Im Sommer 2014 reiste Herr Silencer mit dem Motorrad durch Europa. 24 Tage, 7.187 Kilometer, durch sechs ein Viertel Länder. Heute geht´s weiter quer durch Frankreich, bis an die Mittelmeerküste.
Sonntag, 08. Juni 2014
Der Tag beginnt mit… Nutella. Ich habe keine Ahnung wie lange ich schon kein Nutella mehr gegessen habe. Das letzte Mal ist gefühlt ein Jahrzehnt her, aber als der Gastwirt ein Gals Nutella zur Tür des Frühstücksraums reinhält, zaghaft grinst und den Kopf fragend schief legt, muss ich lachen und kann gar nicht anders, als heute Morgen Nutella zu essen. Ich bin der einzige Gast in einem großen, alten Esssaal, in den ganze Hochzeitsbanketts passen würden. Der Saal ist ganz in Weiß gehalten und mit blauem Lack abgesetzt, ganz anders als die Kneipe und das Café einen Raum weiter, die in warmen Gelb- und Organgefarben gehalten sind. Wie das ganze Hotel Magne wirkt auch der Festsaal alt, aber auch vornehm, eine dörfliche 30er-Jahre-Art von Vornehm.
Ich mache dem Wirt ein Kompliment über sein Haus, und in seinen Augen blitzt es freudig auf. Gastwirte freuen sich immer, wenn man ihr Haus lobt. Er lächelt. „Das Haus ist drei Häuser in einem“, sagt er stolz, “ Hotel, Restaurant und Festsaal. Es ist seit vier Generationen im Besitz meiner Familie.“ Das erklärt auch das altertümliche Bettgestell, das wurde bestimmt noch von den Gründern angeschafft.
Nach einem großen Metallkrug voll gutem Kaffee und einem halben Baguette mit, hihi, Nutella packe ich meine sieben Sachen und trage die Koffer zur Renaissance. Die hat die Nacht im Schuppen des Hotels verbracht hat, zwischen Bierfässern, einem Weltkriegsmofa und unter einem Vogelpärchen, das im Gebälk nistet. Monsieur öffnet die Torflügel, und das Motorrad rollt hinaus in die Morgensonne.
Der Ort Saurier liegt eingeklemmt zwischen zwei großen Bergen, und durch die Schlucht steuere ich das Motorrad hinaus aus einem kleinen Gebirge. An hohen Felswänden führt die Straße entlang, und zu meiner Verwunderung finde ich mich plötzlich im Dorf Perrier wieder. Das mit dem Wasser, wissen schon. Hier aus der Auvergne kommt das meiste Flaschenwasser Frankreichs. Bei Issoire geht es auf die Südautobahn A75, die aus irgendeinem Grund mautfrei ist. Sie hört auf den schönen Namen „Meridienne“. Ich habe keine Abneigung dagegen Kilometer zu machen, und dafür eignet sich die A75 hervorragend. Zumal sich die Meridienne für eine Autobahn ungewöhnlich abwechselungsreich benimmt: Mal verläuft sie auf 1.000 Meter Höhe und ermöglicht atemberaubende Blicke ins Umland und in tiefe Schluchten, dann führt sie an Sehenswürdigkeiten vorbei, wie der spektakulären Tarn-Schlucht oder dem Ort Chaudes-Aigues mit seiner riesigen Festung und seinem 82 Grad heißen Thermalquellen. Ein anderes Mal windet sie sich in engen Kurven um Felsmassive und verschwindet in langen Tunneln. Manchmal sind nur noch 70 Km/h erlaubt, und man tut gut, sich daran zu halten.
Überhaupt, das französische System für Geschwindigkeitbegrenzungen ist äußerst fair. Im Ort ist halt 50, Außerorts 90. Ganz einfach. Wenn außerorts auf 70 km/h oder weniger reduziert wird, dann kommen garantiert auch enge Kurven, unübersichtliche Kreuzungen oder anderes, was das rechtfertigt. Ganz anders als in Deutschland, wo auf vielen Strecken überängstlich oder WEIL MAN ES KANN begrenzt wird und auch anders als in Italien, wo vielerorts die Höchstgeschwindigkeit um den Faktor Größenwahn zu hoch oder willkürlich auf Schleichfahrt begrenzt ist. Nein, angemessene Geschwindigkeit können die Franzosen. Genauso wie das Rechtsfahrgebot beachten, Kreisel, Reißverschlussverfahren und blinken. Oh, das Blinken. Viele Franzosen blinken so gerne, dass sie auf der rechten Spur mit Blinker links fahren. Vollkommen hirndübelig, aber anscheinend ist der Akt, den Blinker wieder aus zu machen, für viele Franzosen doch zu kraftraubend.
Die Meridienne führt über die Brücke von Millau, dem Vernehmen nach die schönste Autobahnbrücke Europas.
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