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Category: Politik

Heute passiert nichts, und für morgen gibt es keine Hoffnung

Heute passiert nichts, und für morgen gibt es keine Hoffnung

Heute Nacht sind Präsidentschaftswahlen in den USA. Diverse Medien bieten “Wahlnächte” mit Umfragen und Livetickern und -schalten und atemlosen Whatnot. Kann man sich alles sparen, denn: Heute passiert nichts. Das Wahlergebnis wird nicht heute Nacht feststehen und auch nicht morgen früh. Vielleicht dauert es bis Januar, bis eine Entscheidung gefällt ist.

Was heute passieren wird: Gegen Mitternacht US-Zeit (also ca. 8:00 Uhr morgen früh bei uns) wird Trump nach Hochrechnungen und ersten Auszählungen in einigen der wahlentscheidenden Bundesstaaten vorne liegen. Daraufhin wird er seinen Wahlsieg verkünden und ins Bett gehen.

Doof: Zu diesem Zeitpunkt sind noch lange nicht alle Stimmen ausgezählt. Vor allen Dingen nicht alle Stimmen für Harris. Wähler:innen der Demokraten nutzen nämlich gerne die Briefwahl, und in etlichen der Staaten wurde das Wahlrecht durch die Republikanische Partei so geändert, dass Briefwahlstimmen erst nach den Stimmen aus den Wahllokalen gezählt werden.

Was dann am nächsten Morgen passiert: Entweder Trumps Sieg wurden in den Einzelstaaten bestätigt ODER durch die Auszählung der Briefwahlstimmen liegt nun Harris vorne. In letzterem Fall werden die Republikaner “Wahlbetrug” schreien und es wird erneute Auszählungen geben. In einigen Staaten wurden die Prozeduren für Neuauszählungen von den Republikanern dermaßen kompliziert gestaltet, dass sie sich über Wochen hinziehen können. Allein die lange Nachzählzeit eröffnet dann die Möglichkeit, “Irregularities” zu vermuten, Klagen zu starten und letztlich die Entscheidung über die Wahl den Gerichten zu überlassen. In letzter Instanz dem Supreme Court, in dem mehrheitlich Trump-Gefolgsleute sitzen.

Ebenso kann der republikanische Senat die Anerkennung des Wahlergebnisses verweigern und die Entscheidung dem Kongress überlassen. Bei dem dann folgenden Wahlprozedere würden die Republikaner aktuell gewinnen, weil sie die Mehrheit der Einzelstaaten haben. Es wird übrigens vermutet, dass Trump die Vorbereitungen auf dieses Szenario meinte, als er von “Unserem kleinen Geheimnis” zwischen ihm und dem Führer des Kongresses sprach.

Mit anderen Worten: Die Republikaner erringen schon lange (schon seit dem Jahr 2000) nicht mehr die Mehrheit der Wahlstimmen in den USA, aber bislang hat ihnen das Wahlsystem in die Hände gespielt. In den letzten Jahren haben sie daran gearbeitet, dass es nun fast völlig egal ist wie die Bevölkerung abstimmt, sie gewinnen trotzdem.

Die Folgen mag man sich nicht ausmalen. Gewinnt Trump, beginnt der Austausch des Beamtenapparats gegen Trump-Getreue und der Staat wird mit Hilfe von Milizen wir den “Proud Boys” ethnische Säuberungen durchführen. Die USA werden ein faschistischer Staat, der auch seine Funktion als Schutzmacht gegenüber Europa oder Taiwan nicht mehr ausüben wird.

Verliert Trump trotz aller Manipulationen und Klagen, werden seine Anhänger mit Waffengewalt “ihr Land zurückholen”.

So oder so, ich sehe keinen Grund zur Hoffnung. Die Zukunft ist düster, aber heute Nacht wird sie nicht entschieden.
Falls ich mich irre, würde ich mich sehr freuen.

[Nachtrag: Ging doch sehr schnell mit der Entscheidung. Trump ist Präsident. Fast mit einem Erdrutschsieg. Dann haben es die Amerikaner nicht anders gewollt und verdient – Vollgas zurück in die 1950er und in den Faschismus.]

Bundestagswahl 2021

Bundestagswahl 2021

Herr Silencer über die Bilanz der Ära Merkel und warum die Kanzlerkandidaten allesamt Lappen sind.

Die Bundestagswahl 2021 steht vor der Tür, und einfach wird die nicht. Das liegt aber weniger daran, dass die Kandidat:innen allesamt so gut sind, dass die Wahl zwischen ihnen schwer ist. Nein, diese Wahl ist eine schwere, weil sie die Altlasten der Merkel-Jahre schultern und gleichzeitig die Weichen für die Menschheit stellen muss.

Hört sich jetzt theatralisch an, ist aber wirklich so. Expert:innen sind sich einig, das die kommenden 10 Jahre entscheidend sind für Klima und Umwelt, und wie es danach mit der Menschheit weitergehen wird.

Das Klima ändert sich nicht dadurch, das die Ute sich neuerdings vegan ernährt oder der Manfred sich den dritten SUV kauft. Um unseren Lebensraum zu schützen braucht es klare politische Vorgaben und einen Sack an Veränderungen.

Veränderungen sind aber das, was mittlerweile in der Politik als ganz doll böse und unbedingt zu vermeiden gilt. Und das ist ein Erbe der Merkeljahre.

Zieht man eine Bilanz der Kanzlerinnenschaft, sieht man auch sehr deutlich, woher das kam. Als Angela Merkel als Bundeskanzlerin antrat, beschrieb sie ihr Verständnis dieser Rolle als “Gärtnerin, die aufpasst, dass der Garten gut eingezäunt ist und keine Schädlinge reinkommen” – ansonsten, so Merkel, wollte sie möglichst wenig eingreifen.

Das sagte sie damals auch, um den alten Herren in der Politik ein wenig die Angst zu nehmen. Merkel brauchte Verbündete. Denn eigentlich wollte niemand in der CSU sie, die Frau aus dem Osten, nicht als Parteivorsitzende, und als Kanzlerin schon gar nicht. Sie wurde es letztlich, weil die Partei nach der Schwarzgeldaffäre und Kohls unrühmlichem und verbittertem Abgang in Scherben lag und Edmund Stoiber bereits eine Wahl verstolpert hatte.

Anders als Gestalten wie Schäuble und Merz konnte Merkel innerhalb der CDU nicht auf “Truppen” zurückgreifen, also auf Personen in Schlüsselpositionen, die ihr bedingungslos zur Seite standen. Sie musste sich ihre Mehrheiten durch Konsens beschaffen, sonst hätte sie nicht regieren können. Diese Mehrheitbeschaffung bestand zu Anfang häufig darin stets den kleinsten gemeinsamen Nenner, das Minimum des Machbaren, zu vertreten.

Später und bis zum Ende schuf sie Koalitionen anhand von Umfragewerten. Merkel positionierte sich immer dort, wo der Wind ohnehin hinblies. Das ging so weit, dass sie auch Positionen vertrat, die klassisch von Parteien wie der SPD oder den Grünen eingenommen wurden – wodurch sie diese Parteien marginalisierte und gleichzeitig die Konservativen vor den Kopf stiess.

Eine volatile Politik ohne eigene Ideen, die das frühere Milieu der “Lager” zu einem ununterscheidbarem Brei verkochte, dazu eine SPD, die ihre Rolle als Opposition aufgab und sich Merkel in der Großen Koalition unterordnete, das schuf das politische Klima, in dem wir leben. Der unidentifizierbare Einheitsbrei und das Fehlen einer ernsthaften Opposition beschädigte die Demokratie und führte links wie rechts zu Extremismus.

Nach Außen wirkte die Merkel-Politik geradezu sedierend, nach Innen schuf sie eine politische Kultur ohne Ambitionen und ohne Konsequenzen. Inzwischen kann man als Minister:in maximal unfähig sein oder offen korrupt, Verantwortung übernehmen und zurücktreten muss man dafür unter Merkel aber nicht. Das ist etwas, was man Merkel anlasten muss: Sie hat Politik nach Außen zu etwas uninteressantem gemacht, bei dem es für niemanden mehr Konsequenzen gibt und wo es legitim ist, statt ernsthaft zu arbeiten, sich irgendwie Durchzuwurschteln. Anders sind Gestalten wie Scheuer, Klöckner oder Karlicek wohl kaum erklärbar.

Aus dieser unglücklichen Ursuppe erheben sich nun die drei Kandidat:innen für die Kanzlerschaft, und sie sind Geschöpfe dieses politischen Klimas.

Armin Laschet wurde letztlich nur Kandidat, weil er gefestigte Seilschaften hat. Das dumme an Seilschaften ist, dass die Gefallen einfordern, sobald jemand installiert ist. Wie kaum jemand vor ihm steht Laschet für ein “weiter so” in Kombination mit Hinterzimmerpolitik. Um davon abzulenken, versucht er sich gerade an einem Lagerwahlkampf – dabei gibt es sowas wie Angst vor roten Socken schon lange nicht mehr. Aber Laschet, der clownseke wie dünnhäutige Onkel aus dem Rheinland, ist eben zu sehr in der Vergangenheit verhaftet. Er hat Politik der letzten 30 Jahre schlicht nicht mitbekommen und fordert daher auch schon mal die Einführung der Vorratsdatensspeicherung (längst beschlossen) oder argumentiert mit Positionen aus den 90ern.

Olaf Scholz verkörpert Ideenlosigkeit und den Mangel an Perspektiven wie kaum ein anderer. Wirkten frühere SPD-Kanzlerkandidaten wie Filialleiter der örtlichen Sparkasse, so ist Scholz nur noch der Papp-Aufsteller eines Sparkassenleiters. Das perfekte Symbol für eine SPD in Trümmern, die sich in der Groko zerlegt hat und die keinen Mut zu sozialdemoktratischen Positionen mehr hat, obwohl Parteibasis und -führung(!) genau das wünschen.

Anna-Lena Bärbock leidet unter einer Kombination aus hausgemachten, handwerklichen Fehlern im Wahlkampf und der Tatsache, dass sie Veränderung propagiert – etwas, was halt aktuell, siehe oben, als schlecht wahrgenommen wird.

Nachdem ein geschönter Lebenslauf und falsch zitierte Ghostwriter-Passagen groß diskutiert wurden, hat sie damit den Ruf weg, es wahlweise “nicht zu können” (Erstens weil Frau, zweitens weil Grüne, drittens weil hat sich beim Schummeln erwischen lassen) oder “Genauso Dreck am Stecken zu haben wie alle anderen auch”. Die Bild-Gucker und Boomer unter den Wählern fürchten dazu um ihren Geländewagen und das Schnitzel, das Bärbock ihnen vom Teller klauen wird, sobald sie gewählt ist.

Nein, diese Wahl ist keine leichte. Wer noch unentschlossen ist, guckt bitte mal beim Wahl-O-Mat vorbei. Dort kann man steile Thesen, die direkt aus den Wahlprogrammen der Parteien stammen, zustimmen oder die ablehnen. Am Ende sagt einem das Programm, welche Partei die eigene Position am Besten vertritt.

Falls das die AFD ist, überdenk bitte Dein Leben. Die AFD ist eine in Teilen faschistische und rechtsradikale Partei, die aktiv an der Zerstörung der Demokratie und unserer Gesellschaft arbeitet. In allen anderen Fällen: Geht bitte am 26.09. wählen.

Zum Wahl-O-Mat

Maximale Verwirrung

Maximale Verwirrung

Gerade sind hier die Unterlagen für die Briefwahl in Stadt und Land eingegangen. Abgesehen davon, dass die quadratmetergroßen Wahlzettel vor Versand in kunstvollstem Origami gefaltet werden müssen, ist das Prozedere an sich nicht ganz unkomplex. Wahlzettel ausfüllen (jeder nur drei Kreuze!), kleinfalten, in einen Wahlumschlag stopfen, Stimmzettel ausfüllen, Unterschreiben und mit Wahlumschlag in einen Stimmumschlag und dann ab die Post.

Eigentlich einfach, aber wenn man vor dem Berg Papier steht und dann versucht das krasse Behördendeutsch des Stimmzettels zu verstehen, kommt man sich schon ein wenig überfordert vor. Immerhin, man will ja nichts falsch machen, jede Stimme zählt und so, wissen schon.

Weil die Wahlleitung weiß, wie geschraubt und unverständlich die Sprache ihrer Schreiben ist, hat sie eine bebilderte Anleitung in einfacher Sprache beigelegt:

Vorbildlich! Doof nur: Es gibt keinen roten oder blauen Umschlag, nur einen gelben und einen grünen. Vermutlich führt das bei einige Wählerinnen zu maximaler Verwirrung – und bei Schreibwarenläden vor Ort zu erhöhter Nachfrage nach roten und blauen Briefumschlägen….

Protest wirkt

Protest wirkt

Die Sache um die EU-Urheberrechtreform ist noch nicht ausgestanden. Worum es da geht, und warum sie die Meinungsfreiheit gefährdet, habe ich hier aufgeschrieben. Das EU-Parlamanent ist die letzte Instanz, die sie noch verhindern kann, und stimmt Ende März über die Reform ab.

Schon jetzt bewirken aber die Proteste etwas. EU-Parlamentarier und deutsche Politiker bekamen Tausende von Mails und Briefen zu dem Thema. Überrascht und überfordert von sowohl politischer Aktivität einer als unpolitisch gelabelten Gruppe vermuteten einige Politiker tatsächlich eine Google gesteuerte Bot-Kampagne. In der Folge gingen die Bürgerinnen und Bürger dazu über, in den Abgeordnetenbüros anzurufen, um (hoffentlich) ruhig und sachlich darzulegen, warum die Urheberrechtsreform in der vorliegenden Form eine Katastrophe ist UND zu beweisen, dass Sie keine Bots sind.

Die Proteste finden auch auf der Straße statt. In großen Städten gab und gibt es Demos, und als bekannt wurde, dass die Konservative EVP (die EU-Parteiengruppe, zu der CDU/CSU genauso gehören wir Orbans Fidesz-Partei), da bildeten sich Spontandemos, die innerhalb weniger Stunden organisiert wurden und vor den Zentralen der Konservativen Parteien aufmarschierten und “Nie wieder CDU” skandierten.

Abgesehen davon, dass dieser Slogan nicht weiterhilft: Der Protest zeigt Wirkung. Politikerinnen und Politiker sind geradezu aufgeschreckt von der Menge und der Heftigkeit des Protests, und einzelne Abgeordnete nehmen wirklich mit Personen aus der “Creator”-Szene um Youtube und Co. Kontakt auf, um sich den Verhalt mal aus deren Sicht erzählen zu lassen. Dabei sind es vor allem die ruhigen Stimmen, die von der Politik gehört werden. Wie dieses Video von Robin Blase, wo er vor den Gefahren, aber auch vor Panikmache warnt:

Denn bei allem legitimen Protest übertreiben es manche Youtuber. In schrillen Tönen werden da faktisch falsche Dinge behauptet oder unzulässig verkürzt. “EU will Youtube löschen” ist erst einmal eine faktisch falsche Aussage, “Axel Voss will das Internet verbieten” kompletter Unfug.

Um Aufklärung bemüht sich fast rund um die Uhr der Anwalt Christian Solmecke:

…und findet damit Gehör. Nicht nur bei Gegnern der Urheberrechtsreform, sondern auch bei den Befürwortern, und bei denen muss er dann als Zielscheibe herhalten. So liess die FAZ in einem Gastbeitrag direkt gegen Solmecke schießen, setzte sich damit aber wenig mit seinen inhaltlichen Positionen auseinander, sondern polemisierte und versuchte ihn erst einmal handfest zu diskreditieren.

Das geht natürlich genauso wenig wie das Verhalten der glühenden Urheberrechtsbefürworter im Parlament. Die Grüne Helge Trüpel beispielsweise postet fortlaufend Bilder von traurig guckenden, alten Menschen, die ein Pro-Urheberrechtsreform-Schild in der Hand haben und auf den Fotos als Schrifsteller, Komponist oder Schauspieler bezeichnet werden. Mal abgesehen, dass ich von all diesen Leuten noch NIE was gehört habe: Hat den alten Leuten eigentlich jemand erklärt, dass nicht Youtube ihnen die Brotkrumen vom Teller klaut, sondern das Gesetz in Art. 12 festschreibt, dass bis zu 50 Prozent ihrer Urhebervergütung an Verlage gezahlt werden muss? Das geht wirklich ins Geld und ist eigentlich in Deutschland gerichtlich seit 2015 verboten. Über die Bande der EU soll dieses Unrecht nun wieder legalisiert werden.

Aber das ist ein beliebtes Spiel, dass die Politik nicht nur, aber besonders in Deutschland seit Jahren gerne spielt. Unpopuläre oder schwierig durchzusetzende Themen werden einfach von der Ebene des Nationalstaats auf die EU-Ebene gehievt und dort im Sinne der Nationalstaaten beschlossen. Dann gibt es eine Vorgabe der EU, und die nationale Politik hat zwei Dinge auf einmal geschafft: Das beim eigenen Wahlvolk unbeliebte Thema doch im eigenen Sinne durchgedrückt UND einen Sündenbock dafür gefunden. “Wir wollten das ja gar nicht, ist eine EU-Vorgabe”. Genau dieses Spiel spielt auch die SPD gerade. Die CDU bricht den Koalitionsvertrag, in dem Uploadfilter abgelehnt werden. Kommentar von SPD-Justizministerin Katharina Barley: “So ist nun mal Europa: Ich stimme da nicht als einzelne Ministerin ab, sondern für die Bundesregierung.”. Ganz so, als sie sie nicht Teil dieser Regierung, sondern nur Laufmädchen. Weil: “So ist nun mal Europa”.

Die Regierungen der Nationalstaaten machen die EU-Politik, die sie anschließend bejammern und beklagen. So ein PingPong-Spiel zwischen Staaten und EU gab es nun uach beim Urheberrecht. Deutschland wollte das EU-weite Leistungsschutzrecht (Art. 11) und die Vergütung für Verlage (Art. 12), Frankreich die Uploadfilter (Art. 13). Im eigenen Land hätte das Proteste gegeben, aber Brüssel ist halt weit weg.

Das nun die Protestiernden EU-Politik anfassbar machen und vor die eigene Haustür tragen, macht nationale Politiker nervös. Das merkt man an de, seltsamen Vorschlag der CDU, Uploadfilter doch noch verhindern zu wollen, indem man Lizenzdatenbanken aufsetzt. Das kann man getrost als Nebelkerze abtun, denn der Vorschlag istkeine Alternative zu Uploadfiltern, sondern entspricht ganz exakt dem, was in Art. 13 gefordert wird.

Während die nationale Politik in Deuschland nervös wirkt, trompeten auf EU-Ebene die wichtigsten Reformbefürworter unvermindert weiter für ihre Sachen und sind an Dialog nicht mehr interessiert. Neben Bildern von traurigen Menschen postet Helga Trüpel zum Beispiel, ob auch nur einer der Reformgegner das Konzept Lizensierung wirklich verstanden habe. Selten tropfte aus Tweets so viel Herablassung. Statt die Chance zu ergreifen in einen Dialog einzutreten und den Leuten zu erklären, wie sie denkt, sieht Trüpels Account gerade aus wie die Propagandamaschine der GEMA.

In eine ähnlich Kerbe schlägt Axel Voss, der als Chefunterhändler der EU in einem Interview in Frage stellt, ob es Youtube überhaupt geben dürfe, weil deren Geschäftsmodell ja auf fortlaufende Urheberrechtsverletzungen beruhe. O-Ton aus einem Interview mit der deutschen Welle:

“Sie [Youtube] haben ein Geschäftsmodell auf dem Eigentum anderer Leute aufgebaut – auf urheberrechtlich geschützten Werken. Wenn es die Absicht der Plattform ist, Leuten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu geben, dann müssen wir darüber nachdenken, ob diese Art von Geschäft existieren sollte.”

Das ist so dreist gelogen, das mir dazu nichts mehr einfällt. Nach dieser Aussage gab es übrigens Bombendrohungen gegen Voss Büro. Das ist natürlich dumm und zu verurteilen und hat in der Folge dazu geführt, dass Voss und Co. nun ihr Narrativ “Reformgegner sind ein gesteuerter Mob” noch besser unterfüttern können.

Auf Seiten der Politik also Nebelkerzen, Herablassung, schrille Aussagen, keinerlei Gesprächsbereitschaft.

Und nun? Ich gehe davon aus, dass die Urheberrechtsreform durchgeht. Das liegt nicht an der Situation in Deutschland, sondern vor allem an der im Ausland. Da gibt es so gut wie keine Proteste, und wenn, dann gehen sie gerade unter.

ABER. Was die Proteste hier aber bewirken: Die deutsche Politik bekommt mit, dass auch jüngere Generationen nicht unpolitisch und bereit sind, für ihre Lebensentwürfe auf die Straße zu gehen. Gleichzeitig verspielt sie viel Vertrauen in sich und in demokratische Prozesse. Die Jungen ihrerseits bekommen mit, dass sie sich Gehör verschaffen können, und vielleicht führt das dazu, dass sie zukünftig mehr Menschen politisch engagieren.

Und vielleicht, nur ganz vielleicht, kapiert einer der aktuell noch für Kohlekumpels kämpfenden Politiker ja, dass man heute nicht mehr unbedingt die Springer-Presse braucht, um Kanzler zu werden. Aber, ach.

Wer sich noch Gehör verschaffen möchte, geht am 23.03. beim Aktionstag gegen die EU-Urheberrechtsreform auf die Straße oder kann schreiben, mailen und auch bei den Abgeordneten anrufen.

Die Seite https://pledge2019.eu/de ermöglicht kostenlose Anrufe bei Parlamentariern und listet die wichtigsten Argumente.
Die Seite http://BotBrief.eu bietet eine Übersicht mit dem bisherigen Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und einen Musterbrief an. Auf den Seiten des Parlaments kann man seine Abgeordneten (man hat meist mehr als einen!) finden: http://www.europarl.europa.eu/meps/de/home

Geschichte reimt sich

Geschichte reimt sich

“Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich erstaunlich oft”, sagte Mark Twain und brachte es damit auf den Punkt, und Robert Fietzke (@robert_fietzke) hat mal zusammengetragen, was sich heute so reimt. Herausgekommen ist ein Twitterthread (hier der erste Post: https://twitter.com/robert_fietzke/status/1001427148618567685) der mich hat schlucken lassen und dessen Hauptinhalte ich hier nochmal notiere, weil auf Twitter alles so schnell verloren geht. Es sollte aber jeder den Originalthread lesen.

Die Protagonisten sind heute andere, aber was geschieht, ist gerade das selbe wie vor 25 Jahren. Auch in den 90ern standen Wahlen an. Die Politik nutzte die damalige Asyldebatte für den Wahlkampf und hetzte gegen Ausländer. Insb. die CSU fabulierte immer wieder von “Asylmissbrauch”, als Flüchtlinge aus dem Kosovokrieg hier her kamen. Die Medien machten das mit, zu gut verkauften sich Magazin mit Illustrationen zum Slogan “Das Boot ist voll!”.

Nach Monaten dieser Kampagnen war das Klima in Deutschland so vergiftet, dass sich die verängstigte “Volksseele” in Gewaltsausbrüchen Luft machte.

Deutsche stürmten Gebäude und zündeten sie an, ganz bewusst während Menschen darin waren. Solingen war mit am Schlimmsten, aber es gab ebenso Pogrome in Hoyerswerda, Mölln und Rostock-Lichtenhagen. Die Polizei griff damals nicht ein, während in Rostock-Lichtenhagen ein Haus voller vietnamnesischer Flüchtlinge brannte. Das Landratsamt sagte später dazu: „Es besteht einheitliche Auffassung dazu, dass eine endgültige Problemlösung nur durch Ausreise der Ausländer geschaffen werden kann“.
Die Pogrome rissen nicht ab. Während Teile der Bevölkerung entsetzt waren über die kleinen Mädchen, die in Mölln verbrannten, hetzte die Unionsgeführte Politik weiter und setzte die Kampagne fort.

Bundeskanzler Kohl schwieg lange zu all dem, liess sich am Ende auch nicht auf Trauerfeiern sehen, weil er nicht “in Beileidstourismus verfallen” wollte. Immerhin schrieb SPD-Mann Rühe damals, seine Partei solle “die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPD dort herauszufordern, gegenüber den Bürgern zu begründen, warum sie sich gegen eine Änderung des Grundgesetzes sperrt”. Leider währte das nicht lange, am Ende kippte die SPD um und stimmte der Drittstaatenregelung zu, die das Recht auf Asyl aushebelt.

Heute beobachten wir exakt die gleichen Entwicklungen. Politiker machen Wahlkampf mit dem Thema Flüchtlinge, die Medien zündeln mit. Der Unterschied zu damals: Diesmal gibt es nicht mal mehr ein klein wenig Opposition dagegen. Die SPD ist genauso auf den Kurs eingeschwenkt wie die Unionsparteien. Und dieser Kurs wird ihnen vorgegeben von einer offen rechtsradikalen Partei, der AFD. Die Partei, die die neue Heimat der Neonazis geworden ist, deutet in eine Richtung, und die etablierten Parteien beginnen zu marschieren.

Wenn dieser Tage an die Ereignisse von Solingen erinnert wird, dann sollten sich alle bewusst sein, dass wir wieder kurz vor einem Punkt in unserer Geschichte stehen, in dem rechte Lynchmobs Flüchtlinge in Brand stecken und “besorgte Bürger” daneben stehen und johlen.

Bundestagswahl 2017

Bundestagswahl 2017

“Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen und uns unser Land und unser Volk zurückholen!”

– Alexander Gauland, Führer der Nazi-Partei AfD, kurz nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen

Das Ergebnis der Bundestagswahl ist da, und es ist leider so ausgefallen wir befürchtet. Die AfD zieht zweistellig in den Bundestag ein und beginnt gleich mit Nazidrohungen (s.o.),  auch die FDP ist mit über 10 Prozent dabei. Bei der letzten Wahl 2013 waren beide an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Zugelegt haben auch die Linken und die Grünen. Letztere hatten Beobachter bei unter 5 Prozent gesehen, ich dagegen hatte mit noch stärkeren Zuwächsen gerechnet.

Der Grund dafür: Es war klar, dass es keine Wechselstimmung im Land gibt, weil Merkel sich tatsächlich alternativlos gemacht hat. Es gibt unter ihr keinen frischen Nachwuchs in der CDU, und die SPD hat sich durch die Zusammenarbeit mit der CDU und einen desaströs fehlgelaufenen Wahlkampf selbst demontiert. Martin Schulz ist dabei noch die geringste Schuld anzulasten, er war die Idealbesetzung, denn als Europapolitiker trug er keine Schuld an dem, was Gabriel, Oppermann und Konsorten mit der SPD angerichtet hatten. Die hatten 2013 schon die SPD versenkt, sich dann in die Regierung gelogen und die Zwischenzeit kein Stück genutzt um sich sauber aufzustellen.

Nun also Schulz. Seine Schuld ist es, dass er sich auf diesen Uralt-Wahlkampf eingelassennhat. Er, ein glühender Verfechter von Europa, thematisierte dies im Wahlkampf  kein Stück – genausowenig wie z.B. die Verteidigung der Grundrechte oder Digitalisierung. Stattdessen machte er lieber Wahlkampf für… ja, wen eigentlich? Nach meinem Gefühl für Bergleute und Kohlekumpels, also einem Milieu, was so schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr vorhanden ist.

“Soziale Gerechtigkeit” ist nett, aber zu abstrakt, und ich würde mal behaupten, dass die SPD einen Großteil der Leute in ihrer Lebenswirklichkeit schlicht nicht erreicht hat.

Dass nun die Randparteien, und insbesondere die Nazis von der AfD, so abgeräumt haben, ist ein sehr deutliches Signal. In meinen Augen ein Signal, dass eine quasi oppositionslose Große Koalition, die tun und lassen konnte was sie wollte und das auch gemacht hat, gerade NICHT dem Wählerwillen entsprach. Das hätte man der SPD auch schon sagen können, als Gabriel sich diese irre Idee aus dem Hintern zog. Es ist außerdem ein Signal dafür, dieses visionslose, pragmatische und vollkommen entkoppelte Reagieren von Merkel so nicht weiter laufen darf. Das wurde schon bei der letzten Wahl deutlich, und diese hier ist ein extrem lauter Schuß vor den Bug. 

Was schon sehr lange gebraucht wird ist eine Politik mit einer Vision, die alle einbindet – national und international. Genau das kann Merkel nicht. Sie steht für den Erhalt des Status Quo, für ein von-links-nach-rechts verwalten und etwas tun, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden. Eine Machtfrau in ihrem Machtvakuum.

Das kann nicht gesund sein und ist es auch nicht. Die Visionslosigkeit der deutschen Politik und die Weigerung, die Integrationsrolle auszufüllen, hat erst Europa an den Rand des Zerbrechens gebracht, und nun Nazis in den Bundestag.

Fassen wir zusammen: Die CDU wird visionslos bleiben, die SPD ist mit dem jetzigen Personal komplett unglaubwürdig und liegt auf absehbare Zeit in rauchenden Trümmern. Die Grünen sind personell mit einem nicht vermittelbaren Hofreiter schlecht aufgestellt, haben aber einen guten Stand. Genauso wie diese Partei, die nur noch aus Sarah Wagenknecht besteht. Oder diese andere Partei, die nur noch aus diesem miesepetrigen Fotomodell und dem Graubart aus Schleswig-Holstein besteht. Und wir haben nun Nazis im Parlament. Damit sollte die Demokratie wieder erheblich spannender werden, und alle Beteiligten müssen sich endlich mal wieder richtig anstrengen. Von daher: Auch wenn das Wahlergebnis niederschmetternd und nicht schön zu saufen ist: Im großen Zusammenhang ist es ein guter Tag für die Demokratie.

Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Politik und Gesellschaft zwei Systeme sind, die einander bedingen und beeinflussen, aber nicht 1:1. Was das gute Abschneiden der Nazis über unsere Gesellschaft aussagt, dass müssen jetzt meine Kollegen von den Sozialwissenschaften schnellstens aufarbeiten und Empfehlungen an die Politik weitergeben. Politischer Unterricht als Pflichtfach sollte dazugehören. was ich nicht hoffen will, ist, dass die Nazis auch in der Gesellschaft schamlos wiedererstarken. Denn unsere Erinnerungskultur ist eine der größten Stärken der Deutschen, und wenn die Nazi-AfD ihr erklärtes Ziel umsetzt und es schafft die auszuhöhlen, lächerlich zu machen und letztlich abzuschaffen, DANN haben wir ein echtes Problem.

Zünglein an der Waage

Zünglein an der Waage

Ich bin gerade nicht da, aber wählen war ich schon.

Warum eigentlich? Die Wahl ist doch gelaufen, oder? Mutti Merkel macht´s nochmal, Schulz sieht kein Land. Ist doch so, oder?

Sicher. Regierungen werden in Deutschland nur abgewählt, wenn wirklich massive Wechselstimmung herrscht. Das ist im Moment ganz sicher nicht der Fall, in weltpolitisch so unsicheren Zeiten SEHNEN sich die Leute nach Muttis “Weiter so” und halten daran fest.

Wählen muss man aber trotzdem, denn sonst passieren komische Dinge. Die SPD könnte z.B. wieder auf die Idee kommen, dass ihr “Auftrag” darin besteht, große Koalitionen zu bilden anstatt ordentliche Opposition zu machen und die Regierung zu kontrollieren. Oder die faschistische AfD wird überproportional stark, denn je mehr Leute nicht wählen gehen, umso stärker werden die Extremisten, die ihre Wähler zu mobilisieren verstehen.

Übrigens sind nicht nur Nichtwähler ein Problem. Auch die Wahl von Kleinstparteien, die keine Chance auf den Einzug in den Bundestag haben, wie “Die grauen Panther” oder eben auch “Die Partei” kann nach hinten losgehen. Denn deren Stimmen werden bei Verfehlen der 5-Prozent-Hürde den anderen zugeschlagen. Wenn in den Bundestag also CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke und die Faschisten kommen, und die Stimmen für die Kleinstparteien werden auf diese 6 umgelegt, dann hat jeder PARTEI-Wähler zu einem sechstel AFD gewählt. Ist ein krudes Beispiel, ich weiß. Aber wenn das eigene Ziele das Verhindern der Faschisten ist, sollte man das wissen.

Bei dieser Wahl geht es insgesamt nicht darum, wer den Kanzler stellt (das steht fest), sondern wie die kleinen Parteien abschneiden und wer am Ende wie koaliert. Es geht um den dritten Platz, der diesmal wichtiger ist als der erste. Und es geht darum, die Schande, dass 72 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs wieder Nazis in den Bundestag einziehen werden, möglichst klein zu halten.

Darum: Dieses Wochenende wählen gehen!

Wer hat uns verraten…?

Wer hat uns verraten…?

Martin Schulz ist gerade in Göttingen.

Göttingen ist nicht ganz ohne, was Kandidaten für die Bundestagswahl angeht: Thomas Oppermann (Fraktionschef SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) haben hier ihren Wahlkreis. Und nun ist gerade Der Martin Chulz in der Stadt.

Irgendwie tut er mir ein wenig leid. In seiner Zeit als Chef des Europaparlaments habe ich ihn als guten Mann erlebt: Demokrat, streitbar, pragmatisch. Und für die bundesdeutsche SPD ist er ohnehin ein Glücksfall: Frei von den Verfehlungen der Partei in den letzten Jahre konnte er quasi aus Brüssel einschweben und sich gleich in den Wahlkampf stürzen. Genützt hat es freilich nichts, nach einem kurzen Populartätsschub stürzte Schulz in den Umfragen ab wie nichts Gutes.

Die Situation ist ja auch nicht einfach: Merkel hat sich auf jedes Thema gesetzt, was irgendwie rot oder grün ist. Vor allem aber ist es seine Partei, die Schulz wie ein Bleiklotz am Bein hängt. Es mag ja sein, dass die SPD in der Großen Koalition sozialdemokratische Anliegen wie Mindestlohn, Mütterrente oder Rente mit 63 durchsetzen konnte, nur: Belohnt wird sie dafür nicht. Die Lorbeeren setzt sich Merkel auf´s Haupt. Was dem Wähler im Gedächtnis bleibt sind die Schattenseiten der GroKo.

Was von der SPD bleibt, ist das Bild der Partei, die…

…Gegen den Wunsch der Wähler und nur um der Macht Willen in eine große Koalition eingestiegen ist und dadurch die Demokratie in Deutschland nachhaltig beschädigt hat.

… die illegale Vorratsdatenspeicherung (mehrfach!) mitgetragen hat.

… bereitwillig Grundrechte geopfert hat um “Sicherheit” zu produzieren.

…in der GroKo Merkel beim Verwalten des Status quo geholfen, aber kaum etwas selbst gestaltet hat: Kein Einwanderungsgesetz, keine Digitalpolitik, keine Verkehrspolitik zustande gebracht hat.

Meine Verbitterung über diese Fehlleistungen sitzt tief. All das sind Dinge, wegen denen allein die SPD schon unwählbar geworden ist. Und anstatt jetzt einen ordentlichen Richtungswahlkampf zu machen, der mitsamt dem neuen Kandiaten frischen Wind bringt, kommt die SPD wieder nur mit der Phase “Soziale Gerechtigkeit” um die Ecke, spart es sich aber lieber zu erklären, was das sein soll.

Nein, für so ein Verhalten – Demontage der Demokratie in der Vergangenheit, Visionslosigkeit in der Zukunft – wählt man eine Partei nicht.

Ich warte ja darauf, dass eine smarte, linke Politikerin à la Macron den Durchmarsch probt und die großen Parteien als das demaskiert, was sie aktuell sind: Rauchende Ruinen. Daran ändert auch ein Chulz nichts. Ganz im Gegenteil: Wenn man seinen Wahlkampf so anschaut, könnte man meinen, er hat sich schon geschlagen gegeben.

Er ist wieder da.

Er ist wieder da.

Auf Twitter geht gerade ein Foto viral. Tausendfach wird dieses Bild geteilt, dass ein Poster in einer Hollocaust-Gedenkstätte in den USA zeigt.

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Dort steht:

Frühe Warnzeichen für Faschismus:

  • Ausgprägter und fortwährender Nationalismus
  • Geringschätzung von Menschenrechten
  • Schaffung eines gemeinsamen Feindbildes
  • Betonung der Überlegenheit des eigenen Militärs
  • Unverhohlener Sexismus
  • Kontrolle der Massenmedien
  • Fixierung auf Nationale Sicherheit
  • Vermischung von Staat und Religion
  • Protektion von Unternehmen
  • Unterdrückung der Gewerkschaften
  • Verachtung von Intellektuellen und Künstlern
  • Fixierung auf harte Verbrechensbekämpfung und -bestrafung
  • Ungezügelte Vetternwirtschaft und Korruption
  • Manipulation von Wahlen

Das Poster basiert auf dem Artikel “Facism Anyone?” von Lawrence Britt aus dem Jahr 2003. Der Artikel ist eher populärwissenschaftlich als hart sozialwissenschaftlich, aber so prägnant, dass man die Kernthesen gut auf Poster drucken kann. Weniger wahr sind sie dadurch nicht.

Wenn man sich die Liste so anguckt, kann man nur zu dem Schluss kommen: Er ist wieder da, der Faschismus. In den USA regiert er, und im Parteiprogramm und den Reden der AfD ramentert er durch Deutschland. Faschismus sollte man als solchen benennen, Rassismus auch. Wenn Euch das nächste Mal Aussagen oder Reden von Höcke, Petry, von Storch oder Scheuer unterkommen, gleicht mal die Inhalte mit der Liste ab.

Konkurrenzdemokratie

Konkurrenzdemokratie

Das Wahlsystem in den USA ist schräg. Jeder Bundesstaat hat eine Anzahl an Wahlmännern, zusammen sind das 538 für 50 Staaten. Am Wahltag stimmen die Wähler ab, und der Kandidat mit der Mehrheit bekommt ALLE Wahlmänner eines Bundesstaats zugeschlagen. Das ist das “The Winner takes it all”-Prinzip und wird Konkurrenzdemokratie genannt. 

Dadurch kommen so skurrile Dinge zustande wie die jetzige Situation, in der für Clinton zwar mehr Wähler gestimmt haben, Trump aber mehr Wahlmänner gewonnen hat und dadurch Präsident wird.

Die Wahlmänner, so will es die Tradition und das Gesetz, geben am zweiten Mittwoch im Dezember ihre Stimmen für die Präsidentschaftskandidaten ab. Erst dann steht der Präsident fest.

Die interessante Frage ist ja: Warum ist das so kompliziert? Warum haben sich die Gründerväter der USA ein so merkwürdiges und auch undemokratisches Verfahren einfallen lassen? Die Frage hatte ich mir im Studium nie gestellt, nun bin ich der mal nachgegangen.

Stellt sich raus: Das ist deswegen so seltsam, weil die Gründerväter schlicht Angst vor direkter Demokratie hatten! 

Die befürchteten, dass ein böswilliges Subjekt die öffentliche Meinung und die Wahl manipulieren oder das Volk einen Cretin ins Amt des Präsidenten wählen könnte, der für diesen Job moralisch oder fachlich geeignet sein würde.

Die Wahlmänner sollen als Korrektiv dienen, wenn das Volk einem Hetzer oder Verführer auf dem Leim geht. Deswegen sind die Wahlmänner per Gesetz nicht an den Wählerwillen gebunden, was  heute allerdings nur noch in 22 Staaten zutrifft.

Alexander Hamilton, einer der Gründerväter, schrieb sogar:

It was equally desirable, that the immediate election should be made by men most capable of analyzing the qualities adapted to the station, and acting under circumstances favorable to deliberation, and to a judicious combination of all the reasons and inducements which were proper to govern their choice. A small number of persons, selected by their fellow-citizens from the general mass, will be most likely to possess the information and discernment requisite to such complicated investigations. It was also peculiarly desirable to afford as little opportunity as possible to tumult and disorder. This evil was not least to be dreaded in the election of a magistrate, who was to have so important an agency in the administration of the government as the President of the United States. But the precautions which have been so happily concerted in the system under consideration, promise an effectual security against this mischief.

Mit anderen Worten: Wenn das System so funktionieren würde wie vorgesehen, dann müssen die Wahlmänner einen Präsidenten Trump jetzt noch verhindern. Zumindest solange, bis Senat und Kongress Trump direkt wählen.
Abgefahren, oder? Da wurde in den Blaupausen des politischen Systems der USA extra eine Trump-Bremse eingebaut. Ironisch, dass ausgerechnet das System, das einen Trump als Präsident verhindern sollte, ihn dazu gemacht hat. Und sich nun niemand traut, die Trump-Notbremse auch zu betätigen.