. Ich inspiziere die ZZR ganz genau. Aber da ist… nichts. Tatsächlich fällt mir jetzt erst auf, dass die Fußraste das exponierteste Teil des Fahrzeugs ist. Nur mit deren Äußerster Spitze und meinem Fuß habe ich das Auto touchiert, dabei war der Vollcrash schon so gut wie sicher. Unglaublich.

Die alte Frau erholt sich derweil von dem Schreck und plappert drauf los. “Sie waren wie ein Schatten, plötzlich da. Wir kommen gerade aus Thale. Da ist es sehr schön. Ich habe gerade noch zu meinem Mann gesagt “Jetzt weiß ich, warum Heinrich Heine das hier so schön fand”. Wir kommen ja aus dem Erzgebirge, da ist es nicht so schön. Quedlinburg ist auch schön, und bei dem Wetter ist das aber auch ein schöner Tag, heute.” Ihr Ehemann unterbricht den Redeschwall mit einer eleganten Überleitung. “Und jetzt ist er noch schöner, weil ihnen nichts passiert ist”, sagt er. Ich nicke.

Wir tauschen Adressen aus, nur für den Fall das doch was ist, dann fährt das alte Ehepaar weiter.

Ich gucke mir nochmal die gebogene Bremsspur an, die die ZZR auf dem Asphalt hinterlassen hat und lasse das ganze Revue passieren. Alter Schwede. Mehr Glück als Verstand. Das war kein fahrerisches Können, das war Zufall, dass es mich hier nicht erwischt hat. Oder gehörte Können am Ende doch dazu? Fühlt sich gerade nicht so an.

Was wäre wohl gewesen, hätte die ZZR ABS? Wäre ich dann gar nicht erst in die Situation gekommen, weil ich eher gestanden hätte? Oder hätte es mich erwischt, weil das Hinterrad nicht weggerutscht und sich die Maschine so aus der Bahn gedreht hätte? Vermutlich Letzteres.

Ich steige auf die Renaissance und fahre weiter.

“Wenn der Clown vom Hochseil fällt, dann erzähle den Artikel über den Zirkusbesuch um Himmels Willen bloß nicht chronologisch!”, so lautet eine Regel im Journalismus.

Da der Clown, der heute vom Hochseil gefallen ist, jetzt abgefrühstückt ist: Ja, der Rest des Tages war wirklich nett. Bis zu diesem Zwischenfall und danach auch wieder.

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Impressionen eines Wochenendes (29): Wikingerkirche

Impressionen eines Wochenendes (29): Wikingerkirche

Viel zu tun gehabt die letzten Wochen, und eigentlich müsste ich auch an diesem Sonntag arbeiten. Als um 07:30 Uhr der Wecker klingelt, gucke ich kurz auf´s Thermometer. Draußen sind 5 Grad. Nee, so nicht. Nochmal kurz umgedreht, Zack, ist´s halb eins. Woah, brauchte ich den Schlaf so nötig? Mist, halber Tag vorbei. Dafür mit 20 Grad warm, und die Sonne scheint.

Ach, komm, was soll´s. Ein Tag Ruhe wird nicht schaden. Also Arbeit Arbeit sein lassen und rauf auf´s Motorrad. Einfach mal so in den Harz gebritzt. Der ist natürlich voller Touristen, aber was soll´s.

Bei Hahnenklee steht eine Stabkirche.

Außen aus norwegischer Lärche, innen aus einheimischer Fichte. Hübsch anzusehen, als hätten die Wikinger sie hier vergessen.

Die kleinen Harzstraßen sind tückisch. Der Straßenbelag ist schlecht, und Kehren tauchen völlig unvermittelt und unausgeschildert auf.

Die Talsperren führen noch Wasser, aber sehr wenig. Bis die wieder mal richtig voll sind, braucht es sicher einige Winter mit ordentlich Schnee.

Beim Torfhaus sieht man, was der Borkenkäfer so angestellt hat. Ganze Täler sind voller toter Bäume. Das bleibt so, weil das hier Naturpark ist. Die Parkverantwortlichen weisen darauf hin, dass der Harz vor 200 Jahren schon einmal komplett kahl war. Damals hat man dann überall diese Fichten-Monokulturen angepflanzt. Nun sterben die Fichten, aber der Wald wird in neuer Form wiederkommen. In hundert Jahren oder so.

Das ärgert jetzt natürlich Waldbesitzer, die ihre Wälder in der Nähe des Borkenkäferschutzparks haben. Und die Einheimischen, die hier vom Tourismus leben. Mit am Lautesten protestiert die Bürgermeisterin von Schierke, aber die hat auch mehrere Ferienwohnungen.

Egal. Goldener September, frische Luft. Osterode, Clausthal-Zellerfeld, Wildemann, Hahnenklee, Goslar, Okertalsperre, Altenburg, Torfhaus, Sankt Andreasberg, Silberhütte, Herzberg. 194 Kilometer. Nette Runde.

Impressionen (28): Dienstreisen

Impressionen (28): Dienstreisen

Beruflich unterwegs, an interessanten Orten mit schlecht maskierten Pferden, Anna und dem Charme der 80er.

Berlin:

Schlecht maskiertes Pferd.

Anna, die Motorradintelligenz, durfte in einem A4 werkeln. Hat sie auch nicht all zu oft, lief aber gut. Sie hat die fette Kiste besser navigiert als der Bordcomputer des Audi. Für mich war es ungewöhnlich, die Stimme meiner virtuellen CoPilotin nicht direkt im Ohr zu haben, sondern sie aus der Konzertsaalgleichen Audioanlage überall um mich rum zu hören.

Rüdesheim. Da war ich zuletzt als ich fünf war. Und es gibt immer noch die gleichen Plastik-Kuckuksuhren zu kaufen! Die Altstadt um die berühmte Drosselgasse ist dabei ganz auf chinesische Besucher eingestellt.

In Heidelberg gibt es das Mathematikon, ein Kaufhaus mit einem Fetisch für Mathematik. An den Wänden stehen Zitate berühmter Mathematiker, auf den Kassenbändern sind Formeln aufgedruckt, und über die Spiegel der Toiletten laufen Textaufgaben. Wie abgefahren ist das denn? Science Rocks!

In Karlsruhe steht ein völlig irres Hotel. Der Besitzer hat quasi einen Straßenblock zusammengekauft und im Inneren eine völlig absurde Mischung aus Vergnügungspark und Müllhalde angelegt. Hölzerne Zirkuspferdchen stehen vor Felsattrappen, in alten Elekroautos sitzen gruselige Rupfenpuppen, überall ragen Türmchen aus dichten Büschen und an einer Stelle schmücken riesige Gesichter die Hauswand. Hier kann man wahlweise in seltsamen Themenzimmern, normalen Hotelzimmern oder “Bungalows” übernachten. Abgefahren. Unter dem Gelände ist eine riesige Tiefgarage. So riesig, dass man bei den Bauarbeiten dafür in den Kellern der umliegenden Häuser gelandet ist.

Die Bungalowzimmer glänzen mit modernster Unterhaltungselektrik. Die Lautsprecher dafür sind in den Füßen des Doppelbetts.

Das Bundesverfassungsgericht hatte ich mir pompöser vorgestellt. Es ist nur ein zweigeschossiger 60er Jahre Betonbau.

Aber das Karlsruher Schloß ist hübsch.

Ein paar Kilometer westlich, im Schwabenland, gibt man sich dagegen Mühe wirklich allen Klischees gerecht zu werden.

Immerhin gibt es hier skurrile Mischungen aus den 60er-Jahre-Bunkern und windschiefen Fachwerkhäuschen, die direkt daneben stehen.

Ich mag die Mentalität und Sprache der Schwaben nicht, aber das hier macht sie dann doch sympathisch:

Impressionen eines Wochenendes (27): Wirtshaus im Spessart

Impressionen eines Wochenendes (27): Wirtshaus im Spessart

Bad Orb ist ein kleines Örtchen, ca. 50 Kilometer Luftlinie nordöstlich von Frankfurt am Main. Hier beginnt der Spessart, ein kleines Mittelgebirge zwischen Rhön und Odenwald. In Bad Orb scheint die Zeit ein wenig stehen geblieben zu sein. Rentner watscheln betulich durch den Park, Familien mit Kindern vergnügen sich auf dem Kneipp-Weg. Kurort, eben.

In Bad Orb steht das Helvetia. Das ist nicht das Wirtshaus im Spessart.

Ich komme gerne ins Helvetia, weil die Wirtin nett, das Frühstück gut und der Garten verwunschen ist.

Außerdem kann man sich hier trefflich mit anderen Leuten treffen und zu einem Ausflug in den Spessart starten.


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