Herr Silencer macht sich Gedanken über Verschwörungstheoretiker in Zeiten des Internet am Beispiel des Falles Asht in einem viel zu langen Text mit bandwurmsartigen Gesätzen von skurriler Sprache.
„Wir arbeiten an einem neuen Verfahren, das die Energieffizienz um 50 Prozent steigert.“
„Wer ist denn „wir“?“
„Sage ich nicht. Wir werden den Energiemarkt aufwirbeln, deshalb kann ich jetzt nicht darüber reden. Wir sind auch nicht im Internet. Wer weiß wer sie sind, vielleicht gehören sie ja zu DENEN“, sprach der Mann Mitte 50, warf mir einen letzten Blick über den, nun, Rand seiner randlosen Brille zu und verweigerte jegliche Konversation.
Diese Szene ereignete sich gestern Abend, am Rande eines Vortrags zur Energiegewinnung aus Biomasse. Die randlose Brille hatte den Vortragenden des Öfteren unterbrochen, unverständliche Sätze in Frageform von sich gegeben und generell alles in Frage gestellt. Leute wie ihn dessen-Namen-er-nicht-nennt gibt es viele auf der Welt. Sie tauchen bei Vorträgen und auf Mesen auf, reden irgendwie unzusammenhängend und schroff, und geben nichts von sich preis. Sie meinen, etwas ganz besonderes entdeckt/getan/geschaffen oder vor zu haben und fühlen sich nun verfolgt von Politiker/Nachbarn/DENEN, die ihnen ihr Ding/Erfolg/Handlung neiden oder ihre Ideen stehlen wollen.
Ich kenn mich mit sowas aus, mein Vater ist auch so einer. Der hätte auch schon dreimal die Welt revolutioniert, hat aber seine Arbeiten auf dem Gebiet der Energiegewinnung aus Baumbewegungen, dem Impulsantrieb aus Stereoanlagen und Schusswaffen mit Magnetfeldern nie fertig gestellt. Aus drei Gründen: 1. weil die heutige Physik noch nicht soweit ist, 2. aus Angst vor DENEN und 3. weil immer kurz vor dem Durchbruch was Interessantes im Fernsehen kam. Nunja.
John Asht ist nach eigenen Angaben hauptberuflich Schriftsteller und freier Journalist, in seiner Freizeit „uriger Naturliebhaber (kein Ökofuzzi)“1. Was eventuell erklärt, weshalb er einerseits Natur liebhaben, sich andererseits aber stolz neben einem Humvee ablichten lassen kann.
John Asht, der ehemalige Student der Religionsgeschichte und Ethnologie, schreibt keine normalen Bücher. Er schreibt „Prosa-Epen“ in eigenwilliger Sprache. Oder, wie er es sagt: „Nach dem Studium der Ethnologie und Religionsgeschichte wiedergebe ich nunmehr meine Erkenntnisse in Form von historischen und surrealistischen Werken.“2
Nunja. Sowas gefällt nicht jedem, zumal die Sprache dergestalt verwendet wird, dass es wirklich ans Surreale grenzt. Ein Insidergag und Klassiker ist mittlerweile der Satz „Dort stülpte sie einen Krug nach dem andern über sich“1. Wie muss man sich denn sowas vorstellen? Ist das nicht unpraktisch, mit so vielen Krügen auf dem Kopf?
Aber wie wurde der Satz bekannt? Nun, alles fing mit Bloggerin Myriel an. Sie liest gerne. Und sie schreibt in ihr eigenes, kleines Blog, die „Bücherzeit“, was sie von den Büchern hält. Myriel liebt Bücher, arbeitet selbst in der Buchbranche und liest dementsprechend oft und viel. Die allermeisten Bücher liest sie auch zu Ende – nicht aber das Buch „Twin Pryx“ von John Asht. Nach drei Anläufen stellt Myriel fest, dass sie dermaßen Probleme mit Sprache, Logik und Handlung hat, dass sie nicht über Seite 90 hinauskommt und sich in der Folge nicht in der Lage sieht, eine Bewertung für das Buch abzugeben.
Das schreibt sie im November 2011. Mehr als ein Monat vergeht, dann erfolgt ein erster Kommentar zu dem Blogeintrag – von John Asht höchstpersönlich! Gleich in den ersten Sätzen beleidigt er Myriel, die als „23jährige“s „Mädel“ „mit Hochliteratur nichts anzufangen weiß“4. Damit sind die Grenzen gesteckt, und in einem zweiten Kommentar legt er gleich noch hinterher, dass er seine „Anwälte [Blog und Bloggerin, Anm. S.] ahnden lassen werde“, zumal ihm das Ganze suspekt wirke „etwa so, wie von gewissen Leuten bezahlt, um einem Autor zu vernichten.“4
Nun gut, bis hierher kann handelt es sich um the same old story: Autor ist gekränkt und wittert eine Verschwörung. Aber es wird noch besser: Der dritte Kommentar kommt von Ashts Verlegerin – ein langer Beitrag, indem sie sich darüber beklagt, das Myriel einen Verriss geschrieben habe, ohne das Buch gelesen zu haben – das sei unfair. Wir erinnern uns – Myriel (die ihren echten Namen mit Anschrift im Impressum ihres Blogs hat) schrieb gerade KEINE Bewertung, weil sie das Buch nicht lesen konnte.
Das passt aber nicht ins Bild der Verlegerin, die schon ihren ersten Kommentar, bewusst oder unbewusst, mit Publikumsbeschimpfung schliesst:
„Wer damit (gut ausgearbeitete Bücher -Anm. S.) nicht mehr umgehen kann, sollte sich künftig besser nur noch mit anspruchsloser Kost berieseln lassen. Das ist auch den Machthabern lieber, denn diese Art von Fast-Food-Leser lassen sich optimal lenken und kontrollieren – eben weil sie allmählich das rationale Denken verlernen.“4
Aha. Aber es kommt noch besser: In einem zweiten Kommentar in Myriels Blog legt die Verlegerin nach und unterstellt ihr Wirtschaftkriminalität („Artikel 5 des Grundgesetzes gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, Wirtschaftskriminalität zu betreiben, indem Sie willkülich den Verkauf eines Produktes boykottieren.“)4, beklagt sich, dass Menschen, die keine „studierten Literaturkritiker sind“ ins Internet schreiben dürfen und droht, deswegen den Börsenverein des Deutschen Buchhandels einzuschalten.
Ja, genau. Wo kommen wir denn da hin, wenn plötzlich jeder selbst entscheidet, welche Produkte er gut findet oder kauft? Wir befinden uns im Kapitalismus, Konsumverzicht ist ein Wirtschaftsverbrechen.
Aber es kommt noch besser.
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