Post-OP
Plötzlich stehe ich in der Küche, in der rechten Hand den Autoschlüssel, in der linken ein USB-Kabel, und habe keine Ahnung was ich damit vor habe. Ich will weder Auto fahren noch irgendwas irgendwo dranstöpseln. So hatte ich mir die Nachwirkungen der Operation bzw. der Vollnarkose nicht vorgestellt.
Übelkeit, Kotzen und Schmerzen, so hatte ich mir das vorgestellt, aber nicht, das Übelkeit, Kotzen und Schmerzen ausbleiben und ich einfach… dumm werde. Also, noch dümmer als sonst. Aktuell fände ich vermutlich sogar Privatfernsehen unterhaltsam. So wie ich mich jetzt fühle, geht der durchschnittliche RTL-Zuschauer vermutlich dauernd durch die Welt. Der Unterschied: ich kann mich an eine Zeit erinnern, da war ich mal…äh… schlauer. Und habe nicht alle fünf Minuten vergessen was ich wollte. Das war so ungefähr… vorgestern.
Zwischen Vorgestern und heute, also gestern Morgen, hielt die Anästhesistin dann diese durchsichtige Maske vor meine Nase und sagte “Jetzt bekommen sie ein wenig Sauerstoff, und dann dauert es noch ein bis zwei Minuten.” Sauerstoff? Cool, ich habe noch nie Sauerstoff geschnüffelt, davon soll man doch euphorisch werden, dachte ich noch so bei mir und blinzelte, und genau nach der Dauer dieses Lidschlags war der OP und der Chirurg und Schwester Bettina um mich herum verschwunden, und ich lag in einem Bett, guckte aus dem Fenster auf einen Apfelbaum und den blauen Himmel und es war eine Stunde später. Ich durfte danach noch eine halbe Stunde liegen bleiben, dann sollte ich aufstehen. Das ging auch ohne Probleme, immerhin ist mein Kreislauf das Shetland-Pony unter den kardiovaskulären Systemen: Ausdauernd und unheimlich belastbar, den wirft so schnell nichts um. Aufstehen, herumgehen, Leute erkennen, halbwegs sinnvolle Gespräche führen – das klappte auch alles.
Sehr schön war auch, dass ich danach in einem Aufwachraum sitzen durfte, in einem bequemen Ledersessel mit Fußhocker. Da guckten dauernd ganz neidisch die Leute rein, die dachten, das wäre der Warteraum für Privatpatienten, während die selbst in das Wartezimmer mit den kleinen Plastikstühlchen mussten. Hihi.
Dann ging es erstmal ab nach Hause, aber nicht allein. Eigentlich hätte ich nach der OP in ein Taxi steigen und nach Hause fahren wollen, aber das hat die Narkoseärztin nicht erlaubt. Dooferweise hat sie mir das erst drei Tage vorher gesagt, was die Organisation einer 24-Stunden-Betreuung nicht einfacher gestaltete. “Ohne Betreuung geht aber nicht. Stellen sie sich vor, sie wollen Tee kochen, und in dem Moment passiert was und sie verbrühen sich und liegen da allein in ihrer Küche!”, hatte sie fantasiert. “Ich trinke keinen Tee”, hatte ich eingewandt. Nein, sie blieb da hart. Zum Glück waren rein zufällig an dem Tag liebe Leute im Land, die eine rührende Überwachung gewährleisten konnten. Dabei bin ich nichtmal auf die Idee gekommen mir Tee zu machen, sondern habe fast den ganzen Tag verpennt.
Und auch heute noch, am Tag danach, bin ich müde, nicht leistungsfähig und… dumm. Eigentlich geht es mir körperlich gut, aber ich mache halt dumme Sachen. Wie die Sache mit dem Autoschlüssel und dem USB-Kabel. Oder der Banane. Oder einen dreistelligen Geldbetrag testweise auf das neue Girokonto überweisen und erst danach feststellen, dass ich mich in der Kontonummer verhauen und fremde Leute beglückt habe UND DANN auch noch die doofe Volksbank anrufen muss um einen Rückrufauftrag zu starten.
Ach, ich lasse das jetzt mal alles sein, lege mich ins Bett, gucke RTL und hoffe, dass dieses Gefühl, statt eines Hirns einen minderbegabten Kohlrabi zwischen den Ohren zu haben, bald wieder weggeht.