Julia von Mädchenmotorrad hat vor einiger Zeit darüber geschrieben, wie sie von unterwegs bloggt und welche Technik sie dafür nutzt. Im Nachgang wurde ich gefragt, wie ich das eigentlich handhabe. Ich hatte dann versprochen darüber zu schreiben, und obwohl es ein wenig gedauert hat: Hier ist der Post dazu!
Vorab: Julia macht quasi Liveblogging von unterwegs und veröffentlicht jeden Abend einen Eintrag über die aktuellen Erlebnisse des Tages. Damit ist sie die totale Ausnahme und ich bin immer wieder erstaunt und überrascht, in welch hoher Qualität sie es schafft, wirklich jeden Abend von ihren Touren zu berichten.
Ich reiseblogge tatsächlich ganz anders. Das Format des “Reisetagebuchs”, so wie es hier im Blog stattfindet, hat meist einen zeitlichen Nachlauf von einigen Wochen oder Monaten. Das gibt mir die Zeit über ein paar Sachen zu reflektieren, mich zu Dingen, die mir unterwegs aufgefallen sind, nachträglich schlau zu machen, und es eröffnet eine andere Perspektive. Manchmal gibt es nämlich Zusammenhänge über mehrere Tage oder verschiedene Personen oder über Ereignisse hinweg, die einem erst in der Gesamtrückschau auffallen und die man dann ganz anders herausarbeiten kann.
Das Rohmaterial für das Reisetagebuch entsteht jeweils am Abend oder in der Nacht nach einem Urlaubstag. Jeden Abend setze ich mich hin und schreibe auf, was mir frisch im Gedächtnis ist.
Manchmal sind die abendlichen Blogarbeitsplätze sehr schön und bequem….
…und manchmal nicht:
Grundgerüst für den ersten Textentwurf ist meist die Chronologie des Tages, also “Was ist in welcher Reihenfolge passiert” angereichert um “Wie fühlte ich mich dabei”. Denn das Reisetagebuch ist eines ganz bestimmt nicht: Neutral. Alles was da drin steht ist immer vorgeprägt durch meine Sichtweise, meine Haltung und natürlich auch: Meinen Befindlichkeiten.
Ich bin immer bemüht, dass das Blog nicht zur wehleidigen Nabelschau verkommt. Das hier soll kein unappetitlicher Blick in die Unterhose sein, aber wenn es mir aus irgendeinem Grund besonders gut oder schlecht geht, wird sich das im Text wiederfinden.
Ein Tagebucheintrag ist natürlich dann besonders dankbar, wenn es Ereignisse gab die sich als Hindernis rausstellten, dass es zu überwinden galt. Eine Panne, ein Unfall, Missgeschicke – alles Material für die klassische Heldenreise, sowas ist spannend, sowas liest jeder gern. Zum Glück hat man aber unterwegs meistens nicht jeden Tag eine Panne oder einen Unfall. Wenn aber etwas besonderes passiert, wird das oft der Einstieg für den Text – getreu dem Motto von Lokaljournalisten “Wenn der Clown vom Hochseil fällt, dann erzähle den Zirkusbesuch um Himmels Willen nicht chronologisch und halte Dich erst stundenlang mit der Ponynummer auf”.
Spielen bei einem Ereignis Personen eine Rolle, versuche ich die im Text möglichst genau zu skizzieren, damit sowohl ich als auch andere beim späteren Lesen sofort ein Bild im Kopf haben und sich die Person vorstellen können. Dazu gehört vor allem: Alter, Kleidung, Marotten, Körperhaltung, sprachliche Besonderheiten. Sowas vergisst man schnell, deswegen schreibe ich es gleich am Abend auf.
Dann kommt das aller wichtigste: Dialoge. Ich bin immer wieder erstaunt, in was für interessante und lehrreiche Unterhaltungen ich unterwegs so reinstolpere, und Dialoge sind das, was man als erstes vergisst. Daher gebe ich mir immer große Mühe die möglichst detailliert aufzuschreiben, zumal auftauchende Personen oft durch das was und wie sie etwas sagen oder tun viel besser charakterisiert werden als wenn man es einfach nur als Beschreibung notiert. Das alles einzufangen und festzuhalten, so lange die Erinnerung noch frisch ist, das ist mir das wichtigste. So entsteht ein Blogeintrag im Rohbau, ist aber noch lange nicht fertig.
Die Technik
Auf Reisen habe ich tatsächlich immer ein Netbook dabei. Früher ein Acer, dann ein Asus, jetzt ein Medion. Allen gemein ist:
- 11,6 Zoll Bildschirm
- leicht, max. 1,15 Kilogramm
- Lüfterlos, keine Festplatte, keine anderen beweglichen Teile
- Lange Akkulaufzeit (10-12 Stunden)
- Windows Professional als Betriebssystem
- Sehr billig (neu um die 200 Euro)
In der Klasse gibt es leider nicht viel Auswahl.
Warum kein Tablet oder Chromebook? Ganz einfach: Ich brauche eine echte Tastatur, und ich benötige Windows, weil die Software für Helm/Jacke/Navi nur unter Windows läuft. Vernünftige Windows-Tablets gibt es aber nicht in billig, und ich habe keine Lust ein teures Gerät mitzuschleppen. Ein ordentliches Windows-Tablet mit brauchbarer Tastatur kostet vierstellig, das von mit bevorzugte Netbook um die 200 Euro. Wenn das geklaut wird oder kaputt geht, ist es nicht so schlimm.
Das Reisenetbook mit dem perfekten Formfaktor ist mein geliebtes ASUS X205 aus dem Jahr 2014. Das lüfterlose Gerät kombiniert Tablettechnologie mit Netbook-Vorteilen, wiegt nur 950 Gramm, hat 12 Stunden Akkulaufzeit, ein brauchbares Display und eine sehr, sehr gute Chiclet-Tastatur, wie man sie in der Größe und Qualität sonst nur in Apple Geräten von 2012 findet.
Leider ist die Hardware des Asus nach heutigem Stand völlig inakzeptabel. Die USB2-Ports waren schon beim Erscheinen zu lahm, 2GB Hauptspeicher waren auch 2014 schon nicht viel, und die 32 GB-Nandspeicher sind mittlerweile für den reinen Betrieb eines Windows 10 zu wenig.
Nur deswegen habe ich seit diesem Jahr ein 200-Euro-Netbook von Aldi, ein Medion Akoya 2292 Dingenskirchen. Es ist ebenfalls Lüfterlos, hat eine 128GB SSD, ein stabiles Alugehäuse und ein sehr gutes Touchdisplay.
Dank der massiven Scharniere lässt sich der Bildschirm ein Mal ganz umklappen und damit auch als Tablet verwenden, und im Zeltmodus lassen sich damit schön Filme gucken oder Videokonferenzen bestreiten. Es kann von allem ein Bißchen, das meiste aber nicht richtig gut.
Das Akoya mag ich nicht so sehr wie das X205. Es wiegt mit 1,15 Kilo rund 200 Gramm mehr als das ASUS, was erstaunlicherweise genau den Unterschied ausmacht zwischen “das Gerät ist federleicht” und “das Ding hat ein stattliches Gewicht”. Die Lautsprecher sind ein Witz, am schlimmsten ist aber die wirklich richtig schlechte Tastatur. Die Tasten sind zu klein, zu rund und zu glatt, und wer bitte ist auf die Idee gekommen die “Entfernen” Taste als Funktionstaste zu bauen, die nur funktioniert wenn man
FN und F10 gemeinsam drückt??!
Trotzdem wird es mich bis auf weiteres begleiten, aber wenn Asus mal einen vernünftigen Nachfolger zum X205 rausbringt, wechsele ich sofort wieder.
Das Notebook dient nicht nur als Schreibmaschine, sondern auch der Kommunikation mit den anderen Gerätschaften. Wenn die PRISM-Tube-Kamera am Helm mal wieder Schluckauf hat, dann verrät sie nur dem Notebook woran es liegt:
Die VIRB XE-Kamera am Motorrad ist pflegeleichter, über dieses coole Ding habe ich hier schon einmal ausführlich geschrieben.
Leider gehen bei den VIRBs so langsam die Sensoren kaputt, die Bilder werden immer dunkler. Da muss in absehbarer Zeit mal was neues her.
Bei Fotos und Videos bin ich der totale Schnappschussfotograf. Ich knipse alles was nicht bei drei auf dem Baum ist und wähle anschließend aus tausenden Fotos aus. Dafür habe ich eigentlich immer eine Lumix Travelzoom mit einem Ministativ dabei.
“Eigentlich”, weil ich mittlerweile keine Lust mehr auf die Kamera habe. Über die Jahre hat Panasonic alle Vorteile der Travel-Serie, wie geringe Größe und Gewicht, eliminiert, dafür sind die Bilder immer schlechter geworden. Die TZ81 hat kein GPS mehr, dafür eine unbrauchbare 4K-Funktion, eine nicht funktionierende Bildstabilisierung und einen Autofokus, der zwar Postfokus zulässt, beim schnellen Schnappschuss aber oft unscharfen Murks liefert.
Hier der Vergleich zwischen der TZ81 (links) und dem iPhone 8 (rechts):
Aus diesen Gründen fotografiere ich mittlerweile fast nur noch mit dem Telefon – es macht einfach die geileren Bilder. Seitdem das iPhone 11 Pro auch einen Nachtmodus besitzt, ist der vorletzte Grund für die Lumix entfallen. Der letzte ist der wirklich gute 30-fach Zoom der Kamera, aber auch der wird sich überleben.
Das iPhone liefert sehr genaue Standortdaten, die Kamera nicht. Damit ich den Fotos aus der Lumix später Koordinaten hinzufügen kann, trage ich einen GPS-Recorder mit mir rum.
Das ist ein chinesisches Gerät, dass auf den etwas umständlichen Namen “Qstarz BT-Q1000XT” hört. Es ist so groß wie eine Streichholzschachtel und kann nichts außer GPS-Punkte aufzeichnen, aber das alle 5 Sekunden, sehr genau und über einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden, denn es läuft mit einem unverwüstlichen Nokia-Akku.
Die zugehörige Software spioniert einem den Desktop aus, vermute ich zumindest, aber sie kann anhand der Timestamps GPS-Daten in die EXIF-Dateien von Fotos schreiben.
Das mache ich aber selten, viel wichtiger ist mir: Die QSTARZ-Software spuckt aber die Daten des Recorders in handlichen Track-Dateien aus, entweder im NEMEA-, GPX-, KMZ- oder KML-Format. Letzte bevorzuge ich, weil die 10 Mal kleiner sind als GPX und sich in Google Earth reinwerfen lässt. Ein Großteil des Spaßes abends am Notebook ist anhand dieser Tracks zu schauen wie bekloppt ich mich heute schon wieder verfahren habe.
Die Daten der Kameras, des GPS-Geräts und was sonst noch so anfällt werden dann auf dem Netbook und über das Netbook auf einer kleinen 1TB-Platte gespeichert. So habe ich drei Sicherheitskopien: 1. auf dem Gerät, 2. auf dem Computer, 3. auf der Backup-Platte. Die Tagebuch-Einträge sind reine Textdateien und werden zusätzlich in die Cloud geschoben. Damit das klappt, habe ich meist einen kleinen 150 Mbit-LTE-Accesspoint mit einer lokalen SIM dabei.
Warum ein Accesspoint? Weil der bis zu 15 Geräte gleichzeitig mit schnellem WLAN versorgen kann, und lokale SIMS meist schneller sind als geroamte. Dazu kommt: Der Vertrag zu meinem Telefon hat nur 4GB Datenvolumen, während Urlaubs- oder Touristen-SIM-Karten teils für 10 Euro 25 GB und mehr bieten.
So kommt alles zusammen
Wenn ich wieder zu Hause bin wird der ganze Kram, also alle Bilder, Filme, Texte und GPS-Daten auf das heimische NAS und den Desktoprechner gesichert und die einzelnen Geräte gelöscht, damit sie bereit sind für den nächsten Einsatz.
Dann setze ich mich jeden Samstag hin und nehme mir die Texte vor. Nach einer ersten Sichtung der Tagesnotizen gehe ich durch die Bilder von iphone und Lumix und treffe eine Vorauswahl. Im Nachgang flöhe ich durch die Videos von PRISM und VIRB und schaue mir die GPS-Tracks in Google Earth an und mache Screenshots . Die werden alle mit einem Irfan-View Batch verkleinert auf 2048 Px Kantenlänge auf der längsten Seite und dann nach WordPress.com hochgeladen.
Dann passe ich den Text an, damit er auch die Bilder einbezieht oder suche gezielt nochmal Bilder, die den Text stützen. Wichtig: Ich bearbeite Bilder nie nach. Abgesehen davon, dass ich gar nicht weiß wie das geht, wäre mir das zu mühselig.
Dann wird der Text verfeinert und entschlackt. Ich neige zu Füllworten, die werden genauso entfernt wie schwache Adjektive, für die sich fast immer ein besserer Ausdruck finden lässt. Diese Arbeit kostet am meisten Zeit, am Ende hat ein Blogeintrag rund 25 Revisionen auf der Uhr und so um die 6 Stunden gedauert.
Bin ich mit allem zufrieden, wird der Timer aktiviert und der Reisetagebucheintrag um 00:01 an einem Samstag Morgen veröffentlicht. Und NUN kommt das eigentlich spannende: Sobald der Text veröffentlicht ist, enthält er plötzlich lauter Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Satzbaufehler!
Wie gesagt: Jeder Blogeintrag hat im Schnitt 25 Revisionen hinter sich, d.h. ich habe ihn auch rund ein halbes Dutzend mal gegengelesen und korrigiert, und TROTZDEM strotzt er in dem Moment wo er erscheint vor Fehlern, die mir jetzt erst auffallen…
Also sitze ich um Mitternacht wieder vor dem Rechner und korrigiere den schlimmsten Quatsch. Die korrigierte Version wird leider nicht nochmal per Feed ausgeliefert, RSS-Reader erhalten immer die schlimm verstümperte Releaseversion und nicht den Day-1-Patch. Das ist der Grund, weshalb man meine Beiträge immer im Blog, nie im Feedreader lesen sollte.
Tja, und so blogge ich für das Reisetagebuch. Eigentlich mache ich das nur für mich, weil ich Spaß daran habe, durch die intensive Nachbereitung einer Tour Dinge zu vertiefen und die Reise so Stück für Stück noch einmal nach zu erleben. Trotzdem freue ich mich, wenn hier jemand mitliest – und das tun allein jeden Samstag 400 Menschen!
Mir ist klar, das bloggen soooowas von 2008 ist, aber ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen das Format des Reistagebuchs auf Nur-Video umzustellen und ausschließlich Filme zu machen – auch wenn es mich schon reizen würde.
Und jetzt ihr: Wie bloggt ihr so?