Sommertour mit der V-Strom durch Frankreich, England, Wales und Schottland. Heute mit Schafen.
Montag, 11. Juli 2022, Hartfield House, Applecross, Schottland
Boah was nerven mich die anderen Gäste in diesem hostel! Gestern Abend die dauertelefonierenden Tröten im Zimmer nebenan, und jetzt stelle ich fest, dass die Fahrer:innen von Miet-SUVs sämtliche Parkverbotsschilder ignoriert haben und den gesamten Vorplatz von Hartfield House zugeparkt haben.
Dabei mangelt es nicht an Autoparkplätzen hinter dem Haus, die Flitzpiepen hier waren nur zu faul, mehr als drei Schritte zu laufen. Damit haben sie die V-Strom praktisch zugeparkt, die auf einer Zierfläche direkt am Haus steht. Nur mit zentimetergenauer Rangiererei zwischen Blumenkübeln, hoppeln über einen Bordstein und einer Fahrt über den Fußgängereingang bekomme ich das Motorrad wieder vom Haus weg.
Beim Vor- und Zurückschieben fällt mir noch etwas Interessantes auf. Ich habe hier schon öfter dicke Kettenschlösser an Motorräder gesehen, und die Gruppe Senioren, die gestern Abend noch gekommen ist, legt auch viel Wert auf Sicherung. Kunstvoll sind drei Motorräder ineinander geparkt und zusammengekettet.
Später bekomme ich, nach einem Hinweis von Suse, mit, dass Motorräder klauen wohl tatsächlich Volkssport in UK ist, besonders um die Großstädte herum.
Es finden sich etliche Forenbeiträge von Schottland-Urlaubenden, die die Heimreise im Flugzeug angetreten haben, weil der eigene Ride abhanden gekommen ist. Gerade um Edinburgh, Glasgow und Inverness herum scheint es Volkssport zu sein, Motorräder von Touristen zu stehlen, damit eine Nacht durch die Gegend zu krajohlen und sie dann zu Schrott zu fahren. Hier der Bericht einer Motorradbloggerin, der ihre Maschine vor dem Zelt weg geklaut wurde. Das war auf einem Campingplatz vor Edinburgh. Kein Wunder also, das die einheimischen Moppedfahrer kiloschwere Ketten mit sich herumschleppen und selbst hier, wo es außer der alten Schule von Hartfield kilometerweit kein anderes Haus gibt, extrem auf Sicherung achten.
Ich hatte tatsächlich nur auf meiner allerersten Motorradreise eine Kette dabei. Später nicht mehr, weil: Zu schwer, oft gibt es keine Gelegenheit zum Anketten der Maschine und slbst wenn, bin ich meist zu faul dazu. Außerdem war es in Italien und anderen Südeuropäischen Ländern nie wirklich nötig. Die meisten Motorraddiebstähle dort, verriet mir mal ein Carabiniere, gehen auf das Kerbholz osteuropäischer Banden. Die stehlen im Auftrag und nur das, was sich gut weiterkaufen lässt, bevorzugt neue BMW-Modelle, keine alten Kawasakis oder Suzukis.
Ich habe lediglich ein Bremsscheibenschloss dabei, was ich selten benutze. Darüber hinaus hat die Barocca einen versteckten GPS-Tracker, der mit Push-Nachrichten auf´s Handy schickt, wenn das Motorrad nur angefasst wird. Wirklich, die Barocca braucht nur jemand schief anzugucken, wenn ich weiter als fünf Meter von ihr entfernt bin, und es macht Dingdong auf dem Handy.
Die Renaissance hat zusätzlich noch einen versteckten Kippschalter, der die gesamte Elektrik lahmlegt. Der hilft nichts, wenn jemand die Maschine wegträgt – aber wenn man nicht weiß, wo der Schalter sitzt, verhindert es, dass der Dieb Spaß mit dem Mopped hat, indem er einfach einen Schraubendreher ins Lenkradschloss rammt und davonbraust.
Von Applecross aus führt die Straße nordwärts am Meer entlang. Es ist diesig und bedeckt, und mit 17 Grad nicht übermäßig warm, aber trotzdem angenehm zu fahren.
Es ist das erste Mal, dass sich die ungefütterten Membranhandschuhe als nützlich erweisen, seit ich die vor fünf Jahren gekauft habe. Bislang waren die weitgehend sinnlos und ich hätte sie fast weggeworfen, weil im Sommer das Wetter meist so ist, das die Hände schnell anfangen daran glitschig zu werden. Aber hier passen die perfekt – ich brauche kein dickes Futter, aber Schutz vor dem Fahrtwind, und die Temperataturen sind exakt so, dass die Membran funktioniert und ich nicht darin schwitze.
Wieder ist die Straße eine Single-Track-Road, die sich aber um die Berge herumwindet, statt über sie hinweg zu führen. Links des Asphalts steht dichter Farn, und darin springen zwei große Tiere herum, die ich zunächst für Hirsche halte. Hey, keine Stag-Party hier!
Erst im aller-aller-letzten Moment nehmen die beiden Reißaus und verschwinden. Waren das Rentiere? Gibt es in Schottland Rentiere?
Andere Tiere gibt es auf alle Fälle. Zottelige Rinder, zum Beispiel.
Und Schafe, natürlich. Jede Menge Schafe, die heute meist in Erdkuhlen kauern, um zumindest ein wenig Schutz vor dem Wind zu haben, der über die Küste und die Landschaft pfeift. Die besteht hier aus Felsen, zwischen denen karges Gras wächst.
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