Momentaufnahme: April 2024

Momentaufnahme: April 2024

Herr Silencer im April 2024

“Io voglio il soleeee”

Wetter: Anfang des Monats bricht der Sommer aus: Über 20 Grad und Sonnenschein! Mitte des Monats wird es dann aber wieder krass kalt, mit nur -3 bis 5 Grad und Schnee. Erst die letzten Tage des Monats bringen wieder sommerliche Temperaturen und ein wenig Sonne.


Lesen:

Brian K. Vaughn, Fiona Staples: Saga [Graphic Novel, Vol. 1-11, 2014-2023]
Der Weltraum: Ein Planet mit hohem Technologieniveau führt Krieg gegen die Bewohner seines Mondes, die sich mit Magie wehren. Verträge und Beistandserklärungen ziehen die halbe Galaxis in diese blutige Auseinandersetzung. Mitten in diesem Chaos passiert etwas Unerhörtes: Eine Kriegerin der Techniker verliebt sich in eine Soldaten der Magier. Die beiden zeugen ein Kind, und das erzählt in der Retrospektive die Geschichte seiner Eltern und seinem Aufwachsen auf der Flucht in einem Baumraumschiff vor Technikern und Magiern, Schwiegereltern, Ex-Geliebten des Vaters, Kopfgeldjägern und Lügenkatzen.

“I fell in love with your Son ´cause he is fucking beautiful”
-“But looks will fade”
“I´m not talking looks”

Es sind Dialoge wie dieser, für die man “Saga” lieben kann. Oder für die teils absurden Geschöpfe, wie den Roboterprinzen mit einem Röhrenfernseher als Kopf. Oder die skurrilen Welten. Oder Einfälle wie den, dass die Technikkriegerin ausgerechnet einen Liebes-Groschenroman zu ihrer Bibel erklärt und vom Autor den Sinn des Lebens wissen möchte. Oder das der Babysitter der Geist eines Teenagers ist.

Oder das sich die Zeit genommen wird, die Gefühle der Protagonisten zu visualisieren. Die Illustratorin Fiona Staples findet dafür fast immer die richtigen Bilder – oder eben gerade nicht: Wenn ein ungeborenes Kind im Mutterleib verstirbt, bleibt in “Saga” der Satz “So viel hätte möglich sein können. Wir werden es nie erfahren. Was bleibt ist ein Gefühl von…” einfach in der Luft hängen, und es folgt ein halbes Dutzend völlig schwarze Seiten. Das ist mutig und eindrücklich.

Damit endet das Thema aber nicht. Bill Vaughn schreckt nicht davor zurück zu erzählen, welche Qualen eine Frau durchleidet, die einen toten Fötus im Bauch hat, aber niemanden findet, der zu einer Abtreibung bereit ist. Als Gegengewicht zu diesen düsteren Geschehnissen wirken dann die kleinen, magischen Momente des Familienglücks um so wertvoller und werden angemessen zelebriert.

Durch dieses Gleichgewicht aus freudigen und düsteren Episoden wirkt “Saga” insgesamt einfach superliebenswert, ist dabei aber auch dramatisch, spannend, bewegend, aber im Kern immer eine Geschichte, die sich um Liebe, Familie und Erwachsenwerden dreht – mit allen Höhen und Tiefen. Manchmal gipfelt die Erzählung in kleinen Weisheiten, die man sich merken kann:

“Wenn eine Kette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied, dann ist eine Familie wie ein Seil. Wir sind viele, schwache Fäden und wir überleben nur, weil wir hoffnungslos miteinander verflochten sind”.

“Saga” ist übrigens noch nicht vorbei, nach einem längeren Hiatus des Autors geht die Serie nun weiter – und stieg gleich wieder als erfolgreichste Comicreihe in die US-Charts ein.

Stefan Ulrich: Und wieder Azurro: Die geheimnisvolle Leichtigkeit Italiens [2022]
Ehemaliger Auslandskorrespondent der Süddeutschen Zeitung bereist Italien um herauszufinden, was dessen “Leichtigkeit” ausmacht.

Ich habe fast alle Bücher von Ulrich gelesen. Seine Beobachtungen der italienischen Gesellschaft, die Beschreibungen von landestypischen Eigenheiten, der Kampf seiner Familie mit dem Alltag in Rom – das hat mir vor 10 Jahren sehr geholfen, Italien als Land und die Menschen und ihre Denkweisen zu verstehen und mich dort hineinzufinden.

Leider findet sich in “Azurro” überhaupt nichts von dieser Sorte Nutzwert. Der Autor bereist verschiedene Orte Italiens, die er teils noch von früher kennt, ergeht sich in Landschaftsbeschreibungen und versucht immer wieder, und meist eher unbeholfen, darzustellen, wie er hier ebenso auf seinen eigenen wie auch auf Goethes Spuren wandelt. Dabei kommen Episoden heraus, die sich ständig zu wiederholen scheinen: Landschaftsbeschreibungen, Erinnerungen, Goethezitat, Anekdote-über-Personen-die-eine-Ruine-gekauft-und-daraus-ein-Gasthaus-gemacht-haben oder die Begegnung mit einem alten Weggefährten, Rince and Repeat.

Haste ein Kapitel gelesen, kennste alle Kapitel. Kennste die Orte, kriegste schöne Erinnerungen. Kennste die Orte nicht, ist es gänzlich lahm – zumal sich nie die Frage gestellt wird, ob die vermeintliche “Leichtigkeit” vielleicht nur in der Einbildung von Ausländern existiert.


Hören:


Sehen:

Scoop [2024, Netflix]
Ein Paparazzo fotografiert 2010 im Central Park den britischen Prinzen Andrew beim Spaziergang mit dem verurteilten Pädophilen Jeffrey Epstein. Kurz darauf gelingt ihm noch eine Aufnahme von “Randy Andy”, der zusammen mit Epstein und jungen Frauen in einem versteckten Haus ein- und ausgeht.

Neun Jahre später stolpert eine junge BBC-Redakteurin über die Aufnahmen und nimmt Verhandlungen über ein Interview mit dem Buckingham Palace auf. Kurz nach Epsteins “Selbstmord” kommt der Termin tatsächlich zustande. Im Gespräch mit Gillian Anderson redet sich der Prinz um Kopf und Kragen, und der “Scoop der Dekade” führt zu seinem völligen Rückzug von der royalen Bühne.

Unaufgeregt erzählt, aber sehr intensiv gespielt. Besonders die Protagonistinnen sind absolut großartig: Billie Piper als Redakteurin und Gillian Anderson als Interviewerin zuzusehen, ist eine wahre Freude. Ist man allerdings nicht gänzlich gedanklich bei der Sache, ist “Scoop” etwas langatmig und -weilig.

Aquaman 2 The Lost Kingdom [2023, bluray]
Bösewicht ist von Sauron besessen und macht deshalb den Klimawandel. Um das aufzuhalten, kämpft Jason Maoam gegen schlechtes CGI.

Argh, bäh. Ich mochte den ersten Aquaman wegen seines ungewöhnlichen Looks und des World-Buildings. Das der zweite Teil ewig in der Mache war und X Nachdrehs erfahren hat, ließ Schlimmes vermuten, und es hat sich bewahrheitet: Dieser Streifen ist der kleinste und dümmste gemeinsame Nenner, herausgemendelt aus Publikumsbefragungen und Studio-Einmischung.

Der Plot ist hanebüchen doof, die Story überkompliziert und völlig atemlos erzählt, Charaktere gibt es hier nicht, dauernd knallt und explodiert alles (auch unter Wasser!) und die eigentlich nicen Schauspieler erkennt man häufig nicht, weil die Köpfe von Momoa, Nicole Kidman oder Dolph Lundgren von echt schlechtem CGI-Makeup überdeckt werden und ihre Körper auch erkennbar aus dem Computer kommen und nicht zu den Köpfen passen.

Echt, als hätte man einen Actionfilm auf Wish bestellt. Das der Bösewicht und das Setting für den Endkampf so aussehen, als hätte man alte Sauron-Modelle aus Herr der Ringe recycelt, fällt dabei kaum noch ins Gewicht.

Till Death [2021, BluRay]
Die Ehe von Megan Fox ist einseitig unterkühlt. Er überschüttet sie mit Aufmerksamkeit und Geschenken, sie ist ihm gegenüber abweisend und eisig und begeht Seitensprünge. Eines Tages hat ihr Mann die Faxen dicke. Während eines Ausflugs in ein einsames Wochenendhaus kettet er sich mit einer Handfessel an seine Ehefrau und schießt sich eine Kugel in den Kopf. Die hat nun nicht nur eine Leiche am Hacken Hals im Schlepptau, sondern noch mehr Probleme: Anscheinend hat der Ex vor seinem Tod ein perfides Endgame inszeniert, was u.a. vorsieht, dass die Ehefrau den Kopf verliert.

Von dem Film hatte ich null von erwartet, als ich diese Bluray für 99 Cent vom Grabbeltisch mitgenommen habe. Ich mochte in der Vergangenheit die Megan Fox zwar mal ganz gerne anschauen, aber deren Zenit ist nun auch schon 15 Jahre her, und in der Zwischenzeit ist sie nur durch geschmacklose Ausfälle und unkontrolliertes Kinderkriegen aufgefallen.

Tatsächlich ist “Till Death” aber erstaunlich spannend und unterhaltsam. Der Plot ist gar nicht so simpel wie es auf den ersten Blick scheint, und im Verlauf der Story gibt es immer wieder Einsprengsel von “The Revenant”, “Escape Room” und vor allen “Saw” – und sowas mag ich ja sehr. Kann man sich mal antun, gibt´s bei Prime in der Flatrate.

Straight Heads [2007, DVD]
Auf dem Nachhauseweg von einer Party werden Gillian Anderson und ihr Begleiter von einer Gruppe Jäger überfallen. Er wird so schlimm verprügelt, das er ein Auge verliert, sie wird vergewaltigt.

Schwer traumatisiert haben die beiden Probleme, wieder zurück ins Leben zu finden. Durch Zufall entdecken sie ihre Peiniger und beschließen Rache zu nehmen.

Düsterer Revengeporn, der einen ob seiner Brutalität immer wieder angewidert den Blick abwenden lässt. Die Gewaltszenen sind fast so schlimm wie in “Irreversibel”, den einzigen Film, den ich nie zu Ende geschaut habe. Von Anderson brillant gespielt, aber in Summe eher nichts, was man gucken sollte.

Der Stern von Indien [2017, BluRay]
1947: Die Briten ziehen sich langsam aus Indien zurück, wodurch die Spannungen zwischen religiösen Gruppen so groß werden, dass sie das Land zu zerreißen drohen. Der neue britische Vizekönig sieht sich das an, berät sich mit Ghandi und anderen und fasst einen gewagten Plan: Er will die ehemalige Kolonie in zwei freie Länder aufspalten, in Indien und Pakistan. Im Hintergrund verfolgt Churchill eigene Pläne und versucht eine Barriere gegen die Sowjetunion zu errichten. In der Folge kommt es zur größten Landflucht aller Zeiten, 14 Millionen Menschen flüchten, eine Million stirbt.

Ich hatte mich immer gefragt, wieso heute in Indien plötzlich die religiösen Spannungen so groß sind, dass dort bevorzugt Faschisten gewählt werden. Stellt sich raus: Bildungslücke meinerseits. Erst durch diesen Film habe ich gelernt, dass das ein uraltes Problem ist und durch die Handlungen der Briten noch verschärft wurde. Dass sich die Geschichte nach 70 Jahren wiederholt, genau wie das Erstarken des Rechtsextremismus in Europa, ist kein Zufall. So lange reicht das Familiengedächtnis.

Der Film, der im Original übrigens “Viceroys House” heißt, deutet die Folgen des “Mountbatten-Plans” nur an, das Augenmerk beleuchtet die Wochen und die politischen Umwälzungen, die zu seiner Entstehung führten.

Das ist nicht immer stringent inszeniert, häufig schweift die Geschichte zu Nebenfiguren ab, deren Bedeutung sich nicht erschließt. Aber: Spiel und Ausstattung sind opulent und manche Szenen sehr einprägsam. Etwa, wenn die britischen Ladies, die gerade aus einem Nachkriegslondon kommen und rationiertes Essen gewohnt sind, sich unter den entsetzten Augen der indischen Diener über das Hühnchen hermachen, dass eigentlich als Hundefutter gebracht wurde. Das der Film von einer Enkelin einer Vertriebenen inszeniert wurde, bietet einen besonderen Gänsehauteffekt.


American Psycho [2000, Bluray]
In den 80ern: Koksnasige Immobilienhändler lassen es krachen. Einer aus der Narzistenbande bringt Leute um.

Laaaaaangweilig. Es ist schlicht langweilig, einem Arschloch dabei zuzusehen, wie er sich an seiner Selbstoptimierung hochzieht, neidisch auf die Visitenkarten anderer Leute glotzt und zwischendurch Prostituierte vögelt und Leute umbringt – oder auch nicht, vielleicht ist alles nur ein Traum. Ich mag darin weder einen relevanten gesellschaftlichen Kommentar noch eine tiefere Aussage entdecken, die Hochglanzbilder sind Selbstzweck und sich stets selbst genug.


Spielen:

Shadow of the Tomb Raider [2018, Replay, PS5]
Lara Croft und irgendwas mit Dschungel und Eingeborenen.

Replay des Spiels von 2018. Ich mochte es damals nicht, obwohl ich die beiden Vorgängerspiele geliebt habe. Jetzt habe ich ihm eine eine zweite Chance gegeben, und was soll ich sagen: Die Grafik ist beeindruckend. Die Fehler, die damals das Gameplay richtig scheißig gemacht haben, sind behoben. Aber ansonsten hatte ich damals völlig Recht, als ich das Spiel als “dumm” bezeichnet habe.

“Shadow of the Tomb Raider” ist ab Minute eins Fremdscham pur. Alles, alles lässt mich innerlich winseln, weil es so dumm ist.

Charaktere: Dumm.
Setting: Dumm.
Ereignisse: Saudumm (Flugzeug bricht in der Luft auseinander, der Teil ohne Flügel segelt ganz normal weiter)
Dialoge: Übelkeitserregend dumm.
Quests: Saudumm, und die Questgeber sind viel zu häufig jammernde Kinder.
Progression: Dumm. Kaum ein Skill ist hilfreich, keiner wird benötigt, Auswirkungen auf Spielstil gibt es kaum.

Story: UN-FASS-BAR dumm. Lara klaut ein Buttermesser der Inkas oder Mayas, ist ja eh alles das selbe, und dann geht die Welt unter – oder es gibt nur schlechtes Wetter, das weiß man nicht so genau.

Am Himmel steht eine dauernde Sonnenfinsternis, es sei denn, die Sonne scheint. Das Brotmesser kann die Welt neu machen, wenn man es in ein silbernes Kistchen steckt, aber warum und ob das jetzt gut ist, weiß niemand. Der Bösewicht will mal die Welt unterwerfen, mal nur sein Heimatdorf schützen, und eigentlich ist er nur ein Maya oder Inka oder Azteke, der tief im Urwald leben möchte. Also sucht man eine silberne Schachtel oder auch nicht, denn worum es jetzt wirklich geht oder was auf dem Spiel steht, das wird nie klar, weil die Erzählung so verworren ist.

Alles, alles hier ist kackedumm und ergibt in keiner Sekunde auch nur den geringsten Sinn.

Dazu kommt: “Shadow” ist ein Paradebeispiel für kulturelle Diffamierung und Aneignung. Die weiße Frau Croft zieht sich Klamotten des indigenen Volkes an und zeigt dem dann, wie man Dinge richtig macht. Und das Ureinwohner wahlweise als hilflose Naivlinge gezeigt werden oder als blutbeschmierte Wilde mit abgeflexten Lippen, das war auch 2018 schon übelst cringe.

Damals wie heute war ich froh, dass der Mist nach recht kurzen 8 Stunden (ohne Nebenquests, die sind allesamt Zeitverschwendung) vorbei war. In keiner Sekunde habe ich mich in dem Game und seiner Story wohl gefühlt. Ständig musste ich mich schämen oder genervt denken: Wie DUMM ist das hier alles!? Und welche Dummheit kommt als nächstes?

So sehen Games aus, bei denen jedes Einzelteil gar nicht mal schlecht ist, wo am Ende der Entwicklung aber die Einzelteile nicht zu einem sinnvollen und guten Ganzen zusammenkommen.


Machen:
* Die V-Strom 800 in Rekordzeit umbauen und ausrüsten lassen. Nun ist sie fast komplett. Vermissen ist eine starke Motivation.


Neues Spielzeug:


Ding des Monats:


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

0 Gedanken zu „Momentaufnahme: April 2024


  1. Also ich mag American Psycho 🙂 Vermutlich steckt ein Stück von Patrick Bateman in mir. Allerdings fühlte ich mich auch William Foster (Falling Down) recht verbunden, das gibt mir durchaus zu denken…

    Es ist ein schmaler Grat zum Wahnsinn … 😛

    PS: “Der schmale Grat” mag ich auch sehr

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