Hands on: iPad
Das iPad. Seit seiner Vorstellung durch Steve Jobs brennen der versammelten Apple-Fangemeinde die Geldscheine Löcher ins Portemonnaie. Als öffentlich wurde, dass sich der Verkaufsstart in Europa auf Ende Mai verschieben würde, war sogar eine starke Erschütterung in der Macht zu spüren – als ob Millionen Seelen plötzlich in großer Pein aufschreien würden.
Das iPad wird sehnlichst herbeigewünscht, und wie das so mit Sehnsucht und Vorfreude ist: Das Objekt der Begierde wird schnell überhöht und idealisiert. Die Realität holt einen dann doch meist auf den Teppich zurück. Beim iPad ist das gerade extrem zu beobachten: Wenn man verfolgt, welche gerade zu mystischen Eigenschaften (“Wird die Verlage retten”) ihm zugeschrieben wird, könnte man glatt auf die Idee kommen, es handele sich quasi um das Einhorn der Technikszene.
Am Wochenende hatte ich Gelegenheit es in der Hand zu halten. Das iPad existiert wirklich, anders als Einhörner kann man es tatsächlich berühren. Die Form gefällt. Das Gehäuse ist aus Alu und an den Ecken schön gerundet. Es fühlt sich griffig an, man muss wohl keine Sorgen haben, dass es einem aus den schweißnassen Händen rutscht. Das Display ist wie das der iPhones und iPods: Wunderschön farbig und hell. Insgesamt hätte ich mir das Gerät nach den Abbildungen größer vorgestellt, aber so liegt es gut in der Hand.
Die Bedienung ist natürlich ein Kinderspiel. Was mich erstaunt hat: Die Schwuppdizität (gefühlte Reaktionszeit der Benutzeroberfläche) wurde noch weiter erhöht. Man muss quasi nur daran denken eine App aufzurufen, und schon ist sie da.
Wirklich schön gemacht sind einige der Apps, die nativ für das iPad geschrieben wurden. Z.B. die interaktive Ausgabe von Popular Science, die auf meinem Testgerät installiert war. Eine quasi magische Zeitung, in der man Textkästen verschieben kann um die Bilder näher zu betrachten, Links und Erklärungen direkt im Text aufrufbar sind und sogar die Werbung Spass macht, weil sie so neu und anders ist. Auch die Marvel-App ist großartig, die den Nutzer durch Zooms und Schwenks durch ganzseitige Panels führen kann und dadurch eine ganz neue Art der Comicerzählung erfindet.
Der Emulationsmodus für iPhone-Apps ist dagegen Grütze. Sie werden entweder in Orginalgröße angezeigt und wirken total fuzzelig und verloren, oder sie werden hochskaliert und sind dann pixelig.
Richtig Power haben die WLAN-Antennen im iPad. In Entfernungen zum WLAN-Router, in denen andere Geräte schon lange keinen Empfang mehr haben oder 20-Zentimeter Richtantennen brauchen, hatte das iPad immer noch Empfang.
Das schwerwiegenste Problem des iPads ist genau das: Es ist schwer. Nicht ohne Grund sieht man die Leute in der Werbung auf eine Couch gelümmelt, mit hochgezogenen Knien, auf dem das Pad balanciert wird. Mit seinen 700 Gramm kann man es nämlich schlicht nicht länger als ein paar Minuten mit einer Hand halten, weil einem sonst der Daumen abfällt. Vermutlich sorgt das iPad für regem Andrang bei Orthopäden, die ausgekugelte oder chronisch überlastete Finger und Handgelenke richten müssen.
Insgesamt muss ich sagen: Schönes Gerät, etwas kleiner und schwerer als erwartet. Apple hat nahezu alles richtig gemacht, aber ob es nun die Welt revolutionieren wird, hängt maßgeblich von der Güte der Software ab. Kein Verlag wird gerettet, wenn er nur doofe PDFs auf das iPad bringt.
So schön das Gerät ist, ich werde mir das iPad nicht kaufen.
– Erstens: Die goldene Regel “Kaufe nie ein Modell der ersten Serie” hat auch beim iPad Gültigkeit.
– Zweitens: Ein iPad ohne viel Speicher und 3G-Anbindung bringt überhaupt nichts, und entsprechend ausgestattete Modelle sind im Moment zu teuer.
– Drittens: Ich würde mal erwarten, dass die nächste Generation HD-Qualität und Kameras mitbringt. Beides wird das Anwendungsfeld des iPads drastisch erweitern.
Bis sich die Punkte 2 und 3 (und damit automatisch auch 1) geändert haben, kann ich gerne noch warten. Zumal sich das iPad letztlich seinen Bedarf selbst schafft, denn niemand BRAUCHT es wirklich. Sagt zumindest die Ratio, auch wenn die bei Apple-Produkten ja gerne mal aushakt.