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Category: Skurril

DAS HEFT oder die seltsamste aller Methoden um Gas zu sparen

DAS HEFT oder die seltsamste aller Methoden um Gas zu sparen

Herr Silencer erläutert das seltsamste Nebenkostensystem der Welt und was das mit dem Ukrainekrieg zu tun hat.

“…Und dann haben sie am Monatsersten DAS HEFT im Briefkasten, und da gucken sie dann rein und überweisen die Nebenkosten oder bringen die in Bar vorbei und dann werfen Sie es uns wieder in den Briefkasten”.   

Hä? Was? Ich saß auf dem Sofa im Wohnzimmer des freundlichen, älteren Ehepaars, in dessen Haus ich gerne einziehen wollte. Gerade hatten sie mir die Nebenkosten erläutert und ich hatte kein Wort verstanden, außer dass DAS HEFT sehr wichtig war.

Aber zum Anfang: Ich bin 2011 nach Mumpfelhausen gezogen. In das Haus des alten Ehepaars. Im Haus gibt es mehrere Wohnungen, alle habe eine eigene Gastherme. Die beiden herzigen Alten waren damals schon über Achtzig und erklärten mir vor dem Einzug zwei Dinge: 1. Das Sie beide ihr ganzes Leben lang Buchhalter gewesen waren und 2. Ihnen das Wohl ihrer Mieter:innen über alles ging.

Zu Letzterem gehörte neben Wohlfühlen-im-Haus und den überaus fairen Mieten für die beiden auch, das sie die Mieter:innen ein wenig vor sich selbst schützen wollten bzw. vor ihrem Konsumverhalten und damit insbesondere vor Nebenkostennachzahlungen. Die hatten in der Vergangenheit wohl schon mal nicht so finanzstarke Mieter:innen in die Bredouille gebracht.

Gegen unliebsame Nebenkostenüberraschungen hatten sich die beiden alten Leutchen in den 70er Jahren ein System ausgedacht, auf das wohl nur Buchhalter kommen können:

  1. Jede Mietpartei zahlt monatlich die Kaltmiete per Dauerauftrag.
  2. Es gibt eine exakte, monatliche Nebenkostenabrechnung. Jeden Monat wird handschriftlich in ein Oktavheft notiert, was man als Nebenkosten überweisen muss. Der Betrag ändert sich von Monat zu Monat. DAS HEFT liegt zum Monatsersten im Briefkasten der Mieter:innen.

Die Nebenkosten, die im Oktavheft notiert sind, bestehen aus:

  1. Einem Sockelbetrag, in dem alle fixen Nebenkosten umgelegt sind.
  2. Dem Wasserverbrauch der Mietpartei. Früher exakt jeden Monat abgelesen, später sehr valide pro Person geschätzt.
  3. Besonderen Kosten, die ein mal im Jahr in einem Monat anfielen, wie z.B. die Wartung der Gasthermen
  4. Dem Gasverbrauch.

Woraus genau der Sockelbetrag besteht, hatten die beiden stets sorgfältig aufgeschrieben. Jedes Jahr händigten Sie allen Mieter:innen ein mit Schreibmaschine getipptes Blatt aus, auf dem alles genau aufgeführt war:

Im Garten steht ein Flüssiggastank, der das Haus unabhängig vom Gasnetz versorgt. Mittels einer über die Jahre immer weiter perfektionierten Formel rechneten die beiden flüssige Liter in Kubikmeter zu jeweils aktuellen Kosten um. Der jeweilige Gasverbrauch in Kubikmetern wurde dann jeden Monat für jede Wohnung exakt abgelesen und sorgfältig per Hand in DEM HEFT notiert. Die Mieter:innen gucken dann in DEM HEFT nach, was sie im Vormonat an Nebenkosten produziert haben und überweisen die.

Das ganze System mit diesen Oktavheften und monatlichem Gasablesen und Einzelüberweisungen klingt erstmal völlig krank und total kompliziert, aber es erfüllt natürlich genau den intendierten Zweck: Am Ende des Jahres kommt keine dicke Überraschung in Form einer fetten Nebenkostennachzahlung hinterher, weil man ja monatlich immer den exakten Verbrauch bezahlt hat.

Der Gastank muss im Dezember und im April befüllt werden. Das bedeutet: Die Mieter:innen bekommen Preisveränderungen ziemlich zeitnah mit.

Staffelübergabe

Ich habe mich immer gefragt, was aus diesem System wird, wenn die beiden alten Leutchen mal nicht mehr sind. Wer macht dann die Abrechnung? Und: Ist es den Mieter:innen nicht zu kompliziert mit dieser monatlichen Überweisung? Wollen die nicht lieber eine Pauschale zahlen statt jeden Monat extra eine Überweisung fertig zu machen, einfach weil es bequemer ist, auch auf die Gefahr einer Nachzahlung hin?

Nun, stellte sich nach dem Tod der beiden Vermieter heraus: Die Mieter:innen des Hauses finden das System mit DEM HEFT so super, dass sie darauf gedrängt haben es beizubehalten. “Monatsanfang, Blick in den Briefkasten, aha, soviel muss ich überweisen, fertig – besser geht´s doch nicht”, sagt die Journalistin aus der Wohnung neben mir.

Die Erben fanden das auch gut und, kurze Rede, langer Sinn: Seit 2016 lese nun ich an jedem Monatsersten den Gasverbrauch der einzelnen Wohnungen ab, berechne die Nebenkosten, notiere die in den Oktavheften und werfe die in die Briefkästen der Mieter:innen.

Ist für mich nicht viel Arbeit, und die monatliche Abrechnung hat WIRKLICH Vorteile. So spüren wir die gestiegenen Gaspreise bereits jetzt, weil der Tank Mitte März befüllt wurde, als die Kosten schon hoch waren. Rund 35 Prozent Erhöhung gegenüber dem über dem Vorjahr zahlen wir jetzt, und seit März sind die Preise noch höher gestiegen. Aber: Dadurch, dass jede Mieterin bereits jetzt die Gaspreise sieht, hat auch jede die Möglichkeit, das eigene Verhalten anzupassen. Und das passiert bereits.

Wir sparen schon

Im April war es hier noch bitterkalt, teils mit Nachts um die -9 Grad. Trotzdem hat Nachbarin Nummer Eins, die sonst immer die höchste Gasrechnung hat, es geschafft, ihren Gasverbrauch um 30 Prozent zu senken. Wie sie das gemacht hat? Nun, nach einem Blick auf die deutlich gestiegenen Kosten hat sie einfach mal einen Pulli angezogen und die Raumtemperatur runtergedreht, und ist nicht den ganzen Tag im dünnen Negligé in der auf 25 Grad beheizten Bude rumgesprungen.

Die Schöne Nachbarin hat 20 Prozent gespart. Wie? “Ich bade halt nicht mehr alle paar Tage”. Die Physikerin unter dem Dach hat den Gasverbrauch sogar auf Null gesenkt. Ihre Wohnung wird eigentlich mit Strom beheizt, das Gasgerät heizt nur das Badezimmer – und das hat sie einfach mal abgedreht.

Ich bin um 15 Prozent runter, weil ich im April gar nicht mehr versucht habe, das schlecht isolierte Schlafzimmer noch zu heizen, sondern mir eine dicke Daunendecke gekauft habe, eine Schlafmütze gegen einen kalten Kopf nutze und zudem nicht mehr jeden Tag dusche, wenn es nicht nötig ist.

Das zeigt: Gas sparen ist mit sehr, sehr einfachen Mitteln in relevantem Umfang möglich. Deshalb sind die “Spartipps” von Habeck nicht so doof, wie sie sich vielleicht anhören. Und deswegen ist DAS HEFT zwar ein seltsames System, aber wenn das üblich wäre und die Leute jetzt schon die Kosten des Gasverbrauchs sehen würden, könnten wir uns viel Gejammer zum Jahresende sparen.

Frischluftlaternen

Frischluftlaternen

Eine der besseren Auswirkungen des pandemiebedingt eingeschränkten Soziallebens: Viele Leute haben angefangen sich Hobbies zu suchen, probieren Dinge aus oder interessieren sich einfach mal für Neues. Nicht selten führte das zu großen Mengen Bananenbrot, bei mir zu Petroleumlampen.

Keine Ahnung wann genau, aber irgendwann während der dritten Welle begann ich, Petroleumlampen schick zu finden. Ich meine diese klassischen Blechlaternen, die in meiner frühen Kindheit allgegenwärtig waren. Auf dem Dorf hatte JEDER so welche zu Hause, und teils wurden sie sogar noch bis Anfang der 80er als Baustellenbeleuchtung benutzt. Ich habe mich immer gewundert, warum in meiner Kindheit die Lampen an Baustellen nur schwach glommen, und das ist die Erklärung: Weil darin entweder ein Teelicht brannte oder ein Petroleumbrenner auf Sparflamme lief! Ernsthaft!

Petroleumlampen sehen fast alle aus wie oben auf dem Bild, und das ist das Modell 276 Baby Special des Herstellers Feuerhand. Die saßen ursprünglich mal seit 1880 als “Firma Nier” im dunklen Erzgebirge und schraubten dort von ihnen erfundene Sturmlaternen zusammen.

Die Bauform war so erfolgreich, dass sie trotz Patents praktisch von jedem Hersteller kopiert wurde und bis heute hergestellt wird. Zum Millionenfachen Einsatz kommen diese Laternen noch überall dort, wo es keine oder nur eine lökerige Stromversorgung gibt – in großen Teilen Afrikas, etwa.

In Deutschland dienten die Laternen bis in die 80er Jahre neben der Baustellensicherung auch als Bestandteil der Katstrophenvorsorge. Die Bundeswehr hatte große Mengen davon in der “Beleuchtungskiste Standard” eingelagert. Heute nimmt man Petroleumlaternen eigentlich nur noch als Notfall- oder als Gartenbeleuchtung. Genau für letzteren Zweck wollte ich so eine Latüchte haben, weil ich das warme, flackerfreie Licht mag.

So fing an mich damit zu beschäftigen, und stieß neben der Geschichte der Firma Feuerhand auch darauf, dass diese Lampen viel cleverer sind, als es auf den ersten Blick wirkt.

Eigentlich ist es ganz einfach: Unten ist ein Tank, in dem ist Petroleum. Kein Lampenduftöl oder sowas, sondern hochwertiges Petroleum, am Besten Paraffinöl. Das ist so rein, dass es kaum riecht, nicht rußt und der Docht nicht verschleißt.

In den Tank hängt ein Docht aus Baumwolle, der durch eine Halterung – den Brenner – in das hochhebelbare Lampenglas geführt ist. Dort ist er vor Wind geschützt und lässt sich über ein Rädchen in der Höhe verstellen. Je weiter der Docht rausgedreht ist, desto höher die Flamme und desto heller das Licht – je nach Einstellung zwischen 5 und 30 mal heller als eine Kerze.

Und nun kommt das Clevere: Damit trotz des Rundum-Schutzes Sauerstoff zur Verbrennung in das Glas kommt, gibt es eine Luftleitung, die von der Kappe an der Spitze über die seitlichen Ärmchen in den Tank und von dort in den Brenner führt. Gefördert wird das Ansaugen von Luft durch die aufsteigende warme Luft von der Flamme. Die Laterne saugt also oben Luft durch den Kamineffekt an und leitet sie nach unten, um die Verbrennung am Laufen zu halten. Durch dieses Zuführen frischer Luft heißen die Dinger auch “Frischluftlaternen” oder “Kaltluftlaternen”.

Das wusste ich bis dahin nicht – ich hatte angenommen, die Ärmchen seien halt Deko oder so.

Der Tank einer normalen 276 Baby Special fasst etwas mehr als 300 ml Petroleum, das reicht für rund 20 Stunden Licht. Das ist recht lang, reichte aber z.B. nicht, um eine Baustellenbeleuchtung über ein Wochenende am Laufen zu halten. Aus diesem Grund gab es Sonderformen mit größeren Tanks, die für 70 oder sogar 120 Stunden Brenndauer reichten.

Das ist so eine “STK 70”, eine 276 mit einem zusätzlichen Windschutz (“Sturmkappe” oder eben abgekürzt STK) oben an der Luftzuführung und einem Tank für 1,1 Liter Petroleum. Ein Ebay-Kauf.

Doof nur: Als sie hier ankam, brannte sie nicht ordentlich und ging dauernd aus. Also mal auseinandergebaut, was schnell und ohne Werkzeug geht…

…und da haben wir den Übeltäter. Der Docht war nicht nur uralt und hart, er war auch abgebrannt und viel zu kurz.

Normalerweise verschleißen Dochte nicht, wenn ordentlicher Brennstoff verwendet wird, aber das hier ist auch definitiv nicht der richtige für eine STK 70.

Wegen des großen Tankinhalt muss der Docht länger sein, damit er bis zum Boden reicht. Zum Glück gibt es das Zeug als Meterware:

Das allein reicht aber nicht. Das Öl zieht ja durch den Kappilareffekt den Docht hoch, und das geht nur bis zu einer gewissen Höhe.

Damit die großen Sturmlaternen ihren Tank auch wirklich leerrüsseln können, braucht der Docht eine Saughilfe. Das kann einfach ein Streifen Filz sein, der an den Docht getackert wird und dabei hilft, die letzten Petroleumreste aufzusaugen und den Docht zu versorgen.

So, besser. Damit brennt die 276 wieder ordentlich und 70 Stunden lang.

Noch ein Reflektor oben druff, den Schmiedin Linda in ihrer kleinen Edelstahlmanufaktur gefertigt hat…

…und fertig ist das Gartenlicht, dass sich so hell stellen lässt, dass ich dabei sogar im Dunkeln lesen kann.

Ich freu mich über diese Antiquität. Definitiv besser als Bananenbrot.

Picadilly Report: Die Schnüffeltafel

Picadilly Report: Die Schnüffeltafel

Jeder erinnert sich noch an bestimmte Szenen aus dem Film “Minority Report”. Zum Beispiel wie Tom Cruise mit seinen Handschuhen in der Luft rumfuchtelt um ein Videobild zu durchsuchen. Oder wie er durch die Stadt läuft, und Werbetafeln ihn identifizieren um auf ihn zugeschnittene Werbung anzuzeigen. Letzteres passiert in London nun tatsächlich.

Die berühmte Anzeigetafel am Picadilly Circus war neun Monate lang dunkel. Das ist ungewöhnlich, denn das Ding ist ein Londoner Wahrzeichen und läuft seit dem zweiten Weltkrieg nahezu durchgehend, auch wenn immer mal wieder einzelne Teile der fast 4 Tennisplätze großen Werbefläche ausgetauscht wurden. In den letzten 72 Jahren gab es nur zwei geplante Unterbrechungen an denen die Werbetafel tatsächlich komplett schwarz blieb: Während den Beisetzungen von Winston Churchill und Lady Diana.

Und nun also ein neun Monate dauernder Ausfall? Was machen die da so lange?, fragten sich nicht nur die Londoner. Nun stellt sich raus: Es wurden nicht nur die alten LED-Bildschirme gegen neue, gebogene HD-Panels ausgetauscht, es wurde auch massive Überwachungstechnik in die Werbetafel integriert.

Versteckte Kameras in den Bildschirmen betreiben Gesichtserkennung bei Passanten und identifizieren die Marken vorbeifahrender Fahrzeuge. Basierend auf erkanntem Geschlecht, Alter und Stimmung der Passanten und Marken der Autos soll dann demografisch passende Werbung angezeigt werden. Das ist noch nicht ganz so krass wie im eingangs erwähnten Science Fiction Film von 2002, in dem die Werbetafeln die Netzhäute jeder Person scannten und ganz personalisierte Werbung zeigten. Aber es ist krass genug damit ich mich unwohl fühle. Wie gut das System funktioniert, bei der schieren Masse an Personen und Fahrzeugen die an diesem Knotenpunkt vorbeikommen, wird sich zeigen.

Die Schnüffeltafel noch einen zweiten Pfeil im Köcher, der im Zweifel viel effektiver ist: Sie erzeugt ein offenes WLAN. Was sich nach nettem Service für Touris anhört, ist eine wahre Informationsgoldmine: Über jedes eingewählte Gerät und seine Nutzung werden Informationen abgegriffen.

Und das ist erst der Anfang.

Bleichetrinker

Bleichetrinker

Noch ein kleiner Nachtrag zum gestrigen Impfartikel: Ich habe mir den Impfgegner, den sich Nicki und Moe gefangen haben, noch mal ein wenig angesehen. Wir erinnern uns: “Wer gesund ist, der braucht keine Impfung” war seine Grundaussage. Und wie bleibt man gesund? Natürlich durch die Einnahme von MMS!

MMS war mir vor einiger Zeit schon untergekommen, ich habe aber schlicht vergessen über diesen kranken Mist schreiben. MMS, das ist die Abkürzung für “Magical Mineral Supplement”, also in etwa “Magische Mineralien Nahrungsergänzung”. Hört sich harmlos an, oder? Ich assoziiere mit “Nahrungsergänzung” jedenfalls automatisch Brausetabletten, die nach künstlichem Orangenaroma schmecken. Aber weit gefehlt, damit hat MMS nichts zu tun.

MMS sei nämlich weitaus potenter, sagt sein “Erfinder”, der Amerikaner Jim Humble. Bei oraler Einnahme soll es vor allen Arten von Krankheiten, insbesondere vor Malaria und Hepatitis, schützen. Außerdem soll es Krebs heilen, genauso wie Demenz, AIDS und Autismus. Als Einlauf verabreicht befreit es den Körper von zahlreichen Giften und von den Seilwürmern, die angeblich jeder Mensch in sich trägt.

Seilwürmer?

Hört sich nach liebenswerter Spinnerei an, ist es aber nicht. Denn bei MMS handelt es sich keinesfalls um Brausetabletten, sondern um Natriumchlorit. Wer jetzt an Kochsalz denkt liegt falsch, denn das wird hinten mit d geschrieben. Natriumchlorit mit “t” ist weit weniger harmlos, denn dabei handelt es sich um chlorige Säure. Nach Humble soll man die noch mit Salzsäure mischen und das daraus enstehende, giftige und ätzende Chlordioxid trinken oder als Einlauf nehmen. Verkürzt: Die MMS-Anhänger trinken Chlorbleiche.

Ernsthaft. Das Zeug ist ätzend und findet sich sonst in Abflußreinigern und Reinigungsmitteln auf Chlorbasis, und die MMS-Anhänger machen damit Spülungen, trinken es und verabreichen sich Einläufe. Wird ihnen davon schlecht, ist das ein Beweis der Wirksamkeit. Die vermeidlichen “Seilwürmer” sind nichts anderes als verätztes Darmgewebe, das sich großflächig gelöst hat und zusammengerollt ausgeschieden wird.

Für den Ex-Scientologen Jim Humble ist MMS ein tolles Geschäft. Damit ist er durchaus in der Tradition der fahrenden Schlangenölverkäufer im Wilden Westen zu sehen, den Herren mit Weste und Zylinder, die von ihren Kutschen herab grüne Flaschen mit einem Wunderelixir verkauften. Fielen den Leuten dann die Haare aus, weil darin so feine Zutaten wie Quecksilber war, war das nur ein weiterer Beweis der Wirksamkeit.

Schlangenöl vs. Medizin

Da sind wir nun, im Jahr 2017, und wieder verkauft jemand Schlangenöl. Und das in einem Umfang, dass mittlerweile die Behörden davor warnen müssen. Denn dieser kranke Mist verbreitet sich: Es gibt Chlorbleiche-Seminare, Onlineshops zum Bezug des “Wundermittels” und in Facebookgruppen tauschen sich Eltern über die “Therapie” ihrer Kinder aus und darüber, wie viele Seilwürmer man damit schon losgeworden sein. Die Kinder nicht impfen lassen, aber ihnen Chlorbleiche rektal verabreichen. Wi-Der-Lich.

Um zu unserem eingangs erwähnten Impfgegner zurückzukommen: Der führte ein MMS-Tagebuch im Netz, in dem er seine Eigenbehandlung über die Zeit dokumentieren wollte. Es hat genau zwei Einträge:

1. Eintrag: MMS Tropfen kaufen – Wo bekomme ich Jim Humbles Miracle Mineral Supplement?
2. Eintrag: Tag 1 ist überstanden, ich lebe noch

Beide Einträge sind vom 26.06. letzten Jahres. Danach kommt nichts mehr, die Dokumentation endet schlagartig nach der Einnahme.
Chlorbleichetrinker.
Es gibt Sachen, die KANNSTE Dir beim besten Willen nicht ausdenken.

Let there be LED

Let there be LED

“Wir haben alle Beleuchtungselemente gegen LEDs ausgetauscht, und damit sparen wir pro Jahr 400.000 Euro Stromkosten ein”, sagt die Führerin im Aquarium von Genua und freut sich sichtlich. Ob über die Stromeinsparung oder darüber, dass die Aussage den gewünschten Effekt hat und das Publikum beeindruckt murmelt, ist nicht erkennbar.

LED-Lampen sind ja auch super. Hell, geringer Stromverbrauch, kurze Schaltzeiten und, anders als ihre bucklige Verwandschaft, die Energiesparlampe, nicht giftig. Energiesparlampen enthalten Quecksilber, die sind nach Gebrauch als Sondermüll zu behandeln und müssen bei der Giftannahmestelle vorbeigebracht werden. Kein Witz.Natürlich donnern alle Leute alte Energiesparlampen in Altglascontainer. Vermutlich sterben uns in den nächsten Jahren die Altglascontainersammler alle an Quecksilbervergiftung weg.

Mit LEDs kann das nicht passieren. Also alles super? Eigentlich ja, aber… LED-Lampen haben sich rasend schnell verbreitet (was gut ist), und in einigen Bereichen wurde vorher einfach nicht nachgedacht. In den USA stellte man in diesem Winter erstaunt fest, das LEDs kaum Wärme produzieren. Hätte man vorher wissen können, fiel aber erst auf, als sich pappiger Schnee auf Ampeln festsetzte und nicht, wie bei konventionellen Leuchtmitteln, wegtaute. Damit waren die Lichtsignalanlagen effektiv verdeckt und es gab haufenweise Unfälle. Hier hatte man schlicht vergessen das Ampeldesign anzupassen.

Das beste Beispiel habe ich vor der Haustür. In Mumpfelhausen wurde im vergangenen Jahr die Straßenbeleuchtung auf LEDs umgestellt. Auf superhelle LEDs, die warmes Licht verbreiten. Das ist dem Tageslicht nicht unähnlich. Für mich war das seltsam, aber die Tierwelt hat es ganz aus der Bahn gekickt. Vögel singen nun auch des Nachts, weil sie nicht mitkriegen dass die Sonne untergegangen ist. Am Schlimmsten aber hat es den Hahn getroffen, der gegenüber meines Schlafzimmerfensters wohnt. Das arme Tier sollte ja zum Sonnenaufgang mit Gejodel anfangen, aufgrund der komischen Lichtverhältnisse beginnt er manchmal schon um Mitternacht, spätestens aber um 03.00 Uhr Morgens mit seinem durchdringenden “Kickerikiii”. Und das ist harte Arbeit, denn er macht das alle 10 Sekunden und bis zum späten Nachmittag. Das Viech bekommt kaum noch Schlaf und stirbt vermutlich bald an Burnout. Nunja, in dem Fall könnte ich mal wieder ohne Ohrenstöpsel schlafen.

Das ist aber alles kein Grund LEDs doof zu finden. Ich habe gerade gestern die letzte konventionelle “Birne” entsorgt und gegen ein LED-Leuchtmittel ausgetauscht. Ich will nämlich auch 400.000 Euro im Jahr sparen. Sie dürfen jetzt beeindruckt Murmeln.

Der iPad-Kurs

Der iPad-Kurs

Gastbeitrag von Herbert Plusch

Herr Plusch ist seit einigen Jahren Buchhalter bei Herrn Silencer. Er ist nicht mehr der Jüngste, aber technischen Neuerungen gegenüber nicht nur aufgeschlossen, sondern geradezu begierig darauf, sich mit neuer Technik auseinanderzusetzen. Kürzlich erlebte er eine Geschichte, die er hier als Gastautor zum Besten gibt.

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Ich habe mir vor nicht allzu langer Zeit ein iPad angeschafft. Das war eine gute Entscheidung. Um noch besser damit umgehen zu können, habe ich an einer Bildungseinrichtung einer Universitätsstadt an einem ganz normalen Donnerstag in den Abendstunden einen Kurs belegt. Das war eine nicht ganz so gute Entscheidung. Mitzubringen war übrigens das eigene und bitte auch aufgeladene iPad.

15 Personen befinden sich in einem Raum.
Einer steht, das ist der Dozent. Wie sich später herausstellt, ist er sehr gut und mit einer unmenschlichen Geduld gesegnet.

14 Personen sitzen also in einem Raum. Mein Nebenmann und ich sowie 12 weibliche Kursteilnehmerinnen.
Meine Nebenfrau ist extrem jung, so in etwa 40 Jahre alt.
Es bleiben noch elf der Jugend schon ein wenig entwachsende Damen so in der Altersgruppe von 55++.

Der Kurs hatte noch nicht begonnen, sah eine der Elfergruppe in ihre Tasche, blickte entsetzt hoch, und folgender Dialog entwickelte sich:
Werfen Sie mich jetzt raus?
Der verwirrte Dozent fragte: Warum soll ich Sie rauswerfen?
Ich habe mein iPad vergessen.
Großherzig erlaubte der Dozent der Dame, zu bleiben.

Der Kurs beginnt also mit 14 Sitzenden. Jetzt folgen so einige Anmerkungen, ausschließlich aus der Generation 55++.

Was, mit einem iPad kann ich ins Internet?

Was, mit einem iPad kann ich Mails lesen?

Was ist ein eMail-Account?

Schade, ich kann mein iPad nicht für Mails nehmen, ich habe 2 eMails.
(Auf Rückfrage des Dozenten ergab es sich, dass die 55++ tatsächlich über zwei Accounts verfügt.)

Kann man im Nachhinein feststellen, ob mein Sohn oder mein Enkel mir da irgendwelche Spiele auf das iPad getan hat?

Ich war mit meinem iPad noch nie im Internet.

Aber es ist doch eingerichtet, das geht nur über das Internet.
Da müssen Sie sich irren, mein iPad war noch nie im Internet.

WLAN haben wir zuhause nicht.
Aber Sie sind zuhause im Internet?
Ja.
Und wie?
Keine Ahnung, jedenfalls haben wir kein WLAN.

Wenn ich jetzt mein iPad so einstelle, das ich den Hotspot von McDonald nutzen kann, muss ich dann zukünftig jedes mal nach McDonald, wenn ich Mails lesen will?

Haben Sie eigentlich ein iPad? Das von Apple oder das von Samsung?

Der mit Abstand beste Dialog fand über dieses Thema statt. Beteiligt sind eine 55++ und der Dozent:

Wieso reden Sie die ganze Zeit vom iPad von Apple?
Das iPad ist von Apple.
Mein iPad ist von Samsung.
Es gibt kein iPad von Samsung!
Und was ist das hier (Gerät hochhaltend).
Das ist ein Tablet von Samsung.
Sag ich doch, iPad von Samsung!!!
Nein, ein Tablet von Samsung, kein iPad.
Das finde ich aber jetzt nicht gut. In dem Programm der (Bildungseinrichtung) steht nicht, dass es nur von Apple das iPad gibt. Da steht nicht, dass der Kurs nicht für iPads von Samsung geeignet ist.
(Augenrollen, unterdrückte Muskelkrämpfe und vielleicht auch Mordgelüste des Dozenten).
Was ist denn für ein Betriebssystem auf Ihrem Tablet?
Sag ich doch die ganze Zeit, das ist Samsung.
Betriebssystem?????
Was gibt es denn da?
Windows oder Android.
Ist das auch von Samsung?
Prüfender Blick des Dozenten und nähere Betrachtung des Gerätes: Android!
Ich will Sie nicht loswerden (wollten wir aber alle), aber wollen Sie nicht lieber auf einen Android-Kurs umbuchen?
Und dann machen wir dann das Andro-Dingda mit dem iPad von Samsung?
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!

Zu unserer Erleichterung ging nun die 55++ lebend und aufrecht durch die Tür, ohne dass irgendwelche spitzen Metallgegenstände in ihrem Körper steckend sie daran gehindert hätten. Viel hätte aber nicht gefehlt, und die spitzen Metallgegenstände hätten in ihrem Körper nicht gefehlt.
Entsetzte Blicke der Verbleibenden.

Ich bin mir nicht sicher, was die entsetzten Blicke bei einigen 55++ ausgelöst hat und ob alle den tiefen Sinn verstanden haben.

Manches sollte ein Geheimnis bleiben.

Bildblog ist Malware?

Bildblog ist Malware?

Das hier erscheint, wenn ich versuche auf meinen Google Reader zuzugreifen:

screenshot_2013-04-16_11-29-43

Äh, WAS BITTE? Das Bildblog soll Malware sein? Und ich dachte bislang, dass nur der Springer-Verlag so denkt.

[Update:] Wenn man aus der Google Suche heraus mit Google Chrome direkt auf www.bildblog.de geht, kommt die Meldung ebenfalls.

[Update 2:] Sieht so aus, als wäre über ein Werbebanner Schadcode eingeschleust worden, ähnlich wie bei SPIEGEL Online neulich. Aber da ist man sich wohl auch nicht ganz sicher:

Bildschirmfoto 2013-04-16 um 14.39.02

[Update 3, 17.4.] Alles wieder OK – Google hat die Einstufung zurückgenommen.

Internetexplorerproblembehebung

Internetexplorerproblembehebung

Das hier ist mein heutiger Desktop. Das Chrome-Icon unten links ist neu. Chrome benutze ich dauernd, aber nicht über eine Desktopverknüpfung. Keine Ahnung woher die kommt.

desktop

Das merkwürdigste aber: Unter dem Icon steht gar nicht “Chrome” sondern “Internetexplorerproblembehebung”.

2013-01-19 17_41_47-Öffnen

Chrome als Lösung für das Problem Internetexplorer.
Ich lachte laut und hart und befand das für nicht falsch, aber seltsam.

Satzzeichen?

Satzzeichen?

“Nein, eben nicht “Segen oder Fluch?”. Kein Satzzeichen! Kein Fragzeichen, kein Ausrufezeichen, einfach nur “Internet – Segen oder Fluch”, so fluchen die Autoren Sascha Lobo und Kathrin Passig, wenn doch wieder einer am Ende des Titels ihre aktuellen Buches die Stimme hebt und den Titel als Frage vorträgt. Das Buch heisst: “Internet – Segen oder Fluch”. Ohne Fragezeichen. Kein Punkt dahinter. Kein Ausrufezeichen.

In nahezu jedem Interview betonen die beiden, dass man hier unvorbelastet an das Thema rangegangen ist, und eine Bestandsaufnahme gemacht hat, bei der Neugierige, Internetängstliche und Internetbegeisterte gleichermaßen die Welt erklärt bekommen.

Und was macht ihr Verlag? Rowohlt hat offensichtlich das Konzept nicht verstanden und versendet, wenn man das eBook runterlädt, solche Mails:

Download-Link eBook “Internet – Segen oder Fluch?”
Von: Rowohltverlag
An: Silencer137

Liebe(r) Sil Encer,
mit dem untenstehenden Link können Sie das E-Book “‘Internet – Segen oder Fluch?” von Kathrin Passig und Sascha Lobo in dem von Ihnen ausgewählten E-Book-Format herunterladen.

Und es wird noch besser: Durch die Codierung auf den Nutzer empfangt einen auch das eBook selbst mit der persönlichen Anrede – und dem falschen Titel. Beim Aufschlagen steht auf der ersten Seite:

“Sehr geehrte/r Sil Encer,
wir freuen uns, dass Sie das E-Book “Internet – Segen oder Fluch?” (…) heruntergeladen haben.

Manmanman. Wenn das der Lobo sieht, dreht der ab und tritt denen die Tür ein. Wenn das die Passig sieht, dreht sie sich nochmal auf die andere Seite und setzt das Nickerchen fort.

[Update 26.11.12]

Oh, Rowohlt hat sich gemeldet:

Sehr geehrter Herr Silencer,

vielen Dank für Ihr positives Feedback, das mich sehr freut. Mit Ihrem Hinweis auf das verbotene Fragezeichen haben sie völlig recht, das böse „?“ haben wir jetzt aus den Texten gelöscht. Danke dafür!

Herzliche Grüße aus Reinbek,

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Einhornapotheke

Einhornapotheke

Kleiner Nachtrag zu Trier und Scharzfeld: Ich habe mich ja weggeschmissen, als ich neulich in Trier an dieser Apotheke vorbeikam. Eine Apotheke, die ein mystisches Fabelwesen im Namen trägt und homöopathisches Schnickikram verkauft, da kommt doch zusammen was zusammen gehört. Musste ich sofort ein Foto von machen und wollte später ein wenig Häme darüber auszukippen.

Tatsächlich ist es aber nun so, dass es wohl ganz viele Einhornapotheken gibt. Einhorn galt früher als ausgezeichnetes Gesundheitsmittel. Zerstossene Einhornknochen in Wasser, die sog. Einhornmilch, half gegen alle Arten von Zipperlein. Und das Einhornblut, zerstossener Einhornknochen mit Rotwein, war das Potenzmittel überhaupt.

Das ist der Grund, warum es es überall Einhornapotheken gibt, und vermutlich ist das auch die Ursache, das Einhörner, obwohl es keine Märchen oder Lieder über sie gibt, nie wirklich in Vergessenheit gerieten. Die Nachfrage nach Einhornknochen war zeitweise gigantisch hoch, und gerade die Harzbewohner, die in den tiefen, dunklen und geheimnisvollen Tälern des Harz Moos ansetzten, waren nicht doof und behaupteten, dass es SELBSTVERSTÄNDLICH in ihrem Mittelgebirge Einhörner gäbe. Im Harz kann man sonst nur arbeitsintensiven Bergbau betreiben, da nahm man leicht mit Einhornknochen verdientes Geld gerne mit. So etablierte sich das Harzgebiet lange Zeit als Lieferzentrum erstklassiger Einhornknochen.